Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 C 14/14

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Bewilligung von Umzugskostenvergütung in Form der Beförderungsauslagen.

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Der im Januar 1953 geborene Kläger war Berufssoldat der Bundeswehr. Er trat vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze für Berufssoldaten seines Dienstgrades als Oberstleutnant mit Ablauf des 31. Januar 2012 in den Ruhestand. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er in K. Ende Dezember 2011 beantragte der Kläger die Bewilligung von Umzugskostenvergütung nach § 62 Abs. 3 SVG für seinen vom 27. Februar bis 1. März 2012 geplanten Umzug nach W. Zur Begründung führte er aus, er wolle als Rechtsanwalt auf freier Mitarbeiterbasis in einer dort ansässigen Rechtsanwaltskanzlei tätig werden. Das mit der Durchführung des Umzugs beauftragte Unternehmen veranschlagte hierfür 7 613,54 €.

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Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Erstattung der notwendigen Auslagen für das Befördern des Umzugsgutes von der bisherigen zur neuen Wohnung nach § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG nur zulässig sei, wenn der Umzug an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich sei. Daran fehle es hier. Der Kläger könne die angestrebte Tätigkeit als Rechtsanwalt auch an seinem bisherigen Wohnort in K. ausüben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage stattgeben.

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Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erforderlichkeit des Umzugs im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG sei zu verneinen, wenn die Begründung des neuen Berufs auch am bisherigen Wohnort des Berufssoldaten möglich und ihm zumutbar gewesen wäre. Das ergebe sich bereits aus dem Begriff der Erforderlichkeit und dem Regelungszusammenhang des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG. Zudem konkretisiere die Vorschrift die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und setze eine durch sonstige Regelungen - insbesondere Alimentationsregelungen - nicht abgedeckte Fürsorgebedürftigkeit des betreffenden Berufssoldaten voraus. Eine solche sei im Hinblick auf die Begründung eines neuen Berufs objektiv grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Beruf auch am bisherigen Wohnort begründet und ausgeübt werden könne. Das entspreche auch dem insoweit zu beachtenden haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Gemessen daran sei die Bewilligung von Umzugskostenvergütung im Falle des Klägers unzulässig. Der Kläger habe seinen neuen Beruf als Rechtsanwalt auch in K. begründen und ausüben können. Durchgreifende Hinderungsgründe seien von ihm insoweit nicht geltend gemacht worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Keinesfalls ausreichend sei insoweit der nicht weiter substantiierte Hinweis auf die in K. bestehende größere Anwaltsdichte.

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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 62 Abs. 3 SVG. Zudem macht er geltend, die angefochtene Entscheidung sei nicht verfahrensfehlerfrei ergangen.

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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend angenommen hat, die Erforderlichkeit des Umzugs im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 des Soldatenversorgungsgesetzes vom 16. September 2009 (BGBl. I S. 3054) - SVG - könne nicht bejaht werden, wenn es möglich und zumutbar sei, den neuen Beruf auch am bisherigen Wohnort zu begründen. Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Damit bedarf es keiner Entscheidung über die von der Revision vorgebrachten Verfahrensrügen.

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Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung von Umzugskostenvergütung in Form der Beförderungsauslagen findet sich in § 30 Abs. 1 Satz 1 des Soldatengesetzes vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), für den hier maßgeblichen Zeitraum geändert durch Art. 10 Nr. 14 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) - SG - i.V.m. § 62 Abs. 3 SVG und § 6 Abs. 1 Satz 1 des Bundesumzugskostengesetzes vom 11. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2682), für den maßgeblichen Zeitraum geändert durch Art. 5 Abs. 11 Nr. 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396) - BUKG -. Danach kann einem Berufssoldaten, der vor Erreichen der nach § 45 Abs. 1 SG geltenden allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, auf Antrag einmalig die Erstattung der notwendigen Auslagen für das Befördern des Umzugsgutes von der bisherigen zur neuen Wohnung bewilligt werden. Die Bewilligung ist nur zulässig, wenn der Umzug an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich gewesen, aus besonderen Gründen innerhalb eines Jahres vor Beendigung des Dienstverhältnisses oder innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt in den Ruhestand durchgeführt und Umzugskostenvergütung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BUKG noch nicht gewährt worden ist. Nach § 62 Abs. 6 Satz 1 SVG ist die Bewilligung der Leistungen nach § 62 Abs. 3 SVG vor der Durchführung des Umzugs bei der zuständigen Stelle zu beantragen.

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Das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen steht mit Ausnahme der Frage, ob der Umzug zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich gewesen ist, zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit. Beruf im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG ist jede nach dem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand ausgeübte Tätigkeit, die die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Berufsbegriffs im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG erfüllt (1.). Die Erforderlichkeit des Umzugs setzt - entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts - lediglich im Sinne eines kausalen Zusammenhangs voraus, dass die Begründung eines neuen Berufs die maßgebliche Ursache für den Umzug ist (2.).

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1. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, ein Beruf im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG liege nur bei einer Tätigkeit vor, die den ehemaligen Berufssoldaten überwiegend, d.h. mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, in Anspruch nehme.

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Der Berufsbegriff im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG entspricht dem verfassungsrechtlichen Berufsbegriff im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Danach ist unter Beruf jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397> und vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <300>). Die Tätigkeit ist nicht auf Dauer angelegt, wenn sie sich in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91 - BVerfGE 97, 228 <253>). Die für die Ausfüllung des Begriffs geforderte Eignung der Tätigkeit, als Grundlage der Lebensführung zu dienen, ist nicht ausschließlich unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Existenzsicherung zu verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1989 - 6 C 52.87 - BVerwGE 84, 194 <197> m.w.N.). Es genügt, dass sich die Tätigkeit als wirtschaftlich sinnvoll erweist (vgl. BVerfG, Urteile vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397>; vom 21. Februar 1962 - 1 BvR 198/57 - BVerfGE 14, 19 <22> und Beschluss vom 28. November 1984 - 1 BvL 13/81 - BVerfGE 68, 272 <281>), sodass auch Zweitberufe und Nebentätigkeiten, die lediglich zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage beitragen, den verfassungsrechtlichen Berufsbegriff erfüllen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141 <156 f.> m.w.N.). Für die Zugrundelegung dieses weiten Begriffsverständnisses im Rahmen des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG spricht vor allem eine systematische Auslegung. Weil das Soldatenversorgungsgesetz keine eigene Definition des Begriffs des Berufs vorsieht, ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber an einem vorgegebenen Verständnis, nämlich dem des Begriffs des Berufs im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG, orientiert und dieses übernommen hat. Danach ist auch hier das weite Verständnis des Berufsbegriffs zugrundezulegen, wie es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet worden ist. Zwar erschiene die Annahme eines abweichenden, engeren Begriffsverständnisses dann gerechtfertigt, wenn der gesetzliche Tatbestand insbesondere nach dem Zweck des Gesetzes ein solches nahelegte. Das ist in Bezug auf § 62 Abs. 3 SVG jedoch nicht der Fall.

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Die der Wehrverwaltung danach eingeräumte Befugnis, auf Grund einer Ermessensentscheidung Leistungen nach dem Bundesumzugskostengesetz zu bewilligen, knüpft an die (nachwirkende) Fürsorgepflicht des Dienstherrn und an das Gebot der Billigkeit an. Ihren objektiven Rechtfertigungsgrund findet sie in dem Umstand, dass regelmäßige Versetzungen zum typischen Berufsbild eines Berufssoldaten gehören. Davon ausgehend knüpft die Umzugskostenvergütungsregelung des § 62 Abs. 3 SVG an die durch die vorausgegangene Dienstleistung bedingte Verlegung des Wohnsitzes an. Allein mit Rücksicht darauf sind die Kosten, die durch einen Umzug nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr verursacht werden, als dienstlich veranlasst anzusehen. Die Bewilligung von Umzugskostenvergütung soll die erfahrungsgemäß noch in einen zivilen Beruf übertretenden ehemaligen Berufssoldaten (vgl. BT-Drs. VI/1681 S. 12) von den finanziellen Nachteilen bzw. Belastungen freistellen, die darauf zurückzuführen sind, dass sie durch die vorausgegangene Dienstleistung an einen Ort gelangt sind, an dem sie nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht bleiben wollen, weil sie an einem anderen Ort einen neuen Beruf ergreifen möchten. Ihnen soll die Begründung eines neuen Berufs mit dem Ziel erleichtert werden, nach dem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand noch einer für sie sinngebenden beruflichen Tätigkeit nachzugehen und zudem ihre Einkünfte im Allgemeinen jenseits der wirtschaftlichen Existenzsicherung aufzustocken. Die Möglichkeit, Umzugskostenvergütung zu bewilligen, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Lebensunterhalt maßgebend mit den Einkünften aus dem neuen Beruf finanziert werden muss. Denn, jedenfalls nachdem die Höchstaltersgrenze in § 62 Abs. 3 SVG durch Art. 1 Nr. 15 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 10. August 1971 (BGBl. I S. 1273) auf die allgemeine Altersgrenze angehoben wurde, können grundsätzlich auch Berufssoldaten Umzugskostenvergütung erhalten, die mit bzw. nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze im Sinne des § 45 Abs. 2 SG in den Ruhestand treten und zur Aufrechterhaltung eines dienstgradangemessenen Lebensstandards in der Regel keiner weiteren Einkünfte bedürfen, weil sie - wie die Beklagte selbst vorträgt - eine bezogen auf den jeweiligen Dienstgrad auskömmliche Versorgung erhalten. Zur Erreichung des dargelegten Gesetzeszwecks ist es nicht erforderlich, den Begriff des Berufs dahin zu fassen, dass die Tätigkeit den ehemaligen Berufssoldaten überwiegend in Anspruch nehmen muss. Als Beruf im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG ist vielmehr auch eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zu sehen, die nach dem Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme als Nebenbeschäftigung zu werten ist und mit der Einkünfte in einer nicht gänzlich zu vernachlässigenden Größenordnung erzielt werden.

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2. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Umzug sei nicht erforderlich im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG, wenn die Begründung des neuen Berufs auch am bisherigen Wohnort des ehemaligen Berufssoldaten möglich und ihm zumutbar gewesen sei.

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Die Erforderlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG setzt lediglich voraus, dass die Begründung eines neuen Berufs die maßgebliche Ursache für den Umzug ist. Dementsprechend ist für die Erforderlichkeit unerlässlich, aber auch ausreichend, dass der Umzug einen berufsbezogenen Charakter aufweist. Der geforderte Ursachenzusammenhang und damit die Erforderlichkeit sind zu verneinen, wenn der Umzug erkennbar auf eine andere nicht berufsbezogene Motivation zurückgeht oder die berufsbezogene Motivation objektiv in den Hintergrund tritt. Ein Indiz hierfür kann beispielsweise der Umfang der zeitlichen Beanspruchung durch die berufliche Tätigkeit und/oder deren finanzieller Ertrag sein. Sind die zeitliche Inanspruchnahme durch die berufliche Tätigkeit oder deren Ertrag so geringfügig, dass diese zwar noch die Voraussetzungen des Berufsbegriffs erfüllt, aber aus objektiver Sicht keinen vernünftigen Anlass bietet, zu ihrer Aufnahme an einen bestimmten Ort zu ziehen, lässt dies darauf schließen, dass der Umzug nicht maßgeblich beruflich motiviert, sondern auf andere Umstände zurückzuführen ist. Der Wortlaut der Vorschrift lässt diese Auslegung zu (aa). Ein derartiges Normverständnis wird insbesondere durch systematische (bb) und teleologische (cc) Erwägungen getragen. Eine verfassungskonforme Auslegung des Merkmals der Erforderlichkeit am Maßstab des Grundrechts der Berufsfreiheit ist nicht veranlasst (dd).

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aa) Aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG lässt sich eine Begrenzung dahin, dass die Erforderlichkeit des Umzugs nicht bejaht werden kann, wenn der neue Beruf auch in zumutbarer Weise am bisherigen Wohnort ausgeübt werden kann, nicht entnehmen. Der Wortlaut steht auch für eine Auslegung dahin offen, dass der Umzug bereits erforderlich ist, wenn er die dargelegte Berufsbezogenheit aufweist. Die grammatikalische Auslegung des Gesetzeswortlauts erweist sich daher im Ergebnis als indifferent.

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bb) Auch aus der Gesetzessystematik und dem Zweck der Vorschrift ergibt sich nicht, dass der Begriff der Erforderlichkeit den ihm vom Oberverwaltungsgericht beigemessenen Inhalt hat. Insbesondere die Binnensystematik des § 62 Abs. 3 SVG legt nahe, dass dem Begriff der Erforderlichkeit des Umzugs ein weites Begriffsverständnis im Sinne eines Kausalzusammenhangs zwischen Berufsbegründung und Umzug zu Grunde liegt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine sogenannte Kopplungsvorschrift. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf der Tatbestandsseite den unbestimmten, aber gerichtlich voll überprüfbaren Begriff der Erforderlichkeit enthält. Ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, muss sich daran noch eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde anschließen, die nach Maßgabe des § 114 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die konkrete Ermessensausübung ist am Zweck der Vorschrift auszurichten und kann gegebenenfalls zu Leistungseinschränkungen oder zum Leistungsausschluss führen. Die Ermessensentscheidung, bei einem im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG erforderlichen Umzug keine Umzugskostenvergütung zu bewilligen, kann insbesondere auf Besonderheiten des Einzelfalles sowie wesentliche Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Haushaltsführung gemessen an dem Zweck der Vorschrift, die Begründung eines neuen Berufs zu ermöglichen, gestützt werden. Auch der angestrebte Umfang der neuen Tätigkeit kann insoweit als ermessensrelevantes Kriterium zu berücksichtigen sein.

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Mit Rücksicht auf die Struktur der Vorschrift ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber noch Raum für eine Ermessensausübung lassen und das Merkmal der Erforderlichkeit nicht so eng verstanden wissen wollte, dass für die Ausübung des Ermessens im Ergebnis kaum noch ein Anwendungsbereich bleibt. Das wäre aber der Fall, wenn die Erforderlichkeit - wie von der Beklagten und dem Oberverwaltungsgericht vertreten - voraussetzen würde, dass es dem ehemaligen Berufssoldaten nicht möglich oder zumutbar sein darf, die neue berufliche Tätigkeit am bisherigen Wohnort aufzunehmen. Insbesondere in größeren Städten und deren Einzugsgebiet wird es wenige Berufe geben, die ihrer Art oder dem Stellenangebot nach dort nicht begründet und ausgeübt werden können.

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Der systematische Vergleich mit § 62 Abs. 2 SVG unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung durch Gesetzesänderungen weist tendenziell ebenfalls in die Richtung, dass für die Erforderlichkeit ein kausaler Zusammenhang zwischen der Begründung eines neuen Berufs und dem Umzug genügt. Nach dieser Vorschrift können ehemalige Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die nach den im Einzelnen aufgeführten Vorschriften einen Anspruch auf Berufsförderung nach dem Soldatenversorgungsgesetz haben, einmalig die im Gesetz festgelegten Leistungen nach dem Bundesumzugskostengesetz erhalten. Die Vorschrift sah in ihrer ursprünglichen Fassung vom 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 785) die Bewilligung von Umzugskostenvergütung nur vor, "wenn zur Ausübung des späteren Berufs ein Umzug erforderlich ist". Das entsprach dem erklärten Zweck der Regelung, den betreffenden Personenkreis nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr in die Lage zu versetzen, dorthin umzuziehen, wo er die durch die Berufsförderung erworbenen Kenntnisse nutzbar machen kann (vgl. BT-Drs. 2/2504 S. 41). Dies deutet daraufhin, dass der Vorschrift ein weites Begriffsverständnis zu Grunde lag mit der Folge, dass die Berufsbezogenheit für die Erforderlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 2 SVG zwar unerlässlich, aber auch ausreichend war. Entsprechendes galt auch für § 62 Abs. 3 SVG in seiner ursprünglichen Fassung. Denn diese Vorschrift enthielt hinsichtlich der Erforderlichkeit abgesehen von dem Bezugsobjekt (statt "zur Ausübung des späteren Berufs" heißt es dort "zur Begründung eines neuen Berufs") eine im Übrigen wortgleiche Formulierung. Anhaltspunkte dafür, dass für die Erforderlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 3 SVG in seiner ursprünglichen Fassung ein anderer, insbesondere strengerer Maßstab hat gelten sollen als für die Erforderlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 2 SVG, waren weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die von einer "gleichartigen Einschränkung" in § 62 Abs. 2 und 3 SVG ausgegangen ist (vgl. Urteil vom 24. Juli 1984 - 6 C 73.81 - Buchholz 238.41 § 62 SVG Nr. 4 S. 11 <12>). Durch Art. 1 Nr. 15 Buchst. a des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 10. August 1971 wurde die Voraussetzung der Berufsbezogenheit des Umzugs in § 62 Abs. 2 SVG gestrichen, um dem in der Vorschrift bezeichneten Kreis der ehemaligen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit zu ermöglichen, nach dem Eintritt in den Ruhestand bzw. dem Ausscheiden aus der Bundeswehr an den Ort ihrer Wahl umzuziehen (vgl. BT-Drs. VI/1681 S. 12). In dem durch das gleiche Gesetz geänderten § 62 Abs. 3 SVG wurde indessen unverändert daran festgehalten, dass Umzugskostenvergütung nur zu bewilligen ist, "wenn der Umzug [...] zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich gewesen [...] ist". Das hat zur Folge, dass der Anspruch nach § 62 Abs. 3 SVG seither engeren Voraussetzungen als der Anspruch nach § 62 Abs. 2 SVG unterliegen soll. Anhaltspunkte dafür, dass damit eine inhaltliche Verschärfung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit in § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG beabsichtigt war, sind den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.

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cc) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Zweck des § 62 Abs. 3 SVG. Dieser besteht - wie dargelegt - darin, Berufssoldaten, die vor Erreichen der nach § 45 Abs. 1 SG geltenden Altersgrenze in den Ruhestand treten oder wegen Dienstunfähigkeit entlassen werden und erfahrungsgemäß noch in einen zivilen Beruf übertreten, in die Lage zu versetzen, dorthin umzuziehen, wo sie einen neuen Beruf begründen. Zur Verwirklichung dieses Ziels erweist es sich als notwendig, aber auch ausreichend, dass die Begründung des neuen Berufs die maßgebliche Ursache für den Umzug gewesen ist.

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dd) Entgegen der Ansicht des Klägers kann der von der Beklagten und dem Oberverwaltungsgerichts vertretenen engen Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit allerdings nicht entgegengehalten werden, dass damit eine unzulässige Einschränkung der freien Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) verbunden sei. § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG berührt nicht den Schutzbereich des auch im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - IÖD 2015, 182 <184> m.w.N.) geltenden Grundrechts der Berufsfreiheit. Art. 12 Abs. 1 GG ist grundsätzlich nur als subjektives Abwehrrecht ausgestaltet und gewährt keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung bei der Berufsausübung. Insbesondere ist der Staat nicht grundgesetzlich verpflichtet, bestimmte Leistungen zur Verfügung zu stellen, um die Berufsausübung zu fördern (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 6 B 12.15 - juris Rn. 23 m.w.N.).

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3. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat im Fall des Klägers keine abschließende Beurteilung, ob ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht. Denn das Oberverwaltungsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - insbesondere keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, auf welchen Umfang die neue Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt angelegt ist. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

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