Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (7. Senat) - 7 C 10/10

Tatbestand

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Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, wendet sich gegen die Kürzung der kostenlosen Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 und begehrt eine Mehrzuteilung von Zertifikaten in numerisch nicht bezeichneter Höhe.

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Sie betreibt in B. das in den Jahren 1963 bis 1974 in Betrieb gegangene Braunkohlekraftwerk N. mit den Blöcken A bis H (Bestandsanlage) und dem im Jahr 2003 neu errichteten Block K (Erweiterungsanlage). Diesem Kraftwerk teilte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2008 für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 72 792 515 Emissionsberechtigungen zu (14 558 503 Berechtigungen jeweils zum 28. Februar des Jahres). Für die Kapazitätserweiterung der Anlage sind dabei im Vergleich zur ersten Zuteilungsperiode um ca. 40 % weniger Emissionsberechtigungen zugeteilt worden, auf das gesamte Kraftwerk bezogen werden in der zweiten Handelsperiode durch die kostenlosen Zuteilungen lediglich ca. 50 % des Bedarfs abgedeckt.

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Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

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Die Zuteilungen für die Bestandsanlage seien zu Recht auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 ZuG 2012 erfolgt und für den neu errichteten Block K auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 ZuG 2012. Eine Anwendung von § 8 Abs. 1 ZuG 2007 auf den Erweiterungsteil scheide aus. § 2 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 2 ZuG 2012 stehe dem entgegen. Aufgrund der Kommissionsentscheidung vom 29. November 2006 habe eine periodenübergreifende Zuteilung auch für neuere Bestandsanlagen nicht mehr erfolgen können. Ein Vertrauen auf die Fortführung der privilegierenden Regelung habe sich nicht bilden können, nachdem die Kommission im Jahre 2004 ihre diese betreffende Zustimmung ausdrücklich auf die erste Handelsperiode beschränkt habe. Zudem sehe das Zuteilungsgesetz 2012 für Energieanlagen ohnehin keinen Erfüllungsfaktor mehr vor, dessen Anwendung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 entfallen könnte. Die Zuteilung für die Erweiterungskapazität habe von einem produktbezogenen Emissionswert von 750 g CO2/kWh ausgehen müssen und nicht von den von der Klägerin für richtig befundenen 950 g CO2/kWh. Zudem habe der Berechnung der Zuteilungen an die Bestandsanlage nicht die tatsächliche Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung (als Abzugsfaktor) zu Grunde gelegt werden dürfen, vielmehr hätten insoweit der Standardauslastungsfaktor und der produktbezogene Standardemissionswert zur Anwendung kommen müssen. Dies folge aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 ZuG 2012, wonach die in Abzug zu bringende Menge nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 1 und somit nach dem Standardauslastungsfaktor zu ermitteln sei. Zu Recht habe die Beklagte für die Veräußerungskürzung einen Faktor von 0,844001906 und für die anteilige Kürzung einen solchen von 0,925 angewendet.

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Die das Kraftwerk der Klägerin treffende Kürzung der zugeteilten Zertifikate sei mit der Emissionshandelsrichtlinie vereinbar. Das Kriterium 3 des Anhanges III der Richtlinie stelle auf die Gesamtmenge der Zuteilung in dem jeweiligen Mitgliedstaat ab, nicht aber auf bedarfsgerechte Mengenzuteilungen im Einzelfall. Auch garantiere Art. 10 Satz 2 der Richtlinie keine kostenlose Zuteilung im Umfang von 90 % der Emissionsberechtigungen an die jeweilige Anlage.

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Die Kürzungen von Berechtigungen nach dem Zuteilungsgesetz 2012, die Vereinnahmung eines Versteigerungserlöses sowie der Verzicht des Gesetzes auf einen eigenen Braunkohle-Benchmark seien mit dem Grundgesetz - insbesondere auch mit der Finanzverfassung - vereinbar. Besonderheiten der Braunkohleverstromung werde durch begünstigende Festlegungen zum Standardauslastungsfaktor und zum Effizienzstandard Rechnung getragen. Nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber wegen der problematischen Wettbewerbssituation Industrieanlagen einem anderen, günstigeren Zuteilungsmechanismus unterwerfe als Energieanlagen. Die Klägerin werde durch die Veräußerungskürzung nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt. Der Gesetzgeber sei insbesondere nicht gehindert, die Möglichkeit der Ableitung von Treibhausgasen zu einem wirtschaftlichen Produktionsfaktor zu machen. Die Kürzungen führten auch im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit zu keinem unverhältnismäßigen Ergebnis.

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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt:

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, weil es maßgebliche Bestimmungen des Unionsrechts in Form der Emissionshandelsrichtlinie zu Lasten der Klägerin nicht richtig anwende. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit dem Kriterium 3 des Anhangs III der Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, im Rahmen der Aufstellung der nationalen Allokationspläne dafür Sorge zu tragen, dass Zuteilungsregelungen nicht so ausgestaltet werden, dass für bestimmte, dem Emissionshandelsrecht unterfallende Tätigkeiten von vorneherein mit dem Potential der Anlage nicht im Einklang stehende Zuteilungen generiert werden. Mit dem Verzicht auf einen Braunkohle-Benchmark im Zuteilungsgesetz 2012 sei dies aber erfolgt. Das Kriterium 3 beziehe sich nicht ausschließlich auf die Gesamtmenge der Zuteilungen im jeweiligen Mitgliedstaat. Denn der Anhang III diene ausweislich seines Wortlauts dazu, den Mitgliedstaaten Vorgaben für deren nationale Allokationspläne zu machen. Das Kriterium 3 sei zudem im Zusammenhang mit der Anordnung einer mindestens 90%igen kostenlosen Zuteilung nach Art. 10 Satz 2 EH-RL zu verstehen. Beide Vorschriften zielten auf die durch das Verhältnismäßigkeitsgebot geforderte schonende und angemessene Einführung des Emissionshandelssystems mit einer zum ganz überwiegenden Teil kostenlosen Zuteilung der benötigten Emissionsberechtigungen. Den Erwägungsgründen 5, 8 und 20 der Emissionshandelsrichtlinie sei zu entnehmen, dass der Einsatz energieeffizienter Technologien gefördert werden solle bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Potentials zur Emissionsverringerung bei Tätigkeiten in industriellen Verfahren. Mitgliedstaaten müssten daher bei der ihnen freistehenden Verwendung der Benchmarkzuteilungssysteme von den besten verfügbaren Techniken ausgehen und dürften keine hiervon abweichende Benchmarkmethodik vorsehen. Das für die vorliegende Energieanlage relevante BVT-Referenzdokument unterscheide ausdrücklich zwischen den Brennstoffen Steinkohle und Braunkohle. Die Nichtberücksichtigung eines an den besten verfügbaren Techniken für Braunkohlekraftwerke ausgerichteten Emissionswertes im Zuteilungsgesetz 2012 habe zur Folge, dass der Betreiber einer derartigen Anlage sich nicht ansatzweise zwischen technischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung und Effizienzsteigerung oder dem käuflichen Erwerb von Emissionsberechtigungen entscheiden könne; er sei für den weiteren Betrieb der Anlage vielmehr zwingend auf den käuflichen Erwerb von Berechtigungen am Markt mit den dort sich ergebenden Preisen angewiesen. Mit Unionsrechts sei dies nicht vereinbar. Anders als Art. 11 Abs. 1 EH-RL, der auf die Gesamtzahl der Zertifikate abstelle, sei die kostenlose Mindestzuteilung von 90 % der Emissionsberechtigungen in Art. 10 Satz 2 EH-RL auch auf die einzelne Anlage bezogen. In Folge des Fehlens eines Benchmarks für den Einsatz von Braunkohle zur Energiegewinnung komme es vorliegend lediglich zu einer kostenlosen Zuteilung von Emissionsberechtigungen in Höhe von ca. 50 % des Bedarfs der Anlage. Die hier inmitten stehenden Fragen der Auslegung von Unionsrechts nötigten zur Aussetzung des Verfahrens und deren Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung.

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Die Veräußerungskürzung nach § 20 ZuG 2012 verstoße gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes. Entgegen dem Verwaltungsgericht gebe es für eine in der Versteigerung von Berechtigungen nach § 20 ZuG 2012 liegende Abgabenerhebung keine besondere sachliche Rechtfertigung im Sinne der grundgesetzlichen Finanzverfassung. Insbesondere könne von keiner Verbesserung der Allokationseffizienz ausgegangen werden. Die Steuerung des Kraftwerkseinsatzes erfolge unabhängig davon, ob Berechtigungen kostenlos oder kostenpflichtig erlangt worden seien. Einen Lenkungseffekt durch die Verringerung des Umfangs der kostenlosen Zuteilungen gebe es nicht. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit aus ökologischen Motiven abschöpfen wolle, stehe ihm hierzu wegen der fehlenden korrespondierenden Gegenleistung allein die Erhebung einer Steuer zur Verfügung. Einen solchen Regelungsgehalt habe § 20 ZuG 2012 jedoch nicht. Auch die Abschöpfung von windfall profits betreffe nicht die Effizienz des Handelssystems. Die durch §§ 19, 20 ZuG 2012 ermöglichte nichtsteuerliche Abgabenerhebung finde ebenso keine besondere sachliche Rechtfertigung in der Abschöpfung eines staatlich gewährten Sondervorteils. Eine knappe natürliche Ressource sei nicht betroffen. Die Kapazität der Luft zur Aufnahme von Kohlendioxid sei nicht begrenzt. Normativ fingierte Knappheiten könnten einer natürlichen Mangelsituation nicht gleichgesetzt werden. Anders als für das Wasser fehle für die Luft eine staatliche Bewirtschaftungsordnung; nach dem TEHG erfolge die Bewirtschaftung durch den Markt, der Staat sei bloßer Systemadministrator. Schließlich könne auch von keinem ausschließlich Energieanlagen betreffenden Sondervorteil ausgegangen werden, wenn andere emissionshandelspflichtige Anlagenbetreiber von der Abgabenerhebung ausgenommen würden. Etwaige Zusatzerträge beruhten zudem nicht auf einer staatlichen Leistung, sondern seien das Resultat wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Beteiligten. Die allein die Betreiber von Energieanlagen betreffende Belastung mit einer nichtsteuerlichen Abgabe verstoße auch gegen den zwingend zu beachtenden Grundsatz der Belastungsgleichheit. Die Verfassungswidrigkeit der §§ 19, 20 ZuG 2012 gebiete die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

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Das Zuteilungsgesetz 2012 verletze die Klägerin als Betreiberin eines Braunkohlekraftwerks in ihren Grundrechten. Dies folge insbesondere aus dem Verzicht des Gesetzgebers auf einen Braunkohle-Benchmark; damit einher gingen kumulative Belastungen durch die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 und die Veräußerungskürzung nach §§ 19, 20 ZuG 2012. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die strukturelle Unterausstattung der klägerischen Anlage mit kostenlosen Emissionsberechtigungen die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschreite und damit gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoße. Unzutreffend sei insbesondere, dass es sich bei der Zuteilung von Emissionsberechtigungen um eine staatlich gewährte Leistung handle, die keine schutzwürdige Eigentumsposition begründe, weil sie nicht "erdient" im Sinne der Rechtsprechung sei. Der Zuteilungsmaßstab müsse sich am Stand der Technik orientieren; andernfalls sei von einer unverhältnismäßigen Belastung auszugehen. Das unionsrechtlich vorgegebene Prinzip eines schonenden Übergangs von einer Vollausstattung mit kostenlosen Zertifikaten hin zu einer vollständig kostenpflichtigen Zuteilung werde verletzt, wenn Verhaltensoptionen der Anlagenbetreiber übergangen würden, nämlich das Ziel der Emissionsreduktion entweder durch Modernisierung der Anlage oder durch Zukauf von Berechtigungen zu erreichen. Ebenso werde im nationalen Recht durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BImSchG klargestellt, dass die Zumutbarkeitsschwelle auch im Emissionshandelsrecht durch den Stand der Technik gebildet werde. Die Festlegung eines Emissionswertes, der nach dem Stand der Technik nicht erreicht werden könne, stelle eine unverhältnismäßige und damit unzulässige Belastung dar; auch durch eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG könne ein derartiger nicht eingefordert werden. Dies gelte insbesondere für den für Braunkohlekraftwerke relevanten Emissionswert, der 25 % unter den Möglichkeiten des Stands der Technik liege, was einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG darstelle. Dieser Eingriff in das klägerische Eigentum könne und müsse auch nicht aus Erträgen des Gesamtkonzerns angemessen ausgeglichen werden. Zusatzerträge in Folge der kostenlosen Zuteilung von Berechtigungen und deren möglicher Veräußerung am Markt dienten der Vorsorge insbesondere für die Zuteilungsperiode nach 2012. Auch wegen der auf die Klägerin zukommenden Umstrukturierungslasten greife das Zuteilungssystem des Gesetzes unverhältnismäßig in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ein. Ebenso liege im Umfang der Kürzungen ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor, der unverhältnismäßig sei, weil der Gesetzgeber durch den Verzicht auf einen Braunkohle-Benchmark gegen Grundsätze der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit verstoße. Eine Rechtfertigung für den Verzicht auf einen braunkohlespezifischen Emissionswert liege nicht vor. Insoweit verstoße das Urteil des Verwaltungsgerichts auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Von einer benachteiligenden freiheitsrechtsrelevanten Ungleichbehandlung von Braunkohlekraftwerken sei auszugehen, weil das Gesetz vergleichbare Sachverhalte der Stromerzeugung durch Braunkohle gegenüber der Stromerzeugung durch Steinkohle und Erdgas ungleich behandle. Der insoweit anzulegende Maßstab einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung werde verletzt. Die Ungleichbehandlung der Braunkohlekraftwerke sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Ein vom Gesetzgeber insoweit verfolgter Lenkungszweck sei nicht erkennbar. Selbst wenn aber eine Zurückdrängung der Braunkohleverstromung beabsichtigt wäre, sei die massive Wettbewerbsverzerrung gleichheitssatzwidrig, zumal es angesichts des einzuhaltenden "Caps" für den Klimaschutz völlig unerheblich sei, durch welche Anlagen Kohlendioxid emittiert werde. Das Fehlen eines Braunkohle-Benchmarks führe im Gegenteil zu einer nicht gerechtfertigten Subventionierung der Stromerzeugung durch Steinkohle und Erdgas.

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Gemäß der Zuteilungsgarantie nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 finde auf die Zuteilung von Emissionsberechtigungen ein Erfüllungsfaktor für zwölf auf das Jahr der Inbetriebnahme der Anlage folgenden Jahre keine Anwendung. Die Garantie führe damit zu einer ungekürzten Zuteilung nach Maßgabe des § 8 ZuG 2007. Sowohl die grammatikalisch-systematische als auch die teleologische Auslegung sprächen für den periodenübergreifenden Inhalt dieser Bestimmung; diese begründe einen umfassenden Schutz der Anlagenbetreiber vor Kürzungen ihrer Zuteilungsansprüche und schließe nicht lediglich die Anwendung eines Erfüllungsfaktors aus. Soweit § 2 Satz 3 ZuG 2012 hiervon abweiche, sei diese Regelung wegen Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatzes verfassungswidrig. Denn durch § 8 Abs. 1 ZuG 2007 sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden für eine langjährige kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen unter Freistellung von Minderungspflichten. Dieses Vertrauen sei infolge seiner abstrakt-generellen Festlegung schutzwürdig. Auf ein im Einzelfall darzulegendes Vertrauen komme es nicht an. Durch die Streichung der Zuteilungsgarantie sei dieses schutzwürdige Vertrauen enttäuscht worden. Dabei sei von einer verfassungswidrigen echten Rückwirkung des Gesetzes auszugehen. Die Entscheidung der Kommission zum NAP II vom 29. November 2006 habe die zurückliegend gesetzlich bereits festgeschriebene Zuteilungsgarantie nicht infrage stellen können. Denn die Entscheidung der Kommission sei unter anderem wegen fälschlicher Annahme einer in der Zuteilungsgarantie liegenden Beihilfe im Sinne des Art. 87 EGV unionsrechtswidrig und begründe damit keine Handlungspflicht des nationalen Gesetzgebers. Im Gesetzgebungsverfahren seien keine weiteren Gründe des Gemeinwohls benannt worden; der Aspekt der Schaffung von Rechtssicherheit angesichts der Anforderungen der Kommission müsse ausscheiden. Mit einer von Deutschland erhobenen Nichtigkeitsklage hätten sich keine Auswirkungen auf die Stabilität des Handelssystems oder unerträgliche Rechtsunsicherheiten ergeben. Für Nichtigkeitsklagen betroffener Anlagenbetreiber habe der europäische Gerichtshof die Klagebefugnis verneint und auf den Rechtsschutz durch die nationalen Gerichte verwiesen, ggf. im Wege des Beschreitens eines Vorabentscheidungsverfahrens. Selbst wenn man von keiner echten Rückwirkung ausgehen wolle, liege ein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes vor, weil § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 jedenfalls eine gesetzliche Zusicherung enthalte, von der - ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse und ohne dass öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigt wären - nicht abgegangen werden könne. Im Übrigen wäre selbst bei Annahme einer nur unechten Rückwirkung das Vertrauen der Betroffenen in die Zuteilungsgarantie gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 vorrangig. Ferner liege in dem Entzug des über die erste Handelsperiode hinausreichenden Zuteilungsanspruchs auch ein Verstoß gegen das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsgrundrecht. Gemeinwohldienliche Belange machten eine Einschränkung dieses Grundrechts nicht erforderlich; denn der Gesetzgeber habe mit § 2 Satz 3 ZuG 2012 keine legitimen Zwecke verfolgt. Er habe vielmehr in Ausführung eines rechtswidrigen europäischen Gemeinschaftsrechtsaktes gehandelt. Auch die Frage nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission zum deutschen NAP II sei dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze auch deshalb Bundesrecht, weil es auf einer fehlerhaften Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 ZuG 2012 beruhe. Die Beklagte gehe von einer historischen Produktionsmenge der Gesamtanlage während der Basisperiode 2000 bis 2005 in Höhe von 124 736 GWh aus und ziehe hiervon der Kapazitätserweiterung zuzurechnende 24 287 GWh ab. Dabei bestimme sie die Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung gemäß § 8 Abs. 1 ZuG 2012 unter Zugrundelegung deren Kapazität und des Standardauslastungsfaktors; letzterer gehe für die knapp 35 Monate des Betriebs der Kapazitätserweiterung von deren Vollauslastung in Höhe von ca. 94 % aus. Die Kapazitätserweiterung sei dagegen während der Basisperiode in einem weitaus geringeren Umfang von lediglich 6 267 Vollbenutzungsstunden betrieben worden und habe dementsprechend in der Basisperiode eine erheblich geringere Strommenge produziert. Wäre auf die tatsächliche Auslastung der Kapazitätserweiterung abgestellt worden, hätte dies zu einer deutlich höheren jährlichen Produktionsmenge der Bestandskapazität geführt, was wiederum eine erhöhte Zuteilung von ca. 2,5 Mio. Emissionsberechtigungen zur Folge gehabt hätte. Das Vorgehen der Beklagten sei mit § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 ZuG 2012 unvereinbar; das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass von der Gesamtproduktionsmenge während der Basisperiode nur die der tatsächlichen Auslastung der Kapazitätserweiterung zuzurechnende Produktionsmenge abgezogen werden dürfe. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Gesetzes nach den vorgegebenen Auslegungskriterien. Insbesondere beziehe sich das Wort "anteilig" in § 8 Abs. 2 Satz 4 ZuG 2012 auf die tatsächliche Auslastung der Kapazitätserweiterung.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Februar 2008 und ihres Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 zu verpflichten, der Klägerin weitere Emissionsberechtigungen unter Beachtung der aus der Revisionsbegründung ersichtlichen Vorgaben für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 zuzuteilen.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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Sie tritt dem Vorbringen der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

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Der Vertreter des Bundesinteresses tritt zu den Fragen der Vereinbarkeit der Veräußerungskürzung mit der Finanzverfassung und den Grundrechten sowie zum Ausschluss einer Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die zweite Handelsperiode auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 der Rechtsauffassung der Beklagten bei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden Annahmen des Verwaltungsgerichts, dass (1.) die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an das Braunkohlekraftwerk der Klägerin in Übereinstimmung steht mit den einfachrechtlichen Vorgaben des Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 - ZuG 2012), dass (2.) die Regelungen des Zuteilungsgesetzes über die unentgeltliche Zuteilung von Emissionsberechtigungen an braunkohlegeführte Kraftwerke Vorgaben des Unionsrechts nicht widersprechen, dass (3.) die Veräußerungskürzung den Vorgaben der bundesstaatlichen Finanzverfassung gerecht wird, dass (4.) das Fehlen eines Braunkohle-Benchmarks kumulativ zu den die Stromwirtschaft treffenden Kürzungsregelungen die Klägerin nicht in ihren Grundrechten verletzt und dass (5.) dies gleichermaßen für den Wegfall der Zuteilungsgarantie gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 gilt, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Herbeiführung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV ist weder mit Blick auf die Auslegung der Emissionshandelsrichtlinie noch mit Blick auf die Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 geboten (6.).

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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf keiner unrichtigen Ermittlung der Produktionsmenge der Bestands- und Erweiterungsanlage (a). In zutreffender Weise wird für Zuteilungen von Emissionsberechtigungen in der zweiten Handelsperiode eine Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 im Sinne einer periodenübergreifenden Zuteilungsregelung verneint (b). Auch erheben sich keine Bedenken gegen die Berechnung der Kürzungsfaktoren (c). Allein aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ihrer Energieanlage kann die Klägerin keine bedarfsgerechte Ausstattung mit Emissionsberechtigungen herleiten (d.). Auf der Grundlage einfachen Rechts erweist sich die Zuteilung von nicht mehr als 72 792 515 Zertifikaten daher als rechtmäßig.

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a) Gemäß § 8 Abs. 2 ZuG 2012 werden bei Inbetriebnahme einer Kapazitätserweiterung zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 31. Dezember 2007 - hier des Blocks K des Braunkohlekraftwerks der Klägerin - Emissionsberechtigungen für die gesamte Anlage nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 zugeteilt (Satz 1). Bei der Berechnung der Zuteilungsmenge für die Kapazitätserweiterung findet Absatz 1 entsprechende Anwendung (Satz 2). Zur Berechnung der Zuteilungsmenge für die Anlage im Übrigen gilt für Energieanlagen die Zuteilungsregel des § 7 Abs. 1 ZuG 2012 (Satz 4), wobei zur Ermittlung deren durchschnittlicher jährlicher Produktionsmenge von der gesamten Produktionsmenge der Anlage in der Basisperiode (§ 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 ZuG 2012) die der Kapazitätserweiterung ab ihrer Inbetriebnahme nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 1 anteilig zuzurechnende Produktionsmenge (Satz 4 Halbs. 2 Nr. 1) sowie die Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung bis zu deren Inbetriebnahme (Nr. 2) abzuziehen sind. Hinter dieser differenzierenden Regelung der Zuteilung von Emissionsberechtigungen steht die Überlegung des Gesetzgebers, dem alten Teil der Energieanlage - hier den Blöcken A bis H - Berechtigungen anhand von Benchmarks und früheren Produktionsmengen (§ 7 Abs. 1 ZuG 2012) zuzuteilen, während für Kapazitätserweiterungen in den Jahren 2003 bis 2007 die Zuteilung nach Benchmarks und gesetzlich vorgegebenen Standardauslastungen erfolgen soll, letztere bestimmt als Standardauslastungsfaktor im Anhang 4 zum Zuteilungsgesetz 2012 (§ 3 Abs. 2 Nr. 8 ZuG 2012). Dies nötigt zu einer separaten Betrachtung der beiden Anlagenteile und damit zu einer Bestimmung der Mengen, die zum einen der Bestandsanlage und zum anderen der Kapazitätserweiterung zuzurechnen wären (BTDrucks 16/5240 S. 28).

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Entgegen der Revision hat der Abzug der Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung nach § 8 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 ZuG 2012 nach den normativ vorgegebenen Parametern des § 8 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 - somit nach dem Standardauslastungsfaktor und dem Emissionswert - zu erfolgen, nicht aber nach der tatsächlichen Produktionsmenge.

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Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Mit der Wendung "nach Maßgabe von" in § 8 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 ZuG 2012 nimmt die verweisende Norm Bezug auf den Berechnungsmodus in § 8 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012, und zwar für den Teil der Produktionsmenge, der anteilig auf die Kapazitätserweiterung entfällt. Der hiergegen gerichtete Einwand der Revision, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine anteilig zuzurechnende Produktionsmenge bereits grammatikalisch nur als diejenige verstanden werden könne, die sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auslastung der Kapazitätserweiterung seit ihrer Inbetriebnahme und damit ohne Anwendung eines Standardauslastungsfaktors ergibt, ist sprachlich nicht nur nicht zwingend, sondern lässt die gesetzliche Bezugnahme auf den Berechnungsmodus nach Abs. 1 Satz 1 außer Betracht.

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Auch die Gesetzesbegründung spricht für diese normative Betrachtung und Berechnung der auf die Kapazitätserweiterung entfallenden Produktionsmenge. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass für den Zeitraum nach der Kapazitätserweiterung lediglich die Emissionen bzw. die Produktionsmenge der Gesamtanlage bekannt seien und diese daher auf den Bestandsteil und auf die Kapazitätserweiterung rechnerisch aufgeteilt werden müssten, wofür ausreichendes Datenmaterial fehle (BTDrucks 16/5240 S. 28). Unabhängig davon, ob dieser Ansatz des Gesetzgebers angesichts bestehender Meldepflichten im Ex-post-Korrekturverfahren der ersten Zuteilungsperiode im vollen Umfang zutraf, schließt er unmissverständlich aus, dass lediglich die tatsächliche Produktion der Kapazitätserweiterung als Abzugsposten im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 4 ZuG 2012 in Betracht zu nehmen sein sollte.

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Gegen einen Abzug lediglich tatsächlicher Produktionsmengen der Kapazitätserweiterung spricht auch die Systematik des § 8 Abs. 2 ZuG 2012. Wenn § 8 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 bereits für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an den Erweiterungsteil der Anlage gelten soll (§ 8 Abs. 2 Satz 2 ZuG 2012), muss folgerichtig der Abzugsbetrag nach Satz 4 Nr. 1 ebenso nach dessen Maßgaben berechnet werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen - wie hier - die tatsächliche Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung hinter der anhand des Standardauslastungsfaktors ermittelten Produktionsmenge zurückbleibt, die Zugrundelegung des Standardauslastungsfaktors zwar zu einer Minderausstattung des Bestandsteils der Anlage, aber zu einer gegenzurechnenden Mehrausstattung des Erweiterungsteils führt. Würde in den Fällen einer solchen Differenz zwischen tatsächlicher und normativ ermittelter Produktionsmenge der Kapazitätserweiterung die Zuteilung nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 ZuG 2012 auf den Erweiterungsteil beschränkt, für den Bestandsteil hingegen so verfahren wie von der Klägerin gefordert, so wäre nicht auszuschließen, dass es zu einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Überausstattung der Gesamtanlage käme. Dass der Gesetzgeber sich gezielt für eine Berechnung der abzuziehenden Produktionsmenge nach normativen Vorgaben entschieden hat, zeigt außerdem ein Vergleich der Nummern 1 und 2 des § 8 Abs. 2 Satz 4 ZuG 2012. Während die Nummer 2 für die im Probebetrieb angefallenen Produktionsmengen in ihrem Wortlaut klar auf deren tatsächlichen Umfang abstellt, ist die Nummer 1 deutlich anders formuliert und bringt so zum Ausdruck, dass für die Zeit nach Inbetriebnahme der Erweiterung das leichter zu handhabende prognostische Rechenverfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 zur Anwendung kommen soll.

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b) Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Zuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen für die Gesamtanlage nur gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 ZuG 2012 erfolgen kann. Eine Zuteilung für die Kapazitätserweiterung nach Maßgabe von § 8 Abs. 5 ZuG 2007 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZuG 2007 scheidet für die zweite Handelsperiode schon deswegen aus, weil diese Regelung Zuteilungsansprüche ausdrücklich nur für die erste Handelsperiode gewährt; gemäß Satz 1 ist die Anzahl der Emissionsberechtigungen unter anderem nach "der Anzahl der Jahre der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007" zu bemessen. In Anbetracht dessen kann die in Satz 2 getroffene Regelung, soweit sie einen über die erste Handelsperiode hinausreichenden Zeitraum erfasst, nicht als Bestandteil einer aus dem Zuteilungsgesetz 2007 ableitbaren Anspruchsnorm, sondern nur als Erklärung des Gesetzgebers begriffen werden, die Nichtanwendung eines Erfüllungsfaktors solle auch in künftigen Handelsperioden Bestand haben. Es mag zutreffen, dass diese Erklärung ein subjektives Recht des betroffenen Anlagenbetreibers begründet hat und dass dieses Recht sich über die Nichtanwendung des durch das Zuteilungsgesetz 2012 ohnehin völlig abgeschafften Erfüllungsfaktors hinaus auch auf den damit nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 verbundenen Entfall einer anteiligen Kürzung bezog, die nunmehr nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 losgelöst von einem Erfüllungsfaktor erfolgt. Daraus kann die Klägerin jedoch kraft einfachen Rechts nichts für sich herleiten, denn die Regelungen des § 8 ZuG 2012 richten sich darauf, die entsprechenden Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2007 insgesamt, also auch hinsichtlich ihres periodenübergreifenden Regelungsgehalts zu ersetzen. § 2 Satz 3 ZuG 2012 stellt dies ausdrücklich klar.

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c) Das Verwaltungsgericht ist in zutreffender Weise auch davon ausgegangen, dass die Zuteilung der unentgeltlichen Emissionsberechtigungen den Kürzungsregelungen gemäß § 4 Abs. 3 und § 20 ZuG 2012 unterfällt. Gegen die Berechnung der Kürzungsfaktoren erhebt die Revision keine substantiellen Einwendungen. Die angegriffene Entscheidung stellt zu Recht darauf ab, dass beide Kürzungsfaktoren vor Beginn der Zuteilungsperiode spätestens zu dem im Einklang mit § 10 Abs. 4 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) i.d.F. vom 8. Juli 2004 (BGBl I S. 1578 - TEHG a. F.) gewählten Stichtag feststehen müssen, nachträgliche Änderungen individueller Zuteilungen für die Berechnung der Kürzungsfaktoren damit unerheblich sind, und dass die Zuteilungsbehörde insoweit über einen Prognosespielraum verfügt, dem eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle entspricht (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - NVwZ 2010, 435 <439>).

26

d) Für ihre Zuteilungsentscheidung musste die Beklagte auch nicht auf die bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für den Betrieb der Anlage der Klägerin nach § 6 BImSchG abstellen. Zwar trifft es zu, dass bis zum Inkrafttreten des Handelssystems eine unbeschränkte Nutzung der Luft keinen mengenmäßigen Begrenzungen unterlag, sondern lediglich schadstoffbezogenen Beschränkungen nach Maßgabe verschiedener Parameter von Verordnungen zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach § 7 BImSchG. § 5 Abs. 1 Satz 2 BImSchG konkretisiert nunmehr aber die Vorsorgepflicht der Betreiber von Anlagen, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallen, und legt nach Maßgabe des einschlägigen Fachrechts die einzelnen Anlagenbetreiber durch die konkrete Abgabeverpflichtung (§ 6 Abs. 1 TEHG a.F.) in Bezug auf die Einhaltung der in § 4 Abs. 2 ZuG 2012 bezifferten Gesamtmenge von Emissionsberechtigungen fest. Der Anlagenbetreiber wird damit seiner immissionsschutzrechtlichen Vorsorgepflicht nur dann gerecht, wenn er ihn treffende Anforderungen des Emissionshandelsrechts erfüllt. Auch in diesem vorsorgebezogenen Kontext kann die Klägerin für den Betrieb ihrer Energieanlage keine bedarfsgerechte, somit am genehmigten Umfang ausgerichtete Ausstattung mit kostenlosen Emissionsberechtigungen mehr einfordern. Dass es für viele Anlagenbetreiber damit zu einer nachträglichen Beschränkung der Betriebsführung kommt, ist unausweichliche Folge der mit der Einführung des Handelssystems beabsichtigten Zurückführung unbegrenzter CO2-Emissionen. Das Immissionsschutzrecht kennt keinen Grundsatz, dass dem Anlagenbetreiber durch die Betriebsgenehmigung eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderungen zu belassen sind oder nur gegen Entschädigung entzogen werden dürfen (Urteil vom 23. Oktober 2008 - BVerwG 7 C 48.07 - NVwZ 2009, 650 Rn. 27 m.w.N.; insoweit in BVerwGE 132, 224 nicht abgedruckt).

27

2. Die auf Unionsrecht, das nach ständiger Rechtsprechung zum revisiblen Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gehört (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. - BVerfGE 82, 159 <196>; BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1970 - BVerwG 7 C 35.69 - BVerwGE 35, 277 = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 43 S. 11), gestützten Rügen der Revision greifen nicht durch. Weder der Verzicht auf die Festlegung eines an der besten verfügbaren Technik ausgerichteten speziellen Emissionswertes für Braunkohlekraftwerke im Zuteilungsgesetz 2012 noch die Verstärkung der bereits daraus resultierenden Unterdeckung der Anlage mit kostenlosen Emissionsberechtigungen durch die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 und die Versteigerungskürzung nach § 20 ZuG 2012 verstoßen gegen Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (Emissionshandelsrichtlinie - EH-RL) i.V.m. den Kriterien 3 und 7 des Anhangs III hierzu (a). Ebenso wenig kann aus Art. 10 Satz 2 EH-RL hergeleitet werden, dass zumindest 90 % der Emissionsberechtigungen einer Anlage kostenlos zugeteilt werden müssen (b).

28

a) Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten für jeden der in Art. 11 Abs. 1 und 2 EH-RL genannten Zeiträume einen nationalen Plan auf, aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zu verteilen gedenken. Satz 2 bestimmt, dass dieser Plan auf objektive und transparente Kriterien zu stützen ist, einschließlich der in Anhang III genannten Kriterien, wobei die Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen sind. Nach Satz 1 des Kriteriums 3 des Anhangs III müssen die Mengen der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen, mit dem Potential - auch dem technischen Potential - der unter dieses System fallenden Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen. Satz 2 geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Aufteilung von Zertifikaten die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen je Erzeugnis in den einzelnen Tätigkeitsbereichen und die in diesen Tätigkeitsbereichen erreichbaren Fortschritte zu Grunde legen können.

29

Aus dieser Regelung kann das Erfordernis eines speziellen Braunkohle-Benchmarks nicht abgeleitet werden.

30

aa) Soweit die Klägerin dem Wortlaut des Satzes 1 des Kriteriums 3 mit der dortigen Bezugnahme auf die "Mengen der Zertifikate" - im Gegensatz zu dem in den Kriterien 1 und 2 verwandten Begriff der "Gesamtmenge der Zertifikate" - entnehmen will, dass hiermit Vorgaben für die Einzelzuteilung gemacht werden, die auf das technische Potential einzelner Anlagetypen wie der Braunkohlekraftwerke ausgerichtet sind, steht dem die Bezugnahme des Satzes 1 auf die dem Emissionshandelssystem unterfallenden Tätigkeiten entgegen; denn Tätigkeiten in diesem Sinne sind nicht anlagenbezogen, sondern sektorbezogen zu verstehen. Das belegt der systematische Zusammenhang mit Anhang I der Richtlinie. Darin werden als Tätigkeiten nicht die Produktionsverfahren einzelner Anlagetypen wie die Erzeugung von Strom in einem mit Braunkohle befeuerten Kraftwerk angesprochen. Vielmehr listet der Anhang I losgelöst vom Anlagentyp bestimmte durch die jeweiligen Erzeugnisse gekennzeichnete Tätigkeitssektoren wie Energieumwandlung auf.

31

Bestätigt wird dieses Verständnis des Kriteriums 3 durch die Mitteilung der Kommission vom 7. Januar 2004 über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG aufgelisteten Kriterien (KOM <2003> 830 endgültig, ergänzt durch Mitteilung vom 22. Dezember 2005 KOM <2005> 703 endgültig), der mit Rücksicht auf den in Art. 9 Abs. 1 Satz 3 EH-RL enthaltenen Konkretisierungsauftrag der Kommission besondere Bedeutung für die Auslegung der Kriterien zukommt. Die Kommission hat darin ausdrücklich betont, das Kriterium 3 finde nur zur Bestimmung der Gesamtmenge der Zertifikate und der Zertifikatsmenge pro Tätigkeitsbereich, nicht hingegen pro Anlage Verwendung (Mitteilung vom 7. Januar 2004 Nr. 5 Tabelle 1, Nr. 30 und 76). Dementsprechend hat der Senat bereits mit Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 6.07 - (BVerwGE 129, 346 Rn. 18 = Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 1) entschieden, dass das Kriterium 3 nicht das konkrete Emissionsminderungspotential der einzelnen Anlage betrifft. Daran ist festzuhalten.

32

bb) Entgegen der Revision begründen auch der Erwägungsgrund Nr. 8 der Emissionshandelsrichtlinie und das Kriterium 7 des Anhangs III kein unionsrechtliches Erfordernis unterschiedlicher Benchmarks für die Stein- und Braunkohleverstromung. Nach Satz 2 des Kriteriums 7 dürfen aus Referenzdokumenten zu den besten verfügbaren Technologien resultierende Benchmarks von den Mitgliedstaaten bei der Aufstellung ihrer nationalen Zuteilungspläne verwendet werden. Ausweislich des Richtlinientextes ist dieses Kriterium fakultativ. Es zwingt die Mitgliedstaaten deshalb nicht dazu, von einem rein produktbezogenen, an den Emissionswert für die Produkteinheit Strom anknüpfenden Benchmark abzugehen und auf ein rein brennstoffbezogenes Konzept abzustellen, das insbesondere den unterschiedlichen technischen Möglichkeiten der Emissionsreduktion bei Stein- und Braunkohlekraftwerken Rechnung trägt. Zwischen beiden Ansätzen hat bereits § 11 Abs. 2 Satz 1 ZuG 2007 für Neuanlagen einen Ausgleich gefunden, indem er für stromerzeugende Anlagen keinen einheitlichen Emissionswert je erzeugter Produkteinheit, aber auch keine unterschiedlichen Emissionswerte für jeden in Betracht kommenden Brennstoff, sondern lediglich eine gewisse Bandbreite festgelegt hat, innerhalb derer der Emissionswert nach Maßgabe der besten verfügbaren Techniken differieren kann. Hieran schließt nunmehr die Bestimmung eines produkt-/brennstoffbezogenen Emissionswerts in Anhang 3 A Teil I des Zuteilungsgesetzes 2012 an, wonach für Anlagen zur Stromproduktion ein Emissionswert von 365 g CO2/kWh bei Verwendung gasförmiger Brennstoffe und andernfalls - also unterschiedslos bei Verwendung von Stein- oder Braunkohle - von 750 g CO2/kWh gilt. Kriterium 7 hindert als bloß fakultative Maßgabe den Gesetzgeber ebenso wenig wie der offen formulierte Erwägungsgrund Nr. 8, eine solche Regelung mit Kompromisscharakter einzuführen. Dies gilt umso mehr, als nach dem anlagenbezogenen Kriterium 8 eine Orientierung an sauberen Technologien möglich ist.

33

b) Art. 10 Satz 2 EH-RL wird durch das angegriffene Urteil nicht verletzt. Nach Art. 10 EH-RL teilen die Mitgliedstaaten für die erste Handelsperiode mindestens 95 % (Satz 1) und für die zweite Handelsperiode mindestens 90 % der Emissionszertifikate kostenlos zu (Satz 2). Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung kann der Bestimmung ein auf die einzelne Anlage bezogener Anspruch auf eine kostenlose Mindestzuteilung in dieser Höhe nicht entnommen werden. Die genannten Prozentsätze beziehen sich nämlich allein auf die Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat zuzuteilenden Zertifikate, nicht auch auf das individuelle Zuteilungskontingent.

34

Das erschließt sich zum einen aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sah vor, dass die Mitgliedstaaten "die Berechtigungen" für die erste Handelsperiode kostenlos zuteilen (Art. 10 Abs. 1 des Entwurfs - KOM <2001> 581 endgültig). Dieser Terminus kann sich nur auf die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen bezogen haben. Ein Verständnis, das ihn auf den individuellen Bedarf bezöge, scheidet aus, weil der Kommissionsentwurf in Übereinstimmung mit der Endfassung der Richtlinie (Art. 9 und 11) keine bedarfsgerechte Zuteilung vorsah. Für diese Auslegung spricht zum anderen die Systematik der Richtlinie, die es, wie sich aus Art. 9 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 ergibt, den Mitgliedstaaten überlässt, die Regeln für die Verteilung der zuzuteilenden Gesamtmenge von Zertifikaten auf die einzelnen Anlagen anhand objektiver und transparenter Kriterien festzulegen. Vor allem aber wäre ein Verständnis des Art. 10 Satz 2 EH-RL, wonach in der zweiten Handelsperiode für jede Anlage 90 % der benötigten Zertifikate kostenlos beansprucht werden könnten, mit dem Ziel des Handelssystems unvereinbar. Die Einführung des Emissionshandels soll das Preisgefüge zulasten CO2-intensiver Technologien - wie der Produktion von Strom unter Einsatz von Braunkohle - verschieben, so dass diese unter dem neuen Regime geringere Erträge erwirtschaften als CO2-ärmere Technologien. Diese Verschiebung ist der Kern der beabsichtigten Anreizwirkung des auf Emissionsminderung abzielenden Emissionshandels. Sie lässt sich effektiv nur erreichen, wenn dem Gesetzgeber Spielräume eröffnet werden, den Prozentsatz kostenlos zuzuteilender Zertifikate für die individuelle Zuteilung anders zu bemessen als für die Gesamtmenge.

35

3. Das angegriffene Urteil verneint zu Recht einen Verstoß gegen die bundesrechtliche Finanzverfassung, bewirkt durch die Einführung der Veräußerungskürzung und die damit verbundene Erzielung nicht fiskalischer Einnahmen durch den Staat als Entgelt für die Veräußerung von Emissionsberechtigungen.

36

a) Die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Veräußerung nach § 19 ZuG 2012 ist nicht deshalb unerheblich, weil die angegriffene Zuteilung sich ausschließlich nach der Kürzungsregelung des § 20 ZuG 2012 bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten bilden beide Regelungen insoweit eine Einheit, als § 19 ZuG 2012 die Veräußerung von Emissionsberechtigungen in einem festen Umfang vorgibt und § 20 ZuG 2012 die Erzielung des hierfür erforderlichen Berechtigungsaufkommens im Wege einer zusätzlichen Belastung von Energieanlagen regelt. Beide Bestimmungen stehen damit in einem nicht auflösbaren Zusammenhang mit der Folge, dass eine Unwirksamkeit von § 19 ZuG 2012 nicht ohne Auswirkungen bleiben kann auf den Bestand des § 20 ZuG 2012 unbeschadet der Möglichkeit, dass der Gesetzgeber auch auf andere Weise über zusätzliche Belastungen des Energiesektors durch Minderzuteilungen von Emissionsberechtigungen hätte befinden können.

37

b) Die Regelung über die Veräußerung von Emissionsberechtigungen muss sich an den Vorgaben messen lassen, die aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung für nichtsteuerliche Abgaben abzuleiten sind.

38

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a GG) Grenzen auch für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz außerhalb der Finanzverfassung nach den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG erhebt. Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zwar nicht aus. Sie verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Die Finanzverfassung schützt insoweit auch die Bürger (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 und 1300/93 - BVerfGE 93, 319 <342 f.>; Urteil vom 3. Februar 2009 - 2 BvL 54/06 - BVerfGE 122, 316 <333>; Beschluss vom 12. Mai 2009 - 2 BvR 743/01 - BVerfGE 123, 132 <140 f.>).

39

Die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben wird danach grundsätzlich begrenzt durch das Erfordernis eines besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der einerseits eine deutliche Unterscheidung gegenüber den Steuern ermöglicht und andererseits auch im Hinblick auf die zusätzliche Belastung neben den Steuern geeignet ist, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen. Zudem ist der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts hinreichend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 a.a.O. S. 141 m.w.N.).

40

Diesen Anforderungen muss die Veräußerungsregelung entsprechen. Die staatliche Veräußerung von Emissionszertifikaten stellt zwar keine Abgabe im eigentlichen Sinne einer Geldleistung dar, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften in Ausübung hoheitlicher Gewalt dem Einzelnen einseitig auferlegt wird, sondern erfolgt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 in den Formen des Privatrechts durch Verkauf oder Versteigerung (§ 156 BGB). Unter finanzverfassungsrechtlichem Blickwinkel ist die Veräußerung aber wie eine Abgabe zu behandeln. Ihr fehlt nämlich trotz ihrer zivilrechtlichen Gestalt der Charakter eines Fiskalgeschäfts, da sie dem Staat Einnahmen verschafft, ohne dass diesen ein realer monetärer Verlust entspricht. Sie bleibt zudem eng verknüpft mit dem öffentlich-rechtlichen, dem Emissionshandel zu Grunde liegenden Zuteilungssystem und steht funktional einer Preissteuerung durch Umweltabgaben gleich (vgl. Sacksofsky, Rechtliche Möglichkeiten des Verkaufs von Emissionsberechtigungen, 2008, S. 13). Wegen dieser abgabengleichen Wirkungen ist die Veräußerungsregelung in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht wie eine nichtsteuerliche Abgabe zu behandeln (so im Ergebnis auch die im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung; vgl. Burgi, Kostenlose Zuteilung oder Versteigerung von Emissionsberechtigungen?, in: Energieversorgung und Umweltschutz, S. 197 f.; ders./Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, S. 19 ff.; Martini/Gebauer, ZUR 2007, 225 <232 Fn. 78>; Sacksofsky, a.a.O. S. 17 f.).

41

c) Den danach maßgeblichen Vorgaben wird sie gerecht. Dass der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts berührt wäre, macht die Revision selbst nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig fehlt es an einer besonderen sachlichen Rechtfertigung im vorgenannten Sinne für die entgeltliche Abgabe eines Teils der Emissionsberechtigungen.

42

Der Gesetzgeber konnte sich jedenfalls auf den Gedanken der Vorteilsabschöpfung als Rechtfertigungsgrund berufen. Für knappe natürliche Ressourcen wie das Wasser, die einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung unterliegen, ist anerkannt, dass der Staat als Ausgleich für ihre Nutzung eine Abgabe erheben darf. Wird dem Einzelnen die Nutzung an einer solchen Ressource eröffnet, so erlangt er einen Sondervorteil gegenüber all denen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen. Es ist gerechtfertigt, diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 a.a.O. S. 345 f.). Ein Sondervorteil in diesem Sinne wird auch dem Betreiber einer dem Anhang 1 zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlage zuteil, dem der Staat Emissionsberechtigungen veräußert. Denn eine derartige Anlage darf nur betrieben werden, wenn der Betreiber seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG a. F. genügt, eine dem Emissionsvolumen seiner Anlage entsprechende Anzahl von Emissionsberechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben. Erst diese Berechtigungen ermöglichen ihm die Nutzung der natürlichen Ressource Luft zum Anlagenbetrieb.

43

Zu Unrecht wendet die Revision hiergegen ein, die Luft sei anders als das Wasser kein knappes Gut, sondern stehe praktisch unbegrenzt zur Verfügung (dagegen schon Sachverständigenrat für Umweltfragen - SRU - Umweltgutachten 2006, S. 5). Dieser Einwand verkennt, dass die Luft nach - nicht zu beanstandender - Einschätzung des europäischen Richtlinien- und des Gesetzgebers wegen ihrer begrenzten Kapazität, Treibhausgase ohne schädliche Auswirkungen auf das Klima aufzunehmen, hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme durch den Betrieb emittierender Anlagen in vergleichbarer Weise wie das Wasser der Budgetierung bedarf; insofern stellt auch sie eine knappe Ressource dar, die als Anknüpfungspunkt für eine Vorteilsabschöpfung durch Erhebung eines Entgelts für ihre Nutzung dienen kann.

44

Ebenso wenig greift der Einwand durch, der Gedanke des Vorteilsausgleichs könne mangels einer staatlichen Bewirtschaftungsordnung nicht zum Tragen kommen. Eine Bewirtschaftungsordnung dergestalt, dass individuelle Rechte zur Nutzung des betreffenden Umweltmediums durch ordnungsrechtliche Entscheidungen kontingentiert eingeräumt werden, ist nicht Voraussetzung für die Annahme eines abschöpfbaren Sondervorteils. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Erhebung von Wasserentnahmeentgelten lediglich ausgeführt, dass sich deren Legitimation aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgabe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung ergibt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 a.a.O. S. 345). Eine Nutzungsregelung kann aber unterschiedlich ausgestaltet werden. Neben der hoheitlichen Verleihung begrenzter Nutzungsrechte ist es ebenso denkbar, die Nutzungsmöglichkeit nicht individuell zu limitieren, sondern an eine Entgeltzahlung zu koppeln. Diesen Steuerungsmechanismus macht sich das Emissionshandelssystem nicht nur generell durch Verknüpfung der Nutzungsmöglichkeit mit der Abgabe handelsfähiger Zertifikate, sondern auch speziell mit der in § 19 ZuG 2012 vorgesehenen staatlichen Veräußerung eines Teils der Zertifikate zunutze. Dadurch wird in Anbetracht der Kontingentierung der Gesamtmenge auszugebender Zertifikate kein geringerer Schutz bewirkt als durch ordnungsrechtliche Einzelzuteilung. Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Waldschadensbeschluss aus dem Jahre 1998 (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 - NJW 1998, 3264 <3265>) noch davon ausgegangen ist, dass das Medium Luft keiner öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung unterliegt, war dies in der Zeit vor Erlass der Emissionshandelsrichtlinie durchaus zutreffend. Eben diese öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung ist durch das Regime des Emissionshandels nunmehr geschaffen worden.

45

4. Die Klägerin wird durch die abgesenkte, lediglich ca. 50 % ihres Bedarfs deckende Ausstattung mit unentgeltlichen Emissionsberechtigungen nicht in Ihren Grundrechten verletzt.

46

Soweit die Emissionshandelsrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der Systementscheidung der Einführung des Emissionshandels verbindliche Vorgaben macht, scheidet - mangels Umsetzungs- und Entscheidungsspielräumen - eine Überprüfung der nationalen Umsetzungsakte in Form des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und der Zuteilungsgesetze für die erste und zweite Handelsperiode an den Maßstäben der Grundrechte des Grundgesetzes aus (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 - NVwZ 2007, 942; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <56 ff.> = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 19 S. 104 <111>). Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten aber bei der übergangsweisen Ausgestaltung der Zuteilungsregelungen auch für die zweite Handelsperiode im Rahmen der Art. 9, 10 und 11 Abs. 2 und 3 EH-RL Handlungsfreiräume belässt (EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - Rs. C-504/09 P, Polen/Kommission - juris Rn. 45 ff.), sind die Vorschriften, die diesen Freiraum ausfüllen, einschließlich der Bestimmungen über die Kürzung kostenloser Zuteilungen von Emissionszertifikaten an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen. Bei ihnen handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die Regelungen darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen die Anlagenbetreiber von ihrem Eigentum an emissionshandelspflichtigen Anlagen Gebrauch machen dürfen. Zugleich regeln sie Modalitäten, unter denen die Anlagenbetreiber ihre auf Erwerb gerichtete Tätigkeit des Anlagenbetriebs ausüben dürfen, und enthalten somit Berufsausübungsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Aufgrund dessen müssen die Zuteilungsregelungen den Anforderungen genügen, die das Grundgesetz an derartige Regelungen stellt. Soweit sie für verschiedene Arten von Anlagen zu ungleichen Zuteilungen führen, muss dies außerdem mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein.

47

Die Belastung des unter das Emissionshandelssystem fallenden Anlagenbetreibers konkretisiert sich erst in der ihn treffenden Entscheidung über die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - NVwZ 2010, 435 <440>). Auf diese Entscheidung wirken verschiedene den Zuteilungsanspruch mindernde oder doch limitierende Regelungen ein, deren Vereinbarkeit mit den genannten Grundrechten die Revision in Frage stellt; sie rügt Grundrechtsverstöße durch die Veräußerungskürzung nach § 20 ZuG 2012, die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012, das Fehlen eines speziellen Braunkohle-Benchmarks (vgl. A Teil I 1. Buchst. b des Anhangs 3 zum ZuG 2012) und diese Zuteilungsregeln in ihrem Zusammenwirken. Keine der Rügen greift jedoch durch.

48

a) Die vorerwähnten Zuteilungsregeln genügen den Anforderungen, die an Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG zu stellen sind.

49

Bei der Erfüllung des ihm gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muss der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen. Zudem muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen vereinbar sein, insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <240 f.> und vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1 <28> m.w.N.).

50

Die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1985 - 1 BvL 57/79 - BVerfGE 70,191 <201>). Abgesehen davon, dass das Anlageneigentum als Teil des Wirtschaftssystems ohnehin soziale Bedeutung hat, weist es, soweit mit seiner Nutzung der Ausstoß von Treibhausgasen einhergeht, einen hohen sozialen Bezug auch deswegen auf, weil damit ein knappes Gut der Allgemeinheit in Anspruch genommen wird; die Eigentumsnutzung wirkt somit zwangsläufig über die Sphäre des Eigentümers hinaus. Zudem ergeben sich für den Gesetzgeber Spielräume aus der Komplexität der zu regelnden Materie. Ihm gebührt bei der Neuregelung eines komplexen Sachverhalts wie der Einführung des Emissionshandelssystems ein zeitlicher Anpassungsspielraum auch zur Gestaltung eines schonenden Übergangs; er darf sich zunächst mit einer grob typisierenden Regelung begnügen, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen allmählich durch eine differenzierte zu ersetzen (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 5. November 1991 - 1 BvR 1256/89 - BVerfGE 85, 80 <91>). Für die nachträgliche Prüfung der gesetzlichen Regelung ist grundsätzlich von der Beurteilung der Verhältnisse auszugehen, die der Gesetzgeber bei der Vorbereitung des Gesetzes vorgefunden hat. Seine Prognose muss vertretbar sein. Die Frage der Zwecktauglichkeit des Gesetzes ist danach zu beurteilen, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zu Erreichung des gesetzten Ziels geeignet ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <234> m.w.N.).

51

Bereits für die Ausgestaltung der Zuteilungsregeln zur ersten Handelsperiode hat die Rechtsprechung auf diesen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Bezug genommen (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <105, 107>), der erst überschritten wird, wenn sich die Regelung nicht mehr auf einen vernünftigen und einleuchtenden Grund zurückführen lässt (Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 6.07 - BVerwGE 129, 346 Rn. 17 = Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 1). Dies muss gleichermaßen Geltung haben für die Regelungen der zweiten Übergangsphase durch das Zuteilungsgesetz 2012.

52

Diesen Vorgaben werden die angegriffenen Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 gerecht.

53

aa) Das trifft zunächst für die Veräußerungskürzung zu. Die in der gesetzlichen Regelung der §§ 19, 20 ZuG 2012 liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Anlageneigentums lässt sich auf einleuchtende Sachgründe zurückführen und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

54

(1) Die Einführung der Veräußerungskürzung dient vornehmlich dem Ziel, bei den Betreibern von Energieanlagen wenigstens teilweise nicht intendierte Zusatzgewinne zu verhindern, die im Falle unentgeltlich zugeteilter Emissionsberechtigungen anfallen würden (Ausschussbericht BTDrucks 16/5769 S. 17). In der ersten Handelsperiode hatte sich herausgestellt, dass die Unternehmen der Stromwirtschaft den Wert der benötigten Zertifikate trotz kostenloser Zuteilung weitgehend als Opportunitätskosten in den Strompreis einrechneten (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 7 f.; Küll, Grundrechtliche Probleme bei der Allokation von CO2-Zertifikaten, Diss. jur. Berlin Heidelberg 2009, S. 63 ff.). Das Ziel, diese Zusatzgewinne (windfall profits) abzuschöpfen bzw. - genauer - gar nicht erst entstehen zu lassen, ist legitim, da die unentgeltliche Zuteilung darauf abzielte, mit der Einführung des Emissionshandelssystems verbundene wirtschaftliche Mehrbelastungen abzufedern, nicht hingegen den Unternehmen der Stromwirtschaft Zusatzgewinne in Gestalt der Einpreisung bloßer Opportunitätskosten verschaffen sollte.

55

Daneben soll durch eine entgeltliche Vergabe von Emissionsberechtigungen auch die Allokationseffizienz des Emissionshandels verbessert werden. Nach Einschätzung des Gesetzgebers werden die Berechtigungen im Falle einer Teilauktionierung nur dort verwendet, wo dies volkswirtschaftlich den größten Nutzen bringt. Dagegen könne die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten zu Fehlanreizen führen, wenn es etwa um die Entscheidung über die Ersetzung veralteter durch moderne Anlagen oder den Weiterbetrieb der veralteten Anlagen gehe. Dieses Problem bestehe insbesondere im Bereich der Kraftwerke (Ausschussbericht a.a.O.). Eine verbesserte Allokationseffizienz stärkt die Wirksamkeit des Emissionshandelssystems und erweist sich damit gleichfalls als legitime Zielsetzung.

56

Einen vernünftigen Sachgrund gibt schließlich auch das dritte nach dem Ausschussbericht verfolgte Ziel ab, mit der entgeltlichen Vergabe von Zertifikaten das Verursacherprinzip im Emissionshandel unmittelbar umzusetzen. Aus der Verringerung der Zuteilung kostenloser Berechtigungen folgt für die Verursacher der Emissionen die Notwendigkeit, entweder die Kohlendioxidemissionen durch Effizienzverbesserungsmaßnahmen zu reduzieren oder weitere Berechtigungen hinzuzuerwerben.

57

(2) Die Einfügung der Veräußerungskürzung in das Zuteilungsgesetz 2012 war zum Erreichen der vorgenannten Ziele geeignet. Dabei ist ein Mittel bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <307>).

58

(2.1) Im Umfang der Kürzung der unentgeltlichen Zuteilung entfallen die nicht gerechtfertigten Mitnahmeeffekte. Der Gesetzgeber konnte nach den Erfahrungen aus der ersten Handelsperiode gesichert davon ausgehen, dass es auf dem Sektor der Energiewirtschaft durch die Einpreisung von Opportunitätskosten in großem Umfang zu windfall profits kam, die ausschließlich aus der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten resultierten (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 5 f.; Ecologic, Strompreiseffekte des Emissionshandels, 2005 S. 18 ff.). Die Teilveräußerung führt demgegenüber dazu, dass für die Unternehmen an die Stelle bloßer Opportunitätskosten reale Kosten treten und die den Endverbraucher belastenden Mehrkosten der Allgemeinheit zugute kommen.

59

(2.2) Den umfangreichen Einwendungen der Revision zur fehlenden Verbesserung der Allokationseffizienz durch eine entgeltliche Abgabe der Zertifikate ist einzuräumen, dass angesichts des "Caps" in § 4 Abs. 2 ZuG 2012 sich an der Zahl der zuzuteilenden Zertifikate - und damit am zulässigen Gesamtausstoß von Treibhausgasen - durch die Wahl der (Teil-)Veräußerung als Allokationsmethode nichts verändern kann (in diesem Sinne auch Burgi/Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, 2007, S. 46) und die Allokationseffizienz der Erstzuteilung für die Kosteneffizienz der Treibhausgasreduktion volkswirtschaftlich von geringer Bedeutung ist. Doch lässt dieses Vorbringen der Revision außer Acht, dass das Gebot der Allokationseffizienz sich nicht in dem Ziel der Einhaltung der nationalen Zuteilungsmenge und deren Verteilung erschöpft, sondern sich weitergehend auf das Ziel des Zuteilungssystems selbst erstreckt, nämlich den Umstieg auf innovative Verfahren der Energieerzeugung zu befördern, die keine oder lediglich Emissionsberechtigungen in geringem Umfang benötigen. Auch hierzu soll Anstoß gegeben werden (vgl. grundsätzlich Küll, a.a.O. S. 51 f.). Denn bereits die Teilveräußerung von Berechtigungen macht die finanziellen Belastungen der Unternehmen von der Höhe der durch sie verursachten Emissionen abhängig und führt damit zugleich einen künftig verstärkt zu Buche schlagenden Kostenfaktor vor Augen. Sie sendet - auch mit Blick auf die ab 2013 weitgehend nur noch entgeltliche Zuteilung von Zertifikaten - schon jetzt ein Knappheitssignal aus, das einen Anreiz zur Vornahme von emissionsmindernden Technologieinnovationen setzt und den künftigen Knappheitsgrad als Belastungsfaktor sichtbar macht. Der Gesetzgeber konnte folglich - auch in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 13, vgl. zudem die nachträgliche Bekräftigung seines Standpunkts im Umweltgutachten 2008, Rn. 176) - bei Erlass des Zuteilungsgesetzes 2012 davon ausgehen, dass bereits die Teilauktionierung zu einer Verbesserung der Allokationseffizienz führt.

60

(2.3) Die Teilauktionierung von Berechtigungen ist offensichtlich auch geeignet, externe Kosten der Freisetzung von Kohlendioxid auf die Verursacher zu verlagern und die insoweit beabsichtigte Internalisierung zu befördern.

61

(3) Die infolge der Veräußerungskürzung bewirkte Mehrbelastung der Betreiber von Energieanlagen ist auch als erforderlich anzusehen. Erforderlich in diesem Sinne ist ein Gesetz, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Dabei steht dem Gesetzgeber bei Beurteilung der Erforderlichkeit des gewählten Mittels ein Beurteilungsspielraum zu, der nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145 <173>).

62

Dem Gesetzgeber stand kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele, insbesondere das ihm vom Unionsrecht aufgegebene Funktionieren des Handelssystems bereits in der Übergangsphase, ebenso gut hätte erreichen können. Er war unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen zur Abschöpfung ungerechtfertigter Mitnahmeeffekte auszuweichen. Mit einer dies gleichfalls bewirkenden Einführung einer Umweltabgabe kann schon nicht die Erwartung verbunden werden, dass es dadurch zu geringeren Belastungen käme; denn eine derartige Abgabe (vgl. hierzu Küll, a.a.O. S. 65 Fn. 390) müsste sich nicht zwingend darauf beschränken, nur 10% der Zertifikatszuteilungen und die damit verbundene Einpreisung von Opportunitätskosten in Betracht zu nehmen.

63

bb) Auch die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 ist sowohl geeignet als auch erforderlich, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Bestimmung einer verbindlichen Obergrenze des Emissionsbudgets zu erreichen. Mit der anteiligen Kürzung lässt sich die Gesamtzahl der Berechtigungen im Rahmen der Mengenplanung steuern und somit gewährleisten, dass das nationale Emissionsziel nicht verfehlt wird (Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 33.07 - BVerwGE 129, 328 Rn. 27 ff. = Buchholz 406.253 § 4 ZuG 2007 Nr. 1).

64

cc) Ebenso verletzt der Verzicht auf einen spezifischen Braunkohle-Benchmark im Anhang 3 Teil A I zum Zuteilungsgesetz 2012 die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG. Bei der Beurteilung und Ausgestaltung der Maßnahmen, mit denen das gesetzliche Ziel der Emissionsminderung (§ 1 TEHG a. F.) erreicht werden soll, steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzungen und Prognosen erstreckt. Überschritten wäre dieser Spielraum erst dann, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam wären, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die gesetzgeberische Maßnahme abgeben könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1971 - 1 BvR 52/66 u.a. - BVerfGE 30, 292 <317>). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Gesetzgeber hat sich mit der Frage befasst, ob für die Verstromung von Braunkohle nicht ein deutlich höherer Emissionswert als 750 g CO2/kWh festgelegt werden solle, und ist einer entsprechenden Empfehlung des Bundesrates für einen Braunkohle-Benchmark von 950 g CO2/KWh (BRDrucks 276/07 S. 6) nicht gefolgt, weil dies eine sehr starke Erhöhung der anteiligen Kürzung zur Folge hätte, was wiederum zu erheblichen Kürzungen bei anderen Energieanlagen führen würde (BTDrucks 16/5617 S. 12). Die Festlegung eines einheitlichen Benchmarks für feste Brennstoffe beruht somit auf vernünftigen Erwägungen; zudem passt sie sich - wie oben bereits ausgeführt - auch in das System der Zuteilungskriterien folgerichtig ein.

65

Entgegen der Revision überschreitet die Unterausstattung der klägerischen Anlage mit kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen nicht deshalb die Grenze der Verhältnismäßigkeit, weil der vorgesehene Emissionswert von 750 g CO2/kWh für die Stromproduktion mittels fester Brennstoffe bei der Verstromung von Braunkohle nicht erreicht werden kann. Ebenso wenig wie aus dem Unionsrecht lassen sich aus dem Verfassungsrecht durch den Stand der Technik bestimmte Zumutbarkeitsgrenzen für die Zuteilung unentgeltlicher Emissionsberechtigungen herleiten. Das mit dem Lenkungszweck des Emissionshandels verfolgte Ziel der Verringerung von Treibhausgasen rechtfertigt eine höhere Belastung von Kraftwerken, die Strom mit geringerer CO2-Effizienz produzieren.

66

dd) Die Summe der Kürzungen unentgeltlich zugeteilter Emissionsberechtigungen durch die beiden Kürzungsregelungen und das Fehlen eines Braunkohle-Benchmarks belastet die Betreiber von Braunkohlekraftwerken nicht übermäßig und ist daher auch verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 BvR 3588/08 u.a. - BVerfGE 128, 138 <152> m.w.N.). Eine Kürzung der unentgeltlichen Zuteilungen auf ca. 50 % des Bedarfs ist ihnen ohne Weiteres zumutbar, denn die mit der Einführung des Handelssystems zusätzlich entstehenden Kosten für den Erwerb von Emissionszertifikaten werden als Preisbestandteil des Produkts Strom auf dem Energiemarkt an den Endkunden weitergegeben (zur Überwälzung von Strom- und Mineralölsteuer auf den Endverbraucher BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 905/00 - BVerfGE 110, 274 <295>). Die mit der Einführung des Handelssystems beabsichtigte Bepreisung von CO2-Emissionen erfolgt über einen Preisfindungsprozess auf dem Markt für Emissionsberechtigungen; dies führt dazu, dass bei der Strompreisbildung auf dem Großhandelsmarkt stets die vollen CO2-Kosten berücksichtigt werden (Matthes, in: Öko-Institut e.V., Die Gewinnmitnahmen deutscher Stromerzeuger in der zweiten Phase des EU-Emissionshandelssystems <2008 - 2012>, S. 5, 9).

67

Selbst wenn man von keiner vollumfänglichen Abwälzbarkeit emissionshandelsbedingter Mehrkosten ausgehen wollte, würden die Betreiber von Braunkohlekraftwerken durch die sie treffenden Kürzungen unentgeltlicher Zuteilungen im Übrigen nicht unverhältnismäßig belastet. Bereits gesetzliche Besserstellungen sorgen zum Teil für einen Ausgleich. So wird die Braunkohleverstromung bei der Zuteilung unentgeltlicher Berechtigungen gegenüber der Steinkohleverstromung mit höheren Vollbenutzungsstunden (Anhang 4 Teil I zum ZuG 2012 - 8 250 gegenüber 7 500 Vollbenutzungsstunden) bevorteilt, was zu einer Erhöhung des Standardauslastungsfaktors führt (§ 3 Abs. 2 Nr. 8 ZuG 2012); hinzu kommt die Begünstigung durch einen gegenüber Steinkohlekraftwerken erhöhten Produktstandard für die Berechnung der anteiligen Kürzung (Anhang 5 Nr. 2 zum ZuG 2012), wenngleich Letzteres in besonderem Maße Neuanlagen zugute kommt und beide Vergünstigungen zusammen das Fehlen eines Braunkohle-Benchmarks rechnerisch nicht ausgleichen. Den weiteren Hinweis der Beklagten auf die deutlich günstigeren Beschaffungskosten des Brennstoffes für Braunkohlekraftwerke, die sich erst langfristig möglicherweise ändern können (vgl. Deutscher Bundestag, die Sachverständigenanhörung vor dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, korrigiertes Wortprotokoll 16/37 S. 44 f.), hat die Klägerin ohne substantiiertes und detailliertes Gegenvorbringen lediglich bestritten. Ebenso sah sie sich bisher nicht veranlasst, die Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 i.V.m. § 6 Abs. 6 ZuG 2012 für ihr Braunkohlekraftwerk in Anspruch zu nehmen. Auch eine vom Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft in Auftrag gegebene Studie sieht die Verstromung von Braunkohle kurzfristig nicht gefährdet (Energiewirtschaftliches Institut an der Universität Köln, Energiewirtschaftliches Gesamtkonzept 2030, S. XV, XXXI f.).

68

Dem Gesetzgeber lagen jedenfalls in den Jahren 2006/07 keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Stromerzeugung in Braunkohlekraftwerken aufgrund etwaiger Nettobelastungen durch Zertifikatskosten unwirtschaftlich werden könnte. Er durfte vielmehr davon ausgehen, dass trotz der Minderzuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen die Betreiber von Energieanlagen unabhängig vom Energieträger nicht in einer außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehenden Weise belastet werden. Nach der Sachverständigenanhörung vor dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit konnte er annehmen, dass trotz Kürzung der unentgeltlichen Zuteilungen die Stromwirtschaft weiterhin auch Zufallsgewinne erlösen kann; die überschlägige Berechnung eines angehörten Sachverständigen verdeutlichte, dass einer jährlichen Belastung durch den (in Folge der Veräußerungskürzung notwendigen) Erwerb von Berechtigungen in Höhe von 1,8 Mrd. € ein voraussichtlich immer noch erhöhter Erlös von jährlich 7,5 Mrd. € durch die kostenlosen Zuteilungen gegenüber steht. Aus dem daraus sich ergebenden Mitnahmeeffekt von jährlich 5,7 Mrd. € entfielen 2,1 Mrd. € auf emissionshandelspflichtige Anlagen (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Ausschussdrucksache 16(16)254 S. 38 ff.). Unabhängig vom tatsächlichen Eintritt dieser Prognose und der Konsistenz dieser Zahlen im Detail (angesichts der von der Klägerin gerügten fehlenden Differenzierung zwischen verschiedenen Energieträgern) konnte sich der Gesetzgeber jedoch von der Annahme leiten lassen, dass es durch die verschiedenen Kürzungen unentgeltlicher Zuteilungen weder zu einem unangemessenen Entzug von Finanzmitteln zur unternehmerischen Gestaltung des Systemwechsels kommen werde und die Betreiber von Braunkohlekraftwerken dadurch in eine ausweglose wirtschaftliche Situation geführt würden noch dass dadurch die schonende Ausgestaltung des Übergangs zu einem vollumfänglichen Emissionshandel gefährdet werde.

69

b) Die von der Revision angegriffenen Zuteilungsregelungen stehen auch im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in ihnen allenfalls ein Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit zu sehen ist, der bei Vorliegen vernünftiger Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Insoweit gilt das zur eigentumsrechtlichen Verhältnismäßigkeit der Regelungen bereits Ausgeführte. Die aus der Entgeltpflichtigkeit und der Verknappung von Emissionsberechtigungen resultierenden Beschränkungen auch der Berufsausübungsfreiheit sind notwendige Folge des mit den einzelnen Zuteilungsregelungen zulässigerweise verfolgten Ziels der Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen im Interesse des Klimaschutzes (Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <62> = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 19 S. 104 <116>).

70

c) Der Verzicht auf einen eigenständigen Braunkohle-Benchmark verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Weitere im Zuteilungsgesetz 2012 angelegte Ungleichbehandlungen - etwa zwischen Energieanlagen und Industrieanlagen - macht die Klägerin schon nicht zum Gegenstand ihres Revisionsvorbringens.

71

Eine Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes setzt eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte voraus, und zwar ohne hinreichend gewichtigen Grund (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/89 - BVerfGE 96, 315 <325 > m.w.N.). Dabei ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135 <160> m.w.N.; Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 19). Dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100>). Im Übrigen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - BVerfGE 71, 255 <271>). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Sachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei (stRspr, BVerfG, Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 <258> m.w.N.). Dies führt im Einzelnen zu der Prüfung, ob für die vorgenommene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.

72

Daran gemessen ergibt sich, dass die hier betroffene Zuteilungsbeschränkung keiner strikten Bindung an den Verhältnismäßigkeitsmaßstab unterliegt. Das Zuteilungsgesetz 2012 knüpft mit seinen differenzierenden Regelungen allein an sachliche Unterschiede zwischen den dem Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterfallenden Anlagen an, nicht aber an personelle Merkmale. Auch wird keine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Es stellt sich damit lediglich die Frage des Vorliegens eines vernünftigen, sachlich einleuchtenden Grundes für eine im Gesetz angelegte unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten (BVerfG, Urteil vom 13. März 2007 a.a.O. S. 109; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 6.07 - BVerwGE 129, 346 Rn. 17 = Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 1), hier die unterschiedlichen Betroffenheiten von dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlagen der Energiewirtschaft durch einen Benchmark, der einheitlich für Braunkohlekraftwerke und andere mit nicht gasförmigen Brennstoffen betriebene Kraftwerke gilt. Dabei gebietet Art. 3 Abs. 1 GG nicht, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O. m.w.N.).

73

Nach diesen Kriterien verstößt die unterschiedliche Belastung von Energieanlagen in Folge eines nicht speziell auf die Braunkohleverstromung ausgerichteten Emissionswertes nicht gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot.

74

aa) Ob, wie die Beklagte meint, es bereits an einer Ungleichbehandlung von Braunkohlekraftwerken gegenüber anderen Strom erzeugenden Anlagen fehlt, weil ein einheitlicher Emissionswert von 750 g CO2/kWh als einheitlicher Emissionswert für das einheitliche Produkt Strom zu verstehen ist und der geringere Emissionswert für Gaskraftwerke lediglich den Betrieb von Anlagen mit Festbrennstoffen privilegiert, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre eine Ungleichbehandlung der Braunkohleverstromung gegenüber der Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken, die anders als Braunkohlekraftwerke diesen Emissionswert bei bester verfügbarer Technik einzuhalten vermögen, gerechtfertigt. Die Festlegung eines Emissionswertes je erzeugter Produkteinheit knüpft - wie schon ausgeführt - an die Regelung des § 11 Abs. 2 ZuG 2007 an. Danach betrug der Emissionswert je erzeugter Produkteinheit für Strom produzierende Neuanlagen, für die der Einsatz bester verfügbarer Technik unterstellt werden kann, maximal 750, mindestens aber 365 g CO2/kWh. Dem höheren Wert lag ein gewichteter Durchschnittsemissionswert für die Stromerzeugung in modernen, mit fossilen Brennstoffen befeuerten Kraftwerken zu Grunde, der niedrigere orientierte sich am Bedarf moderner, mit Erdgas befeuerter Kraftwerke (BTDrucks 15/2966 S. 22). Im Gesetzgebungsverfahren zum Zuteilungsgesetz 2007 war die Frage der Einführung eines produktbezogenen oder brennstoffbezogenen Benchmarks Gegenstand intensiver Erörterungen im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auch unter dem Gesichtspunkt der Lenkungswirkung für den Neubau von Kraftwerken mit Einsatz von festen Brennstoffen, deren CO2-Ausstoß die Grenze von 750 g CO2/kWh ggf. noch zu unterschreiten vermag (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, korrigiertes Wortprotokoll Nr. 15/39 S. 10 ff.). Dabei wurde ein einziger, einheitlicher Benchmark für das Produkt Strom ebenso in Erwägung gezogen wie ein brennstoffbezogener Benchmark für Braunkohle von 850 oder 880 g (a.a.O. S. 18). Dieser aus § 11 Abs. 2 ZuG 2007 übernommene und im Anhang 3 des Zuteilungsgesetzes 2012 in abgeänderter Form fortgeschriebene Emissionswert ist demnach als Kompromiss zu verstehen zwischen einem rein produktbezogenen und einem streng brennstoffbezogenen Emissionswert (vgl. Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG, § 11 ZuG 2007, Rn. 11; Schweer/von Hammerstein, ZuG 2007, 2006, § 11 Rn. 3). Von einer willkürlichen Schlechterstellung der Braunkohleverstromung kann insoweit nicht ausgegangen werden. Eine solche verbirgt sich hinter diesen Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren umso weniger, als höhere Zuteilungen vom Emissionsberechtigungen für die Verstromung von Braunkohle einen Energieträgerwechsel unattraktiv machen würden, bei dem es sich nach Einschätzung des Sachverständigenrats für Umweltfragen um die kurzfristig günstigste Option zur Minderung von CO2-Emissionen handelt (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 8). Das liefe dem Ziel des Gesetzgebers zuwider, Anreize zur Emissionsminderung zu schaffen.

75

Dem kann die Revision nicht entgegenhalten, ein solcher Förderungs- oder Lenkungszweck sei nicht von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen, wie sie das Bundesverfassungsgericht fordere (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 - BVerfGE 105, 73 <112 f. m.w.N.>). Der Zweck des Gesetzes, zu Investitionen in emissionsärmere Techniken anzureizen, lässt sich dem auf eine weitere Reduktion von Treibhausgasen angelegten Zuteilungsgesetz 2012 insbesondere bereits durch dessen im Vergleich zur ersten Zuteilungsperiode weiter verringerte Zuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen entnehmen. Diese Absicht wird ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien betont (BTDrucks 16/5240 S. 21). In dieses Zielkonzept fügt sich eine Regelung, die die Braunkohleverstromung finanziell stärker belastet als emissionsärmere Technologien der Stromerzeugung, zwanglos ein.

76

Angesichts des Kompromisscharakters des im Anhang 3 zum Zuteilungsgesetz 2012 unter A Teil I 1.b) festgelegten Emissionswertes einerseits und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Verfolgung umweltpolitischer Ziele (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 905/00 u.a. - BVerfGE 110, 274 <293>) andererseits gibt auch die Ausgestaltung der dem genannten Lenkungszweck dienenden Regelung keinen Anlass zu Beanstandungen. Auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abstellend hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 13. März 2007 (a.a.O. S. 104 ff.) in den unterschiedlichen Zuteilungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2007 keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung betroffener Anlagenbetreiber gesehen, soweit die Regelungen das gesetzgeberische Ziel der Reduzierung von Treibhausgasemissionen befördern. Für den Verzicht auf einen speziellen Braunkohle-Benchmark gilt nichts anderes.

77

bb) Ein sachlich einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung der Braunkohleverstromung folgt auch daraus, dass - wie bereits ausgeführt - die Einführung eines Braunkohle-Benchmarks wegen der notwendigen Einhaltung des "Caps" zu einer deutlichen Erhöhung der anteiligen Kürzung führen müsste und damit die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an die übrigen (nicht braunkohlebefeuerten) Energieanlagen - insbesondere auch bei weiterer Verschonung der unter Verlagerungsdruck stehenden Industrieanlagen - sich erheblich verringern würde (BTDrucks 16/5617 S. 12). Das hätte zur Folge, dass deren CO2-effizientere Produktion von Strom entgegen den Lenkungszielen stärker belastet würde. Bereits dies läuft dem vom Gesetzgeber verfolgten generellen Zweck der Emissionsminderung zuwider. Jedenfalls durfte der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Zuteilungsregeln im Zuteilungsgesetz 2012 davon ausgehen, dass angesichts struktureller Vorteile der Braunkohleverstromung etwa in der Brennstoffbeschaffung er einerseits keine wettbewerbsverzerrende Subvention zu Gunsten anderer Energieträger betreibt und andererseits der Braunkohleverstromung trotz deren Belastung ein ausreichendes Auskommen (auch im Sinne deren Grundlastfähigkeit) verbleibt (BTDrucks 16/5617 S. 12).

78

5. Die Abschaffung der Zuteilungsgarantie des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 für neuere Bestandsanlagen - hier für den Erweiterungsteil des Braunkohlekraftwerks der Klägerin - durch das Zuteilungsgesetz 2012 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 2 Satz 3 ZuG 2012, wonach Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2007, die sich über dessen Zuteilungsperiode hinaus erstrecken, durch die Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 ersetzt werden, steht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in Einklang.

79

a) Die Regelung des § 2 Satz 3 ZuG 2012 ist hinreichend bestimmt. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, jede Bestimmung des Zuteilungsgesetzes 2007, die durch das Zuteilungsgesetz 2012 ersetzt wird, ausdrücklich zu benennen oder das erste Zuteilungsgesetz insoweit förmlich aufzuheben. Die Zuteilung von Emissionsberechtigungen bemisst sich für die jeweilige Handelsperiode nach dem Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan, § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 TEHG a. F. Ist die Zuteilungsperiode ausgelaufen, erfolgen Zuteilungen auf der Grundlage des neuen Zuteilungsgesetzes, das einerseits auf Regelungen des vorangegangenen Gesetzes verweisen (vgl. etwa § 6 Abs. 10 Satz 2 ZuG 2012) oder Regelungen fortschreiben kann (vgl. etwa § 4 Abs. 3 Satz 3, § 8 Abs. 3 Satz 2 ZuG 2012), andererseits aber auch Fortgeltungsregelungen des vorangegangenen Gesetzes auszuschließen vermag, wie es in § 2 Satz 3 ZuG 2012 geschehen ist. Welche Regelungen von diesem Ausschluss umfasst sind, ist in § 2 Satz 3 ZuG 2012 auch ohne Benennung der einzelnen Vorschriften hinreichend genau umschrieben.

80

b) § 2 Satz 3 ZuG 2012 genügt auch den Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, der im Gewährleistungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eine eigene Ausprägung gefunden hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 3076/08 - BVerfGE 122, 374 <391 und 393>).

81

Welche Anforderungen dieser Grundsatz an Inhalts- und Schrankenbestimmungen stellt, die in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte subjektive Rechte eingreifen, hängt ab von der Wirkung der gesetzlichen Änderung. Entfaltet sie echte Rückwirkung, weil sie nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, so ist sie verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes allerdings nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt deshalb ausnahmsweise nicht, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern (BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66 u.a. - BVerfGE 30, 367 <387 ff.> und vom 18. Februar 2009 a.a.O. S. 394 f.). Eine unechte Rückwirkung ist hingegen grundsätzlich zulässig. Sie liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Die Grenzen zulässiger unechter Rückwirkung sind erst überschritten, wenn die angeordnete Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2009 a.a.O. S. 394). Darüber hinaus sind dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Vorgaben für den Fall zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine für die Betroffenen günstige Übergangsvorschrift vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist beseitigt. Um den mit einer solchen Regelung geschaffenen besonderen Vertrauenstatbestand vorzeitig aufzuheben, müssen sich nicht nur die ursprünglich maßgeblichen Umstände geändert haben; vielmehr müssen darüber hinaus - vorausgesetzt, das Interesse der Betroffenen auf einen Fortbestand der Regelung ist schutzwürdig und hat hinreichendes Gewicht - schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sein (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. - BVerfGE 102, 68 <97 f.>).

82

Es spricht vieles dafür, § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 als eine solche Übergangsvorschrift zu begreifen und § 2 Satz 3 ZuG 2012 deshalb unter die letztgenannte Fallgruppe zu fassen. Letztlich kann die Frage, welcher Fallgruppe die Änderungsnorm zuzuordnen ist, aber offen bleiben, denn die Betroffenen konnten nicht schutzwürdig auf den Fortbestand der Zuteilungsregeln des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2012 über den Zeitraum der ersten Handelsperiode hinaus vertrauen, was in allen drei Fallgruppen Grundvoraussetzung für einen Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz wäre.

83

aa) § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 war nicht geeignet, schutzwürdiges Vertrauen der Normadressaten von hinreichendem Gewicht zu begründen. Die Vorschrift setzte keine erst künftig zu tätigenden Investitionen voraus, sondern knüpfte an bereits vor Inkrafttreten des Zuteilungsgesetzes 2007 getätigte Investitionen an. Das gilt sowohl für den unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm, der neuere Bestandsanlagen erfasst, als auch für ihre Inbezugnahme durch § 8 Abs. 5 ZuG 2007, die neuere Kapazitätserweiterungen betrifft. Die Festschreibung des Verzichts auf einen Erfüllungsfaktor zielte mithin darauf ab, bereits erfolgte Anstrengungen zur Emissionsminderung zu honorieren, sollte dagegen nicht Anreize für künftige, im Vertrauen auf die Regelung zu tätigende Investitionen schaffen. Soweit im Gesetzgebungsverfahren ohne weitere Differenzierung angemerkt worden ist, es solle die für langfristige Investitionen notwendige Planungssicherheit geschaffen werden (BTDrucks 15/3237 S. 13), kann dieser Zielsetzung mithin für § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden. Von Seiten der Klägerin ist zudem nicht substantiiert dargelegt worden, in welcher Hinsicht dieser allgemeine Gesichtspunkt in dem engen Zeitfenster zwischen dem Inkrafttreten der gesetzlichen Zuteilungsgarantie im Jahre 2004 und dem Bekanntwerden der Überlegungen zur Abschaffung dieser Garantie gegen Ende des Jahres 2006 zu schutzwürdigen Dispositionen von erheblichem Gewicht hätte führen können.

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bb) Wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, sollte das nachträgliche Einbringen der periodenübergreifenden Zuteilungsgarantie in das Gesetzgebungsverfahren zum Zuteilungsgesetz 2007 (BTDrucks 15/3237 S. 11) in erster Linie der Minderung von Nachteilen dienen, die moderne und effiziente Anlagen - auch angesichts eines nur geringen weiteren Emissionsminderungspotentials - dadurch erleiden, dass einerseits konkurrierende und nach der Zuteilungsmethode des Grandfathering (§ 7 Abs. 1 ZuG 2007) bediente, aber weniger effiziente Anlagen vergleichsweise mehr Berechtigungen erhalten und dass diese modernen Anlagen andererseits anders als (bis zum 31. Dezember 2002 in Betrieb gegangene) Altanlagen ihren Beitrag zum Klimaschutz bereits geleistet haben (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 29.07 - Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 2 S. 7). Auch das zeigt, dass mit dem Verzicht auf den Erfüllungsfaktor und die daran anknüpfende anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 allein frühes klimapolitisches Handeln honoriert werden sollte, ohne zugleich zu künftigem Verhalten zu motivieren.

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Letztere Gründe für eine periodenüberschreitende Fortführung der Privilegierung durch § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 sind durch die Einführung eines neuen Zuteilungssystems für die zweite Zuteilungsperiode zum großen Teil entfallen, weil durch die grundlegende Umstellung der Zuteilungsregeln für bestehende Energieanlagen vom bisher geltenden Grandfathering auf ein Benchmarking dem Effizienzgedanken und der Berücksichtigung des Minderungspotenzials der jeweiligen Anlage Rechnung getragen wird und der mit dem Grandfathering verbundene Nachteil einer Mehrzuteilung zu Gunsten alter, ineffizienter Anlagen entfällt. Regelungen zum Ausgleich der Benachteiligung neuerer Bestandsanlagen sind zusätzlich auch dadurch entbehrlich geworden, dass durch die Einführung der neuen, effizienzabhängigen anteiligen Kürzung gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. Anhang 5 ZuG 2012 moderne und effiziente Energieanlagen gegenüber alten, ineffizienten Anlagen bevorzugt werden mit der Folge, dass sie bei einem Effizienzstandard von 1 von der Kürzungsregelung ausgenommen bleiben. Die ursprünglichen Gründe des Gesetzgebers für eine Besserstellung neuerer Bestandsanlagen durch Zuteilung ungekürzter Emissionsberechtigungen über einen gewissen Zeitraum haben sich damit relativiert und weitgehend erledigt.

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cc) Unabhängig davon konnte die Klägerin zu keiner Zeit darauf vertrauen, dass das mit dem Systemwechsel eingeführte nationale Zuteilungssystem der ersten Handelsperiode längerfristigen Bestand haben würde. Die vom Emissionshandel betroffenen Anlagenbetreiber, deren Interessensvertretungen am Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren, mussten sich bewusst sein, dass ein dauerhafter Bestand der periodenübergreifenden Zuteilungsregelung unsicher war (vgl. mit ähnlichem Ansatz BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 a.a.O. S. 387 ff.). Schon im Jahr 2004 war zum einen absehbar, dass die Europäische Union vor Ablauf einer 12-Jahres-Frist harmonisierte Zuteilungsregeln verabschieden würde (vgl. Art. 30 Abs. 2 Buchst. c EH-RL), wie es mittlerweile für den Zeitraum ab 2013 mit der Richtlinie 2009/29/EG vom 23. April 2009 geschehen ist. Zum anderen war bereits im Gesetzgebungsverfahren erkennbar geworden, dass eine Fortschreibung der Zuteilungsgarantien auf unionsrechtliche Bedenken stoßen würde. Diese konnten nicht außer Betracht bleiben, da Mitgliedstaaten Zuteilungen von Emissionsberechtigungen nur aufgrund eines nationalen Zuteilungsplans vornehmen können, der von der Kommission nicht abgelehnt wird (Art. 9 Abs. 3 EH-RL). Bereits in der Sachverständigenanhörung des Gesetzgebungsverfahren zum Zuteilungsgesetz 2007 war diesbezüglich verdeutlicht worden, dass "alles, was jetzt an Zusagen über die Zeit ab 2007 hinaus gemacht wird, nur ganz vorläufigen Bestand haben kann"; dabei wies der Sachverständige auch auf das Problem einer ungerechtfertigten Bevorzugung durch die Garantie eines Erfüllungsfaktors von 1 hin. Er rechne damit, dass "die EU-Kommission ... klarstellen wird, dass es jetzt hier um den Allokationsplan für 2005 bis 2007 geht und alles, was eine Bindungswirkung darüber hinaus hat, als vorläufig zu betrachten ist" (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Protokoll Nr. 15/39 S. 29; vgl. auch Ausschussdrucksache 15(15)282, Teil 3, Antworten von C. Bals S. 4 f.). Auf dieser Linie hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 7. Juli 2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde (K <2004> 2515/2 endgültig) ausdrücklich darauf hingewiesen (Erwägungsgründe Nr. 10 und 11), Angaben im nationalen Zuteilungsplan, die für die Zuteilung in der Periode 2005 bis 2007 nicht relevant seien, nicht berücksichtigt zu haben. Ein Verständnis dahingehend, die Kommission habe die Zuteilungsgarantien so wie in § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 vorgesehen gebilligt, lässt der eindeutige Wortlaut der Entscheidung nicht zu (EuG, Beschluss vom 11. September 2007 - Rs. T-28/07 - Fels-Werke u.a., Slg. 2007, II-00098 Rn. 68). Hinzu kommt, dass die erste Zuteilungsperiode von 2005 bis 2007 im Wesentlichen eine Vorbereitungs- und Erprobungsphase zum Sammeln von Erfahrungen für die erste Kyoto-Periode 2008 bis 2012 darstellen sollte (Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 C 23.09 - Buchholz 406.253 § 20 ZuG 2007 Nr. 1 S. 2 <10> = NVwZ 2011, 618 <621>). Somit konnte es Betroffenen nicht verborgen bleiben, dass sich im Lichte der gewonnenen Erfahrungen Änderungen auch hinsichtlich periodenübergreifender Zuteilungsgarantien für die zweite Zuteilungsperiode ergeben könnten.

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dd) Die Aufhebung der 12-jährigen Zuteilungsgarantie des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 war unausweichlich, um schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwenden; dabei wäre Letzteres auch geeignet, bestehenden Vertrauensschutz Betroffener zu überwinden. Mit der Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, verbindet sich eine Wirkung (vgl. die Regelungen in Art. 1 und 2 der Entscheidung sowie die Erwägungsgründe 20 - 26), die vom nationalen Gesetzgeber nicht übergangen werden konnte ungeachtet der Fragen, ob die Ablehnungsfrist des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 EH-RL zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen war, in welchem Umfang sie durch Rückfragen der Kommission unterbrochen wurde bzw. ob diese Frist erst bei Vorliegen sämtlicher entscheidungserheblicher Unterlagen anlief. Die Ablehnung des Nationalen Allokationsplans 2008 - 2012 für die Bundesrepublik Deutschland vom 28. Juni 2006 - NAP II - durch die Kommission bezüglich der in § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 enthaltenen Zuteilungsgarantie (Art. 1 Nr. 2 der Entscheidung) hatte jedenfalls zur Folge, dass der nationale Gesetzgeber auch bei Erhebung einer Nichtigkeitsklage bis zu einer Entscheidung durch das Europäische Gericht die abgelehnten Bestandteile des Zuteilungsplans nicht hätte umsetzen und insoweit auf der Grundlage eines Zuteilungsgesetzes auch keine endgültigen Zuteilungen hätte vornehmen können (vgl. auch NAP II vom 28. Juni 2006 S. 8). Die Beklagte durfte zudem davon ausgehen, dass eine gerichtliche Klärung und eine angemessene parlamentarische Beratung des Zuteilungsgesetzes innerhalb der bis zu Beginn der zweiten Zuteilungsperiode verbleibenden Frist nicht zu erwarten sei; ob ein beschleunigtes Verfahren (vgl. hierzu Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz) zu einer rechtzeitigen Klärung geführt hätte, war auch deshalb nicht abzusehen, weil gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichts ein Rechtsmittel möglich gewesen wäre (Art. 225 Abs. 1 EG, Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs). Hätte die Beklagte - ungeachtet der Möglichkeit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission - die Entscheidung der Kommission nicht akzeptiert, hätte nur die Möglichkeit bestanden, ein vorläufiges Regelwerk ohne die genannte Fortschreibung zu erstellen und Emissionsberechtigungen unter Vorbehalt zuzuteilen. Wäre für die Beklagte nach Abschluss gerichtlicher Verfahren schließlich die Möglichkeit gegeben gewesen, Zuteilungsgarantien nach dem bisherigen Modell in der zweiten Zuteilungsperiode fortzuschreiben, hätte dies wiederum unausweichlich Auswirkungen auf die Berechnung des Faktors der anteiligen Kürzung gehabt mit der Folge, dass die Zuteilungen von Zertifikaten an alle davon betroffenen Anlagen neu hätten vorgenommen werden müssen. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der Planungs- und Investitionssicherheit der am Emissionshandelssystem teilnehmenden Anlagenbetreiber sowie der Stabilität des Handelsystems und der Funktionsfähigkeit des Zuteilungsverfahrens musste die Beklagte nicht auf sich nehmen.

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6. Zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter ist die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht geboten. Die Auslegung von Art. 9 EH-RL und der in Bezug genommenen Kriterien des Anhangs III sowie von Art. 10 Satz 2 EH-RL liegt auf der Hand und bedarf daher keiner Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

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Auch die von der Klägerin gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV begehrte Vorlage der Frage nach der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung zum NAP II vom 29. November 2006 an den Europäischen Gerichtshof scheidet aus; sie ist nicht entscheidungserheblich. Wie die Revision selbst geltend macht, käme es auf die Gültigkeit der Kommissionsentscheidung an, wenn § 2 Satz 3 ZuG 2012 eine unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes an sich verfassungsrechtlich unzulässige Regelung enthielte, wegen der Bindungswirkung der Kommissionsentscheidung aber eine Beanstandung nach Maßgabe des Verfassungsrechts ausschiede. Oben ist indessen ausgeführt worden, dass - unabhängig von der Kommissionsentscheidung - gegen die getroffene Regelung aus Gründen des Vertrauensschutzes keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Unabhängig davon ergibt sich aus den Ausführungen zum Vertrauensschutzgrundsatz, dass der Gesetzgeber auf die Kommissionsentscheidung losgelöst von deren Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit mit der getroffenen Regelung reagieren durfte, um sonst zu befürchtenden schwerwiegenden Verwerfungen für das Zuteilungssystem vorzubeugen. Dies belegt, dass die Entscheidung des Gesetzgebers letztlich nicht von der Frage der Wirksamkeit der Kommissionsentscheidung abhing. Auch aus diesem Grund kommt es für den Ausgang des Rechtsstreits auf die von der Klägerin geforderte Klärung nicht an.

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