Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 11/15

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 000 € festgesetzt.

Gründe

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Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt mindestens in weiten Teilen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, im Übrigen ist sie jedenfalls unbegründet.

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1. Die Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerde, soweit sie eine Abweichung des angegriffenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist insoweit nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Daran fehlt es hier.

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Die Beschwerde kritisiert, das Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine konkrete, am tatsächlich Vorhandenen ausgerichtete Betrachtung vorgenommen und ferner nicht auf die faktische hintere Baugrenze abgestellt, sondern das Gebäude der Klägerin als mit maßstabsbildend angesehen, indem eine prägende Nachwirkung "nach der Verkehrsauffassung" angenommen werde. Abstrakte Rechtssätze des angegriffenen Urteils nimmt sie hierbei nicht in Bezug. Der Sache nach macht sie vielmehr eine unzutreffende Rechtsanwendung geltend, auf die eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <448> = juris Rn. 16).

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2. Auch die behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht schlüssig dargetan.

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a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

inwieweit bei völligem Entfall des Bestandsschutzes mit der damit verbundenen Folge, dass die planungsrechtliche Situation neu in den Blick zu nehmen ist, die vom Berufungsgericht angenommene Nachwirkung des Bestandsschutzes trotz zehnjähriger Nutzungsunterbrechung des Bestandsgebäudes fortwirkt.

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Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Von einer Nachwirkung des Bestandsschutzes ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Es hat ausdrücklich festgestellt, dass sich die Klägerin auf formellen Bestandsschutz nicht berufen kann, weil das Altgebäude unstreitig abgerissen worden sei (UA S. 12). Gewicht hat es demgegenüber dem Umstand beigemessen, dass dem bislang auf dem Grundstück der Klägerin vorhanden gewesenen Gebäude eine prägende Wirkung für die nähere Umgebung nicht abzusprechen sei, die fortwirke (UA S. 18). Das betrifft allein die Maßstabsbildung im Rahmen der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gebotenen Prüfung, ob das verfahrensgegenständliche Gebäude den durch die Eigenart der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen einhält. Mit Bestandsschutz hat das nichts zu tun.

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Aber selbst wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, dass sie in einem Revisionsverfahren klären lassen möchte, ob dem bislang auf dem Grundstück der Klägerin vorhanden gewesenen Gebäude trotz einer zehnjährigen Nutzungsunterbrechung noch eine fortwirkende prägende Wirkung für die nähere Umgebung zukommt, rechtfertigt die Frage nicht die Zulassung der Revision. Denn die Beantwortung dieser Frage richtet sich nach der Verkehrsauffassung (BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 67), hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Oberverwaltungsgericht (UA S. 18 ff.) diese Einzelfallbeurteilung in bundesrechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen hat.

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b) Die Frage,

ob es zulässig ist, dass bei ungeklärter Art und ungeklärtem Maß einer illegalen baulichen Anlage der Umfang der materiellen Legalität durch ein Gericht anstelle des Ordnungspflichtigen bestimmt wird,

bedarf, soweit sie der Fall aufwirft, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 12) haben die Bauaufsichtsbehörden die Befugnis, auf der Grundlage des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW die Beseitigung baulicher Anlagen anzuordnen, wenn diese formell und materiell illegal sind und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 4 C 15.12 - NVwZ 2014, 454 Rn. 7). Ausgehend hiervon war das Oberverwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch verpflichtet, die materielle Zulässigkeit des Gebäudes, dessen Beseitigung die Beklagte angeordnet hat, als Tatbestandsmerkmal und Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Befugnisnorm zu prüfen.

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c) Die Frage,

ob bei einem illegalen Neubau darauf abzustellen ist, dass bei - unterstellter - Nachwirkung der prägenden Kraft des Altbaus dessen Kubatur im Wesentlichen zu wahren ist,

ist nicht entscheidungserheblich, weil das Oberverwaltungsgericht die Wahrung der Kubatur als Tatgericht bejaht hat. Es käme daher in einem Revisionsverfahren nicht darauf an, ob dieses Erfordernis bundesrechtlich gefordert ist.

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d) Auch die Frage,

ob nach zehn Jahren der Nutzungsaufgabe die - unterstellte - Baugenehmigung für ein im Innenbereich belege-nes Vorhaben erloschen ist,

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Baugenehmigung nach einer Nutzungsaufgabe erlischt, beantwortet sich nach dem irrevisiblen Landesrecht (BVerwG, Urteil vom 7. November 1997 - 4 C 7.97 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 316 S. 33; Schlarmann/Ruttloff, DVBl. 2012, 869 <870>).

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e) Von den Umständen des Einzelfalls abhängig und deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung von vornherein entzogen ist die von der Beschwerde aufgeworfene weitere Frage,

ob sich ein freistehendes Gebäude in Hinterlandbebauung bei einer geschlossenen Straßenrandbebauung nach dem Maß (der baulichen Nutzung) in die nähere Umgebung einfügt.

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f) Von den Umständen der konkreten Situation abhängig und darüber hinaus auch nicht entscheidungserheblich ist schließlich die Frage,

ob in der konkreten Situation die Neuerrichtung eines Gebäudes bei Entfall des Bestandsschutzes und fehlender Nachwirkung städtebaulich vertretbar im Sinne des § 34 Abs. 3a BauGB ist,

weil das Oberverwaltungsgericht gerade nicht von einer fehlenden Nachwirkung ausgegangen ist und sein Urteil nicht auf § 34 Abs. 3a BauGB gestützt hat.

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3. Die Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerde schließlich auch, soweit sie einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht.

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Die Beschwerde wendet sich mit der Verfahrensrüge gegen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur bauplanungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Schwarzbaus. Gegenstand des vorliegenden Streitverfahrens sei eine Abrissverfügung. Korrekt wäre es - so die Beschwerde - deshalb gewesen, die Frage des Sich-Einfügens offen zu lassen und auf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 51 VwVfG nach Stellung eines konkreten Bauantrags zu verweisen. Denn die antizipierte Prüfung einer fiktiven Baugenehmigung verkürze die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gemeinde. Das Oberverwaltungsgericht verstoße damit gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG).

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Dieser Vortrag ist unschlüssig. Er geht schon im Ansatz fehl. Denn er richtet sich gegen die materiell-rechtliche Auffassung des Oberverwaltungsgerichts und die Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung, ohne einen Bezug zum Prozessrecht herzustellen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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