Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (7. Senat) - 7 B 16/15

Gründe

I

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Die Klägerin, die eine Anlage zur Herstellung von bituminösem Asphaltmischgut betreibt, wendet sich gegen die Nebenbestimmung Nr. 3.2.4.3 zu der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Landratsamtes Rosenheim vom 10. Juni 2013 zur wesentlichen Änderung dieser Anlage. Mit der Nebenbestimmung gab das Landratsamt der Klägerin kontinuierliche Messungen von organischen Stoffen (angegeben als Gesamtkohlenstoff) auf. Hierzu konkretisierte es unter Nr. 3.2.4.3.1, dass die Massenkonzentration der Emissionen im gereinigten Abgas der Feuerung der Trockentrommel sowie der Paralleltrommel kontinuierlich zu ermitteln, zu registrieren und auszuwerten sei. Des Weiteren seien die zur Auswertung und Beurteilung der kontinuierlichen Messungen erforderlichen Betriebsparameter (Bezugsgrößen) jeweils einschließlich relevanter Statussignale für Abgastemperatur, Feuchtegehalt, Druck und Volumengehalt an Sauerstoff im Abgas zu ermitteln und zu registrieren. Auch wurde der Klägerin unter Nr. 3.2.4.3.2 aufgegeben, über die Auswertung der kontinuierlichen Messungen jährlich einen Emissionsjahresbericht zu erstellen. Des Weiteren verfügte das Landratsamt mit zahlreichen Einzelregelungen die Modalitäten des Einsatzes der Messeinrichtungen und die Durchführung der kontinuierlichen Messungen sowie ihrer Auswertung.

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Die gegen die Nebenbestimmung Nr. 3.2.4.3 erhobene Anfechtungsklage, der das Verwaltungsgericht stattgegeben hat, ist vor dem Berufungsgericht ohne Erfolg geblieben. Die angeordnete kontinuierliche Messung habe ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG. Das dort verwendete Merkmal "erhebliche Emissionsmassenströme luftverunreinigender Stoffe" verweise auf die Terminologie der TA Luft. Die Asphaltmischanlage der Klägerin überschreite mit ihrem Massenstrom organischer Stoffe die in der TA Luft für eine kontinuierliche Überwachung festgelegte Massenstromschwelle. Die Anordnung der kontinuierlichen Gesamtkohlenstoffmessung sei nicht unverhältnismäßig.

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Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

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Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Keine der aufgeworfenen Fragen war in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich.

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1. Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam:

Sind die Anforderungen des Standes der Technik im Sinne des § 3 Abs. 6 BImSchG auch bei den Anordnungen nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG einzuhalten?

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Der Verwaltungsgerichtshof hat das Merkmal des Standes der Technik bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme berücksichtigt und ausgeführt, eine technisch verfehlte Maßnahme wäre als ungeeignetes Mittel anzusehen, ihre Anordnung deshalb rechtswidrig. Im Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof die kontinuierliche Gesamtkohlenstoffmessung in technischer Hinsicht als dem Stand der Technik entsprechend beurteilt.

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Einleitend führt der Verwaltungsgerichtshof zwar aus, dass eine Orientierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung am Stand der Technik in Fällen der vorliegenden Art geboten und sinnvoll sei, ohne dass die Anforderungen voll mit denen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 6 BImSchG übereinzustimmen bräuchten. Im nachfolgenden Satz unter Rn. 25 (a.E.) stellt der Verwaltungsgerichtshof aber fest, dass vorliegend diesbezüglich keine Bedenken bestünden. Dass die angeordnete kontinuierliche Messung mittels eines Flammenionisationsdetektors als Methode bislang in Deutschland bei einer Asphaltmischanlage nicht durchgeführt worden sei, habe nicht zur Folge, dass die Messung nicht dem Stand der Technik genüge (UA Rn. 26). Verfahren, deren praktische Eignung aufgrund anderer Umstände soweit gesichert sei, dass ihre Anwendung ohne unzumutbares Risiko möglich erscheine, entsprächen dem Stand der Technik (UA Rn. 28). Unter Rn. 30 heißt es mit eingehender Begründung, die angeordnete kontinuierliche Messung verfehle die Anforderungen des Stands der Technik nicht. Die tatsächlichen Feststellungen, die der Bejahung der praktischen Eignung zugrunde liegen, sind nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen worden; sie binden den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die generelle wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit der angeordneten kontinuierlichen Messungen hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bejaht (UA Rn. 35).

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2. Auch die zweite für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,

ob der Behörde im Rahmen der Feststellung, ob eine technische Einrichtung dem Stand der Technik im Sinne des § 3 Abs. 6 BImSchG entspricht, für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen der Einrichtung ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, falls sich Aufwand und Nutzen mangels tatsächlicher Erfahrungen im Betrieb noch nicht hinreichend sicher bestimmen lassen,

führt nicht zur Zulassung der Revision.

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Obgleich der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertritt, dass die Behörde eine prognostische Entscheidung zu treffen habe, ob der Nutzen der geforderten kontinuierlichen Messung so sein werde, dass der damit verbundene Aufwand dem betroffenen Unternehmer zugemutet werden könne (UA Rn. 29), führt er im Weiteren aus, dass er unabhängig von dieser rechtlichen Beurteilung die von der Immissionsschutzbehörde getroffene Entscheidung inhaltlich für richtig halte. Damit beruht das Berufungsurteil nicht auf der Anerkennung eines behördlichen Beurteilungsspielraums.

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3. Die Frage,

ob bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen einer Maßnahme im Sinne des § 3 Abs. 6 BImSchG in Verbindung mit der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG auf das Verhalten des betroffenen Unternehmens im Einzelfall abgestellt werden darf,

führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Zulassungsbegründung geht an der Sache vorbei. Soweit die Klägerin geltend macht, dass es sich bei dem Stand der Technik um einen generellen Maßstab für die gebotene Vorsorge handle, für den die Besonderheiten des Einzelfalls keine Rolle spielten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 - juris Rn. 18), lässt sie außer Acht, dass der Verwaltungsgerichtshof die generelle Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen kontinuierlicher Messungen, die auch für den Stand der Technik erforderlich ist, bejaht hat (UA Rn. 35). Auf das Verhalten des betroffenen Unternehmers im Einzelfall hat er insoweit nicht abgestellt. Den Umstand, dass die Klägerin das mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2014 unterbreitete Angebot der Beklagten (GA Bd. III, Bl. 205) abgelehnt hat, in ihrem Betrieb kontinuierliche Messungen im Rahmen eines Pilotprojekts auf Kosten der Beklagten zu erproben, hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich zusätzlich ("auch") im Rahmen der Prüfung der individuellen Verhältnismäßigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG berücksichtigt. Eine solche Prüfung wird durch die Sollens-Verpflichtung nicht ausgeschlossen. Sie bedeutet zwar, dass im Regelfall eine Anordnung ergehen muss; in atypischen Fällen ist indes ein Abweichen zulässig und gegebenenfalls geboten (vgl. Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 29 Rn. 6). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit darf zwischen dem Mehraufwand für die laufenden Ermittlungen und dem Vorteil der höheren Aussagekraft dieser Ermittlungen kein Missverhältnis bestehen (vgl. Hansmann/Pabst, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand Januar 2015, § 29 BImSchG Rn. 10).

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4. Schließlich führt die Frage,

ob die Anwendbarkeit des § 12 BImSchG durch einen Anwendungsvorrang des § 29 BImSchG als speziellerer Regelung ausgeschlossen wird, wenn die Durchführung kontinuierlicher Messungen bei der Genehmigungserteilung vorgeschrieben worden ist, um die Einhaltung von in der Genehmigung festgelegten Emissionsbegrenzungen nachzuweisen,

nicht zur Zulassung der Revision. Die Klägerin hält diese Frage für klärungsbedürftig, weil der Verwaltungsgerichtshof nach seiner Rechtsauffassung im Rahmen von § 12 BImSchG hätte prüfen müssen, ob die angeordnete kontinuierliche Emissionsmessung dem Stand der Technik entspricht. Damit übersieht sie, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, wie bereits ausgeführt, den Stand der Technik, auf den § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bei der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen ausdrücklich abhebt, umfassend geprüft hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

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