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| I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat zu Unrecht Krankentaggelder in Höhe von 24.311 EUR dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG unterworfen. |
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| 1. Der Bundesrepublik Deutschland steht entweder nach Art. 15a oder Art. 21 des DBA-Schweiz als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die dem Kläger ausbezahlten Krankentaggelder zu (vgl. Urteil des BFH vom 29. April 2009 X R 31/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2009, 1625). |
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| 2. Bei den von der Arbeitgeberin jeweils in Höhe des Monatslohns ausbezahlten Beträgen für den Zeitraum bis August 2016 handelt es sich nicht um Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. |
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| a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben den Gehältern und Löhnen u.a. auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird für eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Einnahmen im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen. Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist. Auch Leistungen eines Dritten können Arbeitslohn sein, wenn ein Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Dienstverhältnis besteht. Kein Arbeitslohn liegt demgegenüber vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BStBl II 2008, 826 m.w.N.). |
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| Soweit Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis, welches die Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes absichert, auf eigene - nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende - Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht werden, liegt nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, a.a.O. und BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2000 VI B 108/98, BFH/NV 2000, 836 und vom 13. April 2005 IV B 172/04, juris). Denn in diesem Fall begründe bereits der Anspruch auf diese Leistung einen Zufluss von Arbeitslohn. Das sich aus der Versorgungszusage ergebende Versprechen des Arbeitgebers werde bereits mit Zahlung der Beiträge erfüllt (BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 VI R 19/92, BStBl II 1994, 246). |
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| Etwas anderes gelte aber in den Fällen, in denen sich der Arbeitgeber zur Finanzierung arbeitsrechtlicher Ansprüche rückversichert und selbst alleiniger Anspruchsberechtigter gegenüber dem Versicherungsunternehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, a.a.O.und BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2000 VI B 108/98, a.a.O. und vom 13. April 2005 IV B 172/04, a.a.O.). |
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| b) Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, handelt es sich bei den strittigen Beträgen nicht um Arbeitslohn. |
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| aa) Zwar könnte die verwendete Formulierung „Monatslohn“ in den monatlichen Gehaltsauszügen dafür sprechen, dass dem Kläger Lohn ausbezahlt wurde. Jedoch erfolgte die Auszahlung im Hinblick auf die erwarteten Krankentaggelder der K, die diese der Arbeitgeberin ausrichtete. Dementsprechend „verrechnete“ die Arbeitgeberin in den Lohnausweisen für Mai 2016 bis September 2016 den jeweiligen „Monatslohn“ mit den Krankentaggeldern, indem sie die ihr von der K ausbezahlten Krankentaggelder dem Kläger gutschrieb und sofort wieder als Minusbetrag in gleicher Höhe abzog. Dem Schweizer Lohnausweis kommt bei der Einkommensteuerveranlagung im Inland ebenso wenig wie der deutschen Lohnsteuerbescheinigung konstitutive Wirkung des Inhalts zu, dass dort als Bruttolohn angegebene Beträge als Arbeitslohn anzusehen und Einwendungen gegen den Lohncharakter ausgeschlossen seien, wie auch umgekehrt der Nachweis zulässig ist, dass Arbeitslohn nicht erfasst worden ist. Durch diese Urkunden wird das Verwaltungsverfahren lediglich im Normalfall vereinfacht. Jedoch wird nicht die Feststellung und Bewertung von Zuflüssen im Einzelfall erübrigt (BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, a.a.O.). Allein aus der verwendeten Formulierung „Lohn“ ergibt sich daher nicht, dass es sich bei den strittigen Zahlungen um Lohn der Arbeitgeberin gehandelt hat. Der Senat sieht diese Zahlungen in der Höhe nicht als Lohnzahlungen an, in der die Arbeitgeberin dem Kläger die ihr von der K überwiesenen Krankentaggelder als Korrekturposten wieder vom Monatslohn abzog. Diese Zahlungen stellen aus Sicht des Senats teilweise vorweggenommene Leistungen aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung dar, da die Arbeitgeberin die dem Kläger als „Monatslohn“ ausbezahlten Beträge mit den Krankentaggeldern der K „verrechnete“. Dass die Arbeitgeberin dem Kläger keinen Lohn in Höhe der später ausgerichteten Krankentaggelder auszahlen wollte, lässt sich auch daran erkennen, dass sie den Betrag in Höhe der ihr ausbezahlten Krankentaggelder nicht in die Berechnung der Beiträge zur AHV einbezog. Denn in Art. 5 Abs. 2 Schweizer Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) ist Krankentaggeld nicht als „maßgebender Lohn“ aufgeführt, von dem ein Beitrag für die AHV erhoben wird, sodass Krankentaggelder nicht AHV-pflichtig sind (s. Bundesamt für Sozialversicherungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter folgendem Link: www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/informationen-fuer/kmu/fall-zu-fall/krankheit.html). |
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| bb) Die dem Kläger ausbezahlten Krankentaggelder sind auch deswegen keine Lohnzahlungen, weil sie aus Versicherungsansprüchen resultierten, die ihm deswegen unmittelbar gegenüber der K zustanden, da seine Arbeitgeberin ihrer aus dem Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2011 und aus dem Personalreglement eingegangenen Verpflichtung nachgekommen ist, eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abzuschließen. |
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| Der Kläger ist Versicherter der von seiner Arbeitgeberin mit der K abgeschlossenen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung. Nach Art. 5 Nr. 1 AVB bestimmt die Versicherungspolice die Versicherten. Zwar liegt dem Senat die Versicherungspolice nicht vor, jedoch ist Art. 10 AVB zu entnehmen, dass der versicherte Kreis die Arbeitnehmer umfasst. So beginnt nach dessen Nr. 1 die Versicherung für jeden Versicherten mit dem Tag seines Dienstantritts im Unternehmen, und die Nr. 2 regelt die Versicherungsdeckung nach einem unbezahlten Urlaub des Versicherten. Da Art. 2 Nr. 3 AVB ausdrücklich auf das VVG als rechtliche Grundlage des Vertrags Bezug nimmt, umfasst diese auch Art. 87 VVG, der den Versicherten und damit auch dem Kläger ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer zuerkennt. Dieses direkte Forderungsrecht darf nach Art. 98 Satz 1 VVG weder in den AVB noch im Versicherungsvertrag zuungunsten des Arbeitnehmers geändert werden. |
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| Nachdem sich das aus der Versorgungszusage ergebende Versprechen des Arbeitgebers bereits mit Zahlung der Beiträge erfüllt hat, da K die Krankentaggelder auf Ansprüche des Klägers zu erbringen hatte, sind die strittigen Krankentaggelder kein Arbeitslohn.Dementsprechend handelt es sich jedoch bei den Beitragsleistungen der Arbeitgeberin des Klägers zur Kollektiv-Krankentaggeldversicherung um Arbeitslohn (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1999 VI R 60/96, BStBl II 2000, 406, und vom 29. April 2009 X R 31/08, a.a.O.) |
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| cc) Die ausbezahlten Versicherungsleistungen stellen auch keine Leistung aus einer Rückversicherung des Arbeitgebers dar. Zwar war die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag für 3 Monate und nach Art. 324a OR für einen gewissen Zeitraum, Lohn weiter zu entrichten. Insofern könnte wenigstens für den Zeitraum dieser arbeitsvertraglich vereinbarten Lohnfortzahlungspflicht bzw. für die sich aus Art. 324a OR ergebende „beschränkte Zeit“ eine Rückversicherung des Arbeitgebers bestanden haben. Der Senat sieht jedoch für eine Rückversicherung als kennzeichnend an, dass Versicherter der Arbeitgeber ist, der sich selbst für das Risiko „Lohnfortzahlung“ versichert. Versicherter ist im vorliegenden Streitfall jedoch der jeweilige Arbeitnehmer, der einen direkten Anspruch auf Krankentaggeld nach Art. 87 VVG hat, während sein Arbeitgeber diesen Anspruch nicht selbst geltend machen kann (vgl. Urteil Schweizerisches Bundesgericht - BGE - vom 20. Januar 1994 120 V 38, unter folgendem Link: www.bger.ch). Im Übrigen bestimmt Art. 101 Satz 1 Nr. 1 VVG, dass das VVG keine Anwendung auf Rückversicherungsverträge findet, sodass der Senat davon ausgeht, dass auch nach schweizerischem Recht der hier vorliegende Vertrag über die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung kein Rückversicherungsvertrag ist. |
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| Gegen die Annahme einer Rückversicherung spricht ferner, dass nach schweizerischem Recht Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Lohn bei einer gleichwertigen Regelung gemäß Art. 324a Abs. 4 OR verlieren. Das bedeutet, dass sich die Arbeitgeberin mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags und den diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Lohnfortzahlungspflicht entledigt hat (vgl. Urteil des BGE vom 20. Januar 1994 120 V 38, a.a.O.). Eine Regelung sei jedenfalls dann gleichwertig, wenn sie „bei hälftiger Prämienteilung Taggelder von 80% des Lohnes während maximal 720 innert 900 Tagen ausrichtet“ (vgl. Online-Handbuch der Koordination Schweiz GmbH unter folgendem Link: https://www.koordination.ch/de/online-handbuch/krankentaggeld/lohnfortzahlungspflicht und Urteil des BGE vom 5. Dezember 2002 4C.275/2002 unter folgendem Link: www.koordination.ch/fileadmin/files/urteile/andere/4c_275_2002.pdf). Läge eine Gleichwertigkeit der Regelung nicht vor, bliebe die Leistungspflicht des Arbeitgebers gemäß Art. 324a Abs. 1 bis 3 OR bestehen (vgl. Online-Handbuch der Koordination Schweiz GmbH a.a.O.). Dafür, dass im Streitfall nicht von einer Gleichwertigkeit ausgegangen werden kann, gibt es keine Anhaltspunkte. |
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| dd) Dadurch, dass die Arbeitgeberin in die Auszahlung der Versicherungsleistungen eingeschaltet ist und sie an den Arbeitnehmer weiterleitet, werden diese nicht zu Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, a.a.O. und BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2000 VI B 108/98, a.a.O. und vom 13. April 2005 IV B 172/04, a.a.O.). Nach Ansicht des Senats gilt dies auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber - wie in der Schweiz bei Leistungen aus kollektiven Krankentaggeldversicherungen nicht unüblich - die Versicherungsleistungen vorweg dem Arbeitnehmer ausbezahlt und die erhaltenen Krankentaggelder der kollektiven Krankentaggeldversicherung später mit den bereits ausbezahlten Beträgen verrechnet. |
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| 3. Aufgrund der im Klageverfahren vorgelegten Police über die Einzel-Krankentaggeldversicherung ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger auch im Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 Krankentaggelder zugeflossen sind, die ebenso wenig als Arbeitslohn anzusehen sind, weil der Kläger die Einzelkrankentaggeldversicherung für die Zeit nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses abgeschlossen hat. Somit können die ihm nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugeflossenen Krankentaggelder keine Gegenleistung für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft darstellen. |
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| 4. Es kann dahinstehen, ob in den aufgrund der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung und der Einzel-Krankentaggeldversicherung ausbezahlten Krankentaggeldern Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG zu sehen sind. Denn das Krankentaggeld unterliegt nicht der Einkommensteuer. |
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| a) Gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG sind u.a. Leistungen aus einer Krankenversicherung steuerfrei. Das von der K ausbezahlte Krankentaggeld stellt eine „Leistung aus einer Krankenversicherung“ im Sinne des § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Unerheblich ist, ob es sich um eine inländische oder ausländische Krankenversicherung handelt, da § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG nur eine Auszahlung aus „einer Krankenversicherung“ voraussetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, a.a.O.). |
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| b) Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl I 2014, 1266, BStBl. I 2014, 1126) wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 der § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG neu eingeführt. Gemäß § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG sind mit den in den Nr. 1 bis 2 Buchstabe d genannten Leistungen vergleichbare Leistungen ausländischer Rechtsträger, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet oder in der Schweiz haben, steuerfrei. Das ausbezahlte Krankentaggeld der K ist „eine mit der Nummer 1 Buchst. a vergleichbare Leistung eines ausländischen Rechtsträgers, der seinen Sitz in der Schweiz hat“. Somit ergibt sich die Steuerbefreiung des Krankentaggelds der K im Streitzeitraum auch aus § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG. |
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| 5. Das im Streitjahr vom Kläger bezogene Krankentaggeld unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt. Entgegen der Auffassung des Beklagten und entgegen dem Schreiben der OFD Karlsruhe vom 30. September 2009, S 2255/250-St 133 (a.a.O.) gilt das sowohl für das aufgrund der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung als auch für das aufgrund der Einzel-Krankentaggeldversicherung ausbezahlte Krankentaggeld. |
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| a) Die dem Kläger ausbezahlten Krankentaggelder werden nicht von § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG umfasst. Nach dieser Vorschrift ist ein besonderer Steuersatz anzuwenden, wenn ein Steuerpflichtiger in einem Veranlagungszeitraum u.a. Krankengeld nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Dieser besondere Steuersatz ergibt sich, wenn - bezogen auf den Streitfall - bei der Berechnung der Einkommensteuer das Krankengeld dem zu versteuernden Einkommen hinzugezählt wird (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG - Progressionsvorbehalt). Bei der zu berücksichtigenden Leistung muss es sich um eine aus der gesetzlichen Krankenversicherung handeln. Leistungen privater Krankenversicherungen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt, da sie nicht auf den in Nr. 1 Buchst. b genannten Sozialversicherungsgesetzen beruhen (BFH-Urteile vom 26. November 2008 X R 59/06, BFH/NV 2009, 739 und vom 13. November 2014 III R 36/13, BStBl II 2015, 563, Kuhn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 292. Lieferung 06.2019, § 32b EStG Rn. 82 f, Schmidt/Heinicke, EStG, 38. Auflage 2019, § 32b Rn. 11). Da die Leistungen an den Kläger aus einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bzw. aus einer schweizerischen Einzel-Krankentaggeldversicherung nach VVG resultieren und damit von einer privaten Versicherung gezahlt wurden, unterfallen sie mithin nicht dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG. |
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| b) Das schweizerische Krankentaggeld unterfällt auch nicht § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. k EStG. Nach dieser durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (a.a.O.) eingeführten Vorschrift ist ab dem Veranlagungszeitraum 2015 ein besonderer Steuersatz anzuwenden, sofern ein Steuerpflichtiger nach § 3 Nr. 2 Buchstabe e EStG steuerfreie Leistungen bezogen hat, wenn vergleichbare Leistungen inländischer öffentlicher Kassen nach den Buchstaben a bis j des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem Progressionsvorbehalt unterfallen. |
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| Das Krankentaggeld kann in der Schweiz nach zwei verschiedenen Gesetzen versichert werden, und zwar einerseits gestützt auf das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und andererseits gestützt auf das VVG. Die Taggeldversicherung nach dem VVG beruht auf einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag und kann nach Art. 87 VVG auch als Kollektivversicherung abgeschlossen werden. Im Streitfall resultieren die dem Kläger ausgezahlten Taggelder aus einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bzw. aus einer Einzel-Krankentaggeldversicherung nach dem VVG und damit auf einer privaten Versicherung. |
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| aa) Es kann dahinstehen, ob § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. k EStG überhaupt in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen sich die Steuerfreiheit einer Leistung neben § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG bereits aus § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG ergibt. |
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| bb) Denn das von der K bezogene Krankentaggeld stellt keine einer inländischen öffentlichen Kasse vergleichbare Leistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG dar, auch wenn der jeweilige Zweck der Leistungen die – in der Regel reduzierte – Lohnfortzahlung bei längerem Krankheitsausfall ist. |
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| aaa) Das von der K bezogene Krankentaggeld unterscheidet sich vom gesetzlichen Krankengeld in seiner Ausgestaltung in privater Organisationsform. Im Gegensatz zum gesetzlichen Krankengeld nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ist es keine Leistung einer gesetzlichen Krankenkasse als Träger öffentlicher Verwaltung. |
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| bbb) Ein gewichtiger Unterschied ergibt sich auch aus der Ausgestaltung des schweizerischen Krankentaggelds in Form einer freiwilligen Versicherung. Obligatorisch ist in der Schweiz gemäß Art. 3 Abs. 1 KVG nur die Krankenversicherung. Ein Krankentaggeld gehört nicht zum Leistungsumfang der schweizerischen Krankenkassen und ist dementsprechend auch nicht in den Art. 24 ff. KVG, welche den Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung umschreiben, aufgeführt. Der Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ist in der Schweiz somit gesetzlich nicht verpflichtend. Das Krankengeld der gesetzlichen deutschen Krankenkasse nach § 44 SBG V hingegen stellt eine gesetzlich vorgeschriebene Regelleistung dar, die mit den normalen Beiträgen zur Krankenversicherung abgegolten ist. |
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| ccc) Im Gegensatz zum Krankengeld der gesetzlichen deutschen Krankenkasse sind hinsichtlich Höhe, Dauer und Voraussetzung der Leistung eines schweizerischen Krankentaggelds die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgebend (vgl. dazu Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 27. Juli 2017 731 16 246/190 unter folgendem Link: https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/gerichte/rechtsprechung/kantonsgericht). |
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| Denn das VVG enthält außer in Art. 87 VVG keine spezifischen Bestimmungen zum Krankentaggeld. Somit gilt in der Taggeldversicherung nach dem VVG der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Eine Aufnahmepflicht der Versicherer gibt es im Gegensatz zu den deutschen gesetzlichen Krankenkassen mithin nicht. Nur für den Übertritt in die Einzelversicherung bestimmt Art. 11 AVB, dass Personen, die nicht mehr zum Kreis der Versicherten gehören, das Recht haben, ihre Versicherungsdeckung beim Versicherer als Einzelversicherte fortzuführen. Versicherungsvorbehalte für bestehende Krankheiten können zeitlich unbefristet angebracht und bestimmte Krankheitsrisiken von der Leistungspflicht ausgenommen werden. Auch Höhe und Dauer der Leistungen können frei vereinbart werden (vgl. hierzu Schweizer Bundesamt für Gesundheit zur freiwilligen Taggeldversicherung unter folgendem Link: www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-versicherte-mit-wohnsitz-in-der-schweiz/freiwillige-taggeldversicherung.html). Für die Einzelversicherung bestimmen Art. 11 Nr. 3 AVB, dass „allfällige im Rahmen des Kollektivvertrags festgelegte Vorbehalte“ auch beim Übertritt in die Einzelversicherung aufrechterhalten werden, und Art. 11 Nr. 4 AVB, dass die Person Anspruch auf die bisher versicherten Leistungen und Bedingungen hat. |
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| Damit können sich erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Höhe, der Dauer und der Voraussetzungen zu dem von deutschen gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Krankengeld ergeben. So endet der Anspruch auf Taggeld z.B. nach Art. 10 Nr. 3 Buchst. a AVB, wenn der Versicherte nicht mehr zum Kreis der Versicherten zählt und nach Art. 10 Nr. 3 Buchst. c nach Ablauf eines zeitlich begrenzten Arbeitsvertrags. Gemäß Art. 11 Nr. 6 Buchst. c AVB haben Personen, die einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, kein Anrecht auf den Übertritt in die Einzelversicherung. Die deutschen gesetzlichen Krankenkassen müssen im Gegensatz dazu auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Krankengeld bezahlen, sofern die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit noch während des Beschäftigungsverhältnisses aufgetreten ist (s. § 44 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Nach Art. 10 Nr. 3 Buchst. j AVB i.V.m. Art. 22 Nr. 4 Satz 3 AVB ruht die Leistungspflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers, während die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber für einen gesetzlich versicherten Arbeitnehmer in Deutschland keine Auswirkungen auf seinen Anspruch auf Krankengeld hat. |
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| ddd) Für die Nichtvergleichbarkeit des schweizerischen Krankentaggelds nach dem VVG mit dem Krankengeld der gesetzlichen deutschen Krankenkassen spricht auch die Nichteinbeziehung des Krankengelds einer privaten deutschen Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG. Nach der Rechtsprechung des BFH durfte der Gesetzgeber zwischen den Krankengeldern der unterschiedlichen Krankenkassen differenzieren (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 2008 X R 53/06, a.a.O. und vom 13. November 2014 III R 36/13, a.a.O.). Ausschlaggebend waren für den BFH die unterschiedliche Ausgestaltung in öffentlich-rechtlicher bzw. privater Organisationsform und die dadurch bedingten unterschiedlichen Grundstrukturen sowie die unterschiedliche Ausrichtung durch das Solidarprinzip bei der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und das Äquivalenzprinzip bei der privaten Krankenversicherung andererseits. Auch das Krankentaggeld der K ist vergleichbar mit der privaten deutschen Krankenversicherung eine Leistung einer privaten Versicherung. Art. 23 AVB ist zu entnehmen, dass K die Höhe der Prämie aufgrund der Entwicklung der „Schadenfälle“, aufgrund veränderter Verhältnisse oder bedeutender Änderungen in der Zusammensetzung des Versichertenkreises anpassen kann. Somit geht der Senat davon aus, dass sich die Bemessung der Prämienhöhe neben der Höhe und dem Umfang des versicherten Lohnes auch nach dem Versicherungsrisiko der Versicherten richtet und damit eher dem Äquivalenzprinzip der privaten deutschen Krankenversicherung entspricht. |
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| cc) Ferner spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. k EStG (vgl. Bundesrats-Drucksache 184/14, 77 ff.) für die Nichteinbeziehung des aufgrund der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bzw. aufgrund der Einzel-Krankentaggeldversicherung ausbezahlten Krankentaggelds in den Progressionsvorbehalt. Nach der Gesetzesbegründung nimmt die Neufassung des § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG „auch bestimmte Sozialleistungen“ aus EU-/EWR-Staaten und aus der Schweiz von der Besteuerung aus, die dem Progressionsvorbehalt unterfallen. Das Krankentaggeld der K stellt keine solche Sozialleistung dar, da sie eine Leistung eines privaten schweizerischen Versicherers ist. |
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| II. Dass der am 8. Mai 2019 verkündete und bei der Geschäftsstelle hinterlegte Tenor als Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung den Monat Oktober angibt, ist eine offenbare Unrichtigkeit und wird im Rahmen des vollständigen Urteils gemäß § 107 FGO berichtigt. |
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| III. Die aufgrund der vorstehenden Ausführungen gebotene Festsetzung der Einkommensteuer 2016 wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). |
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| V. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung. |
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| VI. Die Revision war zuzulassen, weil der Frage, ob die Leistungen aus der schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach dem VVG dem Progressionsvorbehalt unterliegen, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). |
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