Urteil vom Bundessozialgericht (11. Senat) - B 11 AL 25/11 R

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 5. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, auf ihrer Internetseite die Klägerin, eine private Arbeitsvermittlerin, von der Nutzung einer Rubrik auszuschließen.

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Die Beklagte betreibt auf ihrer eigenen Internetseite (www.arbeitsagentur.de) eine Rubrik "Jobbörse". Nach den von ihr aufgestellten Nutzungsbedingungen dürften bestimmte Angebote nicht eingestellt werden, zB Angebote, die ganz oder teilweise bloßen Werbe- oder Geschäftszwecken dienen, kostenpflichtige Angebote jeder Art sowie Angebote, die den Abschluss eines Vermittlungsvertrags, der gegen § 296 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) verstößt, voraussetzen. Ferner ist die Beklagte bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen zur sofortigen Löschung berechtigt.

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Die Klägerin stellte in die "Jobbörse" Angebote ein und ließ sich von Arbeitsuchenden, die sich auf solche Angebote meldeten, die Zahlung eines so bezeichneten Aufwendungsersatzes von 25 Euro zusagen. Dies geschah - unabhängig vom Vermittlungsvertrag - durch Unterzeichnung einer entsprechenden Klausel auf sog Bewerbungsbögen. Soweit die Klägerin mit Arbeitsuchenden auch Vermittlungsverträge abschloss, enthielten diese keine Klausel zu einem gesonderten Aufwendungsersatz.

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Im Oktober 2009 deaktivierte die Beklagte das Benutzerkonto der Klägerin mit der Begründung, die praktizierte Erhebung eines pauschalen Aufwendungsersatzes unabhängig von einem Vermittlungserfolg sei wegen Verstoßes gegen § 296 Abs 1 S 3 SGB III unzulässig. Nachdem sich die Klägerin mit der Beklagten über eine vorläufige Änderung der Vertragsformulare geeinigt und die Erhebung eines Aufwendungsersatzes von 25 Euro vorbehaltlich einer abschließenden Klärung ausgesetzt hatte, wurde ihr Benutzerkonto wieder aktiviert.

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Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, ihr Benutzerkonto zu deaktivieren, wenn sie von angemeldeten Arbeitsuchenden einen Aufwendungsersatz erhebe. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 5.10.2011). Das SG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin praktizierte Erhebung eines pauschalen Aufwendungsersatzes sei gemäß § 297 Nr 1 SGB III iVm § 296 Abs 1 S 3 SGB III unwirksam. Die genannten Vorschriften des SGB III schlössen einen Rückgriff auf die Makler-Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus. Zu den durch den Vermittlungsgutschein bzw seine Auszahlung abgegoltenen Leistungen gehörten auch die Leistungen, die der Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung dienten; notwendige Bestandteile der Vermittlungstätigkeit sollten danach nicht aus dem Vermittlungsvertrag herausgelöst bzw gesondert vereinbart und vergütet werden können.

6

Mit der Sprungrevision macht die Klägerin geltend, der von ihr beanspruchte Ersatz von Aufwendungen sei nicht durch Vorschriften des SGB III verboten und sei auch als sog "Hemmschwelle" für Bewerber sinnvoll. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei Arbeitsvermittlungsverträgen gleichermaßen um durch öffentlich-rechtliche Normen modifizierte zivilrechtliche Vereinbarungen handle, auf die die Grundsätze des Maklerrechts anzuwenden seien. Das zivile Maklerrecht unterscheide grundlegend zwischen dem eigentlichen Maklerlohn und den Aufwendungen. Letztgenannte seien dem Makler stets zu ersetzen, wenn dies vereinbart sei, und seien streng von der Vergütung des Maklers zu unterscheiden. Im Einzelnen werde auf ein in erster Instanz vorgelegtes Rechtsgutachten von Prof. Dr. M. F. verwiesen.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das Benutzerkonto der Klägerin auf der Internetseite der Beklagten unter der Rubrik "Jobbörse" zu deaktivieren, wenn die Klägerin von bei ihr angemeldeten Arbeitsuchenden einen Aufwendungsersatz von jeweils 25 Euro erhebt.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die - mit Zustimmung der Beklagten eingelegte - Sprungrevision genügt den Formerfordernissen des § 161 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

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1. Das SG ist im Ergebnis zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ihr Benutzerkonto der Rubrik "Jobbörse" zu deaktivieren. Sie hat insoweit unzweifelhaft ein berechtigtes Interesse. Ob die Klage - wie das SG gemeint hat - als Fortsetzungsfeststellungsklage iS des § 131 Abs 1 S 3 SGG anzusehen ist, was die Erledigung eines Verwaltungsakts voraussetzen würde, kann dahinstehen. Die Klage ist jedenfalls als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig.

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2. Aus dem Klagebegehren folgt, dass Streitgegenstand nur die Frage ist, ob die Beklagte als Betreiberin einer Internetseite die Klägerin als registrierte Nutzerin von der Nutzung ausschließen kann. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist somit die in dem von der Klägerin dem SG vorgelegten Rechtsgutachten vorrangig behandelte Frage, ob § 296 SGB III es dem privaten Arbeitsvermittler allgemein verbietet, mit dem Arbeitsuchenden einen Aufwendungsersatz gemäß § 652 Abs 2 BGB zu vereinbaren (vgl dazu Fuchs in SGb 2012, 673 ff; derselbe in Gagel, SGB II/SGB III, Dezember 2012, § 296 SGB III RdNr 12).

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3. Das SG hat zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, das Benutzerkonto der Klägerin auf der von der Beklagten im Internet betriebenen "Jobbörse" zu deaktivieren. Mit der Einrichtung der "Jobbörse" als ein internetgestütztes Vermittlungsverfahren ist die Beklagte ihrer Verpflichtung aus § 41 Abs 1 und 2 SGB III - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917, ab 1.4.2012 § 40 Abs 1 und 2 SGB III - nachgekommen, ua Arbeitsuchenden und Arbeitgebern in geeigneter Weise Gelegenheit zu geben, sich selbst über freie Stellen- und Bewerberangebote zu unterrichten. Ob und inwieweit die Nutzung der "Jobbörse" ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis eigener Art begründet und den Nutzungsbedingungen Normqualität zukommt, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ergibt sich die Berechtigung der Beklagten zur Deaktivierung aus ihrer Eigenschaft als Betreiberin der Internetseite und insoweit aus ihrem "virtuellen Hausrecht" in Verbindung mit den von der Klägerin als Nutzerin der Internetseite akzeptierten Nutzungsbedingungen.

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Dem Betreiber einer Internetseite, der es Nutzern ermöglicht, eigene Inhalte oder Informationen in einem vom Betreiber zur Verfügung gestellten technischen Rahmen zu veröffentlichen, ist ein sog "virtuelles Hausrecht" zuzugestehen (vgl Roggenkamp in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl 2011, Kap 10 RdNr 473 ff, 513 ff - zum Meinungsstand bei privaten Plattformbetreibern). Ein solches Recht ist schon deshalb erforderlich, um einer denkbaren Haftung als Internetanschlussinhaber bzw Betreiber einer Internetplattform (vgl BGHZ 185, 330 = NJW 2010, 2061; BGH, Urteil vom 17.12.2010 - V ZR 44/10 - NJW 2011, 753 RdNr 12) vorbeugen zu können. Im Rahmen des "Hausrechts" ist der Betreiber insbesondere befugt, die Voraussetzungen für die Gestaltung der Nutzung sowie konkrete Sanktionsmöglichkeiten von vornherein durch verbindliche Nutzungsbedingungen zu regeln, denen der Nutzer bei der Registrierung zustimmen muss (Roggenkamp aaO RdNr 520 ff).

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Die Klägerin war unstreitig in der "Jobbörse" als berechtigte Nutzerin registriert. Dies setzt nach § 2 Abs 2 der Nutzungsbedingungen für die "Jobbörse" zwangsläufig voraus, dass sie diese Bedingungen vorher zur Kenntnis genommen und ihr Einverständnis erklärt hat. Die Nutzungsbedingungen sehen in § 9 im Hinblick auf die Zielsetzung einer "Beschleunigung und Entbürokratisierung der Arbeitsvermittlung" einen Katalog von sog unzulässigen Angeboten vor, die "insbesondere" in die "Jobbörse" nicht eingestellt werden dürfen. Laut § 9 Abs 2 der Nutzungsbedingungen dürfen ua Angebote nicht eingestellt werden, die gegen Rechtsvorschriften verstoßen, weiter Angebote, die ganz oder teilweise bloßen Werbe- oder Geschäftszwecken dienen, ferner kostenpflichtige Angebote jeder Art sowie Angebote, die den Abschluss eines Vermittlungsvertrags, der gegen § 296 SGB III verstößt, voraussetzen. Nach § 10 Abs 1 der Nutzungsbedingungen ist die Beklagte berechtigt, bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen Angebote sofort zu löschen.

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Bei den von der Klägerin eingestellten Angeboten, die mit der Unterzeichnung einer Vereinbarung über Aufwendungsersatz durch Arbeitsuchende verknüpft waren, handelt es sich schon deshalb um "unzulässige Angebote", weil sie als "kostenpflichtige Angebote" iS der Nutzungsbedingungen anzusehen sind. Die Beklagte war berechtigt, kostenpflichtige Angebote sofort zu löschen bzw den Nutzer von der Nutzung der "Jobbörse" auszuschließen. Denn die "Jobbörse" dient der Arbeitsvermittlung und die Beklagte übt die Vermittlung grundsätzlich unentgeltlich aus (§ 43 Abs 1 SGB III in der im Jahre 2009 geltenden Fassung, vgl Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848; ab 1.4.2012 § 42 Abs 1 SGB III). Dem entspricht, dass nicht nur die Nutzung der Jobbörse für die Beteiligten unentgeltlich ist (vgl § 1 Abs 1 S 2 der Nutzungsbedingungen), sondern auch die Nutzungsinhalte, dh die Angebote unentgeltlich zu sein haben (vgl § 9 Abs 2 der Nutzungsbedingungen). Mit diesem Grundsatz der Unentgeltlichkeit lässt sich das Begehren der Klägerin, die durch die "Jobbörse" angesprochenen Arbeitsuchenden zur Zahlung eines Aufwendungsersatzes ohne weitere Voraussetzungen zu verpflichten, nicht vereinbaren. Mit dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit vereinbar ist, dass die Beklagte, wie § 9 Abs 2 ihrer Nutzungsbedingungen zu entnehmen ist, Angebote zulassen will, die auf den Abschluss eines mit § 296 SGB III vereinbaren (entgeltlichen) Vermittlungsvertrags abzielen. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen dem in den Bewerbungsbögen enthaltenen Angebot und dem Vermittlungsvertrag, auch wenn nach den Angaben der Klägerin beide Verträge eine Einheit bilden sollten. Denn die Klägerin will, wie sie selbst vorträgt, alle Arbeitsuchenden, die sich an sie wenden, zur Zahlung von Aufwendungsersatz verpflichten, und zwar unabhängig davon, ob ein Vermittlungserfolg im Einzelfall eintritt. Hieraus folgt, dass die von der Klägerin eingestellten Angebote "kostenpflichtig" iS der Nutzungsbedingungen sind.

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Dahinstehen kann, ob es sich bei den von der Klägerin in die "Jobbörse" eingestellten Angeboten - wie die Beklagte meint - um solche handelt, die den Abschluss eines Vermittlungsvertrags, der gegen § 296 SGB III verstößt, voraussetzen. Insbesondere bedarf es keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob aus §§ 296, 297 SGB III ein allgemeines Verbot für private Arbeitsvermittler abzuleiten ist, mit Arbeitsuchenden Ersatz von Aufwendungen gemäß § 652 Abs 2 BGB zu vereinbaren. Denn selbst dann, wenn es der Klägerin durch die Vorgaben der §§ 296, 297 SGB III nicht verwehrt wäre, mit Arbeitsuchenden Aufwendungsersatz zu vereinbaren, bleiben die eingestellten Angebote unzulässig, da sie "kostenpflichtig" iS der Nutzungsbedingungen sind.

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Der Berechtigung der Beklagten zum Ausschluss der Klägerin von der "Jobbörse" unter den genannten Voraussetzungen stehen sonstige Rechtsvorschriften einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen nicht entgegen. Soweit nach § 35 Abs 3 S 1 iVm § 41 Abs 2 SGB III (ab 1.4.2012 § 40 Abs 2 SGB III) von der Beklagten für die Vermittlung auch Selbstinformationseinrichtungen im Internet einzusetzen sind, folgen daraus keine subjektiven Rechte, sondern die Ausgestaltung der Vermittlung steht auch insoweit im Ermessen der Beklagten (Urteil des Senats vom 12.5.2011 - B 11 AL 17/10 R - SozR 4-4300 § 45 Nr 2; vgl auch Labrenz in Eicher/Schlegel, SGB III, § 41 RdNr 25, Stand 2011).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

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5. Die Streitwertentscheidung stützt sich auf §§ 47, 52 Abs 2 iVm § 63 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert auch für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 S 1 GKG; zur Befugnis des Rechtsmittelgerichts vgl BSGE 97, 153, 157 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4 mwN; Beschluss des Senats vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24). Eine Unterschreitung des Regelstreitwerts von 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG ist nicht gerechtfertigt, weil die Feststellungsklage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft erhoben und mit einer auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichteten Leistungsklage gleichwertig ist (vgl BSG Beschluss vom 5.10.1999 - B 6 KA 24/98 R - Juris RdNr 6).

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