Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (1. Wehrdienstsenat) - 1 WNB 4/11
Tatbestand
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Der Antragsteller, Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in einem Beschluss des Truppendienstgerichts, mit dem es nach Erledigung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung das Verfahren eingestellt und gemäß § 20 WBO über die Kosten des Verfahrens entschieden hatte.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde zwar für statthaft gehalten, aber in der Sache zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Gegen den Beschluss des Truppendienstgerichts ist die Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich statthaft.
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§ 22a Abs. 1 WBO eröffnet die Rechtsbeschwerde - nach Zulassung - ohne jede Einschränkung als statthaften Rechtsbehelf gegen "den" Beschluss des Truppendienstgerichts. Die Literatur betrachtet ebenfalls alle "Entscheidungen, die im gerichtlichen Antragsverfahren (§§ 17, 16a Abs. 5
) ergehen", als statthaften Gegenstand der Rechtsbeschwerde (Dau, WBO, 5. Auflage 2009, § 22a Rn. 3). Eine einschränkende Auslegung dieser Rechtsnorm ist auch aus ihrer Entstehungsgeschichte nicht geboten. Zwar wird in der Begründung der Bundesregierung zum "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2007)", das am 1. Februar 2009 als Wehrrechtsänderungsgesetz 2008 vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) in Kraft getreten ist, zu § 22a WBO ausgeführt, Voraussetzung der Rechtsbeschwerde sei die Zulassung durch das Truppendienstgericht, über die es in der Entscheidung "über" den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu befinden habe, oder die Zulassung durch das Bundesverwaltungsgericht (BT-Drucks. 16/7955 S. 36). Soweit diese Formulierung die Interpretation nahelegt, die Rechtsbeschwerde solle nur gegen Entscheidungen des Truppendienstgerichts statthaft sein, in denen noch in der Sache über einen Antrag nach § 17 WBO zu urteilen ist, hat dies jedoch im Wortlaut des § 22a Abs. 1 WBO keinen Niederschlag gefunden.
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Angesichts der umfassenden und eindeutigen normativen Regelung ist auch kein Raum für die Annahme, Einstellungs- und Kostenbeschlüsse des Truppendienstgerichts nach Erledigung des Antragsverfahrens in der Hauptsache seien gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 2 und § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Wenn der Gesetzgeber derartige Beschlüsse des Truppendienstgerichts, in denen es gemäß § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen entscheidet, von der Möglichkeit der Anfechtung mit weiteren Rechtsbehelfen hätte ausschließen wollen, hätte er insoweit im Hinblick auf den Grundsatz der Normenklarheit und auf das besonders im Geltungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG zu beachtende Erfordernis der Rechtssicherheit eine eindeutige Regelung - wie etwa in § 142 Satz 2 WDO und in § 18 Abs. 2 Satz 5 WBO a.F. - treffen müssen. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung der §§ 22a, 22b WBO an anderer Stelle ausdrücklich die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen des Truppendienstgerichts geregelt hat (§ 16a Abs. 5 Satz 3 WBO).
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2. Die fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) kommt der Sache nicht zu. Der gemäß § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
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Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen,
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ob für Entscheidungen nach § 20 Abs. 1 und 2 WDO (offensichtlich gemeint: WBO) i.V.m. § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX die Truppendienstgerichte oder in analoger Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ausschließlich die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind,
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ob - falls die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht bejaht werden könne - § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX als lex specialis der Ermessensregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO (offensichtlich gemeint: WBO) vorgehe,
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rechtfertigen nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil sie sich in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stellen würden.
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Im Rechtsbeschwerdeverfahren wäre die Frage des zulässigen Rechtsweges nicht erheblich. Das Truppendienstgericht hatte als im Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten angegangenes Gericht aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten nur noch über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen in dem vor ihm geführten Verfahren zu befinden. Jedenfalls für diese Entscheidung war die Zuständigkeit des Truppendienstgerichts gegeben. Davon ist auch der Antragsteller ausgegangen; er hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. August 2009 das Truppendienstgericht ausdrücklich um eine Kostenentscheidung gebeten.
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Im Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist nach Erledigung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung § 20 Abs. 3 WBO für die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen bzw. über die Kostenbelastung maßgeblich. Die Vorschrift ordnet die sinngemäße Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 20 WBO an. Diese prozessualen Aufwendungserstattungsnormen können nach Maßgabe des § 23a Abs. 2 WBO nur durch Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes ergänzt werden. Das SGB IX ist dort nicht als weiteres heranzuziehendes Gesetz genannt.
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Es kommt hinzu, dass § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX - anders als § 20 Abs. 3 WBO - keine prozessuale Vorschrift über die Kostentragung enthält, sondern eine materielle Anspruchsgrundlage, mit der der Arbeitgeber unabhängig von einem gerichtlichen Verfahren für die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten in Anspruch genommen werden kann. Das ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30. März 2010 - 7 AZB 32/09 - (NJW 2010, 1769 = juris Rn. 6); es entspricht ebenso der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, der Vorbildvorschrift für § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX (vgl. Beschlüsse vom 25. Juni 2009 - BVerwG 6 PB 15.09 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 37 = NVwZ-RR 2009, 731
= juris Rn. 10 und vom 29. April 2011 - BVerwG 6 PB 21.10 - NVwZ 2011, 1141). Der Vertrauensperson steht daher nach Maßgabe des § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu, für dessen gerichtliche Durchsetzung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren Anwendung findet.
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b) Die Beschwerde rügt außerdem die Versagung rechtlichen Gehörs, indem sie geltend macht, dass die Entscheidung des Truppendienstgerichts in Nr. 3 des Tenors des Beschlusses vom 19. Oktober 2010 überraschend gekommen sei, weil der Antrag des Antragstellers, die Kosten dem Arbeitgeber aufzuerlegen, zurückgewiesen worden sei. Es habe eines besonderen richterlichen Hinweises des Truppendienstgerichts bedurft, dass es von § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX unter bevorzugter Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO (offensichtlich gemeint: WBO) zu Lasten des Antragstellers abweichen werde. Wäre dieser Hinweis ergangen, hätte sich der Antragsteller auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30. März 2010 (a.a.O.) bezogen, nach dem Rechtsstreitigkeiten über die nach § 96 Abs. 8 Satz 1 SBG IX bestehende Kostentragungspflicht des Arbeitgebers im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden seien.
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Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerde einen Verfahrensmangel im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO geltend.
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Ein Verfahrensmangel liegt unter anderem dann vor, wenn der Anspruch eines Antragstellers oder Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wird. Dieser in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz gilt auch im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren und erstreckt sich - über den Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO hinaus - auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachfragen sowie auf die Beweisergebnisse, ferner auf entscheidungsrelevante Rechtsfragen, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (Beschlüsse vom 24. März 2010 - BVerwG 1 WNB 3.10 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 4 und vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 WNB 4.10 -). Die Gewährung rechtlichen Gehörs zu Rechtsfragen kommt unter anderem dann in Betracht, wenn ein entscheidungserheblicher rechtlicher Gesichtspunkt im bisherigen Verfahren von keinem Verfahrensbeteiligten erkannt oder angesprochen worden ist. In einem derartigen Fall besteht zur Vermeidung eines Überraschungsurteils eine Hinweis- und Anhörungspflicht des Gerichts (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 WNB 4.10 -).
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Gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Truppendienstgericht in dem angegriffenen Beschluss nicht verstoßen.
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Die Frage der möglichen Anwendung des § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX hat der Antragsteller im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. Oktober 2009 selbst thematisiert. Damit hatte er den rechtlichen Gesichtspunkt dieser Vorschrift in das Verfahren vor dem Truppendienstgericht eingeführt. Mit seiner Gehörsrüge verkennt der Antragsteller, das Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verlangt, dass das Gericht vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; dem Gericht obliegt insoweit auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 = NJW 1991, 2823; BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 WNB 4.10 -). Deshalb ist das Gericht nicht gehalten, unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs seine die Entscheidung tragende Rechtsauffassung schon vor der Urteils- oder Beschlussberatung im Einzelnen festzulegen und den Beteiligten zur Erörterung bekannt zu geben (Beschlüsse vom 24. Januar 1991 - BVerwG 8 B 164.90 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6, vom 23. Oktober 2008 - BVerwG 4 B 30.08 - BauR 2009, 233 und vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 WNB 4.10 -).
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Referenzen
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- § 20 Abs. 1 und 2 WDO 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 54 Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags 1x
- § 20 Abs. 3 WBO 3x (nicht zugeordnet)
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- 1 BvR 1383/90 1x (nicht zugeordnet)
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