Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO) - 20 F 13/15
Gründe
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I
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Der Kläger begehrt im Verfahren der Hauptsache auf der Grundlage des Informationszugangsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (IZG-SH) Einsicht in Verträge, welche die beklagte Hansestadt Lübeck als Eigentümerin von Hafenbetriebsflächen und Gleisanlagen mit der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH über den Betrieb des Hafens nebst Hafenbahn abgeschlossen hat. Die Beklagte übersandte dem Kläger auf dessen Antrag Ablichtungen von insgesamt neun Verträgen. In ihnen waren zahlreiche Bestimmungen geschwärzt. Die Beklagte verwies auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
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Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm ungeschwärzte Ablichtungen der Verträge zu übermitteln. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aufgefordert, die Verwaltungsvorgänge vorzulegen. Die Beklagte hat nur die teilgeschwärzten Ablichtungen der Verträge vorgelegt, wie der Kläger sie erhalten hatte. Das Verwaltungsgericht hat der Beklagten daraufhin durch prozessleitende Verfügungen aufgegeben, ungeschwärzte Fassungen der Verträge zu übersenden. Die Beklagte hat dem Verwaltungsgericht ein an sie adressiertes Schreiben des beigeladenen Innenministeriums vom 7. Februar 2014 übermittelt. Darin legt das beigeladene Innenministerium unter Bezugnahme auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar, die ihm zur Prüfung vorgelegten Verträge seien ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig, soweit sie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten. Hierunter fielen insbesondere Regelungen zur entgeltlichen Nutzung der Hafenanlagen sowie sonstige Haftungs- und Freistellungsansprüche und vereinbarte Nutzungsbeschränkungen, nicht hingegen Regelungen, die Kosten- und Risikoausgleiche für künftige, teilweise unsichere Ereignisse vorsähen.
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Die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft haben beantragt, im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festzustellen, dass die Verträge zwischen ihnen schutzwürdige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten und ihre Vorlage deshalb verweigert werden darf, soweit die Beklagte dem Kläger die Verträge nur in einer geschwärzten Fassung zugänglich gemacht hat.
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Die Beklagte hat im Zwischenverfahren ein Schreiben des beigeladenen Innenministeriums vom 21. August 2014 vorgelegt, in dem die Vertragsbestimmungen aufgeführt sind, deren ungeschwärzte Vorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert werde.
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Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat durch den angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage gemäß den Schreiben des beigeladenen Innenministeriums und darüber hinaus für weitere Vertragsbestimmungen rechtmäßig sei, welche die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft aufgelistet hatten, mit Ausnahme einer Bestimmung, welche die Beklagte dem Kläger bereits vor Klageerhebung ungeschwärzt zugänglich gemacht hatte.
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Der Kläger hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.
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II
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Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Anträge der Beklagten und der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft ablehnen müssen. Sie sind zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
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1. Die Anträge sind unzulässig, soweit die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft die Feststellung begehrt haben, dass die Verweigerung der Vorlage der Vertragsbestimmungen rechtmäßig ist, welche in dem Schreiben des beigeladenen Innenministeriums vom 21. August 2014 aufgeführt sind. Die Schreiben des beigeladenen Innenministeriums vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 stellen zwar eine Sperrerklärung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar und bilden damit grundsätzlich den tauglichen Gegenstand eines Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO; der Beklagten und der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft fehlt aber das Rechtsschutzinteresse, die Rechtmäßigkeit dieser Sperrerklärung durch den Fachsenat feststellen zu lassen.
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a) Eine Entscheidung des Fachsenats nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt zum einen voraus, dass das Gericht der Hauptsache die beklagte Behörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO auffordert, bestimmte Urkunden oder Akten vorzulegen oder bestimmte elektronische Dokumente zu übermitteln oder bestimmte Auskünfte zu erteilen, und dabei die Entscheidungserheblichkeit dieser Unterlagen - in der Regel förmlich, insbesondere durch Beweisbeschluss - verlautbart. Eine Entscheidung des Fachsenats setzt zum anderen voraus, dass die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente oder die Erteilung der Auskünfte verweigert, weil das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder weil die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (sogenannte Sperrerklärung). Gegenstand des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO ist diese Sperrerklärung. Der Fachsenat entscheidet darüber, ob die Weigerung der Behörde, die angeforderten Unterlagen vorzulegen (Sperrerklärung), rechtmäßig ist.
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Die Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde ist eine Prozesserklärung. Sie hat die prozessuale Pflicht der Behörde zum Gegenstand, dem Gericht der Hauptsache Akten vorzulegen, bezieht sich auf die Aktenanforderung des Gerichts der Hauptsache und ist ihm gegenüber abzugeben.
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Der Annahme einer Sperrerklärung steht nicht entgegen, dass das beigeladene Innenministerium seine Schreiben vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 an die Beklagte adressiert hat und diese Schreiben das Gericht nur über die Beklagte erreicht haben.
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Das beigeladene Innenministerium hat sich in seinem Schreiben vom 7. Februar 2014 ausdrücklich auf das anhängige Verfahren der Hauptsache und die Aufforderung des Verwaltungsgerichts bezogen, die in Rede stehenden Verträge dort ungeschwärzt vorzulegen. Es hat unter Hinweis auf seine Funktion als oberster Aufsichtsbehörde geprüft, ob Gründe im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehen, die Vorlage ganz oder teilweise zu verweigern. Das Schreiben stellt die Berechtigung, die Vorlage zu verweigern, nur für einen Teil der bislang geschwärzten Vertragsbestimmungen fest. Das Schreiben weist damit den Inhalt einer Sperrerklärung auf. Es ist ersichtlich für die Verwendung in dem anhängigen Verfahren und damit für das Gericht der Hauptsache bestimmt. Dass es das Verwaltungsgericht nur über die Beklagte, gleichsam als Boten, erreicht hat, stellt nicht in Frage, dass es sich um eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht handelt.
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Das beigeladene Innenministerium war nicht gehindert, noch im Verfahren vor dem Fachgericht durch ein ergänzendes Schreiben zu präzisieren, auf welche Vertragsbestimmungen konkret sich die Weigerung der vollständigen Vorlage der Verträge in seinem Schreiben vom 7. Februar 2014 bezog. Beide Schreiben zusammen bilden eine einheitliche Sperrerklärung.
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b) Zwar kann nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO potentiell jeder Beteiligte einen Antrag auf Entscheidung des Fachsenats stellen, ob die Verweigerung der Vorlage von Urkunden oder Akten rechtmäßig ist. Die Zulässigkeit eines Antrags hängt aber - hier wie auch sonst - davon ab, dass der Beteiligte ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag hat. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn er gerichtlicher Hilfe nicht bedarf, um das von ihm verfolgte Ziel zu erreichen.
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Die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft wollen verhindern, dass die Beklagte die zwischen ihnen geschlossenen Verträge dem Verwaltungsgericht vollständig und ungeschwärzt vorlegen muss, weil dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart werden müssten. Dieses Ziel haben sie bereits mit der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums in dem Umfang erreicht, in dem dort die Verweigerung der Vorlage ausgesprochen ist. Im Umfang der Sperrerklärung ist die Beklagte nicht (mehr) verpflichtet, der Aufforderung des Verwaltungsgerichts nachzukommen, die Verträge vollständig und ungeschwärzt vorzulegen. Einer Entscheidung des Fachsenats, dass die Sperrerklärung rechtmäßig ist, bedarf es für ihre Wirksamkeit nicht.
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Zwar könnte der Kläger nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO einen Antrag stellen, die Sperrerklärung für rechtswidrig zu erklären. In diesem Verfahren wären die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft zu beteiligen und könnten ihre Gründe geltend machen, aus denen sie die Verweigerung der Vorlage vollständiger und ungeschwärzter Verträge nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO für rechtmäßig halten. Es besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis dafür, dass sie einem bisher ausdrücklich nicht gestellten Antrag des Klägers mit eigenen Anträgen zuvor kommen.
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2. Soweit die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft die Feststellung begehrt haben, dass über in der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums bezeichnete Vertragsbestimmungen hinaus hinsichtlich weiterer von ihnen benannter Vertragsbestimmungen die Verweigerung der Vorlage ungeschwärzter Verträge rechtmäßig ist, sind ihre Anträge zulässig, in der Sache aber unbegründet.
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a) Mit einem Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde zur Überprüfung gestellt werden, sondern ebenso die behördliche Entscheidung, einer Aufforderung des Verwaltungsgerichts zu entsprechen, Akten vorzulegen, sei es, weil schon Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verneint werden, sei es, weil im Rahmen der Ermessensentscheidung die Abwägung zugunsten einer Vorlage ausfällt (BVerwG, Beschluss vom 2. November 2010 - 20 F 4.10 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ein solcher Antrag eines anderen Beteiligten kommt nicht nur in Betracht, wenn bereits die beklagte Behörde von sich aus der Aufforderung des Verwaltungsgerichts nachkommen will, die angeforderten Akten vorzulegen. Er kommt auch dann in Betracht, wenn die beklagte Behörde zwar aus Gründen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage verweigern will, die oberste Aufsichtsbehörde aber keine oder nur eine eingeschränkte Sperrerklärung abgibt, also gleichsam die Freigabe der Akten erklärt, mit der Folge, dass die beklagte Behörde der Aufforderung des Verwaltungsgerichts nachkommen muss. In diesem Fall kann nicht nur ein anderer Beteiligter, dessen geschützte Interessen durch die Freigabeerklärung betroffen werden, sondern auch die beklagte Behörde einen Antrag in entsprechender Anwendung von § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO stellen, wenn von ihr zu wahrende Interessen im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einer Freigabe entgegenstehen können.
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b) Das beigeladene Innenministerium hat aber seine Sperrerklärung zu Recht beschränkt und im Übrigen die ungeschwärzte Vorlage der Verträge freigegeben. Die von der Beklagten und der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft benannten Vertragsbestimmungen sind nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis geschützt und deshalb nicht ihrem Wesen nach im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geheim zu halten.
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aa) Zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 7). Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Marktstrategien oder Bezugsquellen. Auch konkrete Vertragsgestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2012 - 20 F 3.11 - juris Rn. 8).
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Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen. Diese ist für die in Rede stehenden Vertragsbedingungen von der Beklagten und der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft nicht substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich.
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bb) Für die einzelnen in Rede stehenden Vertragsbestimmungen gilt danach Folgendes:
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Die Klauseln § 4.3, § 4.4 und § 4.5 des Nutzungsvertrages regeln, wem die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft die Nutzung der Terminals zu gestatten hat. Dass Gegenstand aller Verträge der Betrieb des Hafens ist, ist bekannt. Dass im Hafen Terminals für Umschlags- und Logistikleistungen vorhanden sind, ist kein Geheimnis. Dass diese Terminals von denselben Umschlags- und Logistikunternehmen wie bisher und künftig von weiteren Unternehmen dieses Geschäftszweigs genutzt werden sollen, gewährt entgegen der Befürchtung der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft Wettbewerbern und Kunden keinen ihnen sonst verschlossenen Einblick in ihre Geschäftsfelder, der sich nachteilig auf ihre Wettbewerbssituation auswirken könnte. Dasselbe gilt, soweit die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft Anbietern und Betreibern von Schiffsver- und -entsorgungsanlagen, die auf den Zugang zu und die Nutzung von Terminals angewiesen sind, Zugang und Nutzung zu gestatten hat.
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Die Klauseln § 5.1 und § 5.2 des Nutzungsvertrages legen der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft eine Betriebspflicht für die Terminals auf. Dass eine derartige Regelung in dem Nutzungsvertrag getroffen ist, drängt sich auf, weil sie nach dem Zweck des Vertrages, den Betrieb des Hafens von der Beklagten auf die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft zu übertragen, vorausgesetzt werden muss. Es liegt auf der Hand, dass die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft ihre Betriebspflicht bei ihrer Kostenkalkulation berücksichtigen muss. Konkrete Rückschlüsse auf die Kostenkalkulation können Wettbewerber aus der Regelung allein indes nicht ziehen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2012 - 20 F 3.11 - juris Rn. 11).
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Die Klausel § 5.3 des Nutzungsvertrages macht die Errichtung und Änderung baulicher Anlagen sowie Änderungen an der Infrastruktur der Beklagten von deren vorheriger Zustimmung abhängig, die sie nur aus wichtigem Grund verweigern darf. Entgegen der Befürchtung der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft sagt diese allgemein gehaltene Regelung nichts über ihre konkreten Investitionsabsichten aus. Weshalb sie im Wettbewerb um Ladung beeinträchtigt werden könnte, wenn diese Klausel offengelegt würde, ist nicht nachvollziehbar.
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Im Ergebnis dasselbe wie für die Klauseln § 5.1 und § 5.2 des Nutzungsvertrages gilt für die Klauseln § 7.1 und § 7.2 des Nutzungsvertrages, welche die Verkehrssicherungspflicht der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft und Eisbrecherdienste für den öffentlichen Hafen regeln. Dass derartige Regelungen in einem Vertrag mit dem hier gegebenen Zweck getroffen werden, liegt ebenso auf der Hand wie die Notwendigkeit, diese Pflichten in die Kostenkalkulation einzubeziehen. Daraus lassen sich aber ohne weitere, hier jedoch nicht offenzulegende Angaben keine Rückschlüsse auf die konkrete Kostenkalkulation der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft ziehen.
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Aus denselben Gründen enthalten die Klauseln § 8.2 bis § 8.4 und § 8.6 des Nutzungsvertrages keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, welche die Haftung (Gewährleistung) der Beklagten in unterschiedlichen Zusammenhängen ausschließen und dadurch spiegelbildlich Risiken der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft begründen.
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Die Klausel § 9.2 des Nutzungsvertrages verpflichtet die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft zur Information der Beklagten, wenn die Tiefe der Wasserflächen bestimmte Werte nicht mehr erreicht. Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft im Falle der Offenlegung dieser Klausel sind nicht erkennbar.
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Die Klausel § 10.1 des Nutzungsvertrages enthält wechselseitige Informationspflichten im Falle geplanter Investitionen. Diese allgemein gehaltene Regelung sagt nichts über konkrete Investitionsabsichten der Vertragspartner aus. Soweit ihre Finanzierung in der Klausel § 10.4 durch Bezugnahme auf andere Klauseln angesprochen wird, sind diese von der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums erfasst.
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Nach der Klausel § 12.4 des Nutzungsvertrages werden sich die Vertragsparteien über eine angemessene Verteilung solcher Abgaben und Lasten verständigen, welche betreffend den Lübecker Hafen zukünftig zusätzlich zu den Abgaben und Lasten erhoben werden sollten, deren Verteilung in den Klauseln § 12.1 bis § 12.3 geregelt ist, die ihrerseits von der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums erfasst sind. Welche Nachteile die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft im Wettbewerb zu befürchten hat, wenn diese für sich neutrale Klausel offengelegt würde, erschließt sich nicht.
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Die Klausel § 13.4 des Nutzungsvertrages räumt der Beklagten das Recht ein, bestimmte Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Hafenbahn, soweit rechtlich zulässig, auf die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft bzw. einen Dritten zu übertragen. Die Befürchtungen, welche die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft im Falle der Offenlegung dieser Bestimmung für ihre Position im Wettbewerb hegt, sind nicht nachvollziehbar. Weder wird mit dieser Klausel ein Geschäfts- oder Marktpotential der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft offengelegt noch vermittelt die Klausel Wettbewerbern Kenntnisse über Kunden oder Kundenlisten.
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Die Klausel § 18.3 des Nutzungsvertrages ist aus sich heraus nur insoweit verständlich, als dort eine Regelung für den Fall getroffen werden soll, dass Fördermittel, welche die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft erhalten hat, durch ein Verhalten der Beklagten zurückgefordert werden. Was in diesem Fall gelten soll, ergibt sich aber nicht aus dieser Klausel, sondern aus dort in Bezug genommenen anderen Vertragsbestimmungen, welche indes von der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums erfasst werden.
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Die Klausel § 19.1 des Nutzungsvertrages regelt die Kündigung des Vertrages. Der Zeitpunkt, zu dem erstmals eine Kündigung möglich ist, ist dabei aber aufgrund der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums nicht offenzulegen. Deshalb würde bei einer Offenlegung der Klausel im Übrigen die Laufzeit des Vertrages den Wettbewerbern nicht bekannt, und damit das Datum geheim bleiben, von dessen Offenlegung die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft Nachteile im Wettbewerb befürchtet.
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Die Klausel § 20.1 des Nutzungsvertrages räumt beiden Vertragsparteien das Recht zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ein, der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft nur für den Vertrag insgesamt. Die Möglichkeit, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, ist als allgemein üblicher Bestandteil eines Vertrages kein exklusives kaufmännisches Wissen, das vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber geschützt werden müsste.
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Die Klauseln § 23.2 und § 23.4 des Nutzungsvertrages verpflichten die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft im Falle der Beendigung des Vertrages, bestimmte Gegenstände zu bestimmten Bedingungen an das nachfolgende Unternehmen zu veräußern. Diese Klauseln müssen, damit sie umgesetzt werden können, ohnedies den Interessenten gegenüber offengelegt werden, die sich namentlich in dem ausdrücklich angesprochenen Vergabeverfahren um die Übernahme des Hafenbetriebs bemühen.
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Die Klausel § 27.1 des Nutzungsvertrages macht die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf Dritte von der vorherigen Zustimmung der Beklagten abhängig. Eine solche Klausel ist weder unüblich noch ist ihre Offenlegung geeignet, Geschäftsstrategien der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft gegenüber Wettbewerbern aufzudecken und ihre Verhandlungsposition zu schwächen.
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Die Klausel § 28 des Nutzungsvertrages bestimmt, soweit mit dem Vertrag Dritten, insbesondere einem nachfolgenden Terminalbetreiber, Rechte gegenüber der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft eingeräumt würden, handele es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Die rechtliche Qualifizierung anderen Orts in dem Vertrag festgelegter Rechte ist für sich für die Wettbewerbsposition unerheblich, zumal die Dritten eingeräumten Rechte ohnedies deren Offenlegung erfordern. Jedenfalls sind die Befürchtungen, welche die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft im Falle der Offenlegung dieser Bestimmung für ihre Position im Wettbewerb hegt, nicht nachvollziehbar. Es ist nicht erkennbar, wieso Wettbewerber und Kunden Rückschlüsse auf ihre Ertrags- und Vermögenslage sollen ziehen können, wenn ihnen die in Rede stehende Bestimmung bekannt würde.
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Die Klausel § 3.5 und § 3.6 des Hafenbahnvertrages regeln Dokumentations-und Informationspflichten der Vertragsparteien im Zusammenhang mit der Funktion der Beklagten als Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Entgegen der pauschalen Auffassung der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft ist nicht erkennbar, wie aus diesen formalen, inhaltlich künftig erst ausfüllungsbedürftigen Regelungen Wettbewerber und Kunden auf neue Marktstrategien, Umsatzquellen und die Umsatzkalkulation der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft sollen schließen können.
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Die Klausel § 3.8 des Hafenbahnvertrages verweist nur auf einen anderen Vertrag, der nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts nicht Gegenstand des Verfahrens ist und der nach der Anlage zur Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums nicht bekannt gegeben wird.
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In der Klausel § 6.3 des Hafenbahnvertrages verpflichtet sich die Beklagte, sich um den Abschluss von neuen Eisenbahninfrastruktur-Anschlussverträgen mit den jeweiligen Netzbetreibern zu bemühen, soweit für Eisenbahninfrastruktur-Anschlüsse zur Zeit kein Vertrag besteht. Die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft befürchtet, mit der Offenlegung dieser Klausel könnte eine bestimmte Geschäftsstrategie offenbar und ihre Umsetzung damit gefährdet werden. Indes versteht es sich von selbst und ist deshalb nicht geheim zu halten, dass die rentable Nutzung von Eisenbahninfrastruktur vom Anschluss anderer Eisenbahninfrastruktur abhängig ist und für vorhandene, aber derzeit vertragslose Anschlüsse Anschlussverträge eingeworben werden müssen.
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Zu der in ihrem Antrag aufgeführten Klausel § 8.3 des Hafenbahnvertrages hat die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft nicht dargelegt, weshalb diese Vertragsbestimmung als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis geschützt sein soll. Das folgt nicht bereits aus der Bezugnahme auf die Klausel § 8.2 des Hafenbahnvertrages, welche nach der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums nicht offengelegt zu werden braucht.
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Die Klauseln § 9.1 bis § 9.3 des Hafenbahnvertrages regeln dessen Beendigung durch Kündigung, die beiden Vertragsparteien in gewissen Zeitabständen ermöglicht wird. Derartige Klauseln sind üblich. Ihre Offenlegung vermag Wettbewerbern keine Kenntnis über die mögliche künftige Geschäftsentwicklung der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft zu verschaffen, wie diese befürchtet.
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Die Klauseln § 1.2 und § 1.3 des Vertrages über die Rückgabe der Hafenbahn regeln, dass zurückzugebende Gegenstände und Vermögenswerte aus Investitionen der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft nach Buchwerten zu bewerten sind und in welchem Verfahren die Buchwerte zu ermitteln sind. Diese verfahrenstechnischen Regeln lassen für sich entgegen der Befürchtung der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft im Falle ihrer Offenlegung keine Rückschlüsse von Wettbewerbern auf die gegenwärtige Vermögens- und Ertragslage der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft zu.
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Die Klauseln § 3.1 bis § 3.4 des Vertrages über die Rückgabe der Hafenbahn verteilen auf die Beklagte und die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft die Lasten, welche sich aus einer Verunreinigung des Bodens oder des Grundwassers durch den Betrieb der Hafenbahn ergeben. Dass eine solche Regelung angesichts des Betriebszweckes der zurückzugebenden Anlage erforderlich ist und für sich daraus ergebende Kosten Vorsorge mit Auswirkungen auf die Kalkulation zu treffen ist, liegt auf der Hand. Konkrete Rückschlüsse auf die Kalkulation lassen sich aber aus der abstrakten und in ihrer konkreten Auswirkung nicht absehbaren Regelung für den Wettbewerber nicht ziehen.
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Aus demselben Grund stellen die Klauseln § 1.3 und § 3.1 bis § 3.4, § 3.5.3 und § 3.6 des Vertrages über die Rückgabe der Hafennebenflächen keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Sie enthalten die gleichen Regelungen wie § 1.3 und § 3.1 bis § 3.4 des Vertrages über die Rückgabe der Hafenbahn. Die im Antrag noch genannten Regelungen in § 3.5, § 3.5.1 und § 3.5.2 werden von der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums erfasst und sind deshalb nicht offenzulegen.
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Nach der Klausel § 2.1 des Mietvertrages über den Skandinavienkai Nord ist die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft berechtigt, die gemietete Fläche zum Abstellen von Fahrzeugen zu nutzen, während jede hiervon abweichende Nutzung der Zustimmung der Beklagten bedarf und insbesondere das Abstellen bzw. die Lagerung von nicht mehr verkehrstauglichen Fahrzeugen, Abfällen und Schrott sowie eine Nutzung zum Wohnen oder dauernden Aufenthalt von Personen grundsätzlich unzulässig sind. Dass bei Flächen, die zum Betrieb eines Hafens hinzugemietet werden, eine eingeschränkte Nutzung als Vertragszweck vereinbart wird, lässt für Wettbewerber, Kunden und Dritte, wird ihnen diese Klausel bekannt, keine Rückschlüsse auf mögliche Marktstrategien der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft zu.
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Die Klausel § 5.1 des Mietvertrages über den Skandinavienkai Nord, der die Konditionen der Miete regelt, ist von der Sperrerklärung des beigeladenen Innenministeriums erfasst und deshalb nicht offenzulegen. Der darüber hinausgehende Antrag bezieht sich auf die Klauseln § 5.2 und § 5.3. Sie regeln die Verzugszinsen und die Behandlung der Umsatzsteuer. Sie sind als übliche und für die Kalkulation unerhebliche Bedingungen nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzustufen.
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Regelungen zur Tragung der Betriebs- und Nebenkosten, wie sie in Klausel § 7.1 des Mietvertrages über den Skandinavienkai Nord enthalten sind, sind als übliche Klauseln nicht geheimhaltungsbedürftig, zumal die Klausel keinen Rückschluss auf die Höhe dieser Kosten und damit auf die Kalkulation der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft zulässt.
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Die Regelung in Klausel § 11 des Mietvertrages über den Skandinavienkai Nord regelt die Pflicht der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft, den Vertragsgegenstand bei Beendigung des Vertrages in dem ursprünglichen oder einem mit der Beklagten vereinbarten Zustand zurückzugeben. Auch dabei handelt es sich um übliche Bedingungen eines Mietvertrages, deren Offenlegung nicht dazu führen kann, dass Wettbewerber oder Kunden ihre Kenntnis über künftige Belastungen der beigeladenen Lübecker Hafen-Gesellschaft zum eigenen Vorteil ausnutzen, wie die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft befürchtet.
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Die Mietverträge Skandinavienkai Borndiek, Schlutupkai I Kühlhaus, Schlutupkai II Ost und Posener Straße LDG enthalten in den jeweiligen Klauseln § 2.1, § 5, § 7.1 und § 11 vergleichbare Regeln wie der Mietvertrag Skandinavienkai Nord. Sie stellen deshalb aus denselben Gründen keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar.
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Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bei der Vermarktung ihrer Hafenflächen in ihrer Wettbewerbsposition durch die Offenlegung der in Rede stehenden Vertragsklauseln in anderer Weise als die beigeladene Lübecker Hafen-Gesellschaft betroffen sein könnte.
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Danach sind die in Rede stehenden Vertragsklauseln nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrem Wesen nach geheim zu halten. Mithin sind bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erfüllt. Unerheblich ist deshalb, ob eine Ermessensentscheidung, würde es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln, zu Gunsten ihrer Geheimhaltung ausfallen dürfte, weil das Auskunftsinteresse des Klägers nur geringes Gewicht hat, wie das Oberverwaltungsgericht meint. Fehlt es an einem Weigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, kann die Verweigerung nicht allein mit Ermessenserwägungen gerechtfertigt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 99 21x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- VwGO § 159 1x
- VwGO § 162 1x