Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WDB 2/14
Tatbestand
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Gegen den Soldaten war mit Verfügung des Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 15. April 2014, dem Soldaten ausgehändigt am 23. April 2014, ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am 17. September 2014 ging beim Truppendienstgericht Nord, 4. Kammer, die Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Kommandos Streitkräftebasis vom 12. September 2014 ein, mit der dem Soldaten unter anderem vorgeworfen wurde, gemeinsam mit Hauptmann K. am 26. und 27. März 2013 in M. bzw. S. dem Stabsgefreiten D. in Kenntnis der ZDv 43/2 Nr. 102 befohlen zu haben, sie und weitere Offiziere mit einem Dienstkraftfahrzeug von der Kaserne zur Stadtsparkasse in M. und sodann zu einem Bordell in S. zu fahren sowie am folgenden Morgen von dort abzuholen und zur Kaserne zurückzufahren. Hauptmann K. wurde mit Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der Division Schnelle Kräfte vom 28. Februar 2014 unter anderem wegen dieser Befehle beim Truppendienstgericht Süd, 3. Kammer, angeschuldigt.
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Mit Antrag vom 18. November 2014, beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen am 27. November 2014, hat der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord in Absprache mit dem Vorsitzenden der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd beantragt, für das Verfahren als zuständiges Gericht das Truppendienstgericht Süd zu bestimmen.
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Der Soldat, der denselben Verteidiger gewählt hat wie der gesondert angeschuldigte Hauptmann K., stimmt im Gegensatz zum Bundeswehrdisziplinaranwalt einer Verbindung der Verfahren wegen § 146 StPO nicht zu.
Entscheidungsgründe
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Auf den zulässigen Antrag wird das Truppendienstgericht Süd als zuständiges Gericht bestimmt.
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Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht u.a. auf Antrag eines Truppendienstgerichts das zuständige Truppendienstgericht, wenn u.a. bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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1. Für beide Soldaten sind unterschiedliche Truppendienstgerichte zuständig. Deren Zuständigkeit bestimmt sich nach § 70 Abs. 1 WDO. Danach ist das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört.
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Der Soldat ist zum 1. April 2013 von der 2./... in M. zur ... in Hamburg versetzt worden. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern vom 15. August 2012 (BGBl I 2012, S. 1714) erfasst der Dienstbereich des Truppendienstgerichts Nord Dienststellen mit Sitz in Hamburg, während nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 dieser Verordnung der Dienstbereich des Truppendienstgerichts Süd Dienststellen mit Sitz im Saarland umfasst. Bei dem Wirksamwerden der Einleitungsverfügung durch Aushändigung an den Soldaten am 23. April 2014 war dieser mithin an eine Dienststelle im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord versetzt, während Hauptmann K. zum Zeitpunkt der Aushändigung der Verfügung über die Einleitung des gegen ihn gerichteten Verfahrens am 5. September 2013 noch Angehöriger der 2./... in M. und von dort zum Stab ... in S. kommandiert war, mithin einer Dienststelle im Dienstbereich des Truppendienstgerichts Süd angehörte.
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2. Es handelt sich auch um zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO.
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Die Wehrdisziplinarordnung enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den Dienstpflichtverletzungen bilden müssen. Doch lässt sich dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der unterschiedlichen Disziplinarverfahren eine einheitliche Straftat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren und mehrere Verfahren zu diesem Zweck bei dem für zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2010 - 2 WDB 2.10 - Rn. 7 m.w.N.).
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Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - die Pflichtverletzungen nicht den Tatbestand einer Norm des allgemeinen Strafrechts erfüllen oder ein sachgleiches Strafverfahren nicht durchgeführt worden ist. Ein Zusammenhang zwischen Dienstvergehen mehrerer Soldaten wird auch dadurch begründet, dass diesen - wie hier - vorgeworfen wird, gemeinsam dieselbe Dienstpflichtverletzung begangen zu haben.
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3. Der Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts nach § 70 Abs. 3 WDO steht nicht entgegen, dass die Beschuldigten der später zu verbindenden Verfahren, denen gemeinsames Handeln bei einzelnen Pflichtverletzungen vorgeworfen wird, denselben Verteidiger gewählt haben.
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Zwar gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung im Sinne von § 146 StPO wegen § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren (BVerwG, Beschluss vom 10. August 1993 - 2 WDB 5, 6.93 - BVerwGE 93, 386). Die Bestimmung eines einheitlichen zuständigen Gerichts nach § 70 Abs. 3 WDO kommt nur dann in Betracht, wenn die im Zusammenhang stehenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2009, 2 WDB 1.09 - Buchholz 450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 2, Rn. 10). Wäre eine Verfahrensverbindung, nicht zulässig, kommt auch die Bestimmung eines einheitlich zuständigen Gerichts nach § 70 Abs. 3 WDO nicht in Betracht.
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Der für eine Verfahrensverbindung eröffnete richterliche Ermessensspielraum unterliegt verfassungsrechtlichen Grenzen, insbesondere dem Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren, der auch das Recht umfasst, sich von einem gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02 - juris Rn. 23, 26). Daher hat der Richter bei seiner Entscheidung über die mögliche Verbindung zweier Verfahren auch zu erwägen, ob diese gerechtfertigt ist, obwohl sie wegen der durch sie begründeten Verfahrensidentität und des verfassungsrechtlich unbedenklichen Verbots der Mehrfachverteidigung zur Zurückweisung des vom Beschuldigten gewählten Verteidigers seines Vertrauens führt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02, juris Rn. 27 m.w.N.).
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Diese Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor, weil nicht erst die vom Truppendienstgericht Süd in Aussicht genommene Verfahrensverbindung wegen § 146 Satz 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO die Frage nach einer Zurückweisung des Verteidigers des Soldaten aufwirft. Vielmehr greift schon wegen der Tatidentität nach § 146 Satz 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO das Verbot der Mehrfachverteidigung ein. Bei einer Tatidentität ist eine Mehrfachverteidigung selbst dann unzulässig, wenn gegen mehrere Beschuldigte getrennte Verfahren geführt werden und der Verteidiger in jedem dieser Verfahren einen von ihnen verteidigen will (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Auflage 2014, § 146 Rn. 16 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Tatidentität liegt vor, wenn dieselbe prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO in Rede steht. Da dem Soldaten und Hauptmann K. teilweise ein gemeinsames Handeln vorgeworfen wird, steht ein nach natürlicher Auffassung einheitlicher Lebensvorgang und damit dieselbe Tat im prozessualen Sinne in Rede (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 264 Rn. 2 m.w.N. zur Rspr des BGH). Ob die jeweiligen Punkte 3 und 4 der Anschuldigungsschriften den beiden Hauptleuten „in der Ausführung verschiedene Dienstpflichtverletzungen“ vorwerfen, wie der Verteidiger im Schriftsatz vom 21. Januar 2015 ausführt, ist ebenso unerheblich, wie die Frage, ob die Hauptleute mittäterschaftlich oder in einer anderen Beteiligungsform handelten. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang Gegenstand der Anschuldigungen ist. Mithin ist die Mehrfachverteidigung auch ohne Verfahrensverbindung unzulässig. Daher steht der Verfahrensverbindung nicht entgegen, dass sie das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren und die Wahl eines Verteidigers seines Vertrauens unzumutbar beeinträchtigen würde.
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4. Als zuständiges Gericht war das Truppendienstgericht Süd zu bestimmen, weil die Tatorte der nach den Anschuldigungen gemeinsam begangenen Taten ebenso wie diejenigen der weiteren Vorwürfe, die den Rahmen des hier in Rede stehenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens bilden, im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Süd gelegen sind. Es kommt hinzu, dass die erste die gemeinschaftlichen Pflichtverletzungen betreffende Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht Süd eingegangen ist. Die Beteiligten sind übereinstimmend der Auffassung, dass für eine Verhandlung vor dem Truppendienstgericht Süd die Prozessökonomie spricht.
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Die Bestimmung der zuständigen Kammer innerhalb des Truppendienstgerichts Süd gehört nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 3 WDO nicht zur Aufgabe des Senats im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung; sie richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan des Truppendienstgerichts Süd und müsste gegebenenfalls durch das Präsidium des Truppendienstgerichts Süd erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. August 2006 - 2 WDB 2.06 - Buchholz 450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 18 m.w.N.).
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Referenzen
- StPO § 146 Verbot der Mehrfachverteidigung 4x
- 2 BvR 932/02 2x (nicht zugeordnet)
- § 70 Abs. 3 WDO 6x (nicht zugeordnet)
- § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO 3x (nicht zugeordnet)
- § 70 WDO 2x (nicht zugeordnet)
- StPO § 264 Gegenstand des Urteils 1x
- § 70 Abs. 1 WDO 1x (nicht zugeordnet)