Beschluss vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 12 V 10/04

Tatbestand

 
(Überlassen von Datev)
I .
Bei der Antragstellerin (ASt) handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde im Jahr 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital beträgt DM 50.000,-. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist Herr ... Gegenstand des Unternehmens ist laut Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag der Handel mit Computerteilen.
Aufgrund einer Prüfung der Steuerfahndungsstelle (Steufa) beim Finanzamt ... (Ermittlungsverfahren "...") und den daraus resultierenden Feststellungen (vgl. Strafrechtlicher und steuerlicher Ermittlungsbericht vom 05. Dezember 2002, Bl 6 ff der Steuerfahndungsakte) erließ der Antragsgegner (Ag) mit Datum vom 04. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie mit Datum vom 07. Juli 2003 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für die Monate Januar und Februar 2001. Die Änderungen erfolgten wegen nach den Ermittlungen der Steufa nichtabzugsfähigen Vorsteuern (keine Lieferungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes mangels Verschaffung der Verfügungsmacht) in Höhe von DM 20.071.462,08 (ger. EUR 10.262.376,-) im Jahr 1999, DM 20.777.535,11 (ger. EUR 10.623.385,-) im Jahr 2000 und DM 2.095.858,12 (ger. EUR 1.071.595,-) bei den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2001. Die in den Ausgangsrechnungen ausgewiesene und entrichtete Umsatzsteuer blieb unverändert, da die Umsatzsteuer aus den Ausgangsrechnungen nach § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG geschuldet werde. Hieraus resultierten Nachzahlungsansprüche zu Lasten der ASt in Höhe von EUR 10.262.375,46 zuzüglich Zinsen in Höhe von EUR 1.385.417,00 für das Jahr 1999, EUR 10.616.077,56 zuzüglich Zinsen in Höhe von EUR 560.602,00 für das Jahr 2000 sowie EUR 1.071.594,82 für die Monate Januar und Februar 2001.
Nach den Ermittlungen der Steufa hat sich die ASt an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Die ASt nahm innerhalb des Karussells die Stellung eines sog. Buffers II ein. Sie bezog dabei ihre Waren nahezu ausschließlich von einem anderen Buffer (Firma ... GmbH) und verkaufte sie an weitere, an dem Karussell beteiligte Firmen, insbesondere an die Firma ... AG als sog. Distributor. Hierbei ist es nach Berechnungen der Steufa auch zu Doppel- und Mehrfachdurchläufen derselben Ware gekommen (über den gesamten Prüfungszeitraum berechnete sie, dass 10 Prozent der gehandelten Waren nicht nur einmal, sondern mehrfach bezogen und weiterverkauft wurden). Nach den Feststellungen im Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts ... gegen Verantwortliche der Firma ... GmbH (Az: 3 KLs 59 Js 6992/01) war die ASt an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt.
Wegen der Rückstände wurde bei der ASt eine Kontopfändung in das Firmenkonto bei der ... (Kontonummer: ...) in Höhe von EUR 879.422,- - ausgebracht.
Gegen die geänderten Bescheide hat die ASt, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben vom 07. August 2003 Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung beantragt. Über die Einsprüche ist bislang, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden. Aussetzung der Vollziehung wurde durch den Ag mit Bescheid vom 23. Dezember 2003 gewährt, allerdings gegen Sicherheitsleistung in Höhe des bereits gepfändeten Betrages von EUR 879.422,-.
Mit beim Finanzgericht Baden-Württemberg am 30. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz beantragt die ASt, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz.
Zur Begründung trägt sie mit Schriftsatz vom 30. Januar im wesentlichen sinngemäß wie folgt vor:
Der Antrag sei zulässig, da aufgrund der nur gegen Sicherheitsleistung gewährten Aussetzung eine teilweise Ablehnung ihres Antrages erfolgt sei.
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Weiter sei der Antrag auch begründet. Hierbei seien mehrere Teilaspekte zu beachten. Zwischen der tatsächlich existierenden Firma ... GmbH sowie den sonstigen Lieferanten und der tatsächlich existierenden ASt seien aufgrund schuldrechtlicher Vertragsvereinbarungen die in den jeweiligen Eingangsrechnungen der ASt ersichtlichen CPU-Boxen auf dem Firmengelände körperlich angeliefert worden. Sämtliche Lieferanten der ASt seien im Handelsregister eingetragene GmbH's, die den Unternehmerbegriff des § 2 UStG unabhängig von der Rechtsform durch die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit ebenso wie die Selbständigkeit der Unternehmensverantwortlichen bei der Frage, an wen sie die Computerteile liefern würden, wie auch durch das regelmäßige Geschäftsauftreten nach außen, erfüllten. Der ursprünglich im Strafverfahren erhobene Vorwurf einer kriminellen Vereinigung habe gegenüber den Zulieferfirmen nie bestanden und sei auch gegenüber den Verantwortlichen der ... GmbH nicht weiterverfolgt worden.
11 
Die Vermutung der Ermittlungsbehörden eines bis nach Deutschland hinein straff organisierten länderübergreifenden Umsatzsteuerkarussells habe sich nicht bestätigt. Die ASt habe mit den im wesentlichen von der Firma ... GmbH erworbenen CPU's über Jahre hinweg in Form von Weiterverkauf und Weiterbelieferung von bereits mit den Kunden zuvor telefonisch vereinbarten Warenbewegungen gehandelt. Der Leistungsbezug stehe damit außer Frage. Die vorliegenden Eingangsrechnungen würden nicht nur den leistenden Unternehmer und den Leistungsempfänger bezeichnen. Es würde auch konkret der Leistungsgegenstand und die Steuernummer des leistenden Unternehmens benannt sowie die Umsatzsteuer und die geschuldete Steuer gesondert ausgewiesen. Außerdem entspreche die leistende Firma jeweils dem Rechnungsaussteller, ebenso wie die ASt als empfangende Firma immer auch der Rechnungsadressat gewesen sei. Die formalen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug seien damit erfüllt. Die ASt sei demnach zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die abgerechneten Leistungen tatsächlich bezogen worden seien und selbst nach den Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle zwischen Rechnungsaussteller und Leistungsempfänger nicht ernsthaft von einem Scheingeschäft auszugehen sei. Insbesondere die Argumentation des Finanzgerichts Hessen (Beschluss vom 24. November 2003 6 V 3662/03, EFG 2004, 305) spreche für die Antragstellerin. Danach sei der Leistende anhand zivilrechtlicher Vereinbarungen zu bestimmen und selbst der Strohmann regelmäßig als Leistender anzusehen. Die gegenteilige Entscheidung des Finanzgerichts Saarland (Beschluss vom 13. Mai 2003 1 V 22/03, EFG 2003, 1049) sei unzutreffend, da der für Umsatzsteuerkarusselle hervorgehobene Ausnahmezustand, der es rechtfertige Rechtsgrundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs unberücksichtigt zu lassen, nicht hinreichend konkretisierbar sei. Hinzu komme, dass hinsichtlich der ASt Gutgläubigkeit vorliege. Schließlich spreche für die vollständige Abzugsfähigkeit der Vorsteuer die im Zusammenhang mit dem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz eingefügte Vorschrift des § 25 d UStG als Haftungstatbestand für schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer. Das Ziel des neuen Haftungstatbestandes bestehe erkennbar darin, mit dem Haftungsanspruch gegen den berechtigten Vorsteueranspruch aufrechnen zu können. Die für die Schaffung des Haftungstatbestandes maßgeblichen Überlegungen dürften bei tatsächlich erfolgten Warenlieferungen im Rahmen eines Karussells von einer Vorsteuerabzugsberechtigung ausgegangen sein. Die nachträglich verschärfte Rechtslage könne der ASt nicht angelastet werden. Die neue Regelung zeige im Umkehrschluss, dass in Fällen wie dem Vorliegenden ein Vorsteuerabzug auf der Buffer-Ebene nicht versagt werden könne. Dies ergebe sich auch aus dem in der 6. EG-Richtlinie verankerten Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.
12 
Da der Rechtsbehelf der ASt mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde und die wirtschaftliche Existenz der ASt bei Aufrechterhaltung der Sicherheitsleistung auf dem Spiel stünde, stelle die vom Antragsgegner gewährte Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar, so dass dem Antrag (zumindest teilweise) stattzugeben sei.
13 
Die Antragstellerin beantragt,
14 
die Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide 1999 und 2000, jeweils vom 04. Juli 2003 sowie die geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für Januar und Februar 2001, jeweils vom 07. Juli 2003, in Höhe der zuletzt mit Verfügung des Finanzamts ... vom 23. Dezember 2003 angesetzten Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 879.422,- aufzuheben , sowie die Beiziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären .
15 
Der Antragsgegner beantragt,
16 
den Antrag als unbegründet abzuweisen .
17 
Die Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs sei Grundvoraussetzung für eine Aussetzung und schließe nicht aus, dass diese nur gegen Sicherheitsleistung erfolge. Nur wenn mit Gewissheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerbürger günstiger Prozessausgang zu erwarten sei, sei auf eine Sicherheitsleistung zu verzichten. Diese Voraussetzungen lägen aber nach summarischer Prüfung nicht vor.
18 
Die Voraussetzungen des § 15 Nr. 1 UStG lägen bei der Antragstellerin nicht vor, da sie die Waren, die im Rahmen des vorliegenden Umsatzsteuerkarussells gelaufen seien, nicht für ihr Unternehmen bezogen habe. § 2 UStG setze voraus, dass ein Unternehmer mit seinem Unternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Hieran fehle es, da die ASt nur im Rahmen eines künstlichen Gebildes tätig werde und sie insoweit keine unternehmerische Disposition über das Karussellgeschäft hinaus ausübe. Nur zusätzlich sei das Vorliegen von Lieferungen im vorliegenden Karussellgeschäft zu verneinen. Nach den Ermittlungen der Ermittlungsgruppe ... habe der Angestellte der ASt ..., dessen Verhalten der ASt zuzurechnen sei, von der Durchführung des Karussells gewusst. Nur durch sein gezieltes Handeln habe diese am Karussellgeschäft erfolgreich partizipieren können. Eine Gutgläubigkeit der ASt sei damit nicht gegeben, worauf es für die Versagung des Vorsteuerabzugs im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells entsprechend den Ausführungen des Finanzgerichts Saarland (Beschluss vom 13. Mai 2003, a.a.O.) aber letztlich nicht ankomme.
19 
Der Steueranspruch sei ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung gefährdet, da es aufgrund der wirtschaftlichen Lage der ASt nicht sicher sei, ob diese bei Rechtskraft die Forderung erfüllen könne. Nach eigenen Angaben habe die ASt seit März 2003 ihre aktive Geschäftstätigkeit weitgehend eingestellt, die Kreditlinie sei mit EUR 250.000,- ausgeschöpft und nach einer vorläufigen Bilanz zum 31. Dezember 2002 seien keine nennenswerten Vermögenswerte ersichtlich, die zur Erfüllung des Anspruchs herangezogen werden könnten. Bei Rechtskraft der Steuerforderung drohe vielmehr die Insolvenz der ASt. Auch die Höhe des Steueranspruchs sei so beträchtlich, dass schon aus diesem Grunde eine Gefährdung des Anspruchs nicht auszuschließen sei.
20 
Schließlich verstoße die Sicherheitsleistung auch nicht gegen das Übermaßverbot, denn sie betrage weniger als 5 % des Steueranspruchs. Um trotz des öffentlichen Sicherungsbedürfnisses die ASt in ihrer wirtschaftlichen Freiheit so wenig wie möglich zu beschränken, habe sich der Ag bei Festsetzung der Sicherheitsleistung an dem Vermögenswert orientiert, welcher bereits gepfändet worden sei. Es werde bestritten, dass allein diese Sicherungsmaßnahme die Existenz der ASt bedrohe. Zu erwähnen sei, dass die ASt auch nach der Pfändung des Firmenkontos umfangreiche Geschäfte getätigt habe. Allein im 1. Quartal 2003 hätten die Umsätze EUR 2.390.000,- betragen. Nach Angaben der ASt hätten diese Geschäfte getätigt werden können, weil die Kreditlinie damals bei weitem nicht ausgeschöpft gewesen sei. Wegen der Berücksichtigung von Zumutbarkeitsgesichtspunkten habe der Ag auf die Festsetzung einer Sicherheitsleistung über die Höhe des schon gepfändeten Betrages hinaus verzichtet, so dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei.
21 
Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte nebst Anlagenband sowie den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (jeweils 1 Band Umsatzsteuer-, Rechtsbehelfs-, Steuerfahndungs-, Bilanz- und Allgemeine Akten) entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
II .
22 
Der Antrag ist zulässig, da der Antrag der ASt auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch den Ag teilweise abgelehnt worden ist. Die ASt ist insoweit durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung beschwert.
23 
Der Antrag ist auch begründet.
24 
Nach der Vorschrift des § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag durch das Gericht der Hauptsache ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. u.a. BFH - Beschluss vom 04. April 1996 V S 1/96, BFH/NV 1996, 795 m.w.N.).
25 
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung setzt im Rahmen der einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung voraus, dass andernfalls die Durchsetzung des Steueranspruchs im Falle des Unterliegens des Rechtsuchenden in der Hauptsache gefährdet oder erschwert erscheint (BFH-Beschlüsse vom 28. August 1989 X S 13/88, BFH/NV 1990, 310; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515 und vom 17. Januar 1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491). Das öffentliche Interesse der Vermeidung von Steuerausfällen nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH muss allerdings zurücktreten, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist oder wenn er zur Sicherheitsleistung außer Stande ist.
26 
Letztere Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
27 
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der entsprechende Art. 17 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie) bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
28 
Eine Lieferung liegt nach § 3 UStG dann vor, wenn der Unternehmer einem anderen Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft. Nach dem entsprechenden Art. 5 der 6. EG-Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
29 
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug. Entsprechende Tatsachen sind im Aussetzungsverfahren glaubhaft zu machen. Verbleibende Zweifel können eine Aussetzung der Vollziehung ausschließen oder rechtfertigen; entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls und das Gewicht der Gründe, die Anlass zu Zweifeln geben.
30 
Aus den Ermittlungsakten ergibt sich, dass die Ware (CPU's) tatsächlich bei der ASt angeliefert worden ist, die diese dann mit einem Gewinnaufschlag weiterveräußert und weitergeliefert hat (Blatt 41 ff der Steufa-Akte). Nach Auffassung des Antragsgegners fehlt es dennoch mangels Verschaffung der Verfügungsmacht an einer Lieferung, da die Geschäfte nach einem vorgegebenen Schema abgeschlossen worden seien und die ASt deshalb nicht frei bezüglich des Umgangs mit der Ware gewesen sei. Auch sei der endgültige Übergang der Ware auf einen Abnehmer oder Endverbraucher nie angestrebt worden, da nur der schnelle, mehrfache Durchlauf den eigentlichen Zweck des Systems erfülle (Blatt 29 der Steufa-Akte). Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Durch die Anlieferung und Weiterveräußerung der Ware ist es zu einem Eigentums- und Besitzwechsel an der Ware gekommen, so dass von Lieferungen im umsatzsteuerlichen Sinne und damit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug auszugehen ist. Allein das Eingebundensein in ein festes Zuliefer- und Abnehmersystem kann demgegenüber nicht dazu führen, dass keine Verfügungsmacht verschafft würde. Dies entspricht einer gängigen Praxis und ist zur Vermeidung von Lieferantenausfällen nicht unüblich. Andernfalls müsste gerade bei Auftragslieferungen oder Auftragsfertigungen im Zulieferbereich, die oftmals mit nur einem Großkunden in Lieferbeziehung stehen, stets das Vorliegen einer Lieferung verneint werden. Auch ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht, dass die ASt gezwungen gewesen wäre, ihre Ware vom Buffer I (der Firma ... GmbH) zu erwerben und insbesondere an die Firma ... AG zu veräußern. Nach den Ermittlungen der Steufa bestand durchaus zumindest eingeschränkt die Möglichkeit, selbständig zu agieren.
31 
Auch die weitere Argumentation des Antragsgegners, dass die ASt die Ware nicht für ihr Unternehmen bezogen habe, da sie nur im Rahmen eines künstlichen Gebildes tätig geworden sei und damit nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe, kann seitens des erkennenden Senats nicht geteilt werden. Nach dem maßgeblichen Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger und damit dem Grunde nach als vorsteuerabzugsberechtigt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit (hierunter fallen nach Abs. 2 u.a. alle Tätigkeiten eines Händlers) selbständig und unabhängig vom Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Da die ASt als Händlerin aufgetreten ist, tatsächlich Lieferungen erfolgt sind und auch eine Selbständigkeit nicht ernsthaft bezweifelt werden kann (eine Fremdbestimmung lässt sich aus den Ermittlungen der Steufa jedenfalls nicht ableiten), sind die notwendigen Voraussetzungen insoweit gegeben. Die Konstruktion eines künstlichen Gebildes in Form eines Umsatzsteuerkarussells mit der Folge der Verneinung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, auf der Ebene des sog. Buffer II den Vorsteuerabzug zu verneinen. Bei real existierenden Firmen und tatsächlich erfolgten Lieferungen kann von keinem künstlichen Gebilde ausgegangen werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der eigentliche Schaden beim Umsatzsteuerkarussell in der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch den Missing Trader besteht. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch den Lieferanten, kann jedoch nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs beim Abnehmer führen, da insoweit keine Verknüpfung besteht. In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung des neuen, für die Streitjahre noch nicht anwendbaren Haftungstatbestandes nach § 25 d UStG zu sehen (eingefügt durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3922), die im Haftungsweg diese (bislang nicht bestehende) Verknüpfung schafft.
32 
Im Übrigen steht die Argumentation des Antragsgegners nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH). Hiernach fallen Lieferungen und Waren, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale weder in den Verkehr gebracht noch in den Wirtschaftskreislauf eingezogen werden können, wie Betäubungsmittel oder Falschgeld nicht in den Regelungsbereich der 6. EG-Richtlinie. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der Erhebung der Mehrwertsteuer verbietet jedoch, abgesehen von Fällen, in denen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist, eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften (EUGH-Urteile vom 11. Juni 1998 C 283/95, EuGHE I 1998, 3369; vom 28. Mai 1998 C 3/97, EuGHE I 1998, 3257). Da CPU's auch außerhalb von (betrügerischen) Umsatzsteuerkarussellen vertrieben werden, handelt es sich auch bei den Lieferungen im Rahmen des Umsatzsteuerkarussells um mehrwertsteuerpflichtige Lieferungen.
33 
Schließlich stellt die Vorgehensweise des Antragsgegners und der übrigen beteiligten Finanzämter auf der Grundlage der steuerlichen Beurteilung des Ermittlungsberichts der Steufa vom 05. Dezember 2002 unter einem weiteren Gesichtspunkt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer dar. Danach schulde der Missing Trader die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Beim Buffer I (... GmbH) und Buffer II sei der Vorsteuerabzug zu versagen (keine Lieferung, fehlende Unternehmereigenschaft, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung des Missing Traders bzw. des Buffer I nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG); die Umsatzsteuer werde jedoch nach § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG geschuldet. Beim Distributor (... AG) sei der Vorsteuerabzug aus den gleichen Gründen wie bei den Buffern zu versagen, eine Besteuerung der Ausgangsumsätze sei nicht möglich. Dass durch diese Vorgehensweise das Neutralitätsgebot verletzt wird, ist offensichtlich. Der Steuerausfall des Fiskus beschränkt sich auf die vom Missing Trader nicht abgeführte Umsatzsteuer. Dieser Steuerausfall wird jedoch dadurch überkompensiert, dass bei den nachfolgenden Gliedern der Lieferkette jeweils der Vorsteuerabzug versagt und die ausgewiesene und abgeführte Umsatzsteuer als nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldet behandelt wurde. Selbst wenn man also der Annahme des Antragsgegners folgen würde, dass mangels Lieferung ein Vorsteuerabzug im Karussell nicht gegeben ist, so wäre mit der Entrichtung der in den verwendeten Ausgangsrechnungen gesondert ausgewiesenen Beträge die Gefährdung des Steueraufkommens zunächst rechtzeitig und vollständig beseitigt worden (vgl. BFH-Urteil vom 08. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517; BFH/NV 2001, 998). Zwar würde das Gleichgewicht wieder gestört, wenn der ASt die Umsatzsteuer erlassen würde, ohne dass auf Seiten der Abnehmer der Vorsteuerabzug rückabgewickelt würde. Allerdings ist hier dann zu berücksichtigen, dass seitens der Finanzverwaltung der Vorsteuerabzug in der Kette versagt worden ist und damit seitens der Finanzverwaltung die Neutralität durch Berichtigung der Umsatzsteuer wieder herzustellen ist, da seitens der ASt insoweit keine Einwirkungsmöglichkeiten bestehen und dieser auch unbekannt ist, inwieweit gegebenenfalls erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei den Abnehmern erfolgreich gewesen sind. Hierzu bedarf es auch keines Berichtigungsantrages, da der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer von Amts wegen zu beachten ist. Die Berichtigung wäre auch im gleichen Veranlagungszeitraum mit der Versagung des Vorsteuerabzugs durchzuführen, da insoweit eine unmittelbare Verknüpfung besteht und Versagung des Vorsteuerabzugs und Schulden der ausgewiesenen Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG auf der gleichen Causa (Teilnahme an Umsatzsteuerkarussell) beruhen.
34 
Entsprechend diesen Ausführungen ist nach Ansicht des erkennenden Senats ein in der Hauptsache für die ASt günstiger Prozessausgang zu erwarten. Darüber hinaus ist die ASt zu einer Sicherheitsleistung offensichtlich außerstande. Zwar verfügt der Antragsgegner durch die ausgebrachte Kontopfändung bereits über die angeordnete Sicherheitsleistung. Allerdings ruht unwidersprochen mittlerweile der Geschäftsbetrieb, die Kreditlinie ist ausgeschöpft und es droht die Insolvenz. Nennenswerte Vermögenswerte sind ausweislich der Bilanzakten nicht vorhanden.
35 
Die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist anzuordnen, da die ASt nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag und den aus den Bilanzen bekannten Vermögenswerten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen müsste und die ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung damit sinnlos wäre.
36 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
37 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 151 Abs. 1 FGO.
38 
Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich bei dem behördlichen Aussetzungsverfahren (vgl. § 361 Abs. 2 AO bzw. § 69 Abs. 2 FGO) nicht um ein Vorverfahren im Verhältnis zum gerichtlichen Aussetzungsverfahren (vgl. u.a. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgaben- und Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 126). Zum anderen ist - anders als für das Klageverfahren (vgl. § 44 Abs. 1 FGO) - die Durchführung eines vorherigen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (= Vorverfahren) nicht Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. § 69 Abs. 4, 7 FGO). Die für die Hinzuziehung eines Beistandes in einem Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung einer Vollziehungsaussetzung aufgewandten Kosten sind somit nicht notwendig im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
39 
Die Beschwerde wird nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Karussellgeschäften eine divergierende Rechtsprechung der Finanzgerichte besteht und beim BFH gegen den Beschluss des Hessischen Finanzgerichts (a.a.O.) bereits ein Beschwerdeverfahren anhängig ist (Az. BFH: V B 243/03).

Gründe

 
II .
22 
Der Antrag ist zulässig, da der Antrag der ASt auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch den Ag teilweise abgelehnt worden ist. Die ASt ist insoweit durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung beschwert.
23 
Der Antrag ist auch begründet.
24 
Nach der Vorschrift des § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag durch das Gericht der Hauptsache ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. u.a. BFH - Beschluss vom 04. April 1996 V S 1/96, BFH/NV 1996, 795 m.w.N.).
25 
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung setzt im Rahmen der einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung voraus, dass andernfalls die Durchsetzung des Steueranspruchs im Falle des Unterliegens des Rechtsuchenden in der Hauptsache gefährdet oder erschwert erscheint (BFH-Beschlüsse vom 28. August 1989 X S 13/88, BFH/NV 1990, 310; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515 und vom 17. Januar 1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491). Das öffentliche Interesse der Vermeidung von Steuerausfällen nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH muss allerdings zurücktreten, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist oder wenn er zur Sicherheitsleistung außer Stande ist.
26 
Letztere Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
27 
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der entsprechende Art. 17 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie) bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
28 
Eine Lieferung liegt nach § 3 UStG dann vor, wenn der Unternehmer einem anderen Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft. Nach dem entsprechenden Art. 5 der 6. EG-Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
29 
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug. Entsprechende Tatsachen sind im Aussetzungsverfahren glaubhaft zu machen. Verbleibende Zweifel können eine Aussetzung der Vollziehung ausschließen oder rechtfertigen; entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls und das Gewicht der Gründe, die Anlass zu Zweifeln geben.
30 
Aus den Ermittlungsakten ergibt sich, dass die Ware (CPU's) tatsächlich bei der ASt angeliefert worden ist, die diese dann mit einem Gewinnaufschlag weiterveräußert und weitergeliefert hat (Blatt 41 ff der Steufa-Akte). Nach Auffassung des Antragsgegners fehlt es dennoch mangels Verschaffung der Verfügungsmacht an einer Lieferung, da die Geschäfte nach einem vorgegebenen Schema abgeschlossen worden seien und die ASt deshalb nicht frei bezüglich des Umgangs mit der Ware gewesen sei. Auch sei der endgültige Übergang der Ware auf einen Abnehmer oder Endverbraucher nie angestrebt worden, da nur der schnelle, mehrfache Durchlauf den eigentlichen Zweck des Systems erfülle (Blatt 29 der Steufa-Akte). Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Durch die Anlieferung und Weiterveräußerung der Ware ist es zu einem Eigentums- und Besitzwechsel an der Ware gekommen, so dass von Lieferungen im umsatzsteuerlichen Sinne und damit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug auszugehen ist. Allein das Eingebundensein in ein festes Zuliefer- und Abnehmersystem kann demgegenüber nicht dazu führen, dass keine Verfügungsmacht verschafft würde. Dies entspricht einer gängigen Praxis und ist zur Vermeidung von Lieferantenausfällen nicht unüblich. Andernfalls müsste gerade bei Auftragslieferungen oder Auftragsfertigungen im Zulieferbereich, die oftmals mit nur einem Großkunden in Lieferbeziehung stehen, stets das Vorliegen einer Lieferung verneint werden. Auch ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht, dass die ASt gezwungen gewesen wäre, ihre Ware vom Buffer I (der Firma ... GmbH) zu erwerben und insbesondere an die Firma ... AG zu veräußern. Nach den Ermittlungen der Steufa bestand durchaus zumindest eingeschränkt die Möglichkeit, selbständig zu agieren.
31 
Auch die weitere Argumentation des Antragsgegners, dass die ASt die Ware nicht für ihr Unternehmen bezogen habe, da sie nur im Rahmen eines künstlichen Gebildes tätig geworden sei und damit nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe, kann seitens des erkennenden Senats nicht geteilt werden. Nach dem maßgeblichen Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger und damit dem Grunde nach als vorsteuerabzugsberechtigt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit (hierunter fallen nach Abs. 2 u.a. alle Tätigkeiten eines Händlers) selbständig und unabhängig vom Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Da die ASt als Händlerin aufgetreten ist, tatsächlich Lieferungen erfolgt sind und auch eine Selbständigkeit nicht ernsthaft bezweifelt werden kann (eine Fremdbestimmung lässt sich aus den Ermittlungen der Steufa jedenfalls nicht ableiten), sind die notwendigen Voraussetzungen insoweit gegeben. Die Konstruktion eines künstlichen Gebildes in Form eines Umsatzsteuerkarussells mit der Folge der Verneinung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, auf der Ebene des sog. Buffer II den Vorsteuerabzug zu verneinen. Bei real existierenden Firmen und tatsächlich erfolgten Lieferungen kann von keinem künstlichen Gebilde ausgegangen werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der eigentliche Schaden beim Umsatzsteuerkarussell in der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch den Missing Trader besteht. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch den Lieferanten, kann jedoch nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs beim Abnehmer führen, da insoweit keine Verknüpfung besteht. In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung des neuen, für die Streitjahre noch nicht anwendbaren Haftungstatbestandes nach § 25 d UStG zu sehen (eingefügt durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3922), die im Haftungsweg diese (bislang nicht bestehende) Verknüpfung schafft.
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Im Übrigen steht die Argumentation des Antragsgegners nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH). Hiernach fallen Lieferungen und Waren, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale weder in den Verkehr gebracht noch in den Wirtschaftskreislauf eingezogen werden können, wie Betäubungsmittel oder Falschgeld nicht in den Regelungsbereich der 6. EG-Richtlinie. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der Erhebung der Mehrwertsteuer verbietet jedoch, abgesehen von Fällen, in denen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist, eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften (EUGH-Urteile vom 11. Juni 1998 C 283/95, EuGHE I 1998, 3369; vom 28. Mai 1998 C 3/97, EuGHE I 1998, 3257). Da CPU's auch außerhalb von (betrügerischen) Umsatzsteuerkarussellen vertrieben werden, handelt es sich auch bei den Lieferungen im Rahmen des Umsatzsteuerkarussells um mehrwertsteuerpflichtige Lieferungen.
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Schließlich stellt die Vorgehensweise des Antragsgegners und der übrigen beteiligten Finanzämter auf der Grundlage der steuerlichen Beurteilung des Ermittlungsberichts der Steufa vom 05. Dezember 2002 unter einem weiteren Gesichtspunkt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer dar. Danach schulde der Missing Trader die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Beim Buffer I (... GmbH) und Buffer II sei der Vorsteuerabzug zu versagen (keine Lieferung, fehlende Unternehmereigenschaft, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung des Missing Traders bzw. des Buffer I nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG); die Umsatzsteuer werde jedoch nach § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG geschuldet. Beim Distributor (... AG) sei der Vorsteuerabzug aus den gleichen Gründen wie bei den Buffern zu versagen, eine Besteuerung der Ausgangsumsätze sei nicht möglich. Dass durch diese Vorgehensweise das Neutralitätsgebot verletzt wird, ist offensichtlich. Der Steuerausfall des Fiskus beschränkt sich auf die vom Missing Trader nicht abgeführte Umsatzsteuer. Dieser Steuerausfall wird jedoch dadurch überkompensiert, dass bei den nachfolgenden Gliedern der Lieferkette jeweils der Vorsteuerabzug versagt und die ausgewiesene und abgeführte Umsatzsteuer als nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldet behandelt wurde. Selbst wenn man also der Annahme des Antragsgegners folgen würde, dass mangels Lieferung ein Vorsteuerabzug im Karussell nicht gegeben ist, so wäre mit der Entrichtung der in den verwendeten Ausgangsrechnungen gesondert ausgewiesenen Beträge die Gefährdung des Steueraufkommens zunächst rechtzeitig und vollständig beseitigt worden (vgl. BFH-Urteil vom 08. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517; BFH/NV 2001, 998). Zwar würde das Gleichgewicht wieder gestört, wenn der ASt die Umsatzsteuer erlassen würde, ohne dass auf Seiten der Abnehmer der Vorsteuerabzug rückabgewickelt würde. Allerdings ist hier dann zu berücksichtigen, dass seitens der Finanzverwaltung der Vorsteuerabzug in der Kette versagt worden ist und damit seitens der Finanzverwaltung die Neutralität durch Berichtigung der Umsatzsteuer wieder herzustellen ist, da seitens der ASt insoweit keine Einwirkungsmöglichkeiten bestehen und dieser auch unbekannt ist, inwieweit gegebenenfalls erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei den Abnehmern erfolgreich gewesen sind. Hierzu bedarf es auch keines Berichtigungsantrages, da der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer von Amts wegen zu beachten ist. Die Berichtigung wäre auch im gleichen Veranlagungszeitraum mit der Versagung des Vorsteuerabzugs durchzuführen, da insoweit eine unmittelbare Verknüpfung besteht und Versagung des Vorsteuerabzugs und Schulden der ausgewiesenen Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG auf der gleichen Causa (Teilnahme an Umsatzsteuerkarussell) beruhen.
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Entsprechend diesen Ausführungen ist nach Ansicht des erkennenden Senats ein in der Hauptsache für die ASt günstiger Prozessausgang zu erwarten. Darüber hinaus ist die ASt zu einer Sicherheitsleistung offensichtlich außerstande. Zwar verfügt der Antragsgegner durch die ausgebrachte Kontopfändung bereits über die angeordnete Sicherheitsleistung. Allerdings ruht unwidersprochen mittlerweile der Geschäftsbetrieb, die Kreditlinie ist ausgeschöpft und es droht die Insolvenz. Nennenswerte Vermögenswerte sind ausweislich der Bilanzakten nicht vorhanden.
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Die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist anzuordnen, da die ASt nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag und den aus den Bilanzen bekannten Vermögenswerten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen müsste und die ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung damit sinnlos wäre.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 151 Abs. 1 FGO.
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Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich bei dem behördlichen Aussetzungsverfahren (vgl. § 361 Abs. 2 AO bzw. § 69 Abs. 2 FGO) nicht um ein Vorverfahren im Verhältnis zum gerichtlichen Aussetzungsverfahren (vgl. u.a. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgaben- und Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 126). Zum anderen ist - anders als für das Klageverfahren (vgl. § 44 Abs. 1 FGO) - die Durchführung eines vorherigen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (= Vorverfahren) nicht Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. § 69 Abs. 4, 7 FGO). Die für die Hinzuziehung eines Beistandes in einem Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung einer Vollziehungsaussetzung aufgewandten Kosten sind somit nicht notwendig im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
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Die Beschwerde wird nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Karussellgeschäften eine divergierende Rechtsprechung der Finanzgerichte besteht und beim BFH gegen den Beschluss des Hessischen Finanzgerichts (a.a.O.) bereits ein Beschwerdeverfahren anhängig ist (Az. BFH: V B 243/03).

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