Urteil vom Bundessozialgericht - B 1 KR 27/18 R

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1555,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

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Die Kl&#228;gerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Sie legte dem bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten K. K. (im Folgenden: Versicherter) im August 2011 wegen einer Harnstauungsniere rechts einen Nephrostomiekatheter. Sie nahm ihn wieder auf, um endoskopisch den festgestellten Nierenstein zu entfernen. Sie kodierte für diese vollstationäre Behandlung (6. bis 9.10.2011) nach dem in diesem Jahr geltenden ICD-10-GM als Hauptdiagnose N20.1 (Ureterstein) sowie als Nebendiagnose ua ICD-10-GM B95.7! (Sonstige Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) und T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt), berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2011 <DRG>) L20A (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien, außer bei Para- / Tetraplegie oder andere Eingriffe an der Urethra bei Para- / Tetraplegie, mit äußerst schweren CC) und erhielt hierfür von der Beklagten 3562,22 Euro. Die Beklagte forderte später vergeblich 1555,62 Euro zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete DRG L20C (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien ohne ESWL, ohne komplexen Eingriff, ohne fluoreszenzgestützte TUR der Harnblase oder andere Eingriffe an der Urethra außer bei Para- / Tetraplegie, ohne äußerst schwere CC), da als Nebendiagnose statt T83.5 N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) zu kodieren sei. Die Beklagte rechnete 3562,22 Euro gegenüber unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf und zahlte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2006,60 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2015). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Nach einer gebotenen strengen Wortlautauslegung, ergänzt durch systematische Erwägungen, sei T83.5 nicht einschlägig. Die Infektion sei keine durch ein Implantat im Harntrakt gewesen, da der Katheter kein Implantat sei (Urteil vom 14.9.2017).

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Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von ICD-10-GM (2011) T83.5.

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Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 und des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1555,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der klagenden Krankenhausträgerin steht der im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter zu (dazu 1.). Ob die Beklagte diesen Vergütungsanspruch in Höhe von 1555,62 Euro dadurch erfüllte, dass sie mit einem aus der Behandlung des Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch wirksam aufrechnete, kann der erkennende Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG aber nicht entscheiden (dazu 2.).

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1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der Beklagten Anspruch auf die abgerechnete Vergütung von 1555,62 Euro hatte; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).

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2. Der Senat kann wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht in der Sache selbst abschließend über den Erfolg der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG entscheiden. Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch nebst Zinsen zu, wenn die Beklagte für ihre - im Übrigen wirksame - Aufrechnung (§ 387 BGB; vgl zur Aufrechnung BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16; BSG SozR 4-5562 § 11 Nr 2; BSG SozR 4-7610 § 366 Nr 1) einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl dazu allgemein BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN) in Höhe von 1555,62 Euro als Gegenforderung hatte.

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Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, dass die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 1555,62 Euro erfüllt waren. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig (dazu a). Für den Anspruch ist maßgeblich, dass im Behandlungsfall des Versicherten eine Infektion oder entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt bestand iS von T83.5 des ICD-10-GM Version 2011 (im Folgenden: ICD-10-GM idF der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit <BMG> gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 21.10.2010, BAnz Nr 169 vom 9.11.2010, S 3751, in Kraft getreten am 1.1.2011). Der dem Versicherten eingesetzte Nephrostomiekatheter fällt grundsätzlich unter diese Diagnose (dazu b). Es fehlen Feststellungen des LSG dazu, dass eine Infektion oder entzündliche Reaktion "durch" den Nephrostomiekatheter bestand. Nur dann sind die Voraussetzungen der von der Klägerin abgerechneten Fallpauschale L20A erfüllt (dazu c).

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a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 8; BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R - Juris RdNr 9, für BSGE und SozR 4-2500 § 108 Nr 5 vorgesehen; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 36/17 R - Juris RdNr 10; jeweils mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.

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b) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz - FPG> vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 8 Nr 2 Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG> vom 22.12.2010, BGBl I 2309) und § 17b KHG (idF durch Art 1 Nr 4 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 <Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG&gt; vom 17.3.2009, BGBl I 534; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSGE 123, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 10). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen <FPV>) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a KHRG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378).

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Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2011; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des BMG herausgegebenen deutschen Fassung (ICD-10-GM), die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel <OPS> hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 21.10.2010, BAnz Nr 169 vom 9.11.2010, S 3752, in Kraft getreten am 1.1.2011; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2011 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 201 1 für das G-DRG-System‎ gem äß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).

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Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15).

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Zu Recht sind die Beteiligten darüber einig, dass die von der Klägerin abgerechnete DRG L20A nur angesteuert wird, wenn die Nebendiagnose T83.5 nach dem ICD-10-GM zu kodieren war, soweit die Klägerin - wie erfolgt - eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95-B98) kodierte, um den Infektionserreger anzugeben. So liegt es, wenn die Voraussetzungen der Nebendiagnose T83.5 erfüllt waren. In diesem Fall ist sie nach der DKR D014d im Einklang mit dem Regelungssystem zu kodieren (vgl auch BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 1 KR 25/17 R - Juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). DKR D014d betrifft "Im Alphabetischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen". Danach unterstützt das Alphabetische Verzeichnis der ICD-10-GM (Alphabetisches Verzeichnis der Krankheiten und Verletzungen - Krankheiten und Art der Schädigung <Teil I>; vgl Erläuterung DIMDI,  https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icd/icd-10-who/alphabet/ ) "die Verschlüsselung nach dem Systematischen Verzeichnis inkl. des Kreuz-Stern-Systems und der Zusatzschlüsselnummern. Die im Alphabetischen Verzeichnis verwendeten formalen Vereinbarungen sind dort beschrieben. Maßgeblich für die Kodierung ist stets das Systematische Verzeichnis. Soweit das Alphabetische Verzeichnis zu einem unspezifischen Kode (z.B. '9-Kode') führt, ist deshalb im Systematischen Verzeichnis zu prüfen, ob eine spezifischere Kodierung möglich ist".

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Dementsprechend lautet der Einleitungssatz zu den DKR: "Diese Kodierrichtlinien beziehen sich auf: ICD-10-GM Systematisches Verzeichnis Version 2011 und ICD-10-GM Alphabetisches Verzeichnis Version 2011". In Einklang mit diesen Grundsätzen bestimmt Anhang A der DKR: "Das Alphabetische Verzeichnis enthält viele Bezeichnungen, die in Band 1" (Systematisches Verzeichnis) "nicht vorkommen. Für die Bestimmung einer Schlüsselnummer sind sowohl das Alphabetische Verzeichnis als auch das Systematische Verzeichnis heranzuziehen. (…) 1. Feststellung der Art der Angabe, die verschlüsselt werden soll, und Zugriff auf den entsprechenden Teil des Alphabetischen Verzeichnisses. Handelt es sich bei der Angabe um eine Krankheit oder Verletzung oder um einen sonstigen in den Kapiteln I-XIX oder XXI zu klassifizierenden Zustand, ist Teil 1 des alphabetischen Verzeichnisses zu berücksichtigen. (…) 3. Jeder Hinweis unter dem Leitbegriff ist zu lesen und zu befolgen. (…) 6. Die Richtigkeit der ausgewählten Schlüsselnummern ist durch Rückgriff auf das Systematische Verzeichnis zu überprüfen."

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Das vom DIMDI zum ICD-10-GM herausgegebene Alphabetische Verzeichnis führt unter den Begriffen "Harnwegskatheter - Entzündung" die Diagnose T83.5 auf. Soweit diese Schlüsselnummer im Tatsächlichen einschlägig ist, steht das Systematische Verzeichnis ihrer Kodierung nicht entgegen. Es bezieht gerade begrifflich "Harnwegskatheter (Verweilkatheter)" in die Gruppe "T83.-" ein. T83.5 ist im Systematischen Verzeichnis im Kapitel XIX "Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)" verortet. Es unterfällt dort dem Abschnitt "Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert (T80-T88)". Nach Gruppen wie T80.- (Komplikationen nach Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken) betrifft die Gruppe T83.- "Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt". Sie umfasst ua unter T83.0 die "Mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter (Verweilkatheter)". Daraus lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass mangels ausdrücklicher Nennung etwa in T83.5 dort keine Harnwegskatheter erfasst seien. Denn in T83.0 ist der "Harnwegskatheter (Verweilkatheter)" nicht in einer Aufzählung neben "Prothesen, Implantaten und Transplantaten" genannt, sondern allein als ein Unterfall. Hierfür genügt nicht jeder Harnwegskatheter, sondern nur ein "Verweilkatheter".

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T 83.5 setzt für die Kodierung voraus, dass eine Infektion und entzündliche Reaktion gerade "durch" einen Harnwegskatheter (Verweilkatheter) als Unterfall einer Prothese, eines Implantats oder Transplantats "im Harntrakt" eintrat. Nur in einem solchen Fall ist diese Schlüsselnummer als zulässige spezielle ursachenbezogene Ergänzung der zu kodierenden Hauptdiagnose zu kodieren. Hierbei ist es im Ergebnis unerheblich, ob als Hauptdiagnose - wie von der Klägerin kodiert - N20.1 (Ureterstein) oder - wie die Beklagte meint - N13.6 (Pyonephrose; Obstruktive Uropathie mit Infektion; Zustände unter N13.0-N13.5 mit Infektion der Niere; Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer <B95-B98> zu benutzen) zu kodieren war. In beiden Fällen wird bei Kodierung der Nebendiagnose T83.5 nebst B95.7! und B96.2! die von der Klägerin abgerechnete DRG L20A angesteuert. In der Sache ist N13.6 gegenüber N20.1 umfassender. Die Kodierung N13.6 schließt eine zusätzliche Kodierung der N39.0 aus, da N13.6 spezieller und umfassender ist. ICD-10-GM N13.6 erfasst die ursachenunabhängige Infektion bei einer Stauungsniere infolge eines Harnsteins mit. Entsprechend den einleitenden Hinweisen zum Abschnitt "Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert (T80-T88)" ist, um den Infektionserreger anzugeben, wie erfolgt eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95-B98) zu benutzen, hier B95.7! und B96.2!.

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c) Es steht nach den getroffenen unangegriffenen tatsächlichen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht fest, dass der am Aufnahmetag (6.10.2011) diagnostizierte Harnwegsinfekt mit Enterobacter cloacae und Staphylococcus haemolyticus mit ü;berwiegender Wahrscheinlichkeit "durch" den Nephrostomiekatheter bedingt war. Die übrigen Voraussetzungen dieser DRG sind dagegen nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Lässt sich auch nach gebotener Aufklärung nicht feststellen, dass der am Aufnahmetag (6.10.2011) diagnostizierte Harnwegsinfekt mit Enterobacter cloacae und Staphylococcus haemolyticus mit überwiegender Wahrscheinlichkeit "durch" den Nephrostomiekatheter bedingt war, waren die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose T83.5 nicht erfüllt. Das LSG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

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3. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

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4. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

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