Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 2. Kammer) - 1 BvR 2120/16

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer wurde am 15. März 2016 in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sein Pkw beschädigt wurde. Zur Feststellung der Schadenshöhe holte er ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige erstattete ein schriftliches Gutachten und stellte dem Beschwerdeführer eine Rechnung über 1.014,77 €, die der Beschwerdeführer beglich.

2

Der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners (Beklagter des Ausgangsverfahrens) vertrat die Auffassung, dass die Rechnung des Sachverständigen zu hoch sei und erstattete daher lediglich 642,60 €, weshalb er vom Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren auf Zahlung des restlichen Betrages in Anspruch genommen wurde.

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2. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung ließ es nicht zu.

II.

4

Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde erhoben und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG.

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1. Er habe auf die Notwendigkeit der Zulassung der Berufung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hingewiesen (§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 3. Alt. ZPO) und zum Nachweis mehrere Urteile anderer Abteilungen desselben Amtsgerichts über einen Zeitraum von 10 Jahren und aktuelle Entscheidungen der übergeordneten Gerichte genannt und vorgelegt. Es habe daher angesichts der vielen Seiten und dem erneuten Verweis hierauf in der Replik dem Amtsrichter nicht entgehen können, dass er mit seiner Rechtsauffassung von der Rechtsprechung der anderen Abteilungen des Amtsgerichts und der übergeordneten Gerichte abweiche.

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Gleichwohl habe das Gericht die Berufung nicht zugelassen und damit den Zulassungsgrund des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 3. Alt. ZPO übergangen, denn der Amtsrichter habe mit der Frage nach den Anforderungen an die Aufschlüsselung einer Kfz-Sachverständigenrechnung eine Rechtsfrage entschieden, die eine Vielzahl von Verkehrsunfallsachen betreffe und äußerst umstritten sei. Dabei sei er von der Rechtsprechung des zuständigen Berufungsgerichts und sogar des Oberlandesgerichts abgewichen. Indem er die Berufung nicht zugelassen habe, habe er die Sicherung der Rechtseinheitlichkeit im Zuständigkeitsbereich des Berufungsgerichts vereitelt.

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2. Aus den dargestellten Gründen hätte das Amtsgericht die Berufung zulassen und das Landgericht über die Klage entscheiden müssen. Die Berufungskammer sei damit der gesetzliche Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Amtsgericht habe aber unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 3. Alt. ZPO die Möglichkeit der Berufung vereitelt, so dass der Beschwerdeführer seinem gesetzlichen Richter entzogen worden sei.

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3. Das Urteil des Amtsgerichts verletze den Beschwerdeführer auch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG.

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4. Die Akten der Ausgangsverfahren haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Land Niedersachsen und der Beklagte des Ausgangsverfahrens haben von ihrem Äußerungsrecht Gebrauch gemacht.

III.

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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da das angegriffene Urteil den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt.

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1. Die Nichtzulassung der Berufung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

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Eine gerichtliche Entscheidung ist dann willkürlich, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung allerdings nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln ist nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 2004 - 1 BvR 2682/03 -, www.bverfg.de, Rn. 10).

13

Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - VI ZR 357/13 -, juris; Urteil vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15 -, juris; Urteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15 -, juris), die zeitlich vor dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil des Amtsgerichts liegen, die Voraussetzungen für die Erstattung von Sachverständigenkosten des Geschädigten nach einem Verkehrsunfall konkretisiert. Dem folgen die Berufungskammern des Landgerichts Hannover (vgl. LG Hannover, Urteil vom 28. Dezember 2015 - 19 S 55/15 -; Beschluss vom 7. Juni 2016 - 9 S 5/16 -, juris; Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 S 44/16 -). Insoweit ist nicht mehr auf die vom Beschwerdeführer genannten älteren Entscheidungen abzustellen, in denen die Anforderungen an den Geschädigten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten noch geringer waren.

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Die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof und das ihm folgende Landgericht einem Geschädigten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast abverlangen, unterscheiden sich allerdings auch nach dieser aktuellen Rechtsprechung von denen, die das Amtsgericht in dem angegriffenen Urteil formuliert. Nach dem Bundesgerichtshof, dem das Landgericht folgt, entfällt die Indizwirkung der Sachverständigenrechnung dann, wenn - objektiv - die Rechnung erheblich über den üblichen Preisen liegt und dies - subjektiv - für den Geschädigten deutlich erkennbar war. Damit spielen der Wissensstand und die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten erst auf einer zweiten Stufe bei der Prüfung, ob die Indizwirkung der beglichenen Rechnung entfällt, eine maßgebende Rolle für die Frage, ob die Kosten erforderlich waren. Das Amtsgericht hingegen nimmt überhaupt keine Indizwirkung der Rechnung an und stellt hinsichtlich bestimmter Kosten darauf ab, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich nichts zur Erforderlichkeit dargelegt und unter Beweis gestellt habe, ohne darauf einzugehen, ob für diesen überhaupt erkennbar war, ob dies unerhebliche und überhöhte Abrechnungspositionen sind.

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Es spricht daher einiges dafür, dass das Amtsgericht die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO hätte zulassen müssen. Allerdings ist mit Rücksicht auf die Begründung des Amtsgerichts und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Grenze zur Willkür bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift über die Berufungszulassung nicht überschritten. Das Amtsgericht ist der Auffassung, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme einer vom Geschädigten bezahlten Rechnung, die mit der getroffenen Honorarvereinbarung übereinstimme, eine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Kosten zu. Liege jedoch, wie hier, keine Honorarvereinbarung vor, fehle es an einer solchen Indizwirkung der Sachverständigenrechnung. Weil die Vereinbarung fehle, könne sie auch kein Indiz für die spezielle Situation und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten liefern. Damit bleibe es Aufgabe des Geschädigten, die erforderlichen Kosten darzulegen und notfalls zu beweisen.

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Tatsächlich lauten die vom Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen formulierten Maßstäbe, nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern alleine der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bilde einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (namentlich BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15 -, juris, Rn. 19). Der Bundesgerichtshof stellt dann aber im Weiteren auf den tatsächlich aufgewendeten Betrag ab.

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Angesichts dieser Formulierung in den Obersätzen des Bundesgerichtshofs und der Bezugnahme auf diese im angegriffenen Urteil beruht die Nichtzulassung der Berufung nicht auf einer Missdeutung der Berufungszulassungsvoraussetzungen in krasser Weise, so dass eine willkürliche Rechtsanwendung nicht angenommen werden kann.

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2. Soweit der Beschwerdeführer weiter rügt, das Urteil des Amtsgerichts verletze ihn auch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf § 511 Abs. 4 ZPO derselbe Prüfungsmaßstab wie unter III. 1. dargestellt. Danach findet auch hier lediglich eine Willkürkontrolle statt, so dass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen wird.

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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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