Beschluss vom Bundessozialgericht (8. Senat) - B 8 SO 45/17 B

Tenor

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

Gründe

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Der Rechtsstreit des Klägers um Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ist im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 28.4.2017 - L 8 SO 128/16 - auf den Hinweis des Senats, dass der Kläger infolge eines zwischenzeitlich durch die Beklagte erlassenen unbefristeten Bewilligungsbescheids klaglos gestellt sei (Schreiben vom 7.11.2017) nach Rücknahme der Klage durch den Kläger (Schriftsatz vom 20.12.2017) unstreitig beendet worden. Der Kläger beantragt, der Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen (Schriftsatz vom 20.12.2017).

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Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten. Wird ein Verfahren anders als durch Urteil beendet, entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ). Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei Erledigung des Verfahrens ohne Urteil einander Kosten zu erstatten haben, erfolgt nach sachgemäßem bzw billigem Ermessen. Dabei steht grundsätzlich der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrenserfolg im Vordergrund. Aber auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung des Rechtsstreits können zu berücksichtigen sein (vgl BSG: SozR 4-1500 § 193 Nr 8; SozR 4-2400 § 22 Nr 4; SozR 3-1500 § 193 Nr 10; SozR 3-1500 § 193 Nr 2). Auch kann maßgeblich sein, ob und inwieweit die Beteiligten Änderungen im Verfahren unmittelbar Rechnung getragen haben (vgl dazu nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 193 RdNr 13 mwN).

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Maßstab für die vom Senat zu treffende Kostenentscheidung und die Beurteilung des Erfolgs zum Zeitpunkt seiner Erledigung ist vorliegend das in der Hauptsache verfolgte Begehren des Klägers, Leistungen der Hilfe zur Pflege unbefristet zu erhalten, und nicht - wie die Beklagte meint - (allein) die Frage nach dem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 13 R 233/09 B - Juris). Dafür sprechen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung des § 193 Abs 1 Satz 3 SGG. Infolge der Klagerücknahme entfalten die in den Vorinstanzen ergangenen Urteile keine Wirkung mehr. Die nach § 193 Abs 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung betrifft deshalb die Kosten aller Rechtszüge (BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 13 R 233/09 R - Juris RdNr 7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 941; aA in einer hier nicht vorliegenden Konstellation (s sogleich) BSG Beschluss vom 12.9.2011 - B 14 AS 25/11 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 8). Die isolierte Übernahme der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist hingegen nicht denkbar.

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Danach erscheint es billig, dass die Beklagte dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte erstattet. Der Kläger hat das ursprünglich mit seiner Klage verfolgte Ziel einer unbefristeten Gewährung der Hilfe zur Pflege im Ergebnis erreicht, denn die Beklagte hat ihm mittlerweile Leistungen der Hilfe zur Pflege unbefristet gewährt (Bescheid vom 4.9.2017). Allerdings wäre im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein über eine verfahrensrechtliche Frage zu entscheiden gewesen. Nur wenn (was der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht) das LSG verfahrensfehlerhaft angenommen hat, dass der hier streitgegenständliche Bescheid durch Klageänderung nach § 99 SGG bereits Gegenstand des Klageverfahrens gegen den den vorangehenden Bewilligungsabschnitt betreffenden befristeten Bewilligungsbescheid war, wäre eine Zurückverweisung mit der Folge einer Entscheidung über die Hauptsache in Betracht gekommen. Aufgrund dieser verfahrensspezifischen Besonderheit ist der Ausgang des vorliegenden Verfahrens als offen zu betrachten, sodass eine hälftige Kostenentscheidung angemessen erscheint. Dass der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, steht dem nicht entgegen, weil die Beklagte durch ihre nur befristete Bewilligung Veranlassung zur Klage gegeben hat (vgl den insoweit anders gelagerten Fall einer Klagerücknahme im Beschluss vom 12.9.2011 - B 14 AS 25/11 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 8). Darauf, dass er mit dem Bescheid vom 4.9.2017 klaglos gestellt wurde, hat der Kläger unverzüglich reagiert und folglich keine Veranlassung zur Fortführung des Rechtsstreits gegeben.

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