Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 54/14

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 814,08 € festgesetzt.

Gründe

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Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) ist unbegründet.

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1. Die 1963 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin. In diesem Beruf war sie bis 1994 tätig. Im April 1994 wurde ihre Tochter geboren. Bis April 1997 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch und war anschließend bis Mai 1998 ohne Bezüge beurlaubt. Auch nach der Geburt ihres Sohnes im Mai 1998 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch, die im Mai 2001 endete. Von Oktober 2002 bis Januar 2007 absolvierte die Klägerin ein Lehramtsstudium. Im Anschluss an den Vorbereitungsdienst legte sie die Zweite Staatsprüfung im September 2008 ab. Seit November 2008 ist die Klägerin im niedersächsischen Schuldienst als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis tätig.

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Den Antrag der Klägerin vom September 2009 auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin habe die in Niedersachsen geltende Höchstaltersgrenze überschritten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt in das Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch in Bezug auf die Hilfsanträge abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Der Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt in das Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen, sei bereits mangels Spruchreife unbegründet. Der Dienstherr habe die gesundheitliche Eignung der Klägerin zunächst in eigener Verantwortung zu ermitteln. Auch die Hilfsanträge auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Einstellungsbegehrens sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids seien unbegründet. Die Klägerin habe die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze überschritten. Auf die Erhöhung der Höchstaltersgrenze bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe nicht wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren von einer Bewerbung um Einstellung in einen Vorbereitungsdienst vor Vollendung des 40. Lebensjahres abgesehen. Kinderbetreuungszeiten könnten auch vor dem Entschluss eines Bewerbers liegen, die Lehrerlaufbahn einzuschlagen. Bei der Klägerin habe aber nicht der Umstand der Betreuung ihrer Kinder, sondern der späte Entschluss, den Lehrerberuf zu ergreifen, zur Überschreitung der Höchstaltersgrenze geführt. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin, seit April 1994 den Lehrerberuf ernsthaft angestrebt zu haben, spreche der objektive Umstand, dass sie ihren Arbeitsvertrag als Medizinisch-Technische Assistentin mit einer Einrichtung in Hannover nach ihrem Wegzug aus Hannover Ende des Jahres 1993 nicht beendet habe. Darüber hinaus sei die Kausalität zwischen der Kinderbetreuung und der späten Bewerbung der Klägerin um Einstellung in den Vorbereitungsdienst auch deshalb ausgeschlossen, weil für die Klägerin im Oktober 1997 keine realistische Möglichkeit zur Aufnahme des Studiums bestanden habe. Denn selbst wenn sie im Oktober 1997 für die Betreuung ihres ersten Kindes einen Vormittagsbetreuungsplatz erhalten hätte, wäre ihr der Beginn des Studiums wegen ihrer erneuten Schwangerschaft nicht möglich gewesen.

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2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>).

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Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob

"§ 16 Abs. 1 Satz 3 NLVO im Falle des Entschlusses, ein Lehramtsstudium zu beginnen und die Lehrerlaufbahn einzuschlagen, so auszulegen ist, das dann, wenn dieser Entschluss anlässlich oder kurz nach der Geburt eines Kindes gefasst worden ist, Anknüpfungspunkt für den hypothetischen Kausalverlauf nicht der Zeitpunkt der Entschlussfassung selbst ist, sondern erst derjenige Zeitpunkt, zu dem erstmals die Realisierung dieses Entschlusses ins Auge gefasst war und auch möglich erschien, bspw. weil für die zu betreuenden Kinder im Grundsatz eine Fremdbetreuung im Kindergarten in Betracht gekommen wäre",

vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die entscheidungserhebliche Annahme, die Betreuung oder Pflege eines Kindes unter 18 Jahren sei für die verspätete Bewerbung der Klägerin um Einstellung in den Vorbereitungsdienst nicht kausal gewesen, auf zwei selbstständig tragende Gründe gestützt. Das Oberverwaltungsgericht hat in Bezug auf die erforderliche Kausalität in erster Linie festgestellt, die Klägerin habe im Jahr 1994 nicht den ernsthaften Entschluss zum Lehramtsstudium gefasst. Daran habe sich bis zum tatsächlichen Beginn des Studiums im Oktober 2002 nichts geändert. Die weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt für den hypothetischen Kausalverlauf, d.h. zur Einschätzung der Klägerin, ihre Studienaufnahme sei im Hinblick auf die Kinderbetreuung erst im Oktober 2002 zu realisieren gewesen, tragen die Annahme des Berufungsgerichts zur fehlenden Kausalität selbstständig.

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Ist eine Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11, vom 20. August 1993 - 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier, weil im Hinblick auf die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen bereits im Jahr 1994 gefassten Entschluss zum Lehramtsstudium und dessen durchgehendes Fortbestehen bis zur Studienaufnahme im Oktober 2002 nicht glaubhaft gemacht, kein Zulassungsgrund besteht.

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3. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht leidet nicht an den in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensmängeln.

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a) Einen Verfahrensmangel sieht die Beschwerde zunächst darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich bereits Anfang 1994 für das Lehramtsstudium entschieden, im Hinblick darauf als nicht glaubhaft bewertet habe, dass sie ihr ruhendes Arbeitsverhältnis mit einer medizinischen Einrichtung in Hannover auch nach dem Ende der dreijährigen Elternzeit nach der Geburt ihres ersten Kindes aufrechterhalten habe. Dies stelle einen Verstoß gegen die Denkgesetze und damit zugleich eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Dies kann dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden.

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Ein Verstoß gegen Denkgesetze ist nicht bereits bei einer von der inhaltlichen Position eines Beteiligten abweichenden Wertung eines Sachverhalts gegeben, sondern liegt erst dann vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260>). Der Schluss des Oberverwaltungsgerichts, die Aufrechterhaltung des bestehenden Arbeitsverhältnisses stehe der Annahme der beruflichen Neuorientierung und der Hinwendung zum Lehrerberuf entgegen, ist aber nicht aus Gründen der Logik ausgeschlossen. Der Sache nach setzt die Klägerin lediglich der Würdigung der Umstände durch das Berufungsgericht ihre eigene Beweis- und Sachverhaltswürdigung entgegen, indem sie aus den konkreten Umständen für sich günstigere Schlussfolgerungen zieht.

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b) Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) sowie gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung in der Berufungsverhandlung unberücksichtigt gelassen habe, sie habe sich bereits 1994 nach der Geburt ihres ersten Kindes bei der Universität Bremen nach den Bedingungen des Lehramtsstudiums erkundigt. Auch diese Verfahrensrüge ist unbegründet.

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Der Anspruch eines Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <367 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.> und Kammerbeschluss vom 28. August 2014 - 2 BvR 2639/09 - NVwZ 2015, 52 Rn. 47). § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet das Gericht, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrundezulegen. Für die innere Überzeugung des Gerichts fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, wenn es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.>). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei seiner Schlussfolgerung, die Klägerin habe den Lehrerberuf nicht bereits 1994 ernsthaft angestrebt, nicht verletzt.

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Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil auf den Inhalt der Aussagen der Klägerin über den Zeitpunkt und die näheren Umstände ihres Entschlusses zur Aufnahme des Lehramtsstudiums sowie zu den Ursachen der Verzögerung des Studienbeginns im Rahmen ihrer Parteivernehmung Bezug genommen (UA S. 11). Das Vorbringen der Klägerin zu ihren Nachfragen bei der Universität Bremen zu den Studienbedingungen hat es in den Entscheidungsgründen ausdrücklich wiedergegeben (UA S. 24). Daraus folgt, dass das Gericht diese Angaben der Klägerin bei der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls tatsächlich berücksichtigt hat. Dass das Gericht dem objektiven Umstand der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber in Hannover maßgebliches Gewicht beigemessen hat, verletzt weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn diese Bestimmungen gewähren dem Prozessbeteiligten keinen Schutz davor, dass das Gericht die Umstände des Falles anders als der Beteiligte würdigt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG a.F.

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