Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 1. Kammer) - 1 BvR 732/11
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Herausgabe sichergestellten Bargelds.
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I.
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1. Am Morgen des 12. Oktober 2006 überprüften Zollbeamte ein auf einem Autobahnparkplatz vor der Grenze zu den Niederlanden abgestelltes Fahrzeug, in dem sich die Beschwerdeführer befanden. Die Frage nach mitgeführten Waffen, Betäubungsmitteln und Bargeldbeträgen von mehr als 15.000 € verneinten die Beschwerdeführer. Anlässlich der Durchsuchung des Fahrzeugs wurde neben Drogen in Kleinstmengen Bargeld in Höhe von 33.000 € gefunden, welches vorläufig sichergestellt und in Verwahrung genommen wurde.
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2. Mit Bescheiden vom 25. Februar 2008, von denen nur der an den Beschwerdeführer zu 1) gerichtete Bescheid angegriffen ist, stellte der Oberbürgermeister der Stadt O. den Bargeldbetrag sicher und nahm das Geld in öffentliche Verwahrung, lehnte die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Herausgabeansprüche ab und ordnete die sofortige Vollziehung der Sicherstellung und Verwahrung an. Zur Begründung berief sich der Oberbürgermeister darauf, dass das Bargeld nach § 26 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr sichergestellt und nach § 27 Abs. 1 Nds. SOG in öffentliche Verwahrung genommen werde.
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3. Mit angegriffenem Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück die Klage der Beschwerdeführer auf Aufhebung der Bescheide vom 25. Februar 2008 und Herausgabe des sichergestellten Geldbetrages abgewiesen.
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Das auf Erstattung des beschlagnahmten Geldes gerichtete Klagebegehren habe keinen Erfolg. Zwar werde zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB vermutet, dass er auch Eigentümer der Sache sei. Das Gericht sehe es aber nach den Gesamtumständen als widerlegt an, dass die Beschwerdeführer Eigentümer des sichergestellten Bargeldbetrages gewesen seien. Nachhaltig gegen das von den Beschwerdeführern behauptete Eigentum sprächen die Umstände bei der Kontrolle durch den Zoll und die von den Beschwerdeführern seinerzeit gemachten Angaben. Gleiches gelte im Hinblick auf die Herkunft des Geldes. Die Beschwerdeführer seien - wie sie selbst eingeräumt hätten - wirtschaftlich überhaupt nicht in der Lage gewesen, den Geldbetrag aus eigenen Mitteln aufzubringen. Das Gericht sehe es als nicht erwiesen an, dass den Beschwerdeführern das Geld - wie von ihnen behauptet - als Darlehen von den vernommenen Zeugen übereignet worden sei.
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4. Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Februar 2011 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt.
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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des Urteils bestünden nicht. Aus der Begründung der Entscheidung ergebe sich, dass das Verwaltungsgericht § 26 Nr. 2 Alt. 1 Nds. SOG, wonach eine Sache sichergestellt werden kann, um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen, sinngemäß als maßgebende Rechtsgrundlage für die Sicherstellung angesehen habe. Soweit die Beschwerdeführer der Auffassung seien, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Widerlegung der zur Bestimmung des "Eigentümers" im Sinne des § 26 Nr. 2 Nds. SOG herangezogenen Vermutung nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB verkannt, griffen ihre Einwände nicht durch. Widerlegt werden könne die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB entweder durch den Beweis von Umständen, die das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher erscheinen ließen, oder von Umständen, die die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegten. Letzteres habe das Verwaltungsgericht seiner Prüfung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Ob dieser Maßstab des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne weiteres auf die Auslegung des § 26 Nr. 2 Nds. SOG übertragen werden könne oder diese Bestimmung im Hinblick auf ihren Schutzzweck, gerade auch einen (bislang) unbekannten Eigentümer vor dem drohenden Verlust zu schützen, nicht ohnehin autonom auszulegen sei, könne deshalb offen bleiben.
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Die Rechtssache weise unter dem von den Beschwerdeführern vorgetragenen Gesichtspunkt auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Ebenso wenig vermittele die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage, "ob der Beklagte darlegen muss, wessen Eigentum wahrscheinlicher ist als (das) des unmittelbaren Besitzers(,) für den § 1006 (BGB) streitet", dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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II.
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Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14, Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
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1. Durch die Sicherstellung des Geldes und die diese Maßnahme bestätigenden Entscheidungen sei in ihr Eigentum eingegriffen worden. Die §§ 26 ff. Nds. SOG genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Rechtfertigung dieses Eingriffs nicht.
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a) Für eine präventive Gewinnabschöpfung nach §§ 26 ff. Nds. SOG bestehe angesichts dessen, dass der Bundesgesetzgeber in den §§ 73 ff. StGB bereits präventive strafrechtliche Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung vorgesehen habe, kein Regelungsbedarf. Ohnehin seien die Voraussetzungen des § 26 Nds. SOG nicht gegeben. Die Gefahrenprognose der Stadt O. habe sich nicht bestätigt.
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b) Darüber hinaus werde in den angegriffenen Entscheidungen die Reichweite des § 1006 BGB unter Beachtung des Spannungsverhältnisses zu Art. 14 GG verkannt. § 1006 BGB solle den unmittelbaren Besitzer schützen und nicht schlechter stellen. Unter Beachtung der dem Besitzer vermittelten Beweiserleichterungen müsse "der Gegner" darlegen, wer der wahrscheinlichere Eigentümer sei, zumindest müsse dieser aber bestimmbar sein. Die Stadt O. habe jedoch nicht ansatzweise eine andere "bestimmbare" Person ermittelt oder erwähnt, deren Eigentum wahrscheinlicher sei.
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2. Das Oberverwaltungsgericht habe schließlich Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, indem es den Antrag auf Zulassung der Berufung trotz grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen habe.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.
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1. Es kann offenbleiben, ob verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere wegen einer Verletzung von Art. 14 GG in Verbindung mit dem Bestimmtheits- oder Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gegen eine Sicherstellung und Verwahrung bestehen, die auf die allgemeinen polizeirechtlichen Eingriffsermächtigungen nach § 26 Nr. 2, § 27 Nds. SOG gestützt werden, wenn der von diesen Maßnahmen betroffene Besitzer des Bargelds sein Eigentum daran wegen einer Widerlegung der Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht beweisen kann, der Eigentümer der sichergestellten Sache unbekannt ist und die sicherstellende Behörde zugleich nicht davon ausgeht, dass der rechtmäßige Eigentümer aufzufinden sein wird, so dass die eigentlich dem Schutz privater Rechte dienende Sicherstellung und Verwahrung letztlich eine dauerhafte Entziehung des Eigentums zugunsten des Staates bewirkt.
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Denn die Beschwerdeführer rügen unter diesem Gesichtspunkt weder eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts noch legen sie eine solche den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechend dar. Vielmehr bezweifeln die Beschwerdeführer lediglich die Verfassungsmäßigkeit der - in Ansehung der gerichtlichen Entscheidungen nicht (mehr) streitgegenständlichen - präventiven Gewinnabschöpfung nach § 26 Nr. 1 Nds. SOG und beanstanden im Übrigen eine falsche Auslegung und Anwendung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, ohne sich mit der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die von den Gerichten zitierte Entscheidung des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. August 2010 - 5 A 298/09 -, juris, sowie BayVGH, Beschluss vom 19. November 2010 - 10 ZB 10.1707 -, juris) auseinanderzusetzen. Damit werfen sie jedoch nicht die Frage auf, ob und aufgrund welcher verfassungsrechtlicher Maßstäbe eine Sicherstellung zum Schutz eines unbekannten Eigentümers nach § 26 Nr. 2 Nds. SOG die Eigentumsgarantie verletzen könnte. Eine substantiierte Begründung im Sinne der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG erfordert jedoch, dass die Beschwerdeführer hinreichend deutlich und insbesondere anhand der vom Bundesverfassungsgericht geklärten verfassungsrechtliche Maßstäbe darlegen, inwieweit ihre Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2007 - 1 BvR 2697/07 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2009 - 1 BvR 1997/08 -, juris, Rn. 5).
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2. Ebenso wenig genügt die Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen, soweit die Beschwerdeführer rügen, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hätte zulassen müssen. Denn die Beschwerdeführer setzen sich weder mit den Voraussetzungen der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder wegen eines anderen Zulassungsgrundes auseinander, noch verhalten sie sich zu den vom Bundesverfassungsgericht hinreichend geklärten Maßstäben einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch Nichtzulassung eines Rechtsmittels (vgl. nur BVerfGK 5, 369 <374>; 10, 208 <213>).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Referenzen
- 5 A 298/09 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 5x
- BGB § 1006 Eigentumsvermutung für Besitzer 7x
- BVerfGG § 92 2x
- BVerfGG § 23 2x
- 1 BvR 2697/07 1x (nicht zugeordnet)
- BVerfGG § 93d 1x
- §§ 73 ff. StGB 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1997/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB 1x (nicht zugeordnet)