Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 B 24/11

Gründe

1

Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG).

2

Er wurde zwischen 1987 und 1989 mehrfach in psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern behandelt. Soweit den Aufenthalten Einweisungen zugrunde lagen, sind diese mit Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. August 1996 teilweise für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben worden. Die Klage auf berufliche Rehabilitierung wurde rechtskräftig abgewiesen (vgl. Beschlüsse vom 26. Januar 2009 - BVerwG 3 PKH 12.08 - und vom 5. März 2009 - BVerwG 3 B 67.08). Der Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, gestützt im Wesentlichen auf gesundheitliche Beeinträchtigungen und Folgeschäden der Behandlung in den Krankenhäusern, blieb ebenfalls ohne Erfolg. In dem klageabweisenden Urteil hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, eine hoheitliche Maßnahme sei im Zusammenhang mit den Einweisungen nicht feststellbar. Ausweislich des Beschlusses des Oberlandesgerichts habe kein hoheitlicher Akt einer Einweisung durch den Kreisarzt oder durch ein Gericht vorgelegen. Ebenso wenig sei eine Maßnahme politischer Verfolgung oder ein Willkürakt erkennbar. Dass die seelische Grunderkrankung des Klägers auf Maßnahmen der DDR beruht habe, sei unter keinem Aspekt ersichtlich. Die vom Kläger behaupteten Leiden seien nicht nachweisbar.

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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (1.) noch liegt der behauptete Verfahrensmangel vor (2.).

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1. Der Kläger leitet die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aus den Fragen ab,

"ob das zwangsweise Verbringen des Klägers in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses und der Verbleib des Klägers bei seinem Willen auf der Station eine hoheitliche Maßnahme darstellt und damit eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach sich zieht",

hilfsweise,

"ob das Unterlassen einer entsprechenden notwendigen hoheitlichen Maßnahme einen Anspruch des Klägers nach dem VwRehaG ausschließt".

5

Die hauptsächlich aufgeworfene Frage ist nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantworten. In ihrer wörtlichen Fassung orientiert sie sich an den besonderen Umständen des Falles und weist daher nicht über die konkrete Rechtssache hinaus. Auch die Begründung für die Frage zeigt, dass der Sache nach keine abstrakte Rechtsfrage gestellt, sondern die Aufenthalte des Klägers in den Krankenhäusern einer erneuten Würdigung zugeführt werden sollen. Dabei handelt es sich um einen in das Gewand der Grundsatzrüge gekleideten Angriff gegen die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts. Nichts anderes steht inmitten, wenn das Verwaltungsgericht, wie die Beschwerde meint, das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts missverstanden haben sollte oder es den Einweisungen zugrunde liegende Hoheitsakte fälschlicherweise verneint hätte.

6

Auch in ihrem abstrakten Kern ist die Frage nicht in allgemeiner Weise zu bejahen oder zu verneinen. Es ist Sache tatrichterlicher Würdigung des Einzelfalles, ob einer Einweisung eine hoheitliche Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG zugrunde liegt oder etwa die Entscheidung eines nicht amtlich sondern privat tätig werdenden (Not)Arztes, die ein nicht rehabilitierungsfähiges privatrechtliches Handeln darstellen würde (vgl. Urteil vom 30. Juni 1998 - BVerwG 3 C 39.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 13 = ZOV 1999, 55).

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Die hilfsweise gestellte Frage beantwortet sich ohne Weiteres aus dem Gesetz. Eine Rehabilitierung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG setzt die hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 voraus. Ohne eine solche Maßnahme entsteht der Anspruch auf Rehabilitierung nicht.

8

2. Die behaupteten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor. Zu Unrecht macht der Kläger Verletzungen des rechtlichen Gehörs, der gerichtliche Aufklärungspflichten und der Anforderungen an die Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO geltend, weil das Verwaltungsgericht ihn nicht zu den "entscheidungserheblichen Umständen" in dem Schriftsatz gehört habe, den er in der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereicht habe, und weil es den darin geschilderten Ereignissen weder nachgegangen sei noch sie ausreichend gewürdigt habe. Der genannte Schriftsatz enthält indes keine konkreten Tatsachenbehauptungen, denen hätte nachgegangen werden können, sondern eine - überwiegend kaum nachvollziehbare - "zusammenfassende Klägerstellungnahme zu den delinquenten Fakten zwischen Oktober 1987 und August 2008". Soweit Tatsachen anklingen, sind diese im Tatbestand des Urteils wiedergegeben. In den Entscheidungsgründen hat sich das Gericht, wie gesagt, besonders mit der Behauptung hoheitlicher Einweisungsmaßnahmen befasst. Aber auch dann, wenn eine Einweisung auf einer polizeilichen Zwangsmaßnahme beruht haben sollte, zu der sich das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich verhält, ist ein Verfahrensmangel nicht erkennbar. Eine solche - hoheitliche - Maßnahme müsste nach § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwRehaG mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar gewesen sein. Dies hat das Verwaltungsgericht ebenfalls geprüft und verneint (UA S. 7). Es wäre nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen, wenn dabei Tatsachen und Beweise falsch gewürdigt worden wären (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).

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Im Übrigen kann daraus, dass das Gericht sich nicht mit allen Gesichtspunkten des Vorbringens der Beteiligten und des wiedergegebenen Sachverhalts ausdrücklich auseinander gesetzt hat, noch nicht geschlossen werden, dass es die fraglichen Gesichtspunkte bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (vgl. Beschlüsse vom 11. April 2003 - BVerwG 5 B 24.03 - juris und vom 12. Juli 1999 - BVerwG 9 B 374.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 43). Dieser Schluss liegt hier besonders fern, weil eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des - anwaltlich nicht vertreten gewesenen - Klägers wegen der Eigenart seiner Darstellung von vornherein auf besondere Hindernisse stieß.

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