Beschluss vom Bundessozialgericht (10. Senat) - B 10 EG 5/18 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. Mit Urteil vom 1.2.2018 hat das LSG den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, ihm Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate seiner am 15.1.2015 geborenen Zwillingstochter M. zusätzlich zum monatlichen Mehrlingszuschlag iHv 300 Euro zu bewilligen, verneint.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 28.5.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

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Der Kläger hält folgende Fragen für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung:

        

"Besteht gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 BEEG ein Anspruch auf Bewilligung von Elterngeld bei Mehrlingsgeburten über den gem. § 2a Abs. 4 Satz 1 BEEG vorgesehenen Mehrlingszuschlag für das zweite Kind hinaus und demnach in selber Höhe wie für das erste Kind?"

        

"Ist § 1 Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 2a Abs. 4 Satz 1 BEEG zur Ablösung der kindbezogenen Ansprüche bei Mehrlingsgeburten durch lediglich einen Anspruch auf Elterngeld zzgl. des Mehrlingszuschlags mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar?"

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Der Senat lässt offen, ob der Kläger damit in der gebotenen Weise eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet hat. Denn er hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend dargetan. Eine Rechtsfrage ist ua dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage geben. Deshalb muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem geltend gemachten Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 10 EG 15/17 B - RdNr 8; BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - Juris RdNr 10).

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Dies ist hier nicht in gebotenem Maße geschehen. Anlass hierzu hätte aber schon deshalb bestanden, weil das LSG in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auf die Senatsurteile vom 27.6.2013 (B 10 EG 3/12 R - WzS 2013, 309; B 10 EG 8/12 R - BSGE 114, 26 = SozR 4-7837 § 1 Nr 4) hingewiesen hat. Der Kläger trägt selbst vor, dass der Senat dort bis zum 31.12.2014 gültigen alten Rechtslage entschieden hat, dass im Falle von Mehrlingsgeburten beiden Elternteilen bei Verzicht auf ihre Erwerbstätigkeit jeweils ein Anspruch auf Elterngeld für je ein Kind zusteht. Der Kläger trägt aber auch vor, dass das LSG in dem angefochtenen Urteil auf § 1 Abs 1 S 2 BEEG in der ab 1.1.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz (BEEG) vom 18.12.2014 (BGBl I 2325) verweist, wonach bei Mehrlingsgeburten nur noch ein Anspruch auf Elterngeld besteht und für die weiteren Mehrlinge jeweils (nur) der Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs 4 S 1 BEEG gezahlt wird. Soweit die Beschwerde es für weiterhin klärungsbedürftig hält, ob dennoch bei Zwillingsgeburten jeweils ein eigenständiger Anspruch auf Elterngeld für jeden Zwilling pro Elternteil besteht, hat sie nicht dargelegt, warum sich diese Frage auch nach den inzwischen geänderten Vorschriften des BEEG noch in derselben Weise stellen sollte. Wie bereits die angefochtene Berufungsentscheidung ausführt, erfolgte die Gesetzesänderung im BEEG zum 1.1.2015 als Reaktion auf die oben genannten Entscheidungen des Senats vom 27.6.2013 und sollte klarstellen, dass bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld - neben einem Zuschlag - besteht (vgl Senatsbeschluss vom 6.7.2016 - B 10 EG 2/16 B - BeckRS 2016, 71166 RdNr 10). Der Kläger legt nicht dar, ob sich aus dem Gesetz und/oder mithilfe welcher anerkannten juristischen (Auslegungs-)Methode(n) Möglichkeiten ergeben, den zusätzlichen Anspruch auf Elterngeld für das weitere Zwillingskind neben dem Zuschlag zu begründen (s hierzu Senatsbeschluss vom 15.2.2018 - B 10 EG 19/17 B - Juris RdNr 6 und 7). Diesbezüglich weiterer Erörterungsbedarf hätte aber schon deshalb bestanden, weil der Gesetzgeber der Auslegung des Gesetzes durch das BSG in den genannten Entscheidungen gerade nicht folgen wollte. Insoweit hätte es auch einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Begründungen der oben genannten Entscheidungen des Senats vom 27.6.2013 bedurft, weil der Einkommensverlust durch die Kinderbetreuung bei einer geburtsbezogenen Sichtweise auch bei Mehrlingsgeburten nur einmal eintreten kann und die Erziehungsleistungen für den Zwilling mit dem Sockelbetrag iHv 300 Euro anerkannt wird. Das Elterngeld setzt anders als das für Geburten vor dem 1.1.2007 noch anzuwendende BErzGG einen Bedarf oder eine Bedürftigkeit des betreffenden Elternteils nicht mehr voraus. Während es sich für den Bereich ab dem Basisbetrag von 300 Euro bis zum Höchstbetrag von 1800 Euro um den wirtschaftlichen Ausgleich für den Verzicht auf die Erwerbsausübung und die dadurch eintretenden Einkommensausfälle handelt, wird der Basisbetrag ausschließlich für die Betreuungs- und Erziehungsleistung des Berechtigten gewährt (vgl Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 57). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung ebenfalls keinerlei Ausführungen. Dass der Gesetzgeber entgegen der von ihm geschaffenen neuen Regelung in § 1 Abs 1 S 2 BEEG bei Mehrlingsgeburten dennoch mehrfache Elterngeldansprüche zubilligen wollte, um auf diese Weise (zusätzlich) die besondere elterliche Belastung bei Mehrlingsgeburten zu honorieren, behauptet der Kläger selbst nicht. Entsprechendes ergibt sich im Übrigen - wie bereits ausgeführt - auch nicht aus der oben dargestellten Gesetzesentwicklung und den insoweit einschlägigen Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 18/2583 S 18, 23).

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Soweit der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde in seiner zweiten Frage einen Verfassungsverstoß (hier: Verletzung von Art 3 Abs 1 GG und Art 6 Abs 1 GG) geltend machen und insoweit noch bestehenden höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufzeigen will, darf er sich nicht auf die bloße Benennung des angeblich verletzten Grundrechts beschränken. Vielmehr muss er unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der gerügten Verfassungsnorm und der ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Grundsätze in substantieller Argumentation darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden, einfach gesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargetan werden. Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums im Elterngeldrecht (siehe hierzu Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 28; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - BVerfGK 19, 186, 189, 193) überschritten und in unzulässiger Weise verletzt hat (vgl BSG Beschluss vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - Juris RdNr 8). Entsprechender substantiierter Beschwerdevortrag fehlt jedoch.

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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