Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (9. Senat) - 9 B 66/16

Gründe

I

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Die Klägerin wendet sich im Wege der Anfechtungsklage gegen eine straßenaufsichtsbehördliche Abstufungsverfügung. Mit ihr wurden eine Teilstrecke einer Landesstraße sowie zwei Teilstrecken von Kreisstraßen auf dem Stadtgebiet der Klägerin zu Gemeindestraßen abgestuft. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben die Klage abgewiesen.

II

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Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

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Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinn ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 1995 - 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 und vom 16. Juli 2013 - 9 B 15.13 - juris Rn. 5).

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Die aufgeworfene Frage:

Ist es mit dem rechtsstaatlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Willkürverbot) des Grundgesetzes vereinbar, wenn bei einer Behörde, etwa durch jahrelange Missachtung der ihr obliegenden Pflicht zum Erlass gebundener Verwaltungsakte, ein nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bewältigender Stau unerledigter Fälle entstanden ist, aus dem die Behörde jeweils punktuell einen Fall herausgreift und entscheidet, ohne ein Konzept bzw. System vorweisen zu können, das Auskunft darüber gibt, welche sachlichen Gründe für das Herausgreifen eines bestimmten Falles aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle maßgeblich sind?,

erfüllt diese Anforderungen nicht. Denn die Frage betrifft die Auslegung und Anwendung des Landesrechts (hier: des § 38 LStrG) und wirft keine klärungsbedürftige Frage zur Reichweite des im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden bundesverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots auf.

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Zutreffend geht die Beschwerde zunächst davon aus, dass die Klägerin als Gemeinde einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten kann, das Willkürverbot jedoch innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus aufgrund des Rechtsstaatsprinzips gilt (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2004 - 2 BvR 622/03 - NVwZ 2005, 82 = juris Rn. 7). Die Reichweite des bundesrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist bezogen auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber bereits geklärt. Danach besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Reihenfolge beim Gesetzesvollzug nur, soweit die einschlägige Norm Ermessen einräumt (s. BVerwG, Urteile vom 7. Januar 1972 - 4 C 49.68 - BVerwGE 39, 235 <237> und vom 26. Februar 1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92,153 <157>) und darüber hinaus nur, wenn und soweit diese Regelungen erlassen sind, um zumindest auch dem Interesse Einzelner zu dienen (BVerwG, Urteil vom 7. Januar 1972 - 4 C 49.68 - BVerwGE 39, 235<237>). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der betreffenden Norm zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 26. März 1981 - 3 C 134.79 - BVerwGE 62, 86 <98>).

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Nach der nicht revisiblen Auslegung der landesrechtlichen Norm des § 38 LStrG durch das Oberverwaltungsgericht fehlt es wegen der vorgesehenen Rechtsfolge - "ist... umzustufen" - hier bereits an der Voraussetzung einer Einräumung von Ermessen. Das erkennt auch die Beschwerde. Sie hält aber eine Zulassung der Revision für geboten, weil die Rechtsprechung auf "bestimmte Konstellationen bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen" übertragen werden müsse; gemeint sind straßenrechtliche Umstufungsentscheidungen, bei denen nur begrenzte personelle Kapazitäten zur Abwicklung bestünden. Sie legt dabei jedoch nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar, weshalb die Behörde trotz fehlenden Ermessens verpflichtet sein soll, ein der Sachentscheidung vorgelagertes "transparentes, nach sachlichen Kriterien erstelltes Konzept" vorzulegen, das Auskunft darüber gibt, welche Gründe für das Herausgreifen eines bestimmten Falles maßgeblich sind; insbesondere setzt sie sich nicht mit den Argumenten des Oberverwaltungsgerichts dazu auseinander. Danach ist ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran, dass bei der Beseitigung eines unrechtmäßigen Verwaltungsvollzugs eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden soll, nicht ersichtlich.

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Im Übrigen bedarf die Frage auch nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Es ist offenkundig, dass eine Abstufung zur Gemeindestraße, die straßenrechtlich zwingend vorgeschrieben ist, nicht deshalb rechtswidrig ist, weil die Umstufung anderer möglicherweise schon seit längerer Zeit abzustufender Straßen bisher unterblieben ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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