Beschluss vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 5/11 C

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senates vom 1. Juni 2011 wird verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

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I. Dem Kläger wurde wegen Verstoßes gegen die Richtlinien zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Den Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.1.2011 zu bewilligen, hat der Senat mit Beschluss 1.6.2011, der dem Kläger am 28.6.2011 zugestellt worden ist, abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 6.9.2011 erhobene Anhörungsrüge.

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II. Die Anhörungsrüge des Klägers, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung und dementsprechend ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden kann (§ 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 124 Abs 3 SGG; s dazu BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 RdNr 16 f; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f), hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.

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Für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), dass die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG) und dass das Vorbringen einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG). Die erste Voraussetzung ist erfüllt. Anders verhält es sich mit der zweiten und dritten Voraussetzung, denn der Kläger hat die Rüge weder fristgerecht erhoben noch hat er mit seinem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch den Beschluss des Senats vom 1.6.2011 hinreichend dargetan.

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Zur Wahrung der Zweiwochenfrist für die Einlegung und Begründung der Anhörungsrüge kommt es auf den Zeitpunkt der Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen an, auf die die Rüge gestützt wird. Nicht erforderlich ist die subjektive Erkenntnis, dass diese Tatsachen eine Anhörungsrüge rechtfertigen (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 4 ff). Die Frist des § 178a Abs 2 Satz 1 SGG hat der Kläger versäumt, weil er die Anhörungsrüge erst mehr als zwei Monate nach der Zustellung des Beschlusses des BSG erhoben hat.

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Ungeachtet der Verfristung ist die Anhörungsrüge auch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben. Nach § 178a Abs 2 Satz 5 SGG muss die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs 1 Satz 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Nach § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Art 103 Abs 1 GG verpflichtet ebenso wie § 62 SGG die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, welche ihren Grund im Unterlassen der Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Dieses Gebot verpflichtet die Gerichte allerdings nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG , Beschlüsse vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28; vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - BVerfGK 14, 238 = WM 2008, 2084 f, unter Hinweis auf BVerfGE 64, 1, 12 und BVerfGE 87, 1, 33 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 4). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; es muss nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (stRspr BVerfG, s zB BVerfG , Beschlüsse vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303, juris RdNr 9 ff mwN; vom 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04 - BVerfGK 7, 485, 488).

6

Die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge erforderliche Darlegung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss diesen Gehalt des Gebots berücksichtigen; es bedarf mithin einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Prozessgrundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliege. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Die Ausführungen des Klägers zur Begründung einer Gehörverletzung zielen ausschließlich darauf ab, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beanstanden. Er begründet erneut, warum ihm aus seiner Sicht PKH bewilligt werden müsste, und wendet sich damit unter Hinweis auf einen angeblichen Gehörverstoß gegen die Rechtsanwendung durch den Senat in der Sache selbst. Das Recht auf rechtliches Gehör bietet aber keine Gewähr dafür, dass Anträgen eines Beteiligten gefolgt wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 13).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Die Festsetzung eines gesonderten Streitwerts für das Anhörungsverfahren ist entbehrlich, weil als Gerichtsgebühr ein fester Betrag anfällt, der nicht nach dem Streitwert bemessen wird (Nr 7400 des Kostenverzeichnisses - Anlage 1 - zum GKG).

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