Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - 3 StR 530/17

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 1. Juni 2017 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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Während der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidungen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler erkennen lassen, kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die Gesamtstrafenbildung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) führt dies auch zur Aufhebung der - für sich gesehen ohne durchgreifenden Rechtsfehler bemessenen - Einzelstrafen.

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1. Hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung leiden die Urteilsgründe an einem Darstellungsmangel, weil sie sich nicht zum Vollstreckungsstand einer Vorverurteilung des Angeklagten verhalten.

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Nach den Feststellungen beging der Angeklagte fünf der abgeurteilten Taten zu nicht näher bestimmten Zeiten zwischen Frühjahr 2014 und Frühjahr 2015, die weiteren drei von Frühjahr 2015 bis zum 8. März 2016. In dem erstgenannten Zeitraum verurteilte ihn das Amtsgericht Düsseldorf mit mittlerweile rechtskräftigem Strafbefehl vom 1. Juli 2014 wegen Verstoßes gegen das Markengesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 €. Damit kommt in Betracht, dass diese Geldstrafe und die in dem angefochtenen Urteil für die ersten fünf Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückzuführen sind; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insoweit die Tatbeendigung noch vor dem Erlass des Strafbefehls am 1. Juli 2014 eintrat. Das hätte zur Folge, dass dieser Vorverurteilung Zäsurwirkung zukäme und neben der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitstrafe eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen wäre, auf welche die für die danach begangenen Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen zurückzuführen wären.

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2. Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert. Sollte die Geldstrafe aus der Vorverurteilung nicht erledigt sein, wäre nicht auszuschließen, dass die mit der Vorstrafe gebildete nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe betreffend die zeitlich ersten der abgeurteilten Taten in einer Höhe ausgesprochen worden wäre, die eine Strafaussetzung zur Bewährung noch erlaubt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991- 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 295/13, juris Rn. 5; ferner Sander, NStZ 2016, 656, 662 f. mwN). Zwar hätte die Vollstreckung der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe für die nachfolgenden Taten nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil schon allein die Freiheitsstrafe für die Tat 8 - als Einsatzstrafe - auf zwei Jahre und acht Monate festgesetzt worden ist. Dies würde indes einer günstigen Kriminalprognose nicht von vornherein entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 480/07, juris Rn. 2), zumal der Angeklagte "nicht nennenswert und insbesondere nicht einschlägig vorbestraft" ist (UA S. 41).

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3. Die Einzelstrafen sind ebenfalls aufzuheben, weil anderenfalls für den Fall, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden wären, deren Summe - auf Grund der Höhe der Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von einem Jahr [zweimal], einem Jahr und vier Monaten [viermal], einem Jahr und sechs Monaten sowie zwei Jahren und acht Monaten) - die vormals verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwingend übersteigen würde. Die Aufrechterhaltung der Einzelstrafen liefe damit dem Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zuwider, wonach dem Angeklagten ein durch fehlerhafte Gesamtstrafenbildung erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276).

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4. Daher ist nochmals über den gesamten Strafausspruch zu befinden. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Darstellungsmangel nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bislang getroffenen nicht widersprechen, und zum Vollstreckungsstand des gegen den Angeklagten ergangenen früheren Strafbefehls geboten. Soweit es darauf ankommen sollte, kann die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer für die ersten fünf Taten - soweit möglich - auch die Tatzeiten näher eingrenzen.

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Bei der neuerlichen Gesamtstrafenbildung wird die Strafkammer zu beachten haben, dass hinsichtlich der Vorverurteilung der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (1. Juni 2017) maßgebend ist (s. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169; vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 423/17, juris Rn. 16) und eine Zäsurwirkung des Strafbefehls durch eine mögliche Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht entfiele (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 9a).

      

      

RiBGH Gericke befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

      

        

Becker     

      

Becker

      

Spaniol

        

Berg     

        

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