Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (7. Senat) - 7 C 18/14

Tatbestand

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Der Kläger, Redakteur einer großen Tageszeitung, begehrt Zugang zu Informationen, die im Zusammenhang mit den Terroranschlägen der sogenannten RAF und den nachfolgenden Strafverfahren stehen.

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Im März 2011 beantragte der Kläger beim Bundeskanzleramt Einsicht in die Kopien der dort vorhandenen Akten zu Siegfried Buback, Jürgen Ponto und Hans-Martin Schleyer, zu der Entführung des Lufthansaflugzeugs "Landshut" und zur Ausbildung von Terroristen in Camps im Jemen bzw. Auskunft darüber, welche Unterlagen an das Bundesarchiv übergeben worden seien.

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Der Antrag wurde in mehreren Teilentscheidungen verbeschieden. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 lehnte das Bundeskanzleramt den Zugang zu einer Vielzahl von Unterlagen ab. Hinsichtlich der im Revisionsverfahren weiterhin streitigen Dokumente wurde ausgeführt: Urheber der Dokumente 406 bis 411 sei das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es halte die Dokumente weiterhin für geheimhaltungsbedürftig, so dass der Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG einschlägig sei. Entsprechendes gelte für das Dokument 414, das vom Bundesnachrichtendienst stamme. Die gleichfalls vom Bundesnachrichtendienst stammenden Dokumente 412, 413, 416 und 418 seien im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht zu der zuständigen Abteilung 6 des Bundeskanzleramts gelangt. Der Geheimhaltungsschutz gegenüber den Nachrichtendiensten gemäß § 3 Nr. 8 IFG müsse sich auch auf diese Unterlagen erstrecken, die im Übrigen ebenfalls als Verschlusssachen eingestuft seien.

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Nach insoweit erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht, mit der er sich auch gegen die Festsetzung der Verwaltungs- und der Widerspruchsgebühr wandte. Mit Urteil vom 30. Mai 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich der genannten Unterlagen ab. Bezüglich einer weiteren Unterlage verpflichtete es die Beklagte zur Neubescheidung; die Festsetzung der Widerspruchsgebühr wurde teilweise aufgehoben. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt: Über die Dokumente 406 bis 418 sei das Bundeskanzleramt nicht im Sinne vom § 7 Abs. 1 IFG verfügungsberechtigt. Es habe die genannten Unterlagen im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben vom Bundesnachrichtendienst bzw. vom Bundesamt für Verfassungsschutz erhalten; die Verfügungsbefugnis sei ihm aber nicht zugleich übertragen worden. Einer solchen Annahme stehe entgegen, dass die Urheber dieser Unterlagen durch die Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG besonders geschützt würden.

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Mit Urteil vom 6. November 2014 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen und zur Berufung des Klägers, soweit hier von Interesse, ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen sei, dass dem Bundeskanzleramt die Verfügungsberechtigung ausnahmsweise auch über Unterlagen fehlen könne, die ihm zur Wahrnehmung eigener Aufgaben überlassen worden seien. Denn der Informationszugang sei nach § 3 Nr. 8 IFG ausgeschlossen. Die Informationen unterfielen der gesetzlich angeordneten Bereichsausnahme für die in der Vorschrift genannten Stellen, was auch die Gewährung des Informationszugangs durch andere Stellen ausschließe, bei denen diese Informationen vorlägen. Das gelte jedenfalls dann, wenn die von der Bereichsausnahme erfassten Dienste oder Sicherheitsbehörden die Geheimhaltung reklamierten oder die angerufene Stelle - wie vorliegend das Bundeskanzleramt hinsichtlich eines Teils der Unterlagen - als Aufsichtsbehörde über den Bundesnachrichtendienst über das Eingreifen der Bereichsausnahme in eigener Zuständigkeit entscheiden könne. Diesem Normverständnis stehe der Wortlaut nicht entgegen. Die systematische Stellung der Norm mache deutlich, dass materielle Kriterien ausschlaggebend sein sollten. Schließlich führe eine enge Auslegung zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch. Könnten von den Nachrichtendiensten beschaffte Informationen bei jeder Behörde, an die sie bestimmungsgemäß weitergegeben worden seien, abgerufen werden, würde der gegenüber den von § 3 Nr. 8 IFG erfassten Stellen zu respektierende umfassende Geheimhaltungsbedarf relativiert und informationsbezogen auf die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 1, 2, 4 und 7 IFG beschränkt. Mit der Bereichsausnahme habe aber sichergestellt werden sollen, dass "alle Tätigkeiten" der Dienste vom Informationszugang ausgeschlossen seien.

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Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er nur noch sein Informationszugangsbegehren weiterverfolgt. Soweit er nunmehr auch einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend macht, hat der Senat das Verfahren, das in dieser Hinsicht einen eigenständigen Streitgegenstand betrifft, abgetrennt. Zur Begründung des hiernach verbliebenen Revisionsbegehrens trägt der Kläger vor: Das Bundeskanzleramt sei bezüglich der streitigen Unterlagen verfügungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 IFG. Auf die Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG, die wie alle Ausnahmevorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes eng auszulegen sei, könne das Bundeskanzleramt sich nicht berufen. Der Wortlaut sei eindeutig und beziehe sich nur auf die Nachrichtendienste. Die Systematik spreche ebenfalls dafür, dass nur gezielt einzelne Bundesbehörden von einem Informationszugangsanspruch ausgenommen werden sollten. Der Ausschluss eines bestimmten Typus von Informationen hätte in § 3 Nr. 1 IFG verankert werden müssen. Der gesetzgeberische Wille sei unergiebig. Insbesondere habe der Gesetzgeber gesehen, dass Informationen, die die Nachrichtendienste verlassen hätten, deren Interessen nur dann tangierten, wenn sie als Verschlusssache gekennzeichnet seien; ohne eine solche Einstufung könne ein Geheimhaltungsinteresse der Nachrichtendienste nicht bestehen. Nach Sinn und Zweck dieser Bereichsausnahme sollten nur Informationen, die sich ausschließlich bei den Nachrichtendiensten befänden, generell vom Informationsanspruch ausgenommen werden. Sobald eine Information die Herrschaftssphäre dieser Behörden verlassen habe, übernähmen die übrigen Ausnahmevorschriften den Schutz der Geheimhaltungsinteressen. Schließlich müsse Art. 10 EMRK als Auslegungshilfe herangezogen werden.

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Der Kläger beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. November 2014 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Mai 2013 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Einsicht in die im Bescheid des Bundeskanzleramts vom 22. Dezember 2011 auf Seite 25 f. unter Nr. 406 bis 414, 416 und 418 bezeichneten Unterlagen zu gewähren, und diesen Bescheid sowie den Schluss- und Widerspruchsbescheid des Bundeskanzleramts vom 16. April 2012 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Verfügungsberechtigung des Bundeskanzleramts und verteidigt im Übrigen die entscheidungstragenden Ausführungen des angegriffenen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die auf den begehrten Informationszugang bezogene Berufung, soweit presserechtliche Ansprüche nicht betroffen sind, zwar unter Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen; die angegriffene Entscheidung erweist sich in diesem Umfang aber im Ergebnis als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundeskanzleramt als gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) informationspflichtige Stelle kann sich in seiner Eigenschaft als Fachaufsichtsbehörde für den Bundesnachrichtendienst und insoweit, als die Koordinierungstätigkeit des Beauftragten für die Nachrichtendienste betroffen ist, auf den besonderen Versagungsgrund des § 3 Nr. 8 IFG berufen. Diese Bestimmung ist zwar nicht einem allgemein informationsbezogenen, insoweit aber einem funktionsbezogenen, auf die Aufsichts- und Koordinierungstätigkeit des Bundeskanzleramts ausgerichteten Verständnis zugänglich.

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1. Das Oberverwaltungsgericht überdehnt mit seinem informationsbezogenen Verständnis des § 3 Nr. 8 IFG die Reichweite dieses Ausschlussgrundes.

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Nach § 3 Nr. 8 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen. Mit dieser Vorschrift normiert das Informationsfreiheitsgesetz die einzige ausdrückliche Bereichsausnahme. Danach kommt es bei der Entscheidung über den Informationszugang nicht auf eine Bewertung der begehrten Informationen und die Prognose eines mit deren Offenlegung verbundenen Nachteils für gesetzlich anerkannte Schutzgüter an. Vielmehr sind die Nachrichtendienste in Gänze und die anderen Behörden und Stellen bezogen auf bestimmte Aufgabenbereiche (siehe zur diesbezüglichen Klarstellung durch die Formulierung "soweit" BT-Drs. 15/5606 S. 6) vom Informationszugang ausgenommen (vgl. Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, § 3 Rn. 199; Schirmer in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. November 2015, § 3 Rn. 194).

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a) § 3 Nr. 8 IFG schließt nach seinem Wortlaut den Informationszugang "gegenüber den Nachrichtendiensten" sowie - aufgabenbezogen - den sonstigen näher bezeichneten Sicherheitsbehörden aus. Die Vorschrift knüpft damit an den Adressaten eines Zugangsbegehrens an und nimmt diesen von einer grundsätzlich gegebenen Informationspflicht aus.

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aa) Zu dem so benannten Adressatenkreis gehört das Bundeskanzleramt nicht. Nachrichtendienste des Bundes sind ausweislich der Erwähnung in § 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG), erlassen als Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346); siehe zuvor bereits § 1 Abs. 1 Satz 1 des PKGrG vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453) das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst; die Begründung des IFG-Gesetzentwurfes nimmt ebenfalls auf diese Einrichtungen Bezug (BT-Drs. 15/4493 S. 12). Ein erweiterndes Verständnis des Begriffs des Nachrichtendienstes ist auch vor dem Hintergrund der Aufsichts- und Koordinierungsbefugnisse des Bundeskanzleramts nicht geboten.

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Der Bundesnachrichtendienst ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938) eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts. Diesem obliegt demnach die umfassende Dienst- und Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst. Zwar ermöglicht insbesondere die Fachaufsicht im Anschluss an Berichtspflichten und Informationsrechte (§ 12 Satz 1 BNDG) weitgehende Einwirkungsmöglichkeiten, etwa im Wege der Weisung sowie ggf. des Selbsteintritts (siehe etwa Schiedermair, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR, Bd. 3, 2. Aufl. 2013, § 46 Rn. 22 f. und Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 60; Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 BNDG Rn. 8; BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 [ECLI:DE:BVerfG:2013:rs20130917.2bvr243610] - BVerfGE 134, 141 Rn. 164). Die Wahrnehmung des Aufsichtsrechts findet aber ihre Grenze in der Existenz des Bundesnachrichtendienstes als eigenständige Behörde (Gusy, a.a.O. Rn. 9). Die Durchführung der internen Exekutivkontrolle hebt demnach die rechtliche Trennung zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesnachrichtendienst nicht auf; auch die Möglichkeiten der Behördenaufsicht machen es weder zum Nachrichtendienst noch - in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung - zu einer "höheren Nachrichtendienstbehörde".

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Entsprechendes gilt in Bezug auf das Bundesamt für Verfassungsschutz. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938) ist es eine Bundesoberbehörde und untersteht dem Bundesministerium des Inneren. Dem Bundeskanzleramt stehen folglich die Aufsichtsmittel der Behördenaufsicht nicht zur Verfügung. Es kann lediglich nach Maßgabe der durch den Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 3. Mai 1989 (BGBl. I S. 901) eröffneten Befugnisse durch den Beauftragten für die Nachrichtendienste sowie - unter Wahrung der Ressortverantwortung (Art. 65 Satz 2 GG) - über das Bundesministerium des Innern auf das Bundesamt für Verfassungsschutz einwirken (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, S. 613 f.). Das Bundeskanzleramt wird damit indessen nicht zum Nachrichtendienst im Sinne des § 3 Nr. 8 IFG.

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bb) § 3 Nr. 8 IFG schließt den Informationszugang "gegenüber" den Nachrichtendiensten und den sonstigen dort in Bezug genommenen Sicherheitsbehörden aus. Die lokale Präposition "gegenüber" verweist auf eine verwaltungsrechtliche Beziehung zwischen dem die Information begehrenden Antragsteller und dem Adressaten seines Zugangsantrags. Danach kann der um Informationszugang angegangene Nachrichtendienst auf diesen Versagungsgrund verweisen.

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Ist hingegen nicht der Nachrichtendienst selbst Adressat des Informationsbegehrens, geht es vielmehr um Informationen, die von einem Nachrichtendienst stammen, aber bei einer anderen - im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG verfügungsberechtigten - Stelle vorhanden sind, könnte § 3 Nr. 8 IFG eine Zugangsverweigerung nur rechtfertigen, wenn der Gesetzesbegriff "gegenüber" auch jeden mittelbaren Zugriff auf Unterlagen des Nachrichtendienstes umfasste. Ein in dieser Weise materielles, nämlich allgemein informationsbezogenes, Verständnis dieses Versagungsgrundes ist im Wortlaut der Norm nicht angelegt. Denn eine Formulierung, die allein auf die vom Nachrichtendienst stammende Information abstellt und den Zugang zu ihr von vornherein verwehrt, hat der Gesetzgeber gerade nicht gewählt (anders etwa § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Rheinland-Pfälzischen Landestransparenzgesetzes - LTranspG - vom 27. November 2015 ; siehe auch § 5 Nr. 3 Alt. 2 des Hamburgischen Transparenzgesetzes - HmbTG - vom 19. Juni 2012 ). Der Normtext spricht deshalb gegen die vom Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Auslegung, wenngleich er für ein solches Verständnis wegen des durch die Herkunft der Information hergestellten engen Bezuges zu den Nachrichtendiensten keine unüberwindliche Schranke bilden würde.

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b) Die Einordnung der Bereichsausnahme unter die Versagungsgründe des § 3 IFG lässt nicht den Schluss zu, dass § 3 Nr. 8 IFG ein weites informationsbezogenes Verständnis zugrunde liegt.

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Die völlige Freistellung einer Behörde von der in § 1 Abs. 1 IFG grundsätzlich vorgesehenen Verpflichtung zur Gewährung von Informationszugang hätte zwar in unmittelbarem Zusammenhang damit durch die Einfügung einer entsprechenden Ausnahme vom Anwendungsbereich des Gesetzes angeordnet werden können; gleiches gilt für aufgabenbezogene Teilfreistellungen (so etwa § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen in Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2015 ; § 2 Abs. 8 des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes vom 14. Dezember 2012 ; siehe auch § 5 Nr. 3 Alt. 1 HmbTG). Allein der Umstand, dass eine Sonderregelung für die Nachrichtendienste demgegenüber in den Katalog der Versagungsgründe des § 3 IFG aufgenommen worden ist, gibt der Bestimmung aber keinen anderen - zusätzlich informationsbezogenen - Gehalt. Dies gilt umso mehr, als den verschiedenen Ausnahmebestimmungen im Katalog des § 3 IFG ein - über den Schutz besonderer öffentlicher Belange hinausgehendes - einheitliches Regelungskonzept nicht zugrunde liegt (vgl. Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, § 3 Rn. 29 ff. vor §§ 3 bis 6; Schirmer in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. November 2015, § 3 Rn. 6).

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c) Sinn und Zweck des § 3 Nr. 8 IFG führen indes auf ein funktionsbezogen erweitertes Verständnis der Bereichsausnahme, das auch das Bundeskanzleramt in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde über den Bundesnachrichtendienst und Koordinierungsstelle für die Nachrichtendienste einbezieht. Ein allgemein informationsbezogenes Verständnis, wie vom Oberverwaltungsgericht vertreten, lässt sich hingegen auch nicht auf teleologische Erwägungen stützen.

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aa) Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll mit der Bereichsausnahme dem Geheimhaltungsbedarf der Nachrichtendienste umfassend Rechnung getragen werden (BT-Drs. 15/4493 S. 12; bekräftigt durch Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 15/5606 S. 6). Da die Versagungsgründe nach § 3 Nr. 1 Buchst. c oder Nr. 4 IFG nicht alle Vorgänge in den Nachrichtendiensten erfassten, aber etwa die Beschaffung und anderes fiskalisches Handeln unter Umständen Rückschlüsse auf Strategien und Aktivitäten der Dienste zuließen, bedürfe es einer Regelung, die sicherstelle, dass alle Tätigkeiten der Nachrichtendienste vom Anspruch auf Informationszugang ausgeschlossen seien. Nach diesen Erläuterungen sollen die Nachrichtendienste nicht nur in Bezug auf Informationen, die nach allgemein gefassten materiellen oder prozeduralen Kriterien als schutzwürdig einzustufen sind, vom Informationszugang ausgenommen sein, vielmehr ist der Informationszugang bezüglich aller Vorgänge und aller Tätigkeiten gesperrt. Die Nachrichtendienste werden damit hinsichtlich der Anforderungen an eine Informationsverweigerung privilegiert, indem sie sich zur Ablehnung des Antrags mit einem Verweis auf ihre besondere Aufgabenstellung begnügen können. Der besondere den Nachrichtendiensten vom Gesetzgeber durch § 3 Nr. 8 IFG zugebilligte Schutz liegt demnach darin, dass diese zur Vermeidung eines jeglichen Ansatzes für eine umfassende Ausforschung den Informationszugang unterschiedslos zu allen Informationen verweigern können und deswegen der Notwendigkeit einer detaillierten Bewertung der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit und einer hierauf bezogenen Begründung eines ablehnenden Bescheids enthoben sind. Dieser verfahrensrechtlichen Erleichterung kommt angesichts des ansonsten mit der Bearbeitung von Informationszugangsanträgen verbundenen Verwaltungsaufwands ein nicht unbeträchtliches Gewicht zu (vgl. hierzu Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rn. 115 mit Fn. 18).

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Dieses vom Gesetzgeber verfolgte Regelungsziel wird nur dann vollständig erreicht, wenn ergänzend solche Behörden von der auch verfahrensmäßigen Privilegierung des § 3 Nr. 8 IFG erfasst werden, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung in einer besonders engen Beziehung zu den Nachrichtendiensten stehen. Sie verfügen typischerweise über eine Vielzahl von Dokumenten, die von den Nachrichtendiensten stammen und nicht nur deren Erkenntnisse und Bewertungen, sondern insbesondere Interna über Aufbau und Arbeitsweisen der Nachrichtendienste enthalten können. Diese sind folglich auch dann der Gefahr einer Ausforschung ausgesetzt, wenn sich zahlreiche Informationszugangsanträge gegen bestimmte andere Behörden richten, in deren Aktenbestand sich die Tätigkeit der Nachrichtendienste jedenfalls teilweise abbildet. Hierzu zählt das Bundeskanzleramt in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde des Bundesnachrichtendienstes und als Koordinierungsstelle der Nachrichtendienste. Insoweit befindet sich das Bundeskanzleramt in einer Sondersituation, die der vom Gesetzgeber bei der Normierung des § 3 Nr. 8 IFG vorausgesetzten Lage der Nachrichtendienste vergleichbar ist, was eine funktionsbezogene Auslegung der Vorschrift rechtfertigt. Art. 10 EMRK steht dem nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 [ECLI:DE:BVerwG:2014:271114U7C20.12.0] - BVerwGE 151, 1 Rn. 34).

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bb) Ein darüber hinausgehendes informationsbezogenes Verständnis des § 3 Nr. 8 IFG, das jeglicher Stelle, bei der sich eine von den Nachrichtendiensten stammende Information befindet - und damit auch dem Bundeskanzleramt ohne Beschränkung auf die oben genannten Fälle -, insoweit eine Berufung auf diese Vorschrift erlaubt, ist allerdings auch vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte nicht möglich. Ein Wertungswiderspruch, der nur durch eine in dieser Hinsicht erweiternde Auslegung des § 3 Nr. 8 IFG überwunden werden könnte, ist nicht zu erkennen. Es ist Ausdruck eines in sich schlüssigen gesetzlichen Regelungskonzepts, wenn die rechtlichen Anforderungen an die Verbescheidung eines Informationszugangsantrags sich je nach der angegangenen Behörde unterscheiden, obwohl der Antrag sich auf dieselbe Information bezieht. Denn von einer Behörde, die - nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG - ausnahmsweise und punktuell über den Zugang zu einer von den Nachrichtendiensten stammenden Information zu entscheiden hat, kann erwartet werden, dass sie das auch für die übrigen bei ihr vorhandenen Informationen geltende und ihr vertraute Prüfprogramm der für alle informationspflichtigen Stellen einschlägigen gesetzlichen Versagungsgründe anwendet. Es ist des Weiteren nicht ersichtlich, dass die materiellen Versagungsgründe insbesondere nach § 3 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 4 IFG das Geheimhaltungsbedürfnis der Nachrichtendienste insoweit nicht hinreichend abdecken. Dies gilt vor allem, soweit die von den Nachrichtendiensten an andere Stellen weitergegebenen Unterlagen mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Erkenntnisse und hierauf beruhende Einschätzungen und Bewertungen enthalten (vgl. etwa zur Geheimhaltungsbedürftigkeit der operativen Vorgänge im Bereich des BND auch BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:200715B6VR1.15.0] - NVwZ 2015, 1183 Rn. 9 ff. und vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:220915B6VR2.15.0] - ZD 2016, 94 Rn. 18 sowie Beschlüsse vom 30. Juni 2014 - 20 F 13.13 - juris Rn. 18 und vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 8, 19). Dass bei der hiernach erforderlichen Bewertung der Geheimhaltungsbedürftigkeit bei älteren Unterlagen gegebenenfalls auch der Zeitablauf zu würdigen ist, liegt in der Natur der Sache.

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2. Das Urteil erweist sich im Ergebnis als richtig, obwohl das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von einem informationsbezogenen Verständnis des § 3 Nr. 8 IFG ausgegangen ist. Die noch streitgegenständlichen Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterfallen § 3 Nr. 8 IFG auf der Grundlage der hierzu von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Erläuterungen, gegen die der Kläger sich nicht wendet, auch dann, wenn man die Norm funktionsbezogen versteht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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