Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 58/20

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 13. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 439,28 € festgesetzt.

Gründe

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1. Die Beteiligten streiten um die Gewä;hrung einer Verwendungszulage nach § 46 BBesG a.F. für den Zeitraum von April 2001 bis Dezember 2007.

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Der Kläger ist Polizeibeamter im Ruhestand. Von Oktober 1998 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des August 2012 war er Kriminaloberkommissar (BesGr A 10) im Dienst der Beklagten. Seit dem Jahr 1999 war er auf höherwertigen Dienstposten eingesetzt.

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Im Jahr 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Zahlung einer Verwendungszulage. Die Beklagte lehnte den Antrag ab und erhob für den Zeitraum vor dem Januar 2008 zugleich die Einrede der Verjährung. Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage für den Zeitraum ab Januar 2008 stattgegeben und sie für den Zeitraum davor abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere ausgeführt:

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Falls dem Kläger für den Zeitraum von April 2001 bis zum Dezember 2007 ein Anspruch auf Verwendungszulage zustehen sollte, wäre der Anspruch jedenfalls nicht durchsetzbar, weil er verjährt sei und die Beklagte die Verjährungseinrede zulässigerweise erhoben habe. Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist sei nicht deshalb aufgeschoben worden, weil der Kläger seinerzeit irrig angenommen habe, dass ihm ein Anspruch auf Verwendungszulage nicht zustehe. Denn die Klageerhebung sei ihm zumutbar gewesen; im Zeitraum vom 31. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2007 habe der Geltendmachung seines Verwendungszulagenanspruchs weder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entgegengestanden noch sei eine Geltendmachung nach dem damaligen Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum in erheblich größerem Maße unsicher gewesen als sonst in Verwaltungsrechtsstreitigkeiten üblich. Das gelte sowohl im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vorübergehend vertretungsweise" in § 46 BBesG a.F. als auch für die Möglichkeit einer Anspruchsberechtigung in Fällen der sog. Topfwirtschaft. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben und stelle keine unzulässige Rechtsausübung dar. Aus Gründen der sparsamen Haushaltsführung sei der Dienstherr gehalten, gegenüber Ansprüchen von Beamten die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Dies verstoße nur dann gegen Treu und Glauben, wenn ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn den Berechtigten veranlasst habe, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen; dies sei hier nicht der Fall.

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2. Die Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).

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Die beiden in der Beschwerde des Klägers aufgeworfenen Fragen betreffen ausgelaufenes Recht, nämlich die früher in § 46 BBesG a.F. geregelte Verwendungszulage. Der Bundesgesetzgeber hat § 46 BBesG a.F. durch das Siebte Besoldungsänderungsgesetz vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2163) mit Wirkung vom 1. Januar 2016 aufgehoben. Auch im Bereich der Beklagten ist die Übergangsvorschrift aus Anlass des Wegfalls der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes in § 79 des Bremischen Besoldungsgesetzes (in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2016, Brem.GBl. 2016 S. 924) am 30. April 2019 außer Kraft getreten. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Beantwortung der Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist, was in der Beschwerdebegründung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden muss (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2018 - 2 B 38.18 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 11 Rn. 12 m.w.N.). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegend gegeben ist, kann dahinstehen, weil die beiden von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind oder sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden, so dass die Zulassung der Revision ohnehin nicht in Betracht kommt.

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a) Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, ob die Erhebung einer Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auch dann - im Kontext der Verjährung - zumutbar ist, wenn der Wortlaut einer Norm einen Anspruch offenkundig ausschließt und ob es bei der Beurteilung eines Anspruchsausschlusses auf den objektiven Empfängerhorizont des Normadressaten oder den objektiven Meinungsstand in Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur ankommt, ist sie - ungeachtet dessen, ob die so gestellte Frage insgesamt entscheidungserheblich wäre - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

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Nach dem auch für Besoldungsansprüche maßgeblichen § 199 Abs. 1 BGB, der im Streitfall gemäß der Übergangsregelung in Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 EGBGB Anwendung findet, beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). Dass der Gläubiger aus dieser Kenntnis auch die richtigen Rechtsfolgerungen zieht, wird nicht vorausgesetzt. Die Rechtsunkenntnis des Gläubigers kann den Beginn der Verjährung deshalb nur ausnahmsweise hinausschieben. Dies ist anzunehmen, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Entscheidend für den Beginn der Verjährung ist die Zumutbarkeit der Klageerhebung. Zumutbar ist die Erhebung einer Klage bereits dann, wenn sie erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos ist. Dem Berechtigten muss danach nicht jedes mit der Erhebung der Klage verbundene Risiko genommen sein (BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2020 - 2 C 8.19 - BVerwGE 168, 220 Rn. 34 und - 2 C 20.19 - Buchholz 232.01 § 54 BeamtStG Nr. 2 Rn. 27, jeweils m.w.N.).

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Hieraus ergibt sich, dass es nicht auf den Empfängerhorizont der möglicherweise Anspruchsberechtigten, sondern auf den Kenntnisstand eines rechtskundigen Dritten ankommt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht entschieden. Hinsichtlich des von der Beschwerde für das Tatbestandsmerkmal "vorübergehend vertretungsweise" in § 46 BBesG a.F. reklamierten wortlautbedingten offenkundigen Anspruchsausschluss für Fälle einer dauerhaften Dienstpostenübertragung ist darauf hinzuweisen, dass ein - ggf. vermeintlich - klarer Wortlaut einer Norm auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung kein eigenständiger Aspekt bei der Frage der Zumutbarkeit der Klageerhebung ist, sondern lediglich im Rahmen der Einschätzung des rechtskundigen Dritten von Bedeutung sein kann. Von einer Eindeutigkeit kann im vorliegenden Fall auch nicht ausgegangen werden; das Berufungsgericht hat zutreffend auf die uneinheitliche und zum Teil einen Anspruch durchaus bejahende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bereits im hier maßgeblichen Zeitraum verwiesen.

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b) Auch soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, in welchem Maße der Dienstherr gegenüber seinen Beamten unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, des Willkürverbots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Gleichbehandlung verpflichtet ist, wenn er davon absieht, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, bzw. unter welchen Umständen es dem Dienstherrn verwehrt ist, sich gegenüber Ansprüchen eines Beamten auf den Eintritt der Verjährung zu berufen, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Die Frage - soweit sie überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Form zu beantworten wäre - ist nicht entscheidungserheblich.

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Nach der Feststellung im Berufungsurteil betrifft das Rundschreiben der Beklagten vom 19. Dezember 2019 - auf das die Beschwerde der Klägerin die Annahme stützt, die Beklagte erhebe in anderen Fällen der Geltendmachung von Verwendungszulagenansprüchen nicht die Einrede der Verjährung - nur Ansprüche ab dem Jahr 2008. Das Rundschreiben ist deshalb für den vorliegenden Fall von Ansprüchen bis zum Jahr 2007 nicht einschlägig. Selbst wenn man mit der Beschwerde annimmt, dass auch für den nachfolgenden Zeitraum ab dem Jahr 2008 ein Teil der geltend gemachten Ansprüche bereits verjährt ist, wäre die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde geht davon aus, dass die Beklagte gegenüber rund 300 für den Zeitraum ab 2008 anspruchsberechtigten Personen trotz Eintritts der Verjährung die Verj8;hrungseinrede nicht erheben wird. Unabhängig davon, ob dem Berufungsurteil hinreichende Tatsachenfeststellungen zu entnehmen sind, die den in der vorstehenden Frage enthaltenen Gleichbehandlungs- und Willkürverstoß tragen, liegt es auf der Hand, dass der Aspekt einer - der Sache nach damit angestrebten - "Befriedung" der Problematik ab einem gewissen Zeitpunkt ein willkürfreier Grund für das Vorgehen der Beklagten ist. Für einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn fehlt es an jeglichen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts, die hierfür einen Anhaltspunkt geben könnten.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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