Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 7/12

Gründe

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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß §§ 141 Satz 1, 125 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung einzustellen. Die Vorentscheidungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).

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Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Bisheriger Sach- und Streitstand meint den Sachverhalt und die Rechtslage, die im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses bestanden. Der Kläger, der aus dem nachträglich eingetretenen Ereignis die prozessuale Konsequenz der Erledigungserklärung gezogen hat, soll die Verfahrenskosten nicht tragen müssen, wenn er nur durch das erledigende Ereignis um den Erfolg seiner Klage gebracht worden ist. Andernfalls müsste der Kläger regelmäßig die Kosten tragen, weil er mit der Erledigungserklärung gerade auf einen Umstand reagiert, der seinem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entzogen hat. Diese Konsequenz will § 161 Abs. 2 VwGO mit der Bezugnahme auf den "bisherigen" Stand vermeiden. Entscheidend ist mithin, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn der Umstand, an den die Beteiligten ihre Erledigungserklärungen anknüpfen, nicht eingetreten wäre (vgl. etwa Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Aufl. 2010, § 161 Rn. 83; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 161 Rn. 16 jeweils m.w.N.).

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Hiernach entspricht es billigem Ermessen, die Verfahrenskosten den Beteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen.

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Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich das am 17. Januar 2012 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Verfahren durch drei - teilweise in dichter zeitlicher Folge eingetretene - Ereignisse erledigt hat, nämlich (1.) weil am 29. Februar 2012 das vom Kläger befristet auf sechs Jahre eingegangene Soldatenverhältnis auf Zeit geendet hat, weiter (2.) weil - wie das Bundesverwaltungsgericht unter Aufgabe seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung nunmehr entschieden hat - auch Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer haben und dieses Verfahren dem (streitgegenständlichen) Dienstentlassungsverfahren gemäß § 55 Abs. 3 SG voranzugehen hat (vgl. das vom Kläger erstrittene Urteil vom 22. Februar 2012 - BVerwG 6 C 11.11 - NVwZ-RR 2012, 444 ), schließlich (3.) weil der Kläger mit Bescheid des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 2. Juli 2012 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden ist.

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Dies vorausgeschickt, berücksichtigt der Senat bei seiner nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung einerseits, dass der Kläger mit dem vorliegenden Dienstentlassungsverfahren gemäß § 55 Abs. 3 SG genau das Verfahren betrieben hat, das er nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (wie auch nach der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides) durchzuführen hatte, um sein Rechtsschutzziel zu erreichen, nämlich unter Berufung auf Gewissensgründe nicht mehr Sanitätsdienst in der Bundeswehr leisten zu müssen. Dass sich dies aufgrund der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr als fehlsam erweist und das eingeschlagene Verfahren sich als unnütz darstellt, darf dem Kläger unter Kostengesichtspunkten nicht zum Nachteil gereichen. Andererseits war der Ausgang des vorliegenden Verfahrens - auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung - bis zum Eintritt der Erledigung ungewiss. Zwar hat der Kläger mit der Frage, ob die Entlassung eines Soldaten gemäß § 55 Abs. 3 SG, die aus Gewissensgründen betrieben wird, versagt werden kann, wenn aufgrund einer Krankschreibung davon auszugehen ist, dass er bis zum Dienstzeitende keinen Dienst mehr verrichten muss (Beschwerdebegründung S. 10), eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfen, die voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt hätte. Der Ausgang des Revisionsverfahrens selbst dagegen muss als offen angesehen werden. Die hier zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nicht dazu bestimmt, trotz eingetretener Erledigung Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung "durchzuentscheiden" (vgl. Beschluss vom 2. Februar 2006 - BVerwG 1 C 4.05 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 123 Rn. 3 f.), zumal wenn sie sich - wie hier aufgrund der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - in Zukunft nicht mehr stellen werden. Hieraus folgt die - nach Auffassung des Senats angemessene - hälftige Kostenteilung zwischen den Beteiligten.

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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.

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Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Wehrbeschwerde-Vorverfahren war angesichts der unklaren Zuständigkeitsabgrenzung der verschiedenen Verfahren sowie der Schwierigkeit der besondern Fallgestaltung des Klägers notwendig (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 1 WBO, § 16a Abs. 3 WBO; hierzu auch Beschluss vom 8. Dezember 2009 - BVerwG 1 WB 61.09 - Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 2).

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