Urteil vom Bundessozialgericht (11. Senat) - B 11 AL 17/12 R

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Zuschusses für die zusätzliche betriebliche Ausbildung besonders förderungsbedürftiger Auszubildender (Ausbildungsbonus).

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Die Klägerin betreibt ein Personalberatungsunternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Geschäftsführerin und zugleich Gesellschafterin mit einem Anteil von 61 % der Geschäftsanteile ist Frau P.; dem einzigen weiteren Mitgesellschafter J. steht keine Sperrminorität zu.

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Am 14.7.2008 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Ausbildungsbonus für die betriebliche Ausbildung der 1986 geborenen Tochter der Geschäftsführerin (K P., im Folgenden: Auszubildende). Diese nahm am 15.8.2008 ihre Ausbildung zur Personaldienstleistungskauffrau auf.

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Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag der Klägerin mit der Begründung ab, eine Förderung sei gemäß § 421r Abs 5 Nr 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ausgeschlossen, weil die Ausbildung der Auszubildenden im Betrieb eines Elternteils durchgeführt werde (Bescheid vom 29.12.2008). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Förderungsausschluss könne in ihrem Fall nicht zur Anwendung kommen, weil sie eine Kapitalgesellschaft sei. Die Auszubildende sei nicht bei ihrer Mutter, sondern ausschließlich bei der Klägerin als GmbH beschäftigt. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009).

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Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.1.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 12.7.2012). Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt: Die Auszubildende sei im Betrieb ihrer Mutter, also eines Elternteils, ausgebildet worden. Der Förderungsausschluss gelte auch für von Kapitalgesellschaften geführte Betriebe. Zweck der Vorschrift sei es, Mitnahmeeffekte durch die Förderung von Ausbildungsverhältnissen im elterlichen Betrieb zu verhindern, von denen zu vermuten sei, dass sie auch ohne den Ausbildungsbonus zustande gekommen wären. Davon sei hier auszugehen, weil die Mutter der Auszubildenden die GmbH ebenso wie deren Betrieb als Alleingeschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin beherrsche.

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III. Es handle sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen sei. Der Betrieb einer Kapitalgesellschaft könne nicht der Betrieb eines Elternteils sein. Es sei nicht praktikabel, darauf abzustellen, welchen tatsächlichen Einfluss ein Familienangehöriger auf einen solchen Betrieb habe. Eine klare Abgrenzung sei nur gewährleistet, wenn es auf die Person des Ausbildenden ankomme.

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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Ausbildungsbonus für die Ausbildung von Frau K P. zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz ).

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Das LSG hat zu Recht das klageabweisende Urteil des SG bestätigt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Die Beklagte und die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der begehrten Leistung die Ausschlussregelung des Abs 5 Nr 3 in § 421r SGB III (aufgehoben ab 1.4.2012) entgegensteht. Danach ist die Förderung ua dann ausgeschlossen, wenn die Ausbildung im Betrieb eines Elternteils durchgeführt wird. Dies ist hier der Fall.

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Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), handelt es sich bei der Auszubildenden um die Tochter der Alleingeschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin (61 % der Geschäftsanteile) der Klägerin. In Ermangelung einer Sperrminorität des Mitgesellschafters hat die Mutter der Auszubildenden einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft und ist insbesondere auch berechtigt, eigenverantwortlich Personalentscheidungen zu treffen.

14

Bei diesem Sachverhalt ist die Rechtsauffassung des LSG nicht zu beanstanden, dass es sich bei der streitgegenständlichen Ausbildung um eine Ausbildung im Betrieb eines Elternteils gehandelt hat. Der Begriff "Betrieb eines Elternteils" stellt keine Anforderungen an die Rechtsform, in der der Ausbildungsbetrieb organisiert ist, sodass sich der Anwendungsbereich des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III auch auf Kapitalgesellschaften erstreckt.

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Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Mit der Anknüpfung an den Betrieb eines Angehörigen hat der Gesetzgeber eine untechnische Formulierung gewählt, die deutlich macht, dass der Förderungsausschluss Beschäftigungen im engsten familiären Umfeld des Auszubildenden erfassen soll (vgl Grimmke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421r RdNr 79, Stand 2010). Dagegen enthält die Vorschrift keine Formulierung, der zu entnehmen wäre, es komme allein auf den Vertragspartner des Auszubildenden an (vgl etwa § 10 Abs 1 Berufsbildungsgesetz mit dem Begriff des "Ausbildenden" oder der in anderen Ausschlussgründen des § 421r Abs 5 SGB III verwendete Begriff "Arbeitgeber"). Der Gesetzeswortlaut spricht deshalb eher für ein weites Verständnis und nicht für die von der Revision gewünschte enge Auslegung (in diesem Sinne auch zum vergleichbaren § 54a Abs 5 S 2 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854: Wagner in Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 54a RdNr 45).

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Ferner ergibt sich daraus, dass § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III sowohl auf den Betrieb der Eltern als auch alternativ auf den Betrieb eines Elternteils abstellt, dass der Ausschlussgrund nicht nur für allein tätige Selbstständige gelten soll, sondern auch für Gesellschaften. Denn wenn beide Eltern gemeinsam einen Ausbildungsbetrieb führen, bilden sie dazu (wenn keine andere Rechtsform gewählt worden oder von Gesetzes wegen eingetreten ist) zumindest eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der dafür erforderliche Gesellschaftsvertrag nach § 705 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird stillschweigend geschlossen, wenn Partner gemeinsam einen über den üblichen Rahmen ihrer familiären Gemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, wie dies bei Aufbau und Fortführung eines Unternehmens oder der gemeinschaftlichen Ausübung der Berufstätigkeit der Fall ist (vgl BGHZ 142, 137, 144 f; BGHZ 165, 1, 5 f). Steht damit aber fest, dass zumindest Personengesellschaften von der Regelung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III umfasst sind, verfängt die Argumentation der Revision nicht, es sei nicht praktikabel, den Einfluss des Familienangehörigen auf die Willensbildung einer Gesellschaft festzustellen. Dass dies im Einzelfall ohnehin nicht zu vermeiden ist, zeigt schon das einfache Beispiel, dass die Eltern ihr Geschäft nicht nur zu zweit, sondern gemeinsam mit Dritten betreiben.

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Insbesondere ist aber unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte nach Sinn und Zweck des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III dessen Erstreckung auf die Konstellation geboten, dass der Angehörige des Auszubildenden zwar nicht dessen direkter Vertragspartner ist, aber doch beherrschenden Einfluss auf den Arbeitgeber hat. Insoweit hat das LSG zutreffend auf die Begründung zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuchs - Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftiger junger Menschen (BT-Drucks 16/8718 S 10 ff) verwiesen, wonach mit dem Ausbildungsbonus denjenigen, "die nicht aus eigener Kraft einen Ausbildungsplatz finden können", also den "Schwächsten unter den Ausbildungsuchenden", geholfen werden soll, und die Ausschlussregelungen des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III der Verhinderung von Missbrauch und von Mitnahmeeffekten dienen sollen.

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Der Ausbildungsbonus bezweckt nicht nur, wie die Revision offenbar meint, die Schaffung neuer Ausbildungsplätze, sondern auch deren Besetzung mit bestimmten förderungsbedürftigen Auszubildenden, und zwar mit Personen, von denen bei typisierender Betrachtung anzunehmen ist, dass sie ohne die Förderung nicht eingestellt worden wären. Daran fehlt es nach der Einschätzung des Gesetzgebers, wenn die Ausbildung im Betrieb eines Elternteils durchgeführt wird. Handelt es sich dabei um einen einzelkaufmännischen Betrieb, liegt auf der Hand, dass die vom Gesetzgeber vermutete Absicht, dem Angehörigen auch ohne den zusätzlichen Anreiz des Ausbildungsbonus einen Ausbildungsplatz zu verschaffen, ohne weiteres umgesetzt werden kann. Dasselbe gilt indes auch, wenn dazu im Namen eines Dritten (etwa einer Kapitalgesellschaft) gehandelt werden muss, dessen Willensbildung der handelnde Angehörige eigenverantwortlich und allein bestimmen kann. Das spricht dafür, dass in beiden Fällen dieselbe Rechtsfolge eintritt.

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Soweit § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III der Verhinderung von Missbrauch bzw Mitnahmeeffekten dient, sieht der erkennende Senat die Gefahr eines Missbrauchs gerade in den Fällen, in denen der Ausbildungsbonus sein Regelungsziel, nämlich die Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für besonders förderungsbedürftige Ausbildungssuchende, verfehlen würde. Diese Missbrauchsgefahr besteht unabhängig von der Rechtsform des Ausbildungsbetriebs. Ihr lässt sich im Fall des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III nur wirksam begegnen, wenn man nicht auf den formalen Vertragspartner des Auszubildenden abstellt, sondern auf die für diesen handelnde Person, die eigenverantwortlich und weisungsfrei über die Einstellung des Auszubildenden entscheidet.

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Den Bedenken der Revision zur Praktikabilität der Anwendung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III folgt der Senat nicht. Es sind keine unüberwindbaren Schwierigkeiten für die Rechtsanwendung zu erkennen, wenn bei der Prüfung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III nicht nur auf die formale Rechtsträgerschaft abzustellen, sondern im Einzelfall auch zu ermitteln ist, welche natürliche Person ggf beherrschenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung einer juristischen Person hat. Mit dieser Aufgabe sind die Träger der Sozialversicherung sowie die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch in anderem Zusammenhang befasst (vgl etwa zu § 7 Abs 1 S 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch und insoweit zur Bewertung des Gesamtbilds der Arbeitsleistung: Bundessozialgericht Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - Juris RdNr 13 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zu Geschäftsführern einer GmbH, die zugleich deren Gesellschafter sind: BSG Urteile vom 8.8.1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr 4 und vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 21 ff).

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Die Auslegung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III durch den Senat steht schließlich nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BSG vom 21.4.1988 (7 RAr 32/86 - SozR 4100 § 112 Nr 36) bzw der daran anschließenden Entscheidung vom 30.1.1990 (11 RAr 47/88 - BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1). Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die zu § 112 Abs 5 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergangene Rechtsprechung schon deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen lässt, weil die maßgebenden Tatbestandsmerkmale beider Normen deutlich voneinander abweichen (aA offenbar Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 421r SGB III RdNr 25, Stand Einzelkommentierung November 2010). Der Wortlaut des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG war nicht in dem oben erläuterten Sinn offen formuliert, sondern stellte konkret auf die "Beschäftigung bei" dem Angehörigen ab. Diese Formulierung zielt eindeutig auf den Rechtsträger, mit dem der Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist. Das BSG hat sich deshalb argumentativ ausschließlich mit der Frage befasst, wer Arbeitgeber der damaligen Klägerin gewesen ist. Bei der Anwendung des § 421r Abs 5 Nr 3 SGB III kommt es aber - wie ausgeführt - gerade nicht auf die Arbeitgebereigenschaft an. Es kann deshalb entgegen dem Vorbringen der Revision auch nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe beabsichtigt, den nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Geltung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG bestehenden Rechtszustand sinngemäß auf den Ausbildungsbonus zu übertragen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der von der Klägerin begehrte Ausbildungs-bonus stellt eine Leistung iS von § 183 S 1 SGG dar (vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 2).

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