Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (7. Senat) - 7 B 60/11
Gründe
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I.
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Die Klägerin betreibt in Burghausen/Bayern zur Versorgung eines Industriegebiets mit Energie und Wärme ein nach erfolgter Umrüstung im Jahr 2001 in Betrieb gegangenes Kraftwerk (Gas- und Dampfkraftwerk - GuD-Anlage, Feuerwärmeleistung: 176 MW/el). Sie wendet sich gegen den für eine sog. Optionsanlage nach § 7 Abs. 12, § 11 ZuG 2007 ergangenen Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2004, mit dem ihr 2 715 411 Emissionsberechtigungen für die Jahre 2005 bis 2007 zugeteilt worden sind. Dieser Zuteilung liegt bei Anwendung der besten verfügbaren Technik (BVT) ein Emissionswert von 373 g CO2/kWh Nettostromerzeugung zu Grunde, beantragt hatte die Klägerin den Ansatz eines Emissionswertes von 387 g CO2/kWh. Den wegen der hierdurch bedingten Minderzuteilung von 56 100 Emissionsberechtigungen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück: Für Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007 müsse von einer fiktiven Neuanlage mit der effizientesten und fortschrittlichsten, am Markt verfügbaren Technik ausgegangen werden. Nicht zu Grunde zu legen sei der Zuteilung die Betriebsweise der jeweils bestehenden Anlage.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Zuteilung weiterer 56 100 Emissionsberechtigungen, hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Dezember 2004, ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen: Etwaige noch offene Zuteilungsansprüche aus der ersten Handelsperiode 2005 bis 2007 seien nicht durch Zuteilung von Berechtigungen für die zweite Handelsperiode 2008 bis 2012 zu erfüllen. Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag sei unzulässig. In Bezug auf Schadenersatzansprüche ergebe sich kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Zuwendungsbescheides. Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff scheide offensichtlich aus. Es fehle an einem Eingriff in die Substanz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Die Klägerin sei insbesondere nicht wegen zu Unrecht unterbliebener Zuteilung von Emissionsberechtigungen gezwungen gewesen, fehlende Berechtigungen am Markt hinzuzukaufen. Zum Zeitpunkt der Löschung des Anlagenkontos der Klägerin für die erste Handelsperiode (30. April 2008) hätten sich auf diesem noch insgesamt 35 903 Emissionsberechtigungen befunden. Bei lediglich 2 064 596 abgegebenen Emissionsberechtigungen habe die Klägerin für die erste Handelsperiode eine Überallokation von 650 850 Berechtigungen erhalten. Mangels Verschulden eines Amtsträgers seien auch Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB offensichtlich aussichtslos.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin.
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II.
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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1. Es besteht keine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 C 23.09 - (Buchholz 406.253 § 20 ZuG 2007 Nr. 1).
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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 18). Eine Divergenz liegt dagegen nicht vor, wenn ein Gericht einen bestimmten höchstrichterlich entwickelten Rechtssatz auf eine andere Fragestellung oder auf einen abweichenden Sachverhalt überträgt (Beschlüsse vom 6. November 1987 - BVerwG 6 B 23.87 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 20 = juris Rn. 7 und vom 30. August 1978 - BVerwG 7 B 27.77 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 96 m.w.N. = juris Rn. 11). Denn die Divergenzzulassung bezweckt, die Widerspruchsfreiheit mit den vom Bundesverwaltungsgericht bereits entwickelten abstrakten Rechtssätzen zu gewährleisten. Divergenz setzt deshalb voraus, dass das abweichende Gericht einen gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt zu beurteilen hatte (Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rn. 73 m.w.N.).
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Hieran fehlt es: Der von der Beschwerde als entscheidungstragend in Bezug genommene Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 52), das rechtswidrige Vorenthalten von Emissionsberechtigungen stelle eine Beeinträchtigung des aus der eigentumsrechtlich geschützten Anlage bzw. dem eigentumsrechtlich geschützten Gewerbebetrieb folgenden Nutzungsrechts dar, bezog sich - im Rahmen der Prüfung der offensichtlichen Aussichtslosigkeit eines Amtshaftungsprozesses - auf einen Fall, in dem die Klägerin wegen rechtswidriger Minderzuteilung Emissionsberechtigungen am Markt zukaufen musste. Die Frage, ob Emissionsberechtigungen als solche eine von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition darstellen, hat das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. Rn. 44) dagegen ebenso offen gelassen wie schon in dem darin in Bezug genommenen Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - (BVerwGE 124, 47 <58 f.> = Buchholz 451.91 EuropUmwR Nr. 19 = juris Rn. 34).
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Vorliegend musste die Klägerin demgegenüber nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat daher bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts für die Fortführung ihres Betriebs keine Emissionsberechtigungen zukaufen; im Gegenteil konnte sie solche in erheblichem Umfang veräußern, zudem sind auf ihrem Anlagekonto verbliebene 35 903 Berechtigungen mit Ablauf der ersten Zuteilungsperiode zum 30. April 2008 gelöscht worden (§ 20 Satz 2 ZuG 2007). Wenn das Oberverwaltungsgericht für diesen anders gelagerten Sachverhalt einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verneint, setzt es sich daher nicht in Widerspruch zu dem von der Beschwerde benannten Rechtssatz in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 21. Dezember 2010.
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2. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die Frage, ob der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit der Erfüllung des Anspruchs aus § 7 Abs. 12 i.V.m. § 11 ZuG 2007 von weitergehenden Voraussetzungen als der bloßen Rechtwidrigkeit der Zuteilungsentscheidung abhängt, insbesondere davon, ob in die Substanz des Gewerbebetriebs des Anlagenbetreibers eingegriffen werden muss, mithin eine Eigentumsverletzung nicht in Betracht kommt, wenn der Anlagenbetreiber mehr Emissionsberechtigungen erhalten hat als er für seine eigene Anlage benötigt, lässt sich anhand des Gesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
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Betreiber von Anlagen, die einer Genehmigung nach § 4 BImSchG bedürfen, mit der sich wiederum bereits eine Emissionsgenehmigung verbindet (vgl. § 4 Abs. 6 Satz 1 TEHG), haben für ihre im Anhang 1 zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz beschriebenen Tätigkeiten einen Anspruch auf Zuteilung von Berechtigungen nach Maßgabe des Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan (§ 9 Abs. 1 TEHG). Die Emissionsbefugnis unterfällt damit als Bestandteil des Eigentums an der genehmigten Anlage bzw. als Bestandteil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in seiner genehmigten Ausgestaltung dem Schutzbereich des Art. 14 GG. Eigentumsrechtlich ist die Emissionsbefugnis und damit auch die Zuteilung von Emissionsberechtigungen von der genehmigten Anlage nicht abtrennbar (Urteil vom 30. Juni 2005 a.a.O.).
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Die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen in der ersten Handelsperiode dient für einen Übergangszeitraum (und im Sinne einer Übergangsregelung) der Kompensation des Eingriffs in das Eigentum an der Anlage, der sich mit dem Systemwechsel durch Einführung des Emissionshandelssystems und der dadurch begründeten Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen (§ 6 Abs. 1 TEHG) verbindet (Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 33.07 - BVerwGE 129, 328 <344> = Buchholz 406.253 § 4 ZuG 2007 Nr. 1 Rn. 46). Im Hinblick darauf kann eine Verletzung von Art. 14 GG nur dann angenommen werden, wenn in dieser Übergangszeit gekürzte Ansprüche auf kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen nicht ausreichend gewesen wären, um den durch die Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen begründeten Eingriff angemessen ausgleichen zu können (Urteil vom 16. Oktober 2007 a.a.O.). Derartiges dürfte schon angesichts der - in der ersten Zuteilungsperiode verbreiteten - Überausstattung der Anlagen mit Emissionsberechtigungen (Nantke, in: Bergbauliche Abfälle und Emissionshandel, 2007, S. 193 ff.) in vielen Fällen ausscheiden. Auch vorliegend war es der Klägerin ohne Weiteres möglich, trotz eines bedarfsgerechten Betriebs der Anlage nicht benötigte Emissionsberechtigungen noch zu verkaufen.
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Die Annahme, dass im Zusammenhang mit der Begründung einer auf der Zuteilung von Rechten beruhenden neuen Marktordnung ein Grundrechtseingriff auch in einer unzureichenden Begünstigung (im Sinne einer rechtswidrigen Unterallokation) liegen könne, verkennt, dass sich die Eingriffsqualität nicht schon aus einer unzureichenden Zuteilung, sondern aus der Limitierung der zulässigen Emissionen und der Einführung des Handelssystems ergibt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <99>). Zwar führt nicht allein der Systemwechsel mit der Beschränkung von Emissionsrechten zu einem Eingriff in die Eigentumsgarantie, vielmehr konkretisiert sich die weitere Belastung eines unter das Emissionshandelssystem fallenden Anlagenbetreibers auch in der ihn betreffenden Zuteilungsentscheidung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - NVwZ 2010, 435 = juris Rn. 73). Allein in einer unzureichenden Begünstigung im Sinne einer mit den Zuteilungsregelungen nicht vollständig in Einklang stehenden Minderzuteilung verbindet sich angesichts der privilegierenden Funktion der Allokation in der ersten Handelsperiode jedoch kein Grundrechtseingriff (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 a.a.O.). Angesichts der im April 2008 auf dem Anlagenkonto der Klägerin verbliebenen Emissionsberechtigungen ist aber nicht ersichtlich, dass die nach ihrer Ansicht verkürzte Zuteilung ein Ausmaß erreicht hat, welches die Angemessenheit der gewährten kostenlosen Zuteilung als Ausgleich der durch die Einführung des Emissionshandelssystem verbundenen Beschränkungen von Art. 14 Abs. 1 GG infrage stellt und zu einer Verletzung dieses Rechts führt (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2009 a.a.O.).
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Hinzu kommt, dass subjektiv-öffentliche Rechte nur dann den Schutz des Art. 14 GG genießen, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen eines Eigentümers entspricht, und wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 99, 461/85 - BVerfGE 72, 175 <193 f.> und vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 - BVerfGE 97, 271 <283 ff.>; Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 - BVerfGE 100, 1 <32 f.>). Die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen gründet im Sinne einer Übergangsregelung auf der Entscheidung des Gesetzgebers, den mit der Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen verbundenen Eingriff in das Anlageneigentum zumindest in der ersten Handelsperiode auszugleichen und verfolgt darüber hinaus Lenkungszwecke. Eigenleistungen der Klägerin verbinden sich hiermit nicht; soweit sie auf Investitionen in besonders effiziente Technologien verweist, waren diese bereits vor dem Systemwechsel im Jahre 2001 erfolgt.
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Der Klägerin geht es zudem ausschließlich um die (durch Unterallokation vorenthaltene) Möglichkeit, mit dem Handel von Emissionsberechtigungen weitere Gewinne zu erzielen; diese Beeinträchtigung einer bloßen Chance durch eine zu geringe Zuteilung von Emissionsberechtigungen hat aber an dem eigentumsmäßigen Schutz der personellen und gegenständlichen Grundlagen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen Anteil (stRspr, BGH, Urteil vom 13. Juli 2000 - III ZR 131/99 - NVwZ-RR 2000, 744 f. = juris Rn. 16 m.w.N.).
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Referenzen
- 1 BvR 1318/86 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 6 Satz 1 TEHG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 2x
- § 20 ZuG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 3151/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 20 Satz 2 ZuG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 ZuG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 KDVG 1x (nicht zugeordnet)
- III ZR 131/99 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 4 Genehmigung 1x
- § 6 Abs. 1 TEHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 TEHG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvL 32/95 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 ZuG 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung 1x
- VwGO § 133 1x
- 1 BvF 1/05 1x (nicht zugeordnet)