Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 629/17
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 16. November 2017 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I.
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Für den im Jahre 1965 geborenen Betroffenen besteht seit vielen Jahren eine Betreuung, deren Aufgabenkreis unter anderem die Bereiche Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen umfasst. Nach der über die Jahre hinweg immer wieder von Sachverständigen bestätigten Diagnose leidet der Betroffene an einem hirnorganischen Psychosyndrom bei Zustand nach einem durch einen Verkehrsunfall bedingten Schädel-Hirn-Trauma sowie einem Abhängigkeitssyndrom vom Alkoholtyp und einer - derzeit erscheinungsfreien - Epilepsie.
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Beginnend mit dem Jahr 1993 befand sich der Betroffene bis März 2008 30 Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung. Im März 2008 wurde die Unterbringung des Betroffenen bis zum 1. April 2009 betreuungsgerichtlich genehmigt. Nachdem er nach Ablauf dieser Genehmigung kurze Zeit nicht untergebracht war, folgte Mitte Juni 2009 die erneute Unterbringungsgenehmigung, diesmal für zwei Jahre. Seitdem ist der Betroffene durchgehend mit Genehmigung des Betreuungsgerichts in geschlossenen Einrichtungen untergebracht.
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Mit Beschluss vom 14. März 2017 hat das Amtsgericht die (weitere) Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 22. Februar 2019 genehmigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde wendet.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
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1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen vor. Die Unterbringung sei zum Wohl des Betroffenen erforderlich, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betroffenen die Gefahr bestehe, dass er sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Das beim Betroffenen vorliegende hirnorganische Psychosyndrom schränke seine Fähigkeit zur Impulskontrolle ebenso ein wie seine Einsichtsfähigkeit und seine Urteils- und Kritikfähigkeit. Daher wäre für den Fall, dass der Betroffene in offenem Rahmen versorgt werde, eine gravierende gesundheitliche Schädigung durch erneuten Alkoholkonsum zu erwarten. Die bei ihm bestehende Epilepsie sei zwar derzeit erscheinungsfrei. Dennoch trage seine depressive Disposition zu einer ganz besonderen gesundheitlichen Selbstgefährdung bei neuerlichem Alkoholkonsum bei, der zudem das Risiko, einen Krampfanfall zu erleiden, beträchtlich erhöhe. Wegen der Vorschädigung des Gehirns wäre eine weitere Gehirnschädigung nicht nur durch die toxische Wirkung des Suchtmittels Alkohol anzunehmen, sondern auch durch die unmittelbaren Folgen eines Krampfanfalls wie einerseits Verletzungen, etwa Schädelprellungen, und andererseits die verminderte Sauerstoffversorgung des Gehirns während eines Anfalls. Schließlich sei ohne freiheitsentziehende Unterbringung mit einer akuten Selbstschädigung des Betroffenen im Straßenverkehr zu rechnen sowie seine Verwahrlosung zu befürchten.
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Der Umstand, dass der Betroffene in der Unterbringung - solange er nicht aus ihr entweiche - keinen Alkohol zu sich nehmen könne, spreche nicht gegen ein Abhängigkeitssyndrom. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Unterbringung auf unabsehbare Zeit notwendig, so dass die vom Amtsgericht ausgesprochene Unterbringungsdauer nicht zu beanstanden sei. Der Betroffene könne seinen Willen auch nicht frei bestimmen, was sich sowohl aus den gutachterlichen Ausführungen als auch aus dem in der Anhörung gewonnenen Eindruck des Gerichts ergebe.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings dagegen, dass das Landgericht das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Unterbringung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB bejaht hat.
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aa) Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, so lange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
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Alkoholismus für sich gesehen ist keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung in diesem Sinn, so dass allein darauf die Genehmigung der Unterbringung nicht gestützt werden kann. Ebenso wenig vermag die bloße Rückfallgefahr eine Anordnung der zivilrechtlichen Unterbringung zu rechtfertigen. Etwas anderes gilt, wenn der Alkoholismus entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht, insbesondere einer psychischen Erkrankung, oder ein auf den Alkoholmissbrauch zurückzuführender Zustand eingetreten ist, der das Ausmaß eines geistigen Gebrechens erreicht hat (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZA 12/15 - FamRZ 2015, 1017 Rn. 7 mwN und vom 3. Februar 2016 - XII ZB 317/15 - FamRZ 2016, 807 Rn. 3).
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bb) Diesen rechtlichen Vorgaben entsprechend hat das Landgericht die psychische Krankheit des Betroffenen nicht (allein) aus der vom Sachverständigen gestellten Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms vom Alkoholtyp abgeleitet, sondern insoweit vor allem auf das daneben bestehende hirnorganische Psychosyndrom abgestellt. Es hat sich dabei auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt, das - anders als die Rechtsbeschwerde meint - den Anforderungen des § 321 FamFG (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. August 2013 - XII ZB 614/11 - FamRZ 2013, 1726 Rn. 15 mwN) genügt und die tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB trägt.
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b) Keinen rechtlichen Bestand hat auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen hingegen die Annahme des Landgerichts, bei dem Betroffenen liege eine die zivilrechtliche Unterbringung rechtfertigende Selbstgefährdung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor.
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aa) Die Grundrechte eines psychisch Kranken schließen einen staatlichen Eingriff nicht aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, ihn vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen. Die zivilrechtliche Unterbringung ist - wie das Betreuungsrecht insgesamt - ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist. Deshalb kann die geschlossene Unterbringung zur Vermeidung einer das Leben oder die Gesundheit des Betroffenen erheblich bedrohenden Selbstgefährdung auch dann genehmigt werden, wenn eine gezielte Therapiemöglichkeit nicht besteht und der Betroffene seinen Willen nicht frei bestimmen kann (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZA 12/15 - FamRZ 2015, 1017 Rn. 8 f. mwN und vom 3. Februar 2016 - XII ZB 317/15 - FamRZ 2016, 807 Rn. 3).
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Die mithin nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB mögliche zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer wegen Selbstgefährdung des Betroffenen verlangt keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr. Notwendig, aber auch ausreichend ist eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten. Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein zielgerichtetes Verhalten des Betroffenen, so dass etwa auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus. Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Suizidgefahr oder einer Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2017 - XII ZB 342/16 - FamRZ 2017, 1422 Rn. 12 f. mwN und vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 665/11 - FamRZ 2013, 289 Rn. 15 mwN).
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bb) Für die zivilrechtliche Unterbringungsgenehmigung zur Verhinderung der Selbstgefährdung eines bereits untergebrachten Betroffenen gelten insoweit bei einer (wie im vorliegenden Fall) schon mehrere Jahre andauernden Freiheitsentziehung keine anderen materiell-rechtlichen Anforderungen. Der Gefährdungsbegriff des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB bleibt unverändert, so dass die (weitere) Unterbringung eine - ohne die Freiheitsentziehung nach wie vor bestehende - ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen voraussetzt.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht sieht § 329 Abs. 2 Satz 1 FamFG für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme vor, dass die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend gelten. Nach § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG soll das Gericht allerdings bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist. Damit soll vermieden werden, dass eine Unterbringung über einen Zeitraum von vier Jahren hinaus aufrechterhalten wird, ohne dass ihr das Gutachten eines außenstehenden Sachverständigen zugrunde liegt (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - XII ZB 458/16 - FamRZ 2017, 227 Rn. 13 ff.).
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cc) Darüber hinausgehende Besonderheiten können sich bei einer bereits mehrere Jahre währenden Unterbringung allerdings mit Blick auf die Feststellung der von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorausgesetzten Gefährdung von Leib oder Leben des Betroffenen und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung ergeben.
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(1) In die gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG unverletzliche Freiheit der Person darf nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden. Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Gerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten. Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt dabei zum einen Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG FamRZ 2015, 1367 Rn. 16 f. mwN und FamRZ 1998, 895, 896).
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Zum anderen ist die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf. Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Sie ist in der Regel nur zulässig, wenn sie der Schutz der Allgemeinheit oder der Rechtsgüter anderer verlangt. Indes kann sie sich auch durch den Schutz des Betroffenen rechtfertigen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustands und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die sich daraus für ihn ergebenden Gefährdungssituationen nicht zu beurteilen vermag oder sich trotz einer solchen Erkenntnis infolge der Krankheit der Gefährdung nicht entziehen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von ihm abzuwenden. Dabei drängt sich auf, dass dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen werden muss (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 1367 Rn. 18 mwN und FamRZ 1998, 895, 896).
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Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende verfassungsrechtliche Pflicht, unter eng begrenzten Voraussetzungen Schutzmaßnahmen für bestimmte unter Betreuung stehende Menschen vorzusehen, folgt aus deren spezifischer Hilfsbedürftigkeit. Wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, Gefährdungen zu erkennen oder nach einer solchen Erkenntnis zu handeln, sind sie insofern schutzlos und hilfsbedürftig, als sie Gefährdungen von Leib und Leben ausgeliefert sind, ohne selbst für ihren Schutz sorgen zu können. Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen jedoch nicht einfach sich selbst überlassen (vgl. BVerfGE 142, 313 = FamRZ 2016, 1738 Rn. 73).
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(2) Für die Unterbringung im strafrechtlichen Maßregelvollzug hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden, dass die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs umso strenger sind, je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert. Danach wirkt sich im Falle von langdauernden Unterbringungen das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch auf die an die Begründung einer Entscheidung zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Richters ein und das Bundesverfassungsgericht prüft mit wachsender Intensität des Freiheitseingriffs auch mit einer zunehmenden Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch ist es möglich, im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. etwa BVerfG R&P 2017, 32, 34 mwN und R&P 2016, 242, 244 mwN).
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Bei der zivilrechtlichen Unterbringung als Maßnahme des Erwachsenenschutzes geht es demgegenüber zwar nicht um die Abwägung zwischen verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen des Untergebrachten und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit, sondern um die Frage, ob der (weitere) Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen durch den von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geforderten Schutz seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit geboten ist. Auch in diesem Zusammenhang gewinnt jedoch der Anspruch auf persönliche Freiheit mit Fortdauer der Unterbringung an Gewicht, weil die Intensität des Grundrechtseingriffs zunimmt. Die Dauer der zivilrechtlichen Unterbringung beeinflusst mithin ebenfalls die Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayObLG BtPrax 2005, 68).
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(3) Für die im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu treffende Prognose, welcher Gefährdung von Leib oder Leben der Betroffene ohne eine freiheitsentziehende Unterbringung ausgesetzt wäre, muss die bereits verstrichene Unterbringungszeit berücksichtigt und geprüft werden, ob angesichts des Zeitablaufs die Selbstgefährdung in der für eine Unterbringung erforderlichen Intensität fortbesteht. Denn die die Gefährdungsprognose ursprünglich tragenden tatsächlichen Umstände werden mit wachsendem zeitlichen Abstand nicht selten an Gewicht verlieren, während die Entwicklung des Betroffenen in der Unterbringung Anhaltspunkte für eine geringere Wahrscheinlichkeit des Eintritts erheblicher Gesundheitsschäden oder gar einer Lebensgefahr außerhalb der Unterbringung liefern kann. Dies kann letztlich dazu führen, dass allein wegen des Zeitraums, in dem der Betroffene untergebracht war, eine hinreichend sichere Gefährdungsprognose nicht mehr möglich und daher die Beendigung der Unterbringung geboten ist.
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Zugleich wird sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bei der Prüfung des Vorliegens milderer Mittel in Fällen einer lang andauernden Unterbringung die Frage aufdrängen, inwieweit es inzwischen vertretbar und praktisch durchführbar ist, dass der Betroffene - etwa in einer betreuten, aber offenen Wohnform mit entsprechend engmaschiger Begleitung - wieder ein Leben außerhalb der Unterbringung führt (vgl. BayObLG BtPrax 2005, 68; Dodegge/Roth Betreuungsrecht 4. Aufl. S. 543 f.). Dabei ist zu bedenken, dass die dauerhafte Unterbringung eines psychisch Kranken - wie des Betroffenen des hiesigen Verfahrens - ohne die Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit auch unter dem Blickwinkel des Erwachsenenschutzes jedenfalls bei Krankheitsbildern wie dem des Betroffenen nur im Ausnahmefall gerechtfertigt sein wird (vgl. jurisPK-BGB/Jaschinski [Stand: 22. November 2017] § 1906 Rn. 83 ff.).
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Die tatrichterliche Entscheidung muss im Einzelnen offenlegen, dass der erkennende Richter diese Einflussmöglichkeiten der bereits verstrichenen Unterbringungsdauer auf die Frage des Fortbestehens der Unterbringungsvoraussetzungen erkannt und wie er sie in deren Prüfung hat einfließen lassen.
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dd) Diesen rechtlichen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
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(1) Zu der Frage, inwiefern die zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Beschlussfassung fast achteinhalb Jahre währende Unterbringung die für den im Jahre 1965 geborenen Betroffenen zu treffende Gefährdungsprognose und die Verhältnismäßigkeit seiner weiteren Unterbringung beeinflusst, finden sich in dem angegriffenen Beschluss keine Ausführungen. Im Gegenteil zieht das Landgericht zur Begründung der aus einem neuerlichen Alkoholkonsum folgenden Gefahren ohne weiteres das zu zahlreichen kurzfristigen Unterbringungen in den Jahren 1993 bis 2008 führende - im Übrigen nicht näher beschriebene - und damit lange Zeit zurückliegende Verhalten des Betroffenen heran. Die Gefahr einer Verwahrlosung wird mit einem Aktenvermerk aus dem März 2004 begründet. Erwägungen dazu, wie sich die lange andauernde Unterbringung auf die von dem inzwischen auch deutlich lebensälteren Betroffenen zu erwartenden Verhaltensweisen auswirkt, hat das Landgericht nicht angestellt.
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(2) Davon unabhängig sind die vom Landgericht angeführten Umstände jedenfalls auf der Grundlage der hierzu getroffenen Feststellungen nicht geeignet, die weitere Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu rechtfertigen.
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Zu den vom Landgericht erörterten möglichen Alkoholrückfällen fehlt es neben einer konkreten Darlegung, wie wahrscheinlich diese sind, auch an Ausführungen zu der zu befürchtenden Intensität und zu den konkret zu erwartenden, damit verbundenen gesundheitlichen Folgen für den Betroffenen. Inwiefern eine "weitere Gehirnschädigung" zu befürchten sein soll, ist nicht erläutert. Soweit das Landgericht auf die - derzeit erscheinungsfreie - Epilepsie und die damit einhergehende Gefahr von Krampfanfällen verweist, bleibt unklar, wie hoch das hierfür bestehende Risiko nach der inzwischen verstrichenen Zeit einzuschätzen ist. Für die in den Gründen der Beschwerdeentscheidung insoweit ebenfalls angesprochene depressive Disposition des Betroffenen fehlt es an jeglichen Ausführungen zu damit einhergehenden Gefährdungen.
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Die weiter angeführte Gefahr einer Verwahrlosung ist als solche nicht geeignet, eine Selbstgefährdung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu begründen, weil schon nicht aufgezeigt ist, inwieweit mit ihr die konkrete Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens verbunden sein soll. Dies ergibt sich auch nicht aus den vom Landgericht in Bezug genommenen Aktenbestandteilen.
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Soweit das Landgericht schließlich auf Gefahren durch den "Straßenverkehr" abstellt, bleibt unklar, inwiefern solche krankheitsbedingt spezifisch dem Betroffenen drohen sollen. Zur Begründung wird einzig ein Vorfall aus dem Juni 2016 angeführt, als der Betroffene aus der geschlossenen Einrichtung entwichen war und in der Gleisanlage eines Bahnhofs "offensichtlich hilflos angetroffen wurde". Wie sich diese Hilflosigkeit geäußert hat, ist ebenso wenig dargelegt oder aus den in Bezug genommenen Aktenbestandteilen erkennbar wie es konkrete Umstände dieses Vorfalls sind, etwa der Grad einer eventuellen Alkoholisierung oder auch die Beschreibung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen.
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(3) Es ist zudem nicht ersichtlich, dass das Landgericht geprüft hat, ob den für den Betroffenen bestehenden Gefährdungen nicht jedenfalls inzwischen etwa in einer offenen Wohnform bei ggf. engmaschiger Betreuung und Überwachung in vertretbarer Weise begegnet werden kann.
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c) Im Übrigen enthält der angefochtene Beschluss keine tragfähige Begründung für das Abweichen von der gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG regelmäßig ein Jahr betragenden Höchstfrist.
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Nach dieser Vorschrift endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Begrenzung für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der "Offensichtlichkeit", dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten (Senatsbeschlüsse vom 22. März 2017 - XII ZB 358/16 - FamRZ 2017, 996 Rn. 24 und vom 6. April 2016 - XII ZB 575/15 - FamRZ 2016, 1063 Rn. 14 mwN).
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Das Landgericht hat insoweit lediglich darauf verwiesen, die Unterbringung des Betroffenen sei nach den Ausführungen des Sachverständigen "auf unabsehbare Zeit notwendig". Inwieweit dies eine Offensichtlichkeit im vorgenannten Sinne begründen soll, erschließt sich nicht.
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3. Die angegriffene Entscheidung ist daher nach § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen, das nun die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird.
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Dose
Klinkhammer
Günter
Nedden-Boeger
Guhling
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Referenzen
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- XII ZB 614/11 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 342/16 1x