Beschluss vom Bundessozialgericht (9. Senat) - B 9 V 29/15 B
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. April 2015 wird verworfen.
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Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. In der Hauptsache begehrt der Kläger Berufsschadensausgleich nach Besoldungsgruppe A 15, nachdem ihm seine Ehefrau im Rahmen einer Trennungsauseinandersetzung am 15.4.2004 die Kehle durchzuschneiden versucht hatte. Das beklagte Land erkannte als Schädigungsfolgen ua eine posttraumatische Belastungsstörung sowie psychoreaktive Störungen mit besonderer beruflicher Betroffenheit an und gewährte Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 ab 1.10.2005 (Bescheid vom 14.4.2010).
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Darüber hinaus gewährte der Beklagte dem zuletzt selbstständig als Versicherungsvertreter tätigen Kläger Berufsschadensausgleich unter Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 (Bescheid vom 25.6.2010; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2011). Das SG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.3.2013), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, der Berufsschadensausgleich sei zutreffend nach § 6 Abs 3 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) berechnet. Der Kläger habe nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Automatenaufsteller absolviert und später die Fachschule als staatlich geprüfter Betriebswirt abgeschlossen. Danach sei er als selbstständiger Versicherungsvertreter mit einer halbtags beschäftigten Sekretärin und mit einem durchschnittlichen monatlichen Gewinn von 6214,19 Euro in den letzten drei Jahren vor der Tat tätig gewesen. Hiervon ausgehend errechne sich der für den Berufsschadensausgleich maßgebliche Einkommensverlust nicht entsprechend § 30 Abs 4 Bundesversorgungsgesetz iVm § 5 BSchAV nach den Besoldungsgruppen A 7 (mit abgeschlossener Berufsbildung) oder A 9 (mit abgelegter Meisterprüfung), sondern nach Besoldungsgruppe A 12 gemäß § 6 Abs 3 BSchAV, weil die wirtschaftliche Bedeutung der ausgeübten selbstständigen Tätigkeit anderenfalls nicht ausreichend berücksichtigt werden könne. § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV in der bis zum 1.7.2011 gültigen Fassung kappe dabei den Gewinn Selbstständiger auf das um 20 % verminderte Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern in vergleichbarer Stellung. Die insoweit heranzuziehenden Gehaltstarifverträge für das private Versicherungsgewerbe (GTV) wiesen bei vergleichbarer Beschäftigung ein monatliches Arbeitseinkommen von 4800,00 Euro aus. Abzüglich von 20 % ergebe sich daraus ein Einkommen von 3840,00 Euro, welches dem vom Beklagten herangezogenen Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12 entspreche. Dahinstehen könne deshalb, ob der Gewinn des Klägers allein auf seine eigene Tätigkeit oder - zu seinem Nachteil - auch auf die seiner Sekretärin zurückzuführen sei (Urteil vom 21.4.2015).
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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1. Der Kläger hat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargetan. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Der Kläger wirft die Frage auf, ob § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV stets eine Begrenzung in Form einer Deckelung enthalte. Es sei dahingestellt, ob damit eine hinreichend präzise Rechtsfrage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden Breitenwirkung formuliert wird. Aber selbst wenn damit sinngemäß die Frage verbunden ist, ob für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs nach § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV in der Fassung bis zum 30.6.2011 (aF) der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit stets auf das um 20 % geminderte Arbeitseinkommen von Arbeitnehmern in vergleichbarer Stellung gekappt ist, fehlt es an den übrigen Darlegungsvoraussetzungen einer Grundsatzrüge.
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Soweit der Kläger den einschränkenden Standpunkt einnimmt, § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV aF käme nur zum Tragen, wenn zusätzlich fremde Arbeitskräfte zum Einsatz gekommen seien, deren Einsatz sich gewinnsteigernd ausgewirkt habe (Beschwerdebegründung S 4, 5), setzt sich die Beschwerdebegründung schon nicht damit auseinander, ob und in welchem Umfang die Anstellung einer Halbtagssekretärin Anteil an dieser Gewinnsteigerung gehabt haben könnte, die aufgeworfene Frage deshalb (nicht) entscheidungserheblich sein könnte.
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In jedem Fall legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dar. Zutreffend ist allerdings, dass § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV zum 1.7.2011 abgelöst worden ist durch die Nachfolgereglung des § 4 Abs 2 S 3 und 4 BSchAV, wonach anstelle des Einkommens von Arbeitnehmern in vergleichbarer Stellung nunmehr das Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A heranzuziehen ist, das Beamten des Bundes in vergleichbarer Stellung zu zahlen ist. Damit handelt es sich bei der hier maßgebenden Fassung um sogenanntes "ausgelaufenes Recht". In einem solchen Fall ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (vgl BSG Beschluss vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - Juris RdNr 5 mwN).
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Der Kläger trägt zwar hiermit im Einklang vor, dass die Neuregelung nichts an der Deckelung ändere. Selbst wenn dieser Vortrag ausreichend sein sollte, legt der Kläger aber im Übrigen die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dar, die auch für den Fall der Fortwirkung im hier entscheidenden Teil nicht entbehrlich ist. Hierzu hätte er neben der Darstellung der materiell-rechtlichen Regelungen im Einzelnen ausführen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG bisher noch nicht entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65) und sich für die Beantwortung der Frage auch keine ausreichenden Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen des BSG finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). Daran mangelt es. Der Kläger hat lediglich pauschal darauf hingewiesen, dass die von ihm aufgeworfene Frage vom BSG noch nicht entschieden sei. Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich an keiner Stelle damit, ob und inwieweit sich aus der vorhandenen - vom LSG auch zitierten - höchstrichterlichen Rechtsprechung Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage entnehmen lassen. Tatsächlich hält die Rechtsprechung des BSG eine weitgehende Pauschalierung des Berufsschadensausgleichs nicht nur im Bereich des § 5 BSchAV, sondern auch in den Sonderfällen des § 6 BSchAV für zulässig (BSG SozR 4-3100 § 30 Nr 2) und hält das BVerfG dies für vereinbar mit Verfassungsrecht (BVerfGE 26, 16). Hiervon ausgehend hat sich das BSG zu § 6 Abs 3 BSchAV aF weitergehend dahin geäußert, Satz 4 dieser Vorschrift erläutere lediglich, wie aus einem tatsächlich erzielten Unternehmensgewinn der Wert der eigenen Arbeitsleistung des Selbstständigen, nämlich der für den Berufsschadensausgleich maßgebliche Unternehmerlohn herauszurechnen sei (BSG Urteil vom 10.5.1994 - 9 RV 8/93 - Juris RdNr 15). Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich nicht damit, wieso gleichwohl der Unternehmensgewinn die maßgebliche Grundlage für die Bemessung des Berufsschadensausgleichs bilden könnte, die Frage also weiterhin unklar ist.
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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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Referenzen
- § 6 BSchAV 1x (nicht zugeordnet)
- 9 RV 8/93 1x (nicht zugeordnet)
- § 5 BSchAV 2x (nicht zugeordnet)
- 10 EG 6/13 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 193 1x
- § 160 Nr 51; BSG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs 3 BSchAV 2x (nicht zugeordnet)
- SGG § 169 1x
- SGG § 160 1x