Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 6/15

Tatbestand

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Der .. Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Realschulabschluss den Grundwehrdienst und eine Ausbildung zum Automobilkaufmann. ... wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seit ... ist er Berufssoldat. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich ... . Der Soldat wurde im ... zum Hauptfeldwebel befördert. Nach Auskunft des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 4. September 2013 ist eine Beförderung zum Stabsfeldwebel frühestens zum... 2020 möglich.

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Seinen Dienst trat er im ... bei der ... in ... an. Es folgten Versetzungen zu verschiedenen Einheiten von ... in ... sowie ... zur Schule ... in ... und zum ... zur ... in ... . Nach einer Umstrukturierung gehört der Soldat als ...feldwebel seit ... der ... in ... an. Er war mehrfach als ...feldwebel zur Teilnahme an Auslandseinsätzen kommandiert und zwar vom ... bis zum ... nach ... und vom ... bis zum ... sowie vom ... bis zum ... zum Einsatzverband ... nach ... . Zudem hat er im ... acht Wochen im ... an einem Auslandseinsatz der Bundeswehr teilgenommen.

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Die letzte planmäßige Beurteilung vom 11. Mai 2012 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit "6,2".

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Der Soldat sei ein gestandener ...feldwebel und ein vorbildlicher, beispielgebender Ausbilder mit bemerkenswertem persönlichem Engagement. Er habe seine Leistungen seit der letzten Beurteilung zielstrebig gesteigert. Seine funktionale und die soziale Kompetenz seien "stärker ausgeprägt" und "bestimmendes Merkmal", während die geistige Kompetenz und die Kompetenz zur Menschenführung "ausgeprägt", die konzeptionelle Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Der Soldat wurde als pflichtbewusster, uneingeschränkt verlässlicher Unteroffizier beschrieben, der dynamisch und hilfsbereit sein Umfeld motivieren könne. Herausgehoben wurden die persönliche Integrität, die Loyalität und die Einsatzbereitschaft des Soldaten, der sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe. Der Inspektionschef sah ihn für Lehrverwendungen besonders gut geeignet, für Führungsverwendungen gut geeignet und für Stabsverwendung und Verwendungen mit besonderer Außenwirkung geeignet und empfahl eine Folgeverwendung auf der Ebene A 8 Z als ...feldwebel und stellvertretender Zugführer. Der nächsthöhere Vorgesetzte beschrieb den Soldaten ebenfalls als sehr engagierten und leistungsstarken Ausbilder und erkannte ihm die Entwicklungsprognose "Förderung bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn" zu.

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In der Sonderbeurteilung vom 13. April 2015 bewertete der Kompaniechef die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit "6,00". Der Soldat sei auf gleichem Niveau leistungsbereit und durchsetzungsstark. Entwicklungspotenzial bestehe im Bereich zielgerichteter Kommunikation. Hauptfeldwebel ... sei ein intelligenter und erfahrener Portepeeunteroffizier, der sich im Betrachtungszeitraum einen guten Stand erarbeitet habe. Eingesetzt als ... vom Dienst, stellvertretender Dienstgruppenführer und Dienstgruppenführer habe er gute Arbeit geleistet und sei trotz des stetigen Wechsels zwischen den Funktionen jederzeit zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten informiert und aussagefähig gewesen. In der Kompanie habe er einen soliden Stand und das Vertrauen der Soldaten. Als Ausbilder erreiche er stets die Ausbildungsziele. Insgesamt sei er ein selbstbewusster und handlungssicherer Portepeeunteroffizier mit einem soliden Platz in einer sehr starken Vergleichsgruppe. Auch der Kommandeur beschrieb den Soldaten als sehr einsatzbereiten, leistungsfähigen, erfahrenen und loyalen Portepeeunteroffizier, der auf Basis ausgeprägter sozialer und funktionaler Kompetenz mit zielgerichteter Arbeitsweise die an ihn gestellten Aufgaben zur vollen Zufriedenheit erfülle. Im Einsatz habe er sich sehr bewährt. Er überzeuge durch sein Persönlichkeitsbild und sein durchgängig solides Leistungs- und Fähigkeitsprofil. Der Kommandeur sehe eine Entwicklungsprognose "bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive".

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In seiner in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Aussage vor dem Truppendienstgericht hat der Kompaniechef Major ... den Soldaten als leistungsstarken Portepeeunteroffizier beschrieben, den er innerhalb der Vergleichsgruppe am Ende des ersten Drittels und am Anfang des zweiten Drittels sehe und mit "6,2" beurteilen würde. Der Soldat sei ehrlich und sage offen, aber auch mit dem nötigen Respekt seine Meinung. Nicht umsonst sei er stellvertretende Vertrauensperson. Den Dienstposten eines Dienstgruppenführers erfülle er gut. Der Soldat müsse noch an seiner Kommunikation arbeiten, bringe einiges nicht diplomatisch rüber. Er habe eingesehen, dass er einen Fehler gemacht habe. Der Soldat habe nicht von seinem Dienstposten genommen werden müssen, jedoch nicht an einem Auslandseinsatz teilnehmen können. Einen Vertrauensverlust habe es nicht gegeben.

7

In der Berufungshauptverhandlung hat der stellvertretende Kompaniechef Oberleutnant ... als Vertreter des erkrankten Disziplinarvorgesetzten ausgeführt, er könne den in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Beurteilungen zustimmen. Er sei dem Soldaten ... an der Schule ... kurz begegnet und habe ihn ... in ... genauer kennengelernt. Der Soldat sei sehr ehrlich und pflege mit dem nötigen Respekt ein offenes Wort. Er sei der Erste, der da sei, wenn Not am Mann sei. Beispielsweise habe er sich sehr kurzfristig bereiterklärt, als Ersatz für einen ausgefallenen Kameraden im letzten Jahr an dem Auslandseinsatz im ... teilzunehmen. Der Soldat habe einen sehr guten Stand in der Kompanie, sei nicht umsonst Vertrauensperson und setzte sich sehr für seine Kameraden ein. Er sei ein sehr guter Ausbilder und habe einen sehr guten Stand in seiner Dienstgruppe. Nach seiner Einschätzung gehöre der Soldat zwar nicht zur Spitzengruppe, jedoch sehe er ihn am unteren Ende des oberen Drittels. Die Leistungen des Soldaten seien unverändert gut und permanent auf einem recht hohen Level. Den Soldaten zeichneten seine Einsatzbereitschaft und Flexibilität aus, Kameraden würden gern Rat bei ihm einholen.

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In der Berufungshauptverhandlung hat Hauptmann ..., von ... bis ... stellvertretender Kompaniechef, erläutert, es handele sich um einen fleißigen Soldaten, der direkt sage, was er denke, aber auch selbstkritisch sei. Er habe als ... hervorragende Arbeit geleistet. Der Soldat habe schon als stellvertretende Vertrauensperson oft wegen der Abwesenheit der originären Vertrauensperson diese Aufgabe wahrnehmen müssen. Er würde die Leistungen des Soldaten mit "6,4" oder "6,5" bewerten, sehe diesen aber nicht in der Spitzengruppe, vielmehr im guten Mittelfeld. Nach der Konfrontation mit den angeschuldigten Vorwürfen sei der Soldat vier oder fünf Monate lang sichtlich demotiviert gewesen. Dann habe er sich aber wieder gefangen, auch weil er in seinen Aufgaben als Vertrauensperson aufgegangen sei. Der Soldat sei bemüht gewesen, sich zu verbessern. Auf die Konfrontation mit dem Vorfall habe der Soldat tief schockiert reagiert. Er sei am Boden zerstört und den Tränen nahe gewesen.

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Der Soldat ist Träger der Schützenschnur in Gold, des Deutschen Sportabzeichens in Gold, des Tätigkeitsabzeichens ... in Gold, von Einsatzmedaillen der Bundeswehr und der NATO für die Teilnahme am ISAF und am KFOR-Einsatz sowie der Einsatzmedaille der Bundeswehr für die Fluthilfe 2002 und 2013.

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Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 22. Dezember 2015 und die Auskunft aus dem Zentralregister vom gleichen Tag enthalten keinen Eintrag. Das sachgleiche Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft ... mit Zustimmung des Amtsgerichts ... nach § 153 Abs.1 StPO eingestellt.

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Der Soldat ist verheiratet und hat drei Kinder. Nach der Auskunft des Bundesverwaltungsamtes vom 4. Januar 2016 erhält er Bezüge in Höhe von 3.683,49 € brutto. In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat darauf hingewiesen, dass diese Auskunft nicht berücksichtige, dass er auch das Kindergeld für seine zwei im Haushalt lebenden ehelichen Kinder erhalte. Hiernach werden ihm tatsächlich etwa 3.250 € ausgezahlt. Ergänzend hat er weiter erläutert, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet seien. Er habe nach wie vor die laufenden Kosten, die er bereits beim Truppendienstgericht angegeben habe. Danach zahle er mit monatlich 750 € einen noch in Höhe von 170.000 € offenen Kredit für den Erwerb eines Eigenheims ab. Die Nebenkosten betrügen 420 € im Monat. Außerdem habe er eine Altersvorsorgeversicherung für seine Kinder in Höhe von 50 € pro Monat und pro Kind abgeschlossen. Die sonstigen Lebenshaltungskosten betrügen monatlich etwa 600 €. Der Unterhalt für das nicht im Haushalt lebende Kind aus einer anderen Beziehung sei auf 400 € im Monat gestiegen. Seine Ehefrau sei ebenfalls Soldatin und arbeite in Teilzeit. Sie verdiene 1.600 € netto. Im nächsten Jahr werde seine Ehefrau mit einer Fortbildung im Rahmen des Berufsförderungsdienstes beginnen, bis zu ihrem Dienstzeitende aber weiter diese Bezüge erhalten.

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1. Das Verfahren ist nach Gewährung von Akteneinsicht über den Verteidiger des Soldaten und einer im schriftlichen Wege über den Verteidiger erfolgten Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Kommandeurs ... vom ..., dem Soldaten ausgehändigt am ..., eingeleitet worden. Nach Anhörung der Vertrauensperson und Bekanntgabe ihrer Stellungnahme ist dem Soldaten Schlussgehör gewährt worden. Daraufhin hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom ..., zugestellt am ..., ein Dienstvergehen zur Last gelegt.

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2. Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 3. Dezember 2014 gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier Jahren verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von zwei Jahren verhängt.

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Die Kammer hat festgestellt, dass der Soldat wegen eines Lehrgangs an der Schule ... in ... mit seinem eigenen Pkw von seinem Wohnort ... zu seinem Dienstort nach ... und von dort aus als Mitfahrer im privaten Pkw eines Kameraden nach ... gefahren sei. Nach dem Lehrgang sei er als Mitfahrer im Pkw eines weiteren Kameraden von ... nach ... gefahren. Er habe für die Mitfahrten kein Entgelt gezahlt. In der Reisekostenabrechnung habe der Soldat für die Reise zum Lehrgang angegeben, die Dienstreise am Wohnort begonnen und 170 km bis ... gefahren zu sein. Er habe in der Rubrik "Abfahrt des Hauptreisemittels" "privates Kfz" angekreuzt und nicht angegeben, Mitfahrer gewesen zu sein. Entsprechende Angaben habe er auch zur Rückfahrt vom Lehrgang gemacht. Dies habe nicht der Wahrheit entsprochen, weil der Soldat nur Mitfahrer gewesen sei, was er gewusst habe. Er habe beabsichtigt, eine Wegstreckenentschädigung zu erhalten, auf die er, wie er gewusst habe, keinen Anspruch gehabt habe. Diese sei ihm in Höhe von 68 € ausgezahlt worden. Mit dem Vorwurf konfrontiert habe er den Betrag umgehend erstattet. Die Einlassung des Soldaten, er habe wegen Stress und familiärem Trubel nur versehentlich falsche Angaben gemacht, glaube ihm die Kammer nicht. Die Anschuldigung sei hinreichend präzise und das fragliche Reisekostenformular auch nicht ungenau.

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Durch das wahrheitswidrige Ausfüllen und Einreichen der Abrechnung habe der Soldat einen Betrug (§ 263 StGB) begangen und gegen seine Pflichten zum Schutz des Vermögens des Dienstherrn und zur Loyalität zur Rechtsordnung aus § 7 SG verstoßen. Die wahrheitswidrigen Angaben verletzten § 13 SG. Sein gravierender Zweifel an seiner charakterlichen Reife, seiner Gesetzestreue und seiner Zuverlässigkeit weckendes Verhalten verstoße gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG. Er habe als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben (§ 10 Abs. 1 SG). Wissentlich und willentlich handelnd habe er vorsätzlich ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) begangen.

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Dieses wiege schwer. Die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen, habe hohe Bedeutung. Beim Umgang mit Geld und Gut der Bundeswehr sei diese in hohem Maße auf Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Soldaten angewiesen. Durch Verfehlungen in diesem Bereich werde das Vertrauen des Dienstherrn ernsthaft beeinträchtigt. Auch die Öffentlichkeit habe hierfür kein Verständnis. Schwer wiege auch die Verletzung der Wahrheitspflicht, die auch strafrechtliche Bedeutung habe und für Soldaten ausdrücklich gesetzlich geregelt sei. Für die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr sei das Vertrauen auf wahre Angaben von Soldaten von hoher Bedeutung. Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werde durch die Vorgesetztenstellung des Soldaten mitbestimmt (§ 10 Abs. 1 SG). Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei daher eine Dienstgradherabsetzung. Eine mildere Maßnahme komme in Betracht, wenn die Bagatellgrenze von 50 € nicht überstiegen sei.

Der Soldat habe den Betrag sofort nach Beginn der Ermittlungen zurückgezahlt. Sein Fehlverhalten sei nicht in einem größeren Kreis bekannt geworden. Er habe nicht umgesetzt werden müssen, jedoch nicht an einem Auslandseinsatz teilnehmen dürfen. Das Maß seiner Schuld werde durch den Vorsatz bestimmt. Schuldmindernde Umstände in der Begehung der Tat lägen nicht vor. Für den Soldaten sprächen seine Leistungen und die Teilnahme an mehreren Einsätzen. Ein Geständnis und Unrechtseinsicht kämen ihm nicht zugute. Für ihn spreche mit geringem Gewicht die fehlende Vorbelastung. Sein Motiv sei die Erlangung eines ihm nicht zustehenden Geldbetrages gewesen. Auf der zweiten Stufe der Maßnahmebemessung ergäben sich Umstände, die ein langjähriges Beförderungsverbot in Kombination mit einer deutlichen Bezügekürzung ausreichend erscheinen ließen. Die Bagatellgrenze sei nur unwesentlich überschritten, weil der Schaden wegen eines Erstattungsanspruches des Soldaten nur 56 € betragen habe. Zudem sprächen für ihn die überdurchschnittlichen Leistungen, seine Teilnahme an mehreren Auslandseinsätzen und die fehlende Vorbelastung. Da das Fehlverhalten aber so gravierend sei, dass es an der Grenze zur nächsthöheren Maßnahme liege, sei das Beförderungsverbot mit der maximalen Länge anzusetzen. Da der Soldat frühestens 2020 zum Stabsfeldwebel befördert werden könne, sei eine zusätzliche Bezügekürzung geboten. Ihre Höhe berücksichtige die guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten. Die Dauer solle diesem das Gewicht des Fehlverhaltens deutlich machen.

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3. Gegen das ihm am 19. Januar 2015 zugestellte Urteil hat der Soldat am 19. Februar 2015 beschränkt auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme Berufung eingelegt. Dass eine Milderung geboten sei, ergebe sich aus den Erwägungen in den Urteilen des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2003 - 2 WD 5.03 - und vom 22. März 2006 - 2 WD 7.05 -. Das Truppendienstgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass der Soldat den Schaden unverzüglich aus eigenem Antrieb ausgeglichen habe und geständig gewesen sei. Es habe die Nachbewährung außer Acht gelassen. Bei der Bemessung der Höhe der Kürzung sei nicht berücksichtigt, dass sich die guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten daraus ergäben, dass seine Ehefrau mitverdiene. Die Vorinstanz habe die Unterhaltspflichten gegenüber Frau und Kindern außer Acht gelassen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Das von dem Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der Soldat sich durch bewusst wahrheitswidrige Angaben in einem Antrag auf Erstattung von Reisekosten einen unberechtigten finanziellen Vorteil auf Kosten des Dienstherrn verschafft hat und dies auch bei der Einreichung der Antragsunterlagen seine Absicht gewesen sei. Es bewertet dieses Verhalten als Dienstvergehen in der Form einer vorsätzlichen Verletzung der Pflichten aus §§ 7, 13 Abs. 1 und 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG.

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Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

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2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

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a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer.

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Gewicht verleiht ihm vor allem die Verletzung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) (vgl. dazu insb. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 23). Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Rn. 27 m.w.N.). Wer als Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 WD 5.12 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 44 Rn. 24 m.w.N.).

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Gewicht verleiht dem Dienstvergehen zudem auch die Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Sie gilt gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können. Beim Umgang mit öffentlichem Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Erfüllt ein Soldat in strafbarer Weise - wie hier durch einen Betrug im Sinne von § 263 StGB - diese dienstlichen Erwartungen nicht, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität. Auch die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, wenn ein Soldat durch unrichtige Angaben in Reisebeihilfeanträgen die Gefahr begründet, dass ihm nicht zustehende öffentliche Mittel ausgezahlt werden.

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Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 - m.w.N. - und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

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Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Rn. 37 m.w.N. - vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30). Eine eventuell aus der Verwendung als ... resultierende Vorgesetztenstellung ist hierfür unerheblich.

28

b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn. Diesem ist ein finanzieller Schaden entstanden. Allerdings war dieser gering und ist auch kurz nach der Entdeckung des Dienstvergehens durch den Soldaten wieder ausgeglichen worden. Gravierender fällt ins Gewicht, dass das Dienstvergehen Auswirkungen auf die Personalführung hatte, weil der Soldat wegen des Disziplinarverfahrens nicht an einem unmittelbar anstehenden Auslandseinsatz teilnehmen konnte.

29

c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat aus finanziellem Eigennutz gehandelt.

30

d) Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

31

Milderungsgründe in den Umständen der Tat (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - 2 WD 18.07 - Rn. 59 m.w. N.), die die Schuld des Soldaten mindern könnten, liegen nicht vor. Insbesondere handelt es sich wegen der Mehraktigkeit des Geschehens nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und bewährten Soldaten. Der Senat hält ihm aber die Persönlichkeitsfremdheit des Dienstvergehens zugute. Die verlesenen Beurteilungen und die Bekundungen der Leumundszeugen charakterisieren den Soldaten nämlich als ehrlich und zuverlässig. Es handelt sich um eine ein- und erstmalige Pflichtverletzung.

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Der Milderungsgrund des freiwilligen Offenbarens des Fehlverhaltens bzw. der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens (BVerwG, Urteil vom 9. März 1995 - 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 <218> m.w.N.) greift nicht zugunsten des Soldaten ein. Freiwillig ist die Offenbarung eines Fehlverhaltens oder die Wiedergutmachung eines Schadens nur, wenn sie ohne äußeren oder inneren zwingenden Anlass erfolgt und wenn das Verhalten des Soldaten erkennbar von Einsicht oder Reue bestimmt ist, sodass deswegen das Vertrauen des Dienstherrn in die Zuverlässigkeit und Treuebereitschaft des Soldaten wiederhergestellt werden kann (objektiv nachträgliche Prognose). Hier hat der Soldat die Schadenssumme zwar sofort nach Aufdeckung des Betruges erstattet, aber erst unter dem Druck der Ermittlungen und damit nicht ohne äußeren Anlass.

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e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" ist mildernd in die Bemessung einzustellen, dass der Soldat in der Vergangenheit kontinuierlich gute, sich stetig steigernde Leistungen erbracht hat und sich insbesondere während mehrerer Auslandseinsätze bewährte. Dies steht zur Überzeugung des Senats durch die Bekundungen der Leumundszeugen ... fest und wird auch durch die Beurteilungen und die dem Soldaten erteilten Auszeichnungen belegt.

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Dem Soldaten ist auch zugutezuhalten, dass er seine guten Leistungen auch während des laufenden Disziplinarverfahrens auf gleichem Niveau halten konnte und Ansätze zu einer Verbesserung zeigte. Ob eine Nachbewährung vorliegt, lässt der Senat offen, weil auch dies keine Milderung der verhängten Maßnahme erlauben würde.

Eine Nachbewährung setzt neben einer in jeder Hinsicht tadelfreien Führung auch eine Steigerung der Leistungen in fachlicher Hinsicht voraus (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Gegen eine Leistungssteigerung während des laufenden Verfahrens spricht, dass die Sonderbeurteilung gegenüber der letzten planmäßigen Beurteilung sowohl in der Bewertung der Leistungen auf dem Dienstposten als auch in der Entwicklungsprognose eine leichte Verschlechterung ausweist. Dies mag zwar auf nicht vom Soldaten zu beeinflussende Umstände, insbesondere die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe, zurückzuführen sein. Allerdings hat der Zeuge ... die Leistungen des Soldaten, die er bis November 2015 beobachten konnte, mit "6,4" bzw. "6,5" und damit besser als durch die Beurteilungen ausgewiesen bewertet. Auch dieser Zeuge sieht den Soldaten aber nicht in der Spitzengruppe, sondern im guten Mittelfeld. Diese Einstufung steht in Übereinstimmung mit den Bekundungen aller weiteren Leumundszeugen, die damit darlegten, dass der Soldat trotz der Belastungen des Verfahrens seine Leistungen kontinuierlich auf hohem Niveau gehalten hat.

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Für den Soldaten spricht, dass er in seinem letzten Wort in der Berufungshauptverhandlung Unrechtseinsicht bekundet und diese zuvor schon durch die Rückzahlung des zu Unrecht erhaltenen Betrages dokumentiert hatte. Vollumfänglich geständig war er im Verfahren allerdings nicht, weil er noch in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht den Vorsatz bestritten hatte.

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Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.

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f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien nach § 58 Abs. 7, § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die vom Truppendienstgericht festgesetzte Maßnahme jedenfalls nicht zu schwer.

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Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

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aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

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Der Senat zieht in ständiger Rechtsprechung bei vorsätzlicher versuchter oder vollendeter Schädigung des Dienstherrn bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn durch einen Reisekosten- bzw. Trennungsgeldbetrug als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung in Betracht (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. August 2003 - 2 WD 5.03 - BVerwGE 119, 1 <2 f.> sowie vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 50 jeweils m.w.N.). Liegt eine Kernbereichsverletzung vor, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2013 - 2 WD 5.12 - juris Rn. 48 - und vom 15. Mai 2014 - 2 WD 3.13 - juris Rn. 42).

41

Der Kernbereich der Pflichten war hier nicht betroffen: Der Soldat ist mit der Bearbeitung von Reisekostenanträgen nicht dienstlich befasst. Diese haben auch keinen spezifischen Bezug zu seiner Verwendung als ... (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 20 zu Dienstvergehen von Polizeibeamten), sodass diese Verwendung auch im Lichte des § 10 Abs. 1 SG nicht erschwerend zu berücksichtigen ist.

42

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet. Nichts anderes gilt für Zugriffsdelikte.

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Von der Degradierung ist nicht allein wegen der konkreten Höhe des Schadens abzusehen.

Eine mildere als im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen indizierte Maßnahme kann zwar verhängt werden, wenn der Vermögenswert der in Rede stehenden Sache gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 63). Die "Bagatellgrenze" liegt bei ca. 50 € (BVerwG, Urteil vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.).

Diese Grenze ist aber selbst dann überschritten, wenn man mit dem Truppendienstgericht davon ausgeht, dass der Soldat einen Erstattungsanspruch von 12 € hat, sodass der Schaden des Bundes nur 56 € beträgt. Gleichwohl ist der Schaden unabhängig davon, ob er sich auf 68 € oder 56 € beläuft, nicht hoch.

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Eine Gesamtbetrachtung auch der Auswirkungen des Dienstvergehens und der für den Soldaten sprechenden Umstände in seiner Person rechtfertigt jedoch die Modifikation des Ausgangspunktes der Bemessungserwägungen nach unten. Das Dienstvergehen besteht nur aus einem und erstmaligen Fall eines Reisekostenbetruges, der Schaden war gering und wurde unverzüglich nach der Aufdeckung der Pflichtverletzung durch den Soldaten wiedergutgemacht. Für den Soldaten sprechen die guten Leistungen der Vergangenheit, seine Bemühungen um eine Verbesserung seiner Leistungen auch während des laufenden Disziplinarverfahrens, die Unrechtseinsicht und die Persönlichkeitsfremdheit der Tat. Das mildernde Gewicht der Kombination dieser Umstände lässt die Verhängung einer milderen Maßnahme als der Degradierung als noch tat- und schuldangemessen erscheinen. Da hiermit aber vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nach unten abgewichen wird, hat die Vorinstanz mit Recht die Dauer des Beförderungsverbotes am oberen Rand des nach § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO Zulässigen bestimmt.

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Da sich das Beförderungsverbot angesichts der bis zum Dezember 2020 nicht bestehenden Beförderungsmöglichkeit nicht auswirken wird, ist kumulativ eine Bezügekürzung nach § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO geboten, um auf den Soldaten auch spürbar pflichtenmahnend einzuwirken. Dauer und Umfang der Bezügekürzung überschreiten das nach Tat und Schuld gebotene Maß nicht. Da es sich hier um den für den Soldaten einzig spürbaren Teil der Sanktion handelt und Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung ist, müssen auch die Erwägungen zur Bemessung der Bezügekürzung am oberen Rand des nach § 59 WDO Zulässigen anknüpfen. Die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme hält sich im mittleren Bereich und trägt damit auch mildernden Umständen in der Person Rechnung, die noch nicht dadurch berücksichtigt sind, dass von der Degradierung Abstand genommen wurde. Auch einer eventuellen Nachbewährung ist damit angemessen Rechnung getragen. Sie ist damit in der festgesetzten Höhe und Dauer nicht dadurch begründet, dass die Ehefrau des Soldaten ebenfalls über Einkünfte verfügt, sondern nach den Bemessungskriterien des § 58 Abs. 7, § 38 Abs. 1 WDO tat- und schuldangemessen. Die Kürzung gefährdet auch nicht den Unterhalt der Familie des Soldaten (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 WDO).

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Durch die von der Berufungsbegründung angeführten Senatsentscheidungen vom 27. August 2003 - 2 WD 5.03 - sowie vom 22. März 2006 - 2 WD 7.05 - ist eine andere Entscheidung nicht veranlasst.

Dass in den genannten Verfahren mildere Maßnahmen festgesetzt wurden, war das Ergebnis einer Abwägung auf der zweiten Stufe der Bemessungserwägungen. Wie die in die Gesamtabwägung einzustellenden Aspekte, vor allem die Bemessungskriterien in der Person des jeweiligen Soldaten hierbei zu gewichten sind, ist in besonderem Maße einzelfallbezogen. Gewichtungen von Bemessungskriterien erfolgen nicht mit mathematischer Präzision und lassen sich nicht typisierend in Dauer und Höhe eines Beförderungsverbotes oder einer Bezügekürzung "umrechnen". Daher ist mangels Vergleichbarkeit der Bemessungskriterien auch im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine mildere Maßnahme geboten. Zudem ist im Urteil des Senats vom 22. März 2006 - 2 WD 7.05 - eine Maßnahme gegen einen im Ruhestand befindlichen Soldaten verhängt worden, sodass die hieran anknüpfenden Bemessungserwägungen vorliegend keine Anwendung finden können.

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Dass das Strafverfahren nach § 153 StPO ohne Auflage eingestellt wurde, ist für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht erheblich: Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 49, m.w.N., vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 51, vom 28. Juni 2012 - 2 WD 34.10 - juris Rn. 112 -, vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 79 und vom 15. Mai 2014 - 2 WD 3.13 - juris Rn. 30).

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3. Da die Berufung des Soldaten keinen Erfolg hat, sind ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO trägt der Soldat damit auch die ihm im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

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