Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 37/15

Gründe

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1. Der 1959 geborene Beklagte steht als Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15 BBesO) im Dienst der Beklagten und war zuletzt als Referent in der Haushaltsabteilung eines Ministeriums verwendet worden. Durch rechtskräftiges Strafurteil verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Betrugs in vier Fällen und versuchten Betrugs in zwei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil hat der Beklagte u.a. wahrheitswidrige Reisekostenanträge eingereicht und das Enddatum einer Dienstreisegenehmigung gefälscht.

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Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, die hiergegen gerichtete Berufung blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat dabei durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens Beweis über die Frage erhoben, ob der Beklagte zum Tatzeitpunkt in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt war.

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2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der angegriffenen Entscheidung liegen nicht vor.

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a) Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrags auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Entgegen der mit der Beschwerde vorgetragenen Auffassung war das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. B. vom 24. Oktober 2014 nicht deshalb unverwertbar, weil bei seiner Erstellung eine weitere Person mitgewirkt hat.

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Nach § 3 BDG, § 98 VwGO, § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf eine andere Person zu übertragen. Er darf zur Erledigung seines Gutachtenauftrags aber weitere Personen hinzuziehen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er gemäß § 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Wenn sich aus der Eigenart des Gutachtenauftrags nicht ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird oder es auf seinen persönlichen Eindruck während der gesamten Untersuchung ankommt, kann der Sachverständige einzelne Untersuchungen daher auch durch Hilfskräfte durchführen lassen. Ihre Grenze findet diese Mitwirkung anderer Personen darin, dass die volle persönliche Verantwortung des vom Gericht ausgewählten Sachverständigen gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 1984 - 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70 <75 f.>; Beschluss vom 25. Juli 1994 - 8 B 56.94 - juris Rn. 3 sowie zuletzt etwa BSG, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - B 9 SB 53/14 B - juris Rn. 6 m.w.N.).

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Diesen Vorgaben genügt die von dem Sachverständigen in seinem Gutachten (S. 2, Fn. 2) offen gelegte Befunderhebung für eine testpsychologische Untersuchung durch die Diplom-Psychologin L. Der Sachverständige hat die Ergebnisse dieser Untersuchung eigenständig nachvollzogen und unter Berücksichtigung weiterer Vorbegutachtungen ausgewertet. Er hat ausweislich des Gutachtens vier weitere Explorationsgespräche selbst durchgeführt und sich damit auch einen persönlichen Eindruck verschafft. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Gesamtbeurteilung nicht vom Sachverständigen selbst verantwortet und erstellt worden wäre.

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Warum auch diese testpsychologische Untersuchung durch den Sachverständigen selbst hätte durchgeführt werden müssen, legt die Beschwerde nicht dar. Der Hinweis auf die Bedeutung von Mimik und Gestik des Probanden betrifft allenfalls die Frage der zutreffenden Ergebnisgewinnung; er ist aber nicht geeignet, einen Hinweis für das Erfordernis einer persönlichen Anwesenheit des Sachverständigen selbst zu liefern.

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Soweit die Beschwerde schließlich die fehlende ärztliche Sachkunde der eingesetzten Hilfsperson rügt, verkennt sie, dass die Sachkunde durch den Sachverständigen selbst vermittelt wird. Im Übrigen hat der Sachverständige ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht die spezifische Sachkunde der hinzugezogenen Hilfsperson und die Gründe für deren Beauftragung nachvollziehbar dargestellt. Substantiierte Einwände hiergegen zeigt die Beschwerde nicht auf.

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b) Das Oberverwaltungsgericht hat mit dem Unterlassen weiterer Ermittlungen zu einem möglichen Mitverschulden des Dienstherrn auch nicht gegen die ihm von Amts wegen obliegende Aufklärungspflicht (§ 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG) verstoßen.

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Dies folgt zunächst schon daraus, dass ein entsprechender Beweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich der Niederschrift (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2, § 165 ZPO) nicht gestellt worden ist. Welche Tatsachen warum und durch welche Beweismittel weiter hätten aufgeklärt werden sollen, legt auch die Beschwerde nicht dar.

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Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung auf einem etwaigen Unterlassen beruhen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 VwGO). Denn "ein gewisses Maß an Mitverschulden durch seine Vorgesetzten" hat das Oberverwaltungsgericht in seine Bemessungserwägungen eingestellt (UA S. 41).

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3. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

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Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.). Diese Anforderungen liegen hinsichtlich der von der Beschwerde zitierten Passage im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - (ZBR 2015, 34 Rn. 49) schon deshalb nicht vor, weil diese Aussagen keinen tragenden Rechtssatz enthalten, sondern nur Hinweise zum weiteren Verfahren. Die thematisierte "Doppelverwertung" betraf dort im Übrigen unterschiedliche Rechtsfolgen ein und derselben Tat. Einen hierzu widersprüchlichen Rechtssatz enthält das angefochtene Urteil weder abstrakt noch "zwischen den Zeilen".

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Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die Schwere des Dienstvergehens ist dabei bereits durch die ausdrückliche Anordnung in § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG zum richtungsweisenden Bemessungskriterium bestimmt. Zur Ausfüllung des abstrakt für bestimmte Deliktsgruppen angenommenen Orientierungsrahmens ist deshalb der Schweregrad des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens in den Blick zu nehmen. Dies macht eine Betrachtung der von der Beschwerde gerügten Gesichtspunkte wie Anzahl und Art der Pflichtverletzungen zwingend erforderlich (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - IÖD 2015, 245 S. 250 f. = juris Rn. 35 ff.). Entsprechendes gilt für die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Umstände der Dauer der Pflichtverstöße sowie deren Fortführung trotz eingeleiteten Disziplinarverfahrens (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 46).

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Ob eine den Orientierungsrahmen verlassende Disziplinarmaßnahme mit Gesichtspunkten begründet werden kann, die den Unrechtsgehalt der Straftat kennzeichnen und damit bereits abstrakt bei der Bestimmung des Orientierungsrahmens berücksichtigt worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 2 B 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dem Kläger war neben den als schwerste Verfehlung herangezogenen Betrugshandlungen auch eine Urkundenfälschung zur Last gelegt worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 21).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

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Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 10 und 62 des als Anlage zu diesem Gesetz erlassenen Gebührenverzeichnisses).

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