Beschluss vom Bundessozialgericht (9. Senat) - B 9 SB 24/18 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. In der Hauptsache begehrt die am 23.10.2008 geborene Klägerin die Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B (ständige Begleitung). Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 30.1.2018 verneint, weil nach Teil D Nr 2a der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B vorliegen, bei einem behinderten Kleinkind dieselben Kriterien wie bei einem Erwachsenen zugrunde zu legen seien. Die Klägerin leide an einem instabilen, insulinpflichtigen Diabetes Mellitus Typ I, ohne dass es bisher zu signifikanten Hypoglykämien (Unterzuckerungen) gekommen sei. Trotz Insulinpumpentherapie sei der Zuckerstoffwechsel extrem instabil geblieben, die Einstellung der Stoffwechsellage sei nicht zufriedenstellend. Die Klägerin sei nicht zuverlässig in der Lage, den Stoffwechsel während der Schulzeit alleine zu führen, auch nicht mit allen verordneten Hilfsmitteln. Allerdings komme es nicht auf die altersbedingt eingeschränkte Fähigkeit des Kindes an, Stoffwechselentgleisungen zu erkennen und zu behandeln; die Voraussetzungen des Merkzeichens B seien unabhängig vom Alter zu bewerten. Deshalb lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen B bei der Klägerin nicht vor, weil ein Erwachsener mit entsprechenden Einschränkungen keinen Anspruch auf das Merkzeichen habe.

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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zum Ganzen: BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

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Die Klägerin hält folgende Frage für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung:

        

"Verstößt die Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens B für Kinder nach denselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen gegen die Vorschriften der §§ 2 Abs. 1 und 229 Abs. 2 SGB IX, in der Fassung ab dem 01.01.2018 (vormals § 146 Abs. 2 SGB IX)?"

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Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der oben dargestellten Frage um eine Rechtsfrage handelt, zeigt die Beschwerdebegründung bereits deren Klärungsbedarf nicht auf. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ergeben (vgl BSG Beschluss vom 29.5.2018 - B 8 SO 5/18 B - Juris RdNr 9 mwN). Deshalb muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem geltend gemachten Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (stRspr, zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - Juris RdNr 10).

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Dies ist hier nicht in gebotenem Maße geschehen. Anlass hierzu hätte aber schon deshalb bestanden, weil das LSG in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auf das Senatsurteil vom 12.2.1997 (9 RVs 1/95 - BSGE 80, 97 = SozR 3-3870 § 4 Nr 18) Bezug genommen hat. Dort hat der Senat unter anderem entschieden, dass die Zuerkennung des Merkzeichens B nicht von der Vollendung eines bestimmten Lebensjahres abhängt, weil Maßstab für dieses Merkzeichen ausnahmsweise nicht der Vergleich mit gleichaltrigen, nicht behinderten Kindern ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die festgestellten Gesundheitsstörungen bei Erwachsenen die Zuerkennung der genannten Nachteilsausgleiche rechtfertigen würden (vgl BSG, aaO, BSGE 80, 97, 99 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 18 S 72 f). Insoweit führt die Beschwerdebegründung jedoch lediglich aus, dass das BSG in der genannten Entscheidung über die Zuerkennung des Merkzeichens RF entschieden habe, ohne auf die Ausführungen des BSG in dieser Entscheidung auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B einzugehen. Damit fehlt es bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG unter Darstellung der Frage, ob sich aus der genannten Entscheidung nicht bereits eine Antwort der von der Beschwerde genannten Frage ergibt. Darüber hinaus fehlt es aber auch an der Darstellung des Bedeutungsgehalts der in Frage stehenden Regelung in Teil D Nr 2a der Anlage zur VersMedV und der Erörterung der Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung, wie sie sich unter anderem auch aus der Entscheidung des BSG vom 12.2.1997 (aaO) ergibt. Die bloße Behauptung in der Beschwerdebegründung, dass das LSG ohne vorliegende Belege angenommen habe, dass die Voraussetzung für das Merkzeichen B auch im Falle eines Erwachsenen nicht vorgelegen hätte, genügt insoweit nicht. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht unter Kritik an der Beweiswürdigung auf § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten begründen (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2012 - B 14 AS 251/11 B - SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 5 f mwN).

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

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