Urteil vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 29/13 R

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

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Der Kläger macht die Nichtigkeit von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Änderung der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) geltend.

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Der Kläger ist Vorsitzender des Deutschen Diabetiker Bundes e.V. Er wurde von den für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen als sachkundige Person iS des § 140f Abs 2 SGB V benannt und nahm an den Beratungen des beklagten GBA zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie zu den Themen "Lang wirkende Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2", "Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2" und "Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Diabetes mellitus Typ 2" teil. Jeweils mit dem Hinweis, dass er als "themenbezogener Vertreter Rechtsanwalt D M persönlich" handele, beantragte er, das Verfahren zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie einzustellen. Die Anträge des Klägers wurden nicht zur Abstimmung gestellt. Die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von lang wirkenden Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 wurde in der Sitzung des Plenums nach Beratung am 18.3.2010 (BAnz 2010, 2422), die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Glitazonen zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 am 17.6.2010 (BAnz 2010, 3855) und die Einschränkung der Verordnung von Harn- und Blutzuckerteststreifen am 17.3.2011 beschlossen (BAnz 2011, 2144).

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Die Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit der genannten drei Beschlüsse des Beklagten geltend gemacht hat, hat das LSG mit Urteil vom 27.2.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig; sie sei als Feststellungsklage statthaft. Der Kläger sei auch klagebefugt, weil nicht schlechthin ausgeschlossen sei, dass ihm als sachkundiger Person iS des § 140f Abs 2 SGB V ein Antragsrecht nach § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V zustehe, das von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden sei. Die Verletzung dieses Rechts könne die Entscheidung des Beklagten rechtswidrig und damit uU nichtig machen. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil der Kläger als sachkundige Person kein Antragsrecht, sondern ausschließlich ein Mitberatungsrecht habe. Das Recht, Anträge zu stellen, sei nach dem Wortlaut des § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V den Patientenorganisationen vorbehalten.

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Zur Begründung der dagegen eingelegten Revision macht der Kläger geltend, das gesetzlich geregelte Beratungsrecht der sachkundigen Person umfasse auch das Antragsrecht. Der Gesetzgeber habe Patienten bzw Patientenvertreter möglichst weitgehend an den Entscheidungsprozessen beteiligen wollen, auch um das bestehende Legitimationsdefizit der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen zu mildern. Ferner konkretisiere die weitreichende Beteiligung das in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG enthaltene Diskriminierungsverbot. Deshalb sei die Einschränkung wesentlicher Rechte der Patientenvertreter verfassungswidrig. Auch verstoße eine restriktive Auslegung des § 140f SGB V gegen das Demokratieprinzip des GG. Dem Willen des Gesetzgebers, die Patientensouveränität zu stärken, werde nur Rechnung getragen, wenn nicht nur den Patientenorganisationen, sondern auch dem sachnäheren themenbezogenen Patientenvertreter das Recht zur Antragstellung eingeräumt werde. Er sei als Patientenvertreter nicht gehalten gewesen, Anträge im Namen einer maßgeblichen Organisation zu stellen, sondern er habe im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Patientenbeteiligung als sachkundiger Patientenvertreter selbst Anträge stellen können. Sein Mandat dürfe er völlig unabhängig ausüben. Die weite Auslegung der Vorschriften zur Patientenbeteiligung trage auch dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Rechnung.

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Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Februar 2013 aufzuheben und festzustellen,

        

1.    

dass der Beschluss des Beklagten über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage III - Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse, lang wirkende Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 vom 18. März 2010, BAnz 2010, 2422, nichtig ist,

        

2.    

dass der Beschluss des Beklagten über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage III - Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -auschlüsse, Glitazonen zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 vom 17. Juni 2010, BAnz 2010, 3855, nichtig ist,

        

3.    

dass der Beschluss des Beklagten über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage III - Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -auschlüsse, Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Diabetes mellitus Typ 2 vom 17. März 2011, BAnz 2011, 2144, nichtig ist.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Bereits die Klagebefugnis des Klägers sei zweifelhaft, weil diese ein subjektives Recht voraussetzen würde, dessen Einhaltung er gegenüber Entscheidungen des Beklagten gerichtlich durchsetzen könne. Der Kläger habe lediglich ein verfahrensbezogenes Mitwirkungsrecht, aus dem keine generelle Befugnis abgeleitet werden könne, Maßnahmen und Entscheidungen des Beklagten auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüfen zu lassen. Das Recht, Anträge zu stellen, komme nach § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V den anerkannten Patientenorganisationen und nicht den sachkundigen Personen (Patientenvertretern) zu. Patientenvertreter würden die Betroffenenperspektiven in den Beratungsprozess einbringen. Sie dürften lediglich verfahrensmäßige Anträge im Hinblick auf den Sitzungsablauf, nicht jedoch Sachanträge stellen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Beschlüsse des GBA sind nicht unter Verletzung von Verfahrensrechten des Klägers zustande gekommen.

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1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG berufen, weil die Regelungen der Arzneimittel-Richtlinie, gegen deren Änderung sich die Klage richtet, die vertragsärztliche Versorgung betreffen (vgl BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 11 ff; vgl auch Abschnitt B II 1 a. 2. des "Zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6. Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs 2 SGG", SGb 2012, 495).

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2. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es im ersten Rechtszug über die Klage zu entscheiden hatte. Gemäß § 29 Abs 4 Nr 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) entscheidet das LSG Berlin-Brandenburg im ersten Rechtszug über Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA.

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3. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG statthaft. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass juristische und natürliche Personen, die durch untergesetzliche Normen in ihren rechtlich geschützten Belangen betroffen sind, Klage direkt gegen diese richten können, wenn sie ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können (BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3, Juris RdNr 14; BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, Juris RdNr 20 ff; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, Juris RdNr 22; vgl BVerfGE 115, 81, 91 ff = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 36 ff). Danach ist im sozialgerichtlichen Verfahren ungeachtet des Fehlens einer § 47 VwGO entsprechenden Norm Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA im Wege der Feststellungsklage zu gewähren (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14).

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a) Der Kläger ist klagebefugt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er durch die Verneinung des Antragsrechts im GBA in eigenen Rechten verletzt ist. Zur Vermeidung einer Popularklage ist auch bei der Feststellungsklage der Rechtsgedanke des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG heranzuziehen (BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14; BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 16 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55 RdNr 15d; s hierzu auch BVerwGE 111, 276, 279; BVerwGE 130, 52 RdNr 14). Daher müssen bei einer zulässigen Rechtsverfolgung "eigene" Rechte (vgl BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 31; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14) bzw "eigenrechtlich geschützte Belange" (vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 16; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 25; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27) betroffen sein. Geschützt sind danach auch die verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechte (zu den verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechten der Trägerorganisationen des GBA vgl die Urteile des Senats vom 3.2.2010 BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2 und B 6 KA 30/09 R). Dabei genügt es, wenn die Möglichkeit der behaupteten Rechtsverletzung besteht (vgl BSGE 110, 245 = BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 32; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 14; vgl auch die Rechtsprechung des Senats zur Anfechtungsbefugnis bei der sog defensiven Konkurrentenklage: BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 17). Dies ist hier der Fall, weil dem Kläger nicht entgegengehalten werden kann, dass ihm das geltend gemachte Antragsrecht im GBA unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen würde. Insofern genügt, dass § 140f Abs 2 SGB V dem Kläger in seiner Funktion als sachkundige Person Mitwirkungsrechte bei Entscheidungen und damit Einfluss auf die Willensbildung im GBA einräumt. Ob diese Mitwirkungsrechte auch das geltend gemachte Recht zur Antragstellung umfassen, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

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b) Der Kläger ist auch nicht auf die vorrangige Möglichkeit zur unmittelbaren Durchsetzung des Antragsrechts im Wege der Leistungsklage bzw im gerichtlichen Eilverfahren zu verweisen. Vielmehr kann er die Nichtigkeit von Beschlüssen des GBA geltend machen, die unter Verletzung der ihm eingeräumten verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechte zustande gekommen sind (so auch das LSG Berlin-Brandenburg in dem die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens betreffenden Beschluss vom 17.3.2010 - L 7 KA 5/10 KL ER). Dies hat der Senat bereits bezogen auf die Mitwirkungsrechte der Trägerorganisationen des GBA, also die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZÄBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (vgl § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V) in zwei Urteilen vom 3.2.2010 (B 6 KA 31/09 R = BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2 und B 6 KA 30/09 R) entschieden. Bezogen auf die Beteiligungsrechte der Patientenvertretung kann nichts anderes gelten. § 140f SGB V begründet nicht lediglich objektive Pflichten des GBA, sondern selbstständig durchsetzbare subjektiv-öffentliche Rechte der Interessenvertretung der Patienten am Verfahren. Bei der Arzneimittel-Richtlinie, die mit den streitgegenständlichen Beschlüssen des GBA geändert worden ist, handelt es sich - ebenso wie bei den übrigen Richtlinien, die der GBA nach § 92 SGB V zu beschließen hat - um Rechtsnormen (BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28 mwN). Ein wesentlicher Mangel des Normsetzungsverfahrens hat grundsätzlich Folgen für die Rechtsgültigkeit der Norm (zu Anhörungsrechten im Verfahren zum Erlass von Rechtsverordnungen vgl BVerfGE 127, 293, 331 ff; BVerfGE 10, 221, 227). Wesentlich ist ein Mangel jedenfalls dann, wenn ein Verfahrenserfordernis, das der Gesetzgeber im Interesse sachrichtiger Normierung statuiert hat, in funktionserheblicher Weise verletzt ist (BVerfGE 127, 293, 331 f). Entsprechendes muss grundsätzlich auch für Richtlinien des GBA gelten. Indem der Kläger geltend macht, ihm sei die Möglichkeit, durch die Stellung von Sachanträgen auf die Beschlussfassung im GBA Einfluss zu nehmen, generell verwehrt worden, obwohl ihm ein solches Antragsrecht zustehe, macht er einen wesentlichen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend. Die Frage, ob bei bestimmten Verfahrensverstößen etwa in entsprechender Anwendung von Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts Ausnahmen von dem Grundsatz zu machen sind, dass die Rechtswidrigkeit zugleich die Nichtigkeit der Norm zur Folge hat (vgl Nierhaus in Bonner Komm zum GG, Stand November 1998, Art 80 RdNr 433 f; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2812; speziell bezogen auf Richtlinien des GBA vgl Axer, SGb 2013, 669, 676) oder ob die Evidenz des Verfahrensverstoßes Voraussetzung einer Rechtsfolgenerheblichkeit sein kann (vgl BVerfGE 127, 293, 332 mwN; Nierhaus, aaO, RdNr 435), braucht hier nicht entschieden zu werden, weil ein auf Normsetzung gerichteter Beschluss des GBA jedenfalls an einem nicht unbeachtlichen Verfahrensfehler leiden würde, wenn er auf der geltend gemachten umfassenden Versagung eines gesetzlich gewährleisteten Antragsrechts beruhen würde. Wenn der sachkundigen Person, deren Verfahrensrechte erheblich verletzt wurden, gleichwohl die Geltendmachung der Nichtigkeit einer (Änderung der) Richtlinie des GBA versagt würde, würden deren subjektiven Rechte nicht effektiv gewährleistet. Aus denselben Gründen räumt das BVerwG Naturschutzverbänden in Genehmigungsverfahren das Recht ein, unter Berufung auf die Verletzung ihnen eingeräumter Beteiligungsrechte die Aufhebung der verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen behördlichen Entscheidung durchzusetzen (BVerwGE 87, 62, 71 f; BVerwG Beschluss vom 14.8.1995 - 4 NB 43/94 - NVwZ-RR 1996, 141).

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4. Die Klage ist nicht begründet. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, liegt der geltend gemachte Verfahrensfehler bei den Beschlussfassungen zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie nicht vor. Dem Kläger steht das Recht, bei Beschlüssen des GBA Anträge zu stellen, nicht zu.

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a) Gemäß § 140f Abs 2 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) erhalten die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen (im Folgenden: Patientenorganisationen) ein Mitberatungsrecht im GBA. Dazu benennen die Patientenorganisationen sachkundige Personen (sog Patientenvertreter). Das Mitberatungsrecht beinhaltet nach Satz 2 der Vorschrift auch das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Nach § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V haben die Patientenorganisationen darüber hinaus bei Beschlüssen des GBA nach § 56 Abs 1, § 92 Abs 1 Satz 2, § 116b Abs 4, § 136 Abs 2 Satz 2, §§ 137, 137a, 137b, 137c und 137f SGB V das Recht, Anträge zu stellen.

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Die Arzneimittel-Richtlinien ergehen auf der Grundlage des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V. Daher steht den Patientenorganisationen bei Beschlüssen, die - wie hier - die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie zum Gegenstand haben, ein Antragsrecht zu.

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Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung werden die Beteiligungsrechte im GBA den Patientenorganisationen und nicht den sachkundigen Personen ("Patientenvertretern") eingeräumt. Die sachkundigen Personen werden nach § 140f Abs 2 Satz 1 SGB V allein zur Wahrnehmung des den Patientenorganisationen zustehenden Mitberatungsrechts benannt. Eine Wahrnehmung des den Patientenorganisationen nach § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V zustehenden Antragsrechts durch die sachkundige Person ist dagegen nicht vorgesehen. Auf die Frage, ob sachkundige Personen die Möglichkeit haben, in Vertretung der Patientenorganisationen Anträge im GBA zu stellen, ist hier nicht näher einzugehen. Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren nicht geltend, im Namen der Patientenorganisationen Anträge stellen zu können. Ihm geht es allein um die Frage, ob er das Recht hatte, diese Anträge in seiner Funktion als sachkundige Person selbst zu stellen.

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b) Dass das Mitberatungsrecht nicht das Recht zur Antragstellung umfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt: Bei der Einführung des § 140f SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) enthielt die Vorschrift keine Regelung zum Inhalt und Umfang des Mitberatungsrechts. Dies hat in der Praxis zu der Frage geführt, ob das Mitberatungsrecht auch das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung umfasst (vgl BT-Drucks 16/2474 S 26). Diese Frage ist mit dem Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (vom 22.12.2006, BGBl I 3439) durch die Einfügung des § 140f Abs 2 Satz 2 SGB V geklärt worden. Danach beinhaltet das Mitberatungsrecht auch das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Dagegen blieb es bezogen auf die Antragstellung durch die Patientenorganisationen bei der gesonderten Regelung in Abs 2 Satz 5. Die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/2474 S 26) als "Klarstellung" bezeichnete Regelung bestätigt, dass das durch die sachkundigen Personen auszuübende Mitberatungsrecht zwar das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung, nicht jedoch das Antragsrecht umfasst.

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Allerdings finden sich in der Begründung zu den Änderungsvorschlägen des Gesundheitsausschusses zum Entwurf eines GKV-WSG (BT-Drucks 16/4247 S 49) auch Formulierungen, die darauf hindeuten, dass der Gesundheitsausschuss von einem Antragsrecht der "Patientenvertreter" ausgeht. So soll die beim GBA eingerichtete "Stabsstelle Patientenbeteiligung" Dienstleistungen wie "spezielle Fortbildungen, insbesondere zu den formalen Voraussetzungen der Antragstellung, für die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter" organisatorisch unterstützen. Die Erforderlichkeit einer Unterstützung bei der Antragstellung wird ua damit begründet, dass "Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter bisher keine Anträge gestellt" hätten.

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Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das Antragsrecht auch den sachkundigen Personen unmittelbar zustehen müsse. Wie dargelegt, steht dem der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in Teilen der Gesetzesbegründung (und auch der Literatur, vgl zB Roters in Kasseler Komm, Stand der Ergänzungslieferung Juni 2013, § 91 SGB V RdNr 7; Wenner, GuP 2013, 41, 45) nicht immer danach unterschieden wird, welche Rechte der sachkundigen Personen unmittelbar zustehen und inwiefern sie Rechte der Patientenorganisationen für diese ausüben. Damit übereinstimmend wird aus der Praxis berichtet, dass die in einem Gremium des GBA gestellten Anträge der sachkundigen Personen im Regelfall den sie entsendenden Organisationen zugerechnet würden (vgl Hess, Kasseler Komm, Stand der Ergänzungslieferung März 2007, § 140f SGB V RdNr 9). Vorliegend ist eine solche Zurechnung jedoch ausgeschlossen, weil der Kläger ausdrücklich erklärt hat, den Antrag selbst in seiner Funktion als sachkundige Person zu stellen. Zudem haben die Patientenorganisationen auf Nachfrage ausdrücklich mitgeteilt, dass sie den vom Kläger formulierten Antrag nicht stellen wollten.

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c) Die Unterscheidung zwischen dem Mitberatungsrecht, das durch die von den Patientenorganisationen benannten sachkundigen Personen wahrgenommen wird und dem Antragsrecht, dass den Patientenorganisationen zusteht, entspricht auch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung des § 140f Abs 2 SGB V und der auf der Grundlage des § 140g SGB V erlassenen Verordnung zur Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (PatientenbeteiligungsV): Nach § 4 Abs 1 Satz 1 PatientenbeteiligungsV haben die anerkannten Patientenorganisationen zu spezifischen Themen sachkundige Personen zu benennen, von denen mindestens die Hälfte selbst Betroffene sein müssen. Mit der "themenbezogenen" Benennung soll der Sachverstand, über den die Person zB aufgrund eigener Betroffenheit verfügt, in die Beratungen der Gremien des GBA eingebracht werden (vgl BT-Drucks 15/1525 S 132 f). Die vorgesehene Berücksichtigung der Betroffenenperspektive hat allerdings zur Folge, dass in den Gremien des GBA entsprechend der jeweiligen Beratungsgegenstände eine Vielzahl sachkundiger Personen aus verschiedenen Bereichen an den Beratungen mitwirken. Ein von dem Willen der Patientenorganisationen unabhängiges Antragsrecht jeder einzelnen sachkundigen Person könnte unter diesen Umständen die Arbeitsfähigkeit des GBA beeinträchtigen. Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber das Recht zur Antragstellung den Patientenorganisationen vorbehält, die in der Lage sind, unterschiedliche Patienteninteressen zu bündeln. Das gilt erst Recht seitdem der Gesetzgeber mit der Änderung des § 140f Abs 2 SGB V durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (Anfügung von Abs 2 Satz 6 und 7 mWv 26.2.2013, BGBl I 277) Mindestanforderungen an die Behandlung von Anträgen der Patientenorganisationen formuliert hat. Danach hat der GBA über Anträge von Patientenorganisationen in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11710 S 31) soll dabei eine rein formale Befassung nicht ausreichen. Vielmehr ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anliegen erforderlich. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll - nach dem neuen Satz 7 - in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Diese Anforderungen sind ohne eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Gremien nur bezogen auf eine begrenzte Zahl von Anträgen erfüllbar.

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d) Ein Recht des Klägers zur Antragstellung folgt auch nicht aus § 140g SGB V iVm PatientenbeteiligungsV. § 140g SGB V ermächtigt das BMG, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu den Voraussetzungen der Anerkennung der Patientenorganisationen auf Bundesebene, insbesondere zu den Erfordernissen an die Organisationsform und die Offenlegung der Finanzierung, sowie zum Verfahren der Patientenbeteiligung zu regeln. Das BMG ist nach dieser Vorschrift nicht berechtigt, den sachkundigen Personen abweichend von gesetzlichen Vorgaben des § 140f Abs 2 SGB V das Recht zur Antragstellung zu übertragen. Damit übereinstimmend enthält § 4 Abs 1 PatientenbeteiligungsV Regelungen zum Mitberatungsrecht der sachkundigen Personen, während § 4 Abs 2 PatientenbeteiligungsV Näheres zum Antragsrecht der anerkannten Patientenorganisationen regelt. Auch die PatientenbeteiligungsV unterscheidet also zwischen dem Mitberatungsrecht, dass durch die sachkundigen Personen wahrgenommen wird, und dem Antragsrecht, das nicht den sachkundigen Personen, sondern allein den Patientenorganisationen zusteht.

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e) In der vom GBA gemäß § 91 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB V zu beschließenden Verfahrensordnung und der gemäß § 91 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB V zu beschließenden Geschäftsordnung können ebenfalls keine von den gesetzlichen Vorgaben des § 140f Abs 2 SGB V abweichenden Regelungen getroffen werden. Dem entsprechend beziehen sich die in der Geschäftsordnung (in der hier maßgebenden Fassung vom 17.7.2008, BAnz 2008, 3256, zuletzt geändert am 17.12.2009, BAnz 2010, 1149) enthaltenen Regelungen (vgl zB § 3 Abs 4 Satz 2 Geschäftsordnung) auf die Antragstellung durch die anerkannten Patientenorganisationen. Die Geschäftsordnung räumt den sachkundigen Personen ("Patientenvertretern") zwar das Recht ein, Anträge zu Verfahrensfragen (vgl zB den Antrag auf Unterbrechung der Beratung nach § 15 Abs 4 Geschäftsordnung) zu stellen. Darin liegt jedoch kein Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben in § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V, die sich ausschließlich auf Sachanträge nach § 56 Abs 1, § 92 Abs 1 Satz 2, § 116b Abs 4, § 136 Abs 2 Satz 2, §§ 137, 137a, 137b, 137c und 137f SGB V beziehen. Allein das Recht zur Stellung solcher Sachanträge macht der Kläger im vorliegenden Verfahren geltend.

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Auch die Verfahrensordnung (idF vom 18.12.2008, BAnz 2009, 2050 , geändert am 17.12.2009, BAnz 2010, 968) bezieht das Recht zur Stellung von Sachanträgen ausschließlich auf die nach der PatientenbeteiligungsV anerkannten Organisationen und nicht auf die einzelne sachkundige Person. So sind die Patientenorganisationen ebenso wie die Trägerorganisationen des GBA nach Kap 1 § 5 Abs 4 Satz 3 Verfahrensordnung berechtigt, im Plenum einen Beschlussentwurf zum Erlass oder zur Änderung einer Rechtsnorm zur Abstimmung zu stellen, der von dem Beschlussentwurf des zuständigen Unterausschusses abweicht. Die Abweichungen sind vom Antragsteller schriftlich zu begründen. Nach Kap 2 § 4 Abs 2 Buchst d Verfahrensordnung sind die Patientenorganisationen auch zB berechtigt, einen Antrag zu stellen, der das Verfahren zur Bewertung von Methoden und Leistungen der vertragsärztlichen und der vertragszahnärztlichen Versorgung nach § 135 Abs 1 SGB V sowie für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus nach § 137c Abs 1 SGB V einleitet. Entsprechende Antragsrechte der sachkundigen Person sieht die Verfahrensordnung in Übereinstimmung mit § 140f Abs 2 SGB V nicht vor. Auch aus dem Umstand, dass die sachkundigen Personen in der Verfahrensordnung des GBA, in der Geschäftsordnung des GBA sowie (bezogen auf die Mitwirkung in den Zulassungsgremien nach § 140f Abs 3 SGB V) in § 36 Abs 2, § 41 Abs 1, Abs 5, § 42 Satz 4 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte - abweichend von der Formulierung im SGB V - als "Patientenvertreterinnen oder Patientenvertreter" bezeichnet werden, kann nicht geschlossen werden, dass diese berechtigt wären, für die Patientenorganisationen zu handeln.

25

f) Entgegen der Auffassung des Klägers kann ihm weder seine Mitgliedschaft im Deutschen Diabetiker Bund e.V. noch seine Benennung als sachkundige Person durch die anerkannten Patientenorganisationen das Recht vermitteln, Anträge im GBA zu stellen. Bei dem Deutschen Diabetiker Bund e.V. handelt es sich bereits nicht um eine der nach § 2 oder nach § 3 PatientenbeteiligungsV anerkannten Patientenorganisationen, die gemäß § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V zur Antragstellung berechtigt sind. Nach § 2 Abs 1 PatientenbeteiligungsV gelten der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. als maßgebliche Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene. Der Deutsche Diabetiker Bund e.V. gehört nicht dazu und ist auch nicht nach § 3 PatientenbeteiligungsV als weitere Organisation anerkannt. Vielmehr ist der Deutsche Diabetiker Bund e.V. am Deutschen Behindertenrat beteiligt, bei dem es sich wiederum um eine der nach der PatientenbeteiligungsV anerkannten Patientenorganisationen handelt, die nach § 4 Abs 1 PatientenbeteiligungsV sachkundige Personen zu spezifischen Themen einvernehmlich zu benennen haben. Für die vom Kläger vertretene Auffassung, dass er bereits aufgrund der Benennung als sachkundige Person berechtigt sei, im eigenen Namen unabhängig von Vorgaben einer Patientenorganisation im Sinne eines "freien Mandats" Rechte der Patientenorganisationen - sogar gegen deren Willen - wahrzunehmen, gibt es keine gesetzliche Grundlage.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus § 91 Abs 2 Satz 13 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder im Beschlussgremium des GBA bei den Entscheidungen im Beschlussgremium nicht an Weisungen gebunden. Die Regelung bezieht sich nach ihrem Inhalt und ihrer systematischen Stellung allein auf die in Abs 2 Satz 1 der Vorschrift genannten von der KZÄBV, der KÄBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitglieder und nicht auf die von den Patientenorganisationen benannten sachkundigen Personen (aA, jedoch ohne Begründung: Münkler, RsDE Heft 74 S 42, 57). Dass die sachkundigen Personen das Recht zur Antragstellung im GBA, das § 140f Abs 2 Satz 5 SGB V den Patientenorganisationen vorbehält, unabhängig von Weisungen selbst ausüben dürften, kann § 91 Abs 2 Satz 13 SGB V nicht entnommen werden.

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Ein Recht, Anträge im GBA zu stellen, folgt auch nicht aus einer Beleihung des Klägers. Beliehene natürliche oder juristische Personen des Privatrechts sind mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im eigenen Namen betraut (vgl zB Wolff, ua, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl 2010, § 90 RdNr 1; Dreier in ders, GG, 3. Aufl 2013, Art 1 Abs 3 RdNr 39). Entgegen einer in Teilen der Kommentarliteratur (Fischinger in Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 140f SGB V RdNr 6; Adolf, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 140f RdNr 38) vertretenen Auffassung sind die sachkundigen Personen nicht Beliehene in diesem Sinne. Dem steht - worauf bereits das LSG zutreffend hingewiesen hat - entgegen, dass diese von den Patientenorganisationen nicht mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut worden sind. Bei der Benennung durch die Patientenorganisationen kann es sich schon deshalb um keinen Beleihungsakt handeln, weil die Patientenorganisationen keine Hoheitsträger sind.

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g) Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie dem Demokratieprinzip kein Antragsrecht der sachkundigen Person abgeleitet werden. Soweit der Kläger geltend macht, dass mit der Patientenbeteiligung dem Demokratieprinzip Rechnung getragen würde, so ist dem insofern zuzustimmen, als die funktionale Selbstverwaltung nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 107, 59, 92) als Ausprägung des demokratischen Prinzips verstanden werden kann. Zur Erleichterung eines sachgerechten Interessenausgleichs darf der Gesetzgeber zur Wahrnehmung öffentliche Aufgaben Formen der Selbstverwaltung schaffen. Im Zusammenhang damit kann den Betroffenen ein wirksames Mitspracherecht eingeräumt und externer Sachverstand einbezogen werden (BVerfGE 37, 1, 26 f; vgl Hauck, NZS 2010, 600, 601 mwN). Darin liegt kein Verstoß gegen das in Art 20 Abs 2 und Art 28 Abs 1 GG verankerte demokratische Prinzip. Die Beteiligung Betroffener kann dazu beitragen, unsachliche interessengeleitete Einflussnahmen auf Entscheidungsprozesse zu begrenzen (vgl Ebsen, MedR 2006, 528, 530). Voraussetzung ist jedoch, dass alle betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Das Verbot der Berücksichtigung von Partikularinteressen ist mittels angemessener institutioneller Vorkehrungen abzusichern (vgl BVerfG Beschluss vom 6.5.2014 - 2 BvR 1139/12 ua - Juris RdNr 169 mwN). Gemessen an diesen Grundsätzen wird die demokratische Legitimation der Patientenvertretung wegen des Fehlens einer umfassend organisierten Patientenschaft in der Literatur teilweise kritisch beurteilt, jedenfalls soweit eine Erweiterung der Beteiligungsrechte zu einem Mitentscheidungsrecht in Rede steht (Dierks/Höhna, A&R 2011, 99, 101 f; Ebsen, MedR 2006, 528, 531; Schlacke in Schmehl/Wallrabenstein, Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Band 3, 2007, 41, 58 f; Pitschas, MedR 2006, 451, 455 ff; eine insgesamt positive Bilanz der Patientenbeteiligung im GBA ziehen Hess, Die Krankenversicherung 2005, 64 und Etgeton, Bundesgesundheitsblatt 2009, 104; Meinhardt/Plamper/Brunner, Bundesgesundheitsblatt 2009, 96, 102). Die Lösung dieser Legitimationsprobleme begegnet allerdings erheblichen Schwierigkeiten, insbesondere weil die Rolle des "Patienten" - jedenfalls außerhalb des Feldes der chronischen Erkrankungen - kaum geeignet ist, eine darauf aufbauende Repräsentationsstruktur zu entwickeln (vgl Ebsen, MedR 2006, 528, 531). Für die vorliegende Entscheidung kommt es darauf jedoch nicht an. Jedenfalls wird das Problem allein durch eine Stärkung der Rechte einzelner sachkundiger Personen, die die Interessen und Sichtweisen einer speziellen Gruppe von Patienten vertreten, einer Lösung nicht nähergebracht. Im Gegenteil könnte sich das Risiko einer Privilegierung von Einzelinteressen erhöhen. Damit bewegt sich der Gesetzgeber jedenfalls innerhalb seines Gestaltungsspielraums, wenn er das Recht zur Antragstellung den anerkannten Patientenorganisationen vorbehält und den sachkundigen Personen lediglich die Wahrnehmung des Mitberatungsrechts überträgt.

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h) Vor diesem Hintergrund sind auch keine rechtlichen Anknüpfungspunkte für die vom Kläger vertretene Auffassung ersichtlich, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl II 2008, 1419 ff) der sachkundigen Person im GBA ein Recht zur Antragstellung im eigenen Namen vermitteln könnte. Es erscheint zumindest fraglich, ob das vom Kläger geforderte "freie Mandat" der sachkundigen Person im GBA überhaupt zur Erreichung des mit der UN-Behindertenrechtskonvention angestrebten Ziels, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Behindertenrechtskonvention), beitragen könnte. Jedenfalls bestünde - neben einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des GBA - die Gefahr einer einseitigen Berücksichtigung der Interessen bestimmter Gruppen von Behinderten und damit einer gleichheitswidrigen Berücksichtigung von Einzelinteressen. Unter diesen Umständen kann der nationale Gesetzgeber nicht verpflichtet sein, jeder themenbezogen benannten sachkundigen Person im GBA ein Recht zur Antragstellung einzuräumen.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO.

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