Beschluss vom Bundessozialgericht (11. Senat) - B 11 AL 20/18 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. März 2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

2

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

3

Die Beschwerdebegründung der Klägerin, die in der Sache höheres Alg begehrt, weil sie meint, von dem von ihr während des Leistungsbezugs erzielten Nebeneinkommens sei ein Freibetrag nach § 155 Abs 2 SGB III in Abzug zu bringen, wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie formuliert folgende Rechtsfrage, die sie für grundsätzlich bedeutsam hält:

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"Verstößt die Auslegung als mittelbare Diskriminierung wegen Behinderung gegen Artikel 3 Abs. 3 S 2 GG, 5 Abs. 2 UN-BRK sowie § 33c SGB I, dass auch Menschen mit Behinderungen von der Privilegierung des § 155 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen sind, wenn sie in den letzten 18 Monaten vor Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs länger als 6 Monate behinderungsbedingt krank waren und deshalb ihre Tätigkeit nicht entfalten konnten, obwohl sie diese zuvor ununterbrochen länger als 12 Monate ausgeübt hatten?"

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Diese aus sich heraus nur schwer erschließbare Frage versteht der Senat im Zusammenhang mit den Ausführungen in der Beschwerdebegründung unter dem Gliederungspunkt "Rechtliche Würdigung" so, dass sie auf die Notwendigkeit einer verfassungs- bzw konventionskonformen Auslegung des § 155 Abs 2 SGB III abzielt, die jedenfalls bei behinderten Menschen von der Voraussetzung absieht, dass eine Nebentätigkeit von mindestens zwölf Monaten in den letzten 18 Monaten vor Entstehung des Anspruchs auf Alg ausgeübt worden sein muss, um einen über den Freibetrag nach § 155 Abs 1 SGB III von 165 Euro hinausgehenden Freibetrag eingeräumt zu bekommen.

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Die Klärungsbedürftigkeit dieser so verstandenen Rechtsfrage zeigt die Beschwerde indes nicht in der gebotenen Weise auf. Ausgangspunkt der gesamten Argumentation bildet die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung behinderter Menschen durch die in § 155 Abs 2 SGB III genannten Anwendungsvoraussetzungen. Allerdings wird - unbeschadet deren rechtlicher Bedeutung - nicht nachvollziehbar dargetan, dass die Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung überhaupt vorliegen. Eine mittelbare Diskriminierung setzt nämlich, wie die Klägerin insoweit zutreffend ausführt, faktische Belastungen voraus, die überwiegend Behinderte betreffen (vgl dazu Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, § 1 RdNr 20). Deshalb hätte es substantieller Darlegungen bedurft, warum aus der Anwendung von § 155 Abs 2 SGB III Belastungen folgen, die überwiegend behinderte Menschen betreffen. Insbesondere wäre dabei zu berücksichtigen gewesen, dass es auf zahlreichen, vom Vorliegen einer Behinderung völlig unabhängigen Gründen beruhen kann, wenn bei einer neben dem Alg-Bezug ausgeübten Nebentätigkeit vor der Entstehung des Anspruchs in den letzten 18 Monaten nicht mindestens zwölf Monate eine Erwerbstätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich iS von § 138 Abs 3 SGB III ausgeübt wurde, wie es § 155 Abs 2 SGB III erfordert. Hierzu gehören etwa eine erst spätere Aufnahme der Nebentätigkeit, eine Kündigung aus anderen als krankheitsbedingten Gründen, bevor der Zeitraum von zwölf Monaten erreicht war, eine Belastung durch die Hauptbeschäftigung, die eine Nebentätigkeit nicht (mehr) zugelassen hat, und manches mehr.

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Ob die Regelung faktisch also überwiegend behinderte Menschen trifft, obwohl sie sich an alle Arbeitslosen richtet, die neben dem Bezug von Alg eine Nebentätigkeit iS von § 138 Abs 3 SGB III ausüben (zur vergleichbaren Frage der Einräumung einer Erwerbstätigenpauschale bzw des Erwerbstätigenfreibetrags in gleicher Weise gegenüber behinderten Menschen und Nichtbehinderten nach dem SGB II bereits BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 34), lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen und drängt sich auch nicht auf. Dass von § 155 Abs 2 SGB III auch behinderte Menschen betroffen sind, wie die Klägerin aufzeigt, reicht nicht aus.

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Ist danach schon eine mittelbare Diskriminierung behinderter Menschen durch § 155 Abs 2 SGB III von der Klägerin nicht dargelegt, vermögen auch die weiteren in der Beschwerdebegründung angesprochenen, an eine solche Diskriminierung anknüpfenden Aspekte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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