Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 452/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 22. August 2017 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.147 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 strebt als Berufsbetreuerin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € an.

2

Die vormalige DDR ließ einen kleinen Teil ihrer Jurastudenten an Universitäten oder Hochschulen in der damaligen UdSSR und anderen RGW-Staaten ausbilden. So erwarb die Beteiligte zu 1 im Jahre 1984 an der Kiewer Staatlichen Schewtschenko-Universität einen Diplomabschluss in der Fachrichtung Völkerrecht. Gegenstand der Ausbildung war auch die Vermittlung russischer Sprachkenntnisse, die mit einem zeitlichen Umfang von insgesamt 1.772 Stunden eines der drei Staatsexamensfächer bildeten. Ihr Abschluss wurde vom Justizprüfungsamt des Freistaats Thüringen als der ersten juristischen Staatsprüfung i.S.v. § 112 Abs. 2 DRiG gleichwertig anerkannt. 1998/1999 hat sie die Prüfungen als Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache bestanden.

3

Die Beteiligte zu 1 hat für die Zeit von Mai 2014 bis Mai 2015 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € eine Vergütung von insgesamt 2.970 € geltend gemacht. Nachdem der Senat in einem Parallelverfahren (XII ZB 346/15) entschieden hat, dass allein aus der Anerkennung eines Abschlusses nach § 112 Abs. 2 DRiG noch nicht auf den Erwerb besonderer Kenntnisse geschlossen werden kann, die für die Führung der Betreuung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nutzbar sind, stützt die Beteiligte zu 1 den von ihr beanspruchten Stundensatz auch auf die von ihr erworbenen russischen Sprachkenntnisse.

4

Das Amtsgericht hat ihr auf der Grundlage eines Stundensatzes von 27 € eine Vergütung in Höhe von 1.822,50 € zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € anstrebt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Landgericht sie in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat. Der Senat ist an die Zulassung gebunden. Die Rechtsbeschwerde ist indessen in der Sache nicht begründet.

6

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es ließe sich nicht feststellen, dass das von der Beteiligten zu 1 abgeschlossene Studium inhaltlich in seinem Kernbereich betreuungsrelevante Inhalte vermittelt habe, die über Grundwissen deutlich hinausgingen und sie in die Lage versetzten, ihre Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Auch Sprachkenntnisse stellten keine besonderen Kenntnisse dar, die im Sinne von § 4 VBVG für die Führung der Betreuung nutzbar seien.

7

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

8

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erhöht sich der Stundensatz (nur dann) von 27 € auf 44 €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 9).

9

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse. Erforderlich ist, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung von betreuungsrelevantem Wissen ausgerichtet ist, das über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 10 f. mwN). Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 12 mwN).

10

b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht.

11

aa) Dass aus den juristischen Inhalten des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums keine besonderen für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse abgeleitet werden können, wird von der Beteiligten zu 1 nicht mehr in Frage gestellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 15 ff.).

12

bb) Sprachkenntnisse sind zwar über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, vermitteln aber keine Kenntnisse, die den Betreuer im Sinne des § 4 VBVG in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen.

13

Die Betreuung umfasst nach § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Die mit diesem Aufgabenkreis unabdingbar verknüpfte persönliche Kontaktaufnahme zu dem Betreuten (vgl. § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB) ist eine Nebenpflicht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 8 mwN). Die zur Erfüllung dieser Nebenpflicht erforderlichen Sprachkenntnisse vermitteln auch dann, wenn sie - wie hier - für die Auswahl des Betreuers ausschlaggebend waren, keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse im Sinne des § 4 VBVG. Damit steht im Einklang, dass die Kosten eines gegebenenfalls für die Kommunikation mit dem Betreuten benötigten Dolmetschers mit der Pauschalvergütung nach §§ 4, 5 VBVG abgegolten sind (Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 7 ff.).

14

cc) Es kommt daher nicht darauf an, dass die russischen Sprachkenntnisse der Beteiligten zu 1, auch soweit sie die Prüfungen als staatlich geprüfte Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache abgelegt hat, nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden.

15

Die von einem Teil der Jurastudenten im Ausland erworbenen Abschlüsse wurden in der DDR selbst nicht als Sprachstudium anerkannt, sondern als juristischer Abschluss. Entsprechend wurden diese Abschlüsse durch mit anderen Staaten abgeschlossene Äquivalenzabkommen den in der vormaligen DDR erworbenen juristischen Diplomabschlüssen gleichgestellt (vgl. BT-Drucks. 12/6243 S. 8; Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 18 ff.).

16

Der sprachliche Teil des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums der Beteiligten zu 1 ist schließlich auch nach seinem zeitlichen Umfang von 1.772 Stunden nicht mit einem Übersetzer-/Dolmetscher-Studium vergleichbar.

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

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