Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 240/17

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 20. April 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der 1933 geborene Betroffene erteilte im Jahr 2009 seiner Ehefrau (Beteiligte zu 2), seiner Tochter (Beteiligte zu 1) und seinem Sohn (Beteiligter zu 3) eine umfassende Vorsorgevollmacht. Er leidet an einer fortgeschrittenen vaskulären Demenz nach einem Mediateilinfarkt sowie weiteren Erkrankungen.

2

Auf Anregung der Beteiligten zu 1 und mit Einverständnis des Betroffenen hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 4 zur Kontrollbetreuerin bestellt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit am 25. April 2017 zur Geschäftsstelle gelangtem Beschluss zurückgewiesen. Ein am 24. April 2017 bei Gericht eingegangener Schriftsatz des Betroffenen hat bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Aufhebung der Kontrollbetreuung.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

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Der Anordnung der Kontrollbetreuung stehe ein abweichender beachtlicher Wille des Betroffenen im Sinne von § 1896 Abs. 1a BGB nicht entgegen. Auch wenn der Betroffene die Kontrollbetreuung ursprünglich gebilligt habe, sei ein nun ablehnender Wille unbeachtlich, da der Betroffene zur Bildung eines freien Willens nicht mehr in der Lage sei. Er leide ausweislich des psychiatrischen Sachverständigengutachtens an einer fortgeschrittenen vaskulären Demenz sowie Desorientierung und Sprachverfall. Bei der Anhörung habe die Kammer den Eindruck erlangt, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, den Zweck einer Kontrollbetreuung sowie die für und gegen eine solche sprechenden Umstände zu erfassen und abzuwägen.

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Hinzu kämen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 3 als Bevollmächtigter nicht immer im Interesse des Betroffenen handele. Dieser habe in seiner Funktion als Bevollmächtigter des Betroffenen dessen Geld bei zahlreichen Direktbanken angelegt. Hinsichtlich eines Kontos bei der Deutschen Pfandbriefbank sei der Betroffene jedoch nicht einmal Mitinhaber, obwohl es sich bei den auf diesem Konto angelegten Geldbeträgen um wesentliche Teile des Vermögens des Betroffenen handele. Da aber der Beteiligte zu 3 Mitinhaber dieses Kontos sei, sei jedenfalls die greifbare Gefahr der Vermengung von Vermögenszuordnungen begründet. Dass dies dem Interesse oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen entspreche, könne nicht festgestellt werden. Auch die Anweisung des Beteiligten zu 3 an die kontoführende Bank, der Beteiligten zu 1 auf Nachfrage Auskünfte zu erteilen, ändere hieran nichts, da der Beteiligte zu 3 nicht gehindert sei, die Auskunftsberechtigung zu ändern. Zudem decke der Beteiligte zu 3 seine monatlichen Fixkosten vom Konto seiner Eltern. Schließlich sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 3 gegenüber der Beteiligten zu 1 ausdrücklich erklärt habe, dass eine Verfügungsbefugnis oder ein Einblick in die Finanzen des Betroffenen nicht erforderlich und ausschließlich er für die Finanzen der Eltern verantwortlich sei. Diese Anmaßung einer alleinigen Vertretung stehe in Widerspruch zu dem in der Vollmachtsurkunde verkörperten Willen des Betroffenen. Deshalb blieben trotz der vom Beteiligten zu 3 entfalteten Bemühungen um Wiederbegründung des Vertrauens Zweifel daran, dass er die Vollmachtausübung künftig allein am Interesse des Betroffenen orientieren werde. Dies alles weise darauf hin, dass der Beteiligte zu 3 entweder mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert sei, oder dass Zweifel an dessen Redlichkeit oder Tauglichkeit als Bevollmächtigter begründet seien, so dass es zumindest der Bestellung eines Kontrollbetreuers bedürfe. Eine Überwachung durch die Beteiligte zu 1 sei nicht gewährleistet; die Beteiligte zu 2 nehme die Aufgabe einer Kontrolle der Vollmachtausübung durch den Beteiligten zu 3 nicht wahr.

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2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der angefochtene Beschluss beruht auf einem entscheidungserheblichen Verfahrensfehler.

8

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es verstößt gegen diesen Grundsatz, wenn das Gericht einen ordnungsgemäß eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt.

9

Die gerichtliche Entscheidungsfindung endet mit dem Erlass des Beschlusses; erst zu diesem Zeitpunkt wird dieser als Rechtsprechungsakt existent. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses befindet sich der Beschluss nur im Entwurfsstadium und kann daher vom Gericht noch abgeändert werden. Nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG ist die nicht verkündete Beschwerdeentscheidung mit der Übergabe des von den Mitgliedern des Spruchkörpers unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen. Daher sind in Betreuungssachen Schriftsätze des Beschwerdeführers, die bis zu diesem Zeitpunkt eingehen, grundsätzlich bei der Beschwerdeentscheidung noch zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes von allen Mitgliedern des Spruchkörpers bereits unterzeichnet, aber noch nicht an die Geschäftsstelle übergeben worden ist. Bleibt schriftsätzliches Vorbringen, das vor Erlass der Entscheidung i.S.v. § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG eingegangen ist, unberücksichtigt, wird der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) auch dann verletzt, wenn dem Beschwerdegericht der Schriftsatz nicht mehr rechtzeitig vorgelegt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 525/14 - FamRZ 2015, 1698 Rn. 8 mwN).

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b) Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, das Vorbringen aus dem am 24. April 2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen bei der Entscheidung über die Beschwerde berücksichtigen müssen.

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Zwar haben die Mitglieder der Kammer den Beschluss augenscheinlich nach der am 20. April 2017 stattgefundenen Anhörung des Betroffenen noch am gleichen Tag gefasst und diesen auch unterzeichnet. Der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen ging dagegen erst am Montag, dem 24. April 2017, per Fax und am 25. April 2017 im Original nebst Anlagen bei Gericht ein. Jedoch ergibt sich aus der Verfahrensakte, dass der Beschluss erst am 25. April 2017 der Geschäftsstelle des Landgerichts übergeben worden ist. Da der Schriftsatz somit vor Erlass der Beschwerdeentscheidung beim Landgericht eingegangen war, durfte das darin enthaltene Vorbringen bei der Beschwerdeentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben.

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In diesem Schriftsatz legt der Betroffene dar und weist durch eine beigefügte Anlage nach, dass das Konto bei der Deutschen Pfandbriefbank durch den Beteiligten zu 3 aufgelöst und das darauf befindliche Guthaben auf ein Referenzkonto überwiesen wurde, dessen Inhaber allein der Betroffene und seine Ehefrau sind. Damit ist aber einer der Umstände, die für das Beschwerdegericht für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung ausschlaggebend waren, weggefallen.

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3. Diese Rechtsverletzung ist auch entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die auf einer umfassenden Würdigung verschiedener Gesichtspunkte beruhende Entscheidung des Beschwerdegerichts bei Berücksichtigung des Inhalts des Schriftsatzes vom 24. April 2017 anders ausgefallen wäre.

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4. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

15

5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

Klinkhammer     

      

Schilling

      

Günter     

      

Krüger     

      

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