Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 28/09

Tatbestand

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In dem durch ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 8. August 2008 folgenden Sachverhalt als schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:

"Der Soldat befahl am 21.11.2007 auf dem Parkplatz des Guts G. im Rahmen der Grundausbildung Soldaten des II. Zuges der .../Gebirgssanitätsregiment ... in Grundstellung und ließ diese so angetretenen Soldaten mit dem gesamten Marschgepäck von 15 bis 18 Kilo bei minus 5 Grad Außentemperatur für ca. 30 bis 40 Minuten im Freien stehen, obwohl für ein derart langes Verweilen in Grundstellung keine dienstliche Notwendigkeit gegeben war, was dem Soldaten zumindest hätte bewusst sein können und müssen. Während dieser Zeit begab er sich in die Kantine des Guts G., um dort u.a. einen Kaffee zu trinken. Die Grundstellung wurde durch die Soldaten ununterbrochen beibehalten, was dazu führte, dass ein Soldat in Ohnmacht fiel."

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Dem Vorschlag des Vorsitzenden Richters des Truppendienstgerichts, das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mit einem Disziplinargerichtsbescheid rechtskräftig zu beenden, stimmte die Wehrdisziplinaranwaltschaft wiederholt nicht zu. Eine für den 27. Januar 2009 anberaumte Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht wurde aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht durchgeführt. Anstelle dessen wurden an jenem Tag vom Vorsitzenden in Anwesenheit der Beteiligten kommissarisch zwei Zeugen angehört.

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Das Truppendienstgericht hat dann aufgrund der Hauptverhandlung vom 17. März 2009 durch Urteil vom selben Tag entschieden, dass gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot für die Dauer von 12 Monaten ausgesprochen wird, und hat folgende Kostenentscheidung getroffen:

"Die Kosten des Verfahrens werden dem Soldaten auferlegt, allerdings mit Ausnahme der Kosten, die durch die Hauptverhandlung (vom 17. März 2009) sowie mit Ausnahme der Kosten, die für die auf den 27. Januar 2009 anberaumten, aber wieder abgesetzten Hauptverhandlung und schließlich mit Ausnahme der Kosten, die durch die kommissarische Zeugenvernehmung vom 27. Januar 2009 entstanden sind; diese für die Hauptverhandlung zuzüglich der durch die terminierte, aber wieder abgesetzten Hauptverhandlung einschließlich der durch die kommissarische Anhörung entstandenen Kosten werden genauso wie die dem Soldaten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund auferlegt."

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Das Truppendienstgericht hat das angeschuldigte Verhalten des Soldaten im Wesentlichen als erwiesen angesehen und als vorsätzliche Verstöße gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), seine Pflicht, Befehle insbesondere nur unter Beachtung der Gesetze und Dienstvorschriften zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG), seine Kameradschaftspflicht (§ 12 SG) sowie gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) gewertet. Diese schuldhaften Pflichtverletzungen stellten ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) dar, das mit einem Beförderungsverbot für die Dauer von 12 Monaten zu ahnden sei.

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Die Kostenentscheidung beruhe auf § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO.

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Gegen das ihr am 1. April 2009 zugestellte Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 28. April 2009 zuungunsten des Soldaten Berufung, beschränkt auf das Disziplinarmaß, eingelegt mit dem Antrag, ein 18-monatiges Beförderungsverbot nebst einer Kürzung seiner Dienstbezüge für 10 Monate um ein Zwanzigstel auszusprechen und die erstinstanzliche Kosten- und Auslagenentscheidung abzuändern. ...

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht zuungunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist in vollem Umfang begründet. Sie führt nicht nur zur Verlängerung der Laufzeit des erstinstanzlich verhängten Beförderungsverbots von 12 auf 18 Monate nebst der Verhängung einer Kürzung der Dienstbezüge auf die Dauer von 10 Monaten um ein Zwanzigstel, sondern auch zur Abänderung des erstinstanzlichen Ausspruchs über die Auferlegung der Verfahrenskosten sowie der notwendigen Auslagen des Soldaten.

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1. Das Rechtsmittel ist ausdrücklich und auch nach seinem Inhalt auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Sodann hat er auf dieser Grundlage in der Sache über die angemessene Disziplinarmaßnahme und anschließend - als Annex zur Sachentscheidung - über die Auferlegung der erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten sowie der notwendigen Auslagen des Soldaten zu befinden. (wird zur Sachentscheidung näher ausgeführt)

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4. Da die zuungunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft Erfolg hat, hat der Soldat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO). Es gibt keine Billigkeitsgesichtspunkte, den Soldaten gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WDO von diesen Kosten teilweise oder sogar ganz zu entlasten; nichts anderes gilt gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO hinsichtlich der dem Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

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Der Soldat hat grundsätzlich auch gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich seiner eigenen notwendigen Auslagen zu tragen, da er vom Truppendienstgericht zu Recht verurteilt worden ist. Es entspricht jedoch der Billigkeit, ihn gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO von den Verfahrenskosten einschließlich seiner eigenen notwendigen Auslagen insoweit zu entlasten, als diese durch seine Gestellung zu dem für den 27. Januar 2009 anberaumten Hauptverhandlungstermin entstanden sind; diese werden dem Bund auferlegt. Der Umstand, dass der Termin am 27. Januar 2009 nicht als Hauptverhandlung im Sinne der §§ 103 ff. WDO stattfinden konnte, fiel nicht in den Verantwortungsbereich des Soldaten.

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Für weitere erstinstanzliche Billigkeitsentscheidungen zugunsten des Soldaten ist - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - kein Raum. Zwar ist die Hauptverhandlung vom 17. März 2009 - anstelle der nicht durchgeführten Hauptverhandlung vom 27. Januar 2009 - dadurch notwendig geworden, dass der Wehrdisziplinaranwalt der Ankündigung des Vorsitzenden des Truppendienstgerichts, durch Disziplinargerichtsbescheid gemäß § 102 WDO zu entscheiden, widersprochen hatte. Das kann aber nicht generell zu einer Kostenbelastung des Bundes nach dem Verursacherprinzip führen. Wie die Regelung des § 102 Abs. 1 Satz 2 WDO zeigt, wonach ein Disziplinargerichtsbescheid u.a. nur dann ergehen darf, wenn der Soldat und der Wehrdisziplinaranwalt mit Zustimmung der Einleitungsbehörde und des Bundeswehrdisziplinaranwalts nicht widersprechen, ist es das gute Recht der Beteiligten, ohne Angabe von Gründen auf einer Hauptverhandlung zu bestehen. Dieses Recht kann ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht durch eine für den Beteiligten nachteilige Kostenentscheidung in Frage gestellt werden. Insbesondere ist es nicht zulässig, über die Kostenfrage mittelbar auf den Beteiligten Druck auszuüben, dem vorgeschlagenen Verfahren zuzustimmen.

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Die Kostenentscheidung lässt sich auch nicht durch Billigkeitsgesichtspunkte rechtfertigen; denn eine disziplinargerichtliche Hauptverhandlung gehört als Folge einer Verletzung von Dienstpflichten regelmäßig zum Risikobereich eines Soldaten. Ein Soldat, der sich eines im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu verfolgenden Dienstvergehens schuldig gemacht hat, muss grundsätzlich mit der Durchführung einer disziplinargerichtlichen Hauptverhandlung rechnen. Es erscheint daher keineswegs unbillig, den Soldaten mit den Kosten der Hauptverhandlung vom 17. März 2009 - einschließlich seiner insoweit eigenen notwendigen Auslagen - zu belasten (vgl. zur entsprechenden Fallkonstellation nach der Bundesdisziplinarordnung, Urteil vom 13. Mai 1981 - BVerwG 1 D 21.80 - BVerwGE 73, 178 <182> m.w.N.). Nichts anderes gilt im Hinblick auf die durch die kommissarische Anhörung der Zeugen am 27. Januar 2009 entstandenen Kosten (und notwendigen Auslagen). Es handelt sich insoweit nicht um vermeidbare, sondern um vorgezogene Kosten, die ohnehin entstanden wären. Andernfalls hätten die Zeugen zur Hauptverhandlung am 17. März 2009 geladen und dort vernommen werden müssen (vgl. § 103 Abs. 1 Satz 2, § 106 WDO).

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