Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 AV 5/16

Gründe

I

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Das um Bestimmung des zuständigen Gerichts nachsuchende Verwaltungsgericht Trier bezweifelt, dass es das zuständige Gericht für das klägerische Begehren ist. Durch Beschluss vom 4. April 2016 hat es den Rechtsstreit an das Amtsgericht Trier verwiesen. Das klägerische Begehren betreffe Vorgänge im Rahmen zweier Verfahren vor dem Amtsgericht Trier und mithin Akte der Rechtsprechung des Amtsgerichts, über die im Rahmen der dort anhängigen Verfahren bzw. im nachfolgenden Instanzenzug zu befinden sei.

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Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 14. Juni 2016 die "Übernahme des Verfahrens" abgelehnt. Es sei kein vom Kläger geltend gemachter Anspruch ersichtlich, der vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit einklagbar wäre.

II

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1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Trier und dem Amtsgericht Trier zuständig. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Nach dieser Vorschrift wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Verwaltungsgericht und einem Amtsgericht lässt sich diese Vorschrift zwar weder unmittelbar anwenden noch gibt es dafür sonst eine gesetzliche Regelung. Die damit gegebene Regelungslücke ist - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2010 - 7 AV 1.10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 29 Rn. 5, vom 31. Mai 2011 - 8 AV 1.11 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 35 Rn. 9, vom 27. Mai 2014 - 6 AV 3.14 - juris Rn. 1 und vom 16. September 2015 - 6 AV 2.15 - juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - NJW 2001, 3631 <3632>).

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2. Für die Klage ist das Amtsgericht Trier zuständig. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist durch den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. April 2016 gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend festgestellt. Die Beteiligten haben den Beschluss nicht mit der Beschwerde angefochten. Er ist deshalb unanfechtbar geworden. Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG tritt selbst bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war oder wenn das Gericht den Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet hat. Mit Rücksicht auf die in § 17a GVG selbst eröffnete Möglichkeit, den Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 ff. GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzliche Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden, etwa wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - 6 AV 1.12 - juris Rn. 4 und vom 27. Mai 2014 - 6 AV 3.14 - juris Rn. 2; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10 - MDR 2011, 253).

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Ein derartiger extremer Rechtsverstoß liegt in dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. April 2016 nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das klägerische Begehren Maßnahmen betrifft, die im Zusammenhang mit zwei Strafverfahren getroffen wurden. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die Durchführung einer Verhandlung vor dem Strafgericht, die Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen und die Anordnung von Leibesvisitationen durch das Strafgericht. Für diesen Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht eröffnet. Es handelt sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn bezüglich der Strafsachen liegt eine abdrängende Sonderzuweisung durch § 13 GVG vor. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der eigentlichen Rechtsprechungsakte (Urteile und Beschlüsse), sondern auch für die den Entscheidungen vorausgehenden gerichtlichen Maßnahmen. Dass es für das Begehren des Klägers bereits prozessual keine Grundlage geben dürfte, ist abschließend durch das im Rechtsweg zuständige Gericht zu beurteilen.

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Darüber hinaus fallen Akte der rechtsprechenden Gewalt, also solche, die der Richter in Wahrnehmung seiner richterlichen Unabhängigkeit wahrgenommen hat, nicht unter den Begriff der öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG, dessen Ausgestaltung § 40 VwGO in erster Linie dient (Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 74). Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nur Schutz "durch den Richter", nicht jedoch auch Schutz "gegen den Richter". In richterlicher Unabhängigkeit werden Richter insbesondere tätig im Bereich der eigentlichen Rechtsprechung im Sinne streitentscheidender Urteils- oder Beschlussfassung (inklusive der Vor- und Zwischenentscheidungen). Dementsprechend wird über § 40 VwGO kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen solche Entscheidungen der Judikative eingeräumt.

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