Entscheidung vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 2617/19

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Streitig ist die Berichtigung von in (Anzahlungs-)Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen im Jahr 2013 (Streitjahr).
1. Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Ges GmbH, (nachfolgend: Ges, Handelsregister des Amtsgerichts --AG- X HRB xxx, Vertragsakten, Bl. 89 ff.). Gegenstand des Unternehmens waren u.a. die Entwicklung und der Vertrieb von Blockheizkraftwerken (BHKW). Die Ges berechnete ihre Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten.
Die Firma der Ges wurde am xx.xx. 2011 im Handelsregister eingetragen (vormals [ ___ ]). Geschäftsführer der Ges waren ein a A (nachfolgend: A, vom xx.xx. 2011 bis zum xx.xx. 2013) und ein b B (nachfolgend: B, vom xx.xx. 2011). A und B hielten jeweils Geschäftsanteile i.H. von 12.500 Euro (Notarieller Vertrag vom 3. August 2011, B. 7, Vertragsakten, Bl. 49). Aufgrund eines Gläubigerinsolvenzantrags einer C GmbH (nachfolgend: C-GmbH) wurde über das Vermögen der Ges mit Beschluss des AG X am xx.xx. 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet (Az xxx, Allgemeine Akte, Bl. 48 f.). Am 21. Juli 2016 wurde die Ges im Handelsregister gelöscht.
2. Ab Ende des Jahres 2011 bis März 2013 bot die Ges Investitionen in den Betrieb von BHKW an. Es wurden etwa 118 BHKW an mindestens 57 Kunden verkauft. Die Ges gab dabei vor, dass die BHKW an mehreren Standorten, unter anderem in angeblich fünf bestehenden sog. Heizhäusern in P, G, H, L und N in Betrieb genommen werden sollten (Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums X, Kriminalpolizeidirektion Y vom xx.xx. 2015, S. 17, Gerichtsakte, Bl. 55 und Gutachten des Klägers vom 20. Mai 2014, S. 3, Allgemeine Akte, Bl. 38).
Dabei konnten die Kunden zwischen zwei Optionen wählen:
Bei Option I wurde ein BHKW zum Preis von 225.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer angeboten. Grundsätzlich war vorgesehen, dass 50% des Kaufpreises (von Ges als Abschlagszahlung bezeichnet) nach Auftragserteilung, 40% nach Anlieferung (Bereitstellung) am Betriebsort und 10% nach Inbetriebnahme fällig sein sollten. Die Inbetriebnahme sollte jeweils spätestens sechs Monate nach Auftragserteilung erfolgen (Auftragsbestätigung BHKW vom 30. Mai 2012, Gerichtsakte, Bl. 132 f.). In der Auftragsbestätigung einer D GmbH vom 5. März 2013 (nachfolgend: D-GmbH) war allerdings davon abweichend eine Abschlagszahlung von 90% sofort nach Auftragserteilung fällig. Die Inbetriebnahme sollte ca. drei bis vier Wochen nach Erteilung des Auftrags erfolgen (Gerichtsakte, Bl. 139).
Als Option II wurde angeboten, dass für jedes BHKW von dem Kunden eine Anzahlung i.H. von 40.000 Euro zuzüglich 7.600 Euro Umsatzsteuer zu leisten war. Der Restbetrag des Kaufpreises von 185.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer sollte bei einer E GmbH,  in Z (nachfolgend: E-GmbH) über einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von acht Jahren finanziert werden (Auftragsbestätigung BHKW vom 30. Mai 2012, Gerichtsakte, Bl. 133 und Arrestklage der C-GmbH gegen die Ges, Landgericht -LG- M, Urteil vom xx.xx. 2013  xxx, Gerichtsakte, Bl. 39 ff.).
Zudem wurde sowohl bei Option I als auch Option II ein „ -- Paket “ für 8.200 Euro netto pro Jahr angeboten. Es beinhaltete die Verwaltung, Wartung und den Versicherungsschutz des BHKW.
Weitere Vertragsbedingungen waren, dass die Vertragsdauer mit dem Monat der Inbetriebnahme des BHKW beginnt und mit Ablauf des achten Kalenderjahres nach der Inbetriebnahme endet. Garantiert wurde dem Kunden eine „Abschlagszahlung pro BHKW KWK 150“ von 5.000 Euro pro Monat (brutto) im ersten Jahr. Die Abschlagszahlung sollte sich nach den Vergütungen für die Energieeinspeisung, den Antriebskosten und den Kosten für das -- Paket berechnen. Wurde ein Leasingvertrag abgeschlossen (Option II), sollte die Abschlagszahlung zudem um die monatliche Leasinggebühr gekürzt werden (Auftragsbestätigung BHKW vom 30. Mai 2012, Gerichtsakte, Bl. 134).
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Im Zusammenhang mit einer „Wirtschaftlichkeitsberechnung“ der Ges wird weiter ausgeführt, dass es sich um ein Leasing mit einem Eigenkapitalanteil i.H. von 40.000 Euro handele. Nach Abzug der Leasingrate i.H. von monatlich ca. 2.670 Euro verbleibe ein Überschuss i.H. von 2.580 Euro aus der monatlichen Abschlagszahlung von 5.250 Euro. Der Überschuss fließe an den Investor zurück und sichere somit das eingesetzte Eigenkapital. Der Leasingvertrag laufe acht Jahre. Danach flössen dem Investor alle weiteren Einnahmen „ohne Abzug“ zu (Rb-Akte, Bl. 24).
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Mit Ausnahme der D-GmbH wählten alle Kunden die Option II und überwiesen einen Betrag von brutto 47.600 Euro (Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums X, Kriminalpolizeidirektion Y vom xx.xx. 2015, S. 17, Gerichtsakte, Bl. 55).
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3. Am 6. Dezember 2011 schloss die Ges einen Vertrag über die Wärmelieferung mit einer W GmbH & Co. KG, P (nachfolgend: W-KG) und am 17. Januar 2012 einen Vertrag über den Bezug von Biomethangas mit einer V GmbH, Q (nachfolgend: V-GmbH). Die BHKW sollten mit den geleisteten Zahlungen der Kunden und der Finanzierung durch die E-GmbH bei einer MB AG (nachfolgend: MB-AG) erworben werden. Am 25. November 2011 bestellte die Ges deshalb zwölf BHKW. Sechs dieser BHKW wurden im Zeitraum vom 12. Dezember 2011 bis 2. März 2012 an den Standort P geliefert. Nachdem die Ges in der Folge nicht bzw. nicht fristgerecht zahlte, wurden keine weiteren BHKW von der MB-AG ausgeliefert. Am 18. Januar 2012 schloss die Ges mit einer F GmbH, T (nachfolgend: F-GmbH) einen Kaufvertrag über zwölf BHKW. Da die vereinbarte Anzahlung von der Ges nicht geleistet wurde, erfolgte keine Lieferung. Am 30. Januar 2012 schloss die Ges mit der E-GmbH einen Rahmenforderungskaufvertrag. Da diese für die Finanzierung keinen Partner fand, wurde vereinbart, dass die Ges selbst die Finanzierung des Restkaufpreises i.H. von 185.000 Euro übernimmt, wobei die E-GmbH in die Refinanzierung eingebunden sein sollte.
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Keines der Heizhäuser hat seinen Betrieb aufgenommen. Spätestens seit xx.xx. 2013 ist die Ges zahlungsunfähig. Von der Ges wurden weder BHKW geliefert noch sonstige vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Kunden oder der E-GmbH erfüllt. Das LG M stellte in seinem Urteil vom xx.xx. 2013 xxx zum (S. 3 f., Gerichtsakte, Bl. 41 f.) fest, dass die Kaufverträge als Investment zu verstehen gewesen und von der Ges auch so in den Verkaufsprospekten bezeichnet worden seien. Die BHKW hätten für die Kunden gekauft und dann übereignet werden sollen. Die zugesicherten Erträge seien durch einen Liefervertrag über Biomethangas mit einer Laufzeit von zehn Jahren und festen Bezugspreisen als abgesichert dargestellt worden. Das ursprüngliche Konzept der Ges, welches auf einer Stromerzeugung mit umgerüsteten Schiffsmotoren aus pflanzlichen Ölen und Wärmelieferungen an die W-KG basiert habe, sei gescheitert. Die W-KG habe die Abnahmeverträge mit der Ges gekündigt. Deshalb habe die Ges von Kleinanlegern Geld eingesammelt. Die Anzahlungen seien aber nicht zweckbestimmt, sondern zum Schließen von finanziellen Lücken verwendet worden. Die Ges habe die in den Kaufverträgen vereinbarten Zahlungen ab Juni 2012 nicht mehr geleistet. Seit diesem Zeitpunkt seien die Kunden von der Ges hingehalten und vertröstet worden. Im März 2013 habe die Ges eingeräumt, keine BHKW gekauft, sondern die Anzahlungen zur Fertigstellung der Heizhäuser verwendet zu haben (LG M, Urteil vom xx.xx. 2013  xxx, S. 3 f., Gerichtsakte, Bl. 41 f.).
14 
4. Am 11. März 2014 wurden das Firmengebäude der Ges sowie die Wohnungen von F und B durchsucht (Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums X, Kriminalpolizeidirektion Y vom xx.xx. 2015, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 53). Mit Urteil des AG Ö vom xx.xx. 2015 wurden A und B wegen des gemeinschaftlichen Betruges und Insolvenzverschleppung und der B außerdem wegen Bankrotts schuldig gesprochen. Der B wurde zu einer Gesamtfreiheitsstraße von einem Jahr und neun Monaten, der A von einem Jahr und drei Monaten verurteilt (Gerichtsakte, Bl. 60 ff.).
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5. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ges am xx.xx. 2014 meldete der Beklagte am 25. Juni 2014 zunächst einen Gesamtbetrag (Forderung aus Umsatzsteuer 2012 bis 2014 einschließlich steuerlicher Nebenleistungen) i.H. von 691.687,51 Euro zur Eintragung in die Insolvenztabelle an. Auf die Umsatzsteuer für 2012 entfielen 145.711,90 Euro und auf die Umsatzsteuer für 2014 38.000 Euro (Allgemeine Akte, Bl. 56 ff. und Bl. 144). Auf die Umsatzsteuer des Streitjahres entfielen zunächst 497.396,11 Euro (= Umsatzsteuerbetrag 226.860 Euro + bereits ausgezahlte bzw. umgebuchte Umsatzsteuer 270.536,11 Euro, lt. Steuerberechnung vom 18. Juni 2014, USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 6 f.). Dem widersprach der Kläger (vgl. beglaubigter Auszug aus der Insolvenztabelle, Allgemeine Akte, Bl. 62 und 144). Mit Schreiben vom 27. August 2014 wurde der Kläger gebeten, die Gründe hierfür mitzuteilen (Allgemeine Akte, Bl. 75).
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Sodann gab der Kläger in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 22. Oktober 2014 vereinbarte Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von ./. 4.290.202 Euro und Vorsteuerbeträge i.H. von 17.794,66 Euro an. Er errechnete einen Umsatzsteuererstattungsbetrag von 832.933,04 Euro (USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 9 ff.).
17 
Der Beklagte berichtigte daraufhin seine Steuerberechnung für das Streitjahr. Er ging nunmehr von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 607.500 Euro aus und ließ zunächst Vorsteuer i.H. von 17.764,66 Euro (wie beantragt) zum Abzug zu. Er errechnete auf dieser Grundlage eine Umsatzsteuer für das Streitjahr i.H. von 97.630 Euro (Steuerberechnung vom 13. Januar 2015, USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 22). Aufgrund bereits erstatteter Umsatzsteuer und Verspätungszuschlägen wurde nunmehr für das Streitjahr mit Schreiben vom 15. Januar 2015 ein Betrag i.H. von 377.288,95 Euro (statt bisher 497.396,11 Euro) zur Insolvenztabelle angemeldet (Allgemeine Akte, Bl. 82 ff.).
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6. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht, da es sich bei den von den Kunden geleisteten Zahlungen nicht um Anzahlungen handele. Deshalb seien auch die Grund-sätze des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erst in dem Besteuerungszeitraum erfolge, in dem die Anzahlung oder das Entgelt zurückgezahlt werden, nicht anzuwenden. Vorliegend handele es sich nicht um eine Rückabwicklung von geleisteten Anzahlungen, sondern um die „Stornierung von Leasingrechnungen“ der E-GmbH. Überdies sei für die Besteuerung der Anzahlungen erforderlich, dass alle maßgeblichen Elemente der späteren Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt seien und somit der Leistungsgegenstand genau bestimmt sei. Da die Anzahlungsbesteuerung von einem konkreten Umsatz abhänge, sei sie „vorerst endgültig“. Allerdings stünden der Steueranspruch sowie der Vorsteuerabzug unter der Prämisse, dass ein Umsatz auch ausgeführt werde. Die ursprüngliche Rechnungshingabe des Rechnungsausstellers -der Ges- sei aber erfolgt, ohne dass eine Leistung bewirkt worden sei. Die Rechnungsempfänger hätten deshalb auch kein Recht zum Abzug der Vorsteuer, denn der Rechnungsaussteller erbringe objektiv keine Leistung und bringe dafür eine Rechnung in den Geschäftsverkehr. Es liege also ein Fall des unberechtigten Steuerausweises vor. In diesem Fall könne der Steuerbetrag berichtigt werden, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt sei, was voraussetze, dass ein Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger nicht durchgeführt oder die geltend gemachten Vorsteuerbeträge an das Finanzamt (FA) zurückgezahlt worden seien (Schreiben vom 12. Mai 2015, Allgemeine Akte, Bl. 86 ff., vom 5. August 2015, Allgemeine Akte, Bl. 108 f. und vom 16. September 2015, Allgemeine Akte, Bl. 124 f.).
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Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 legte der Beklagte dar, es sei Geschäftszweck der Ges gewesen, BHKW zu verkaufen, die Mälzereien an verschiedenen Standorten mit Wärme versorgen sollten. Es sei vereinbart worden, dass der Strom von den Erwerbern der BHKW direkt (ohne Zwischenlieferung an die Ges) an einen Energieversorger geliefert werden sollte (Allgemeine Akte, Bl. 92 f.). Es handele sich damit um Anzahlungsgeschäfte. Aus den Anzahlungsrechnungen gehe das gekaufte Produkt mit individueller Maschinennummer eindeutig hervor (vgl. auch Anlage 1 des Schriftsatzes der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 128). Daher hätten die Kunden auch zunächst das Recht zum Abzug des jeweiligen Vorsteuerbetrages gehabt, da die zu erbringende Leistung aus der Sicht der Kunden nicht unsicher gewesen sei. Erst als feststand, dass die BHKW nicht geliefert werden konnten, sei der Vorsteuerabzug zu versagen gewesen (Schreiben vom 25. Juni 2015, S. 1 ff., Allgemeine Akte, Bl. 116 ff.).
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6. Mit Feststellungsbescheid vom 21. Oktober 2015 stellte der Beklagte sodann für das Streitjahr eine Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen i.H. von 377.288,56 Euro fest. Die vereinnahmten Entgelte aus Anzahlungen i.H. von 4.897.702 Euro unterlägen der Umsatzsteuer. Deren Rückgängigmachung und somit eine Minderung der Bemessungsgrundlage sei erst dann zulässig, wenn die Anzahlung bzw. das Entgelt zurückgezahlt worden wären. Dies sei nicht der Fall, so dass die beantragte Minderung der Bemessungsgrundlage nicht anerkannt werden könne (Rb-Akte, Bl. 1 ff.).
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7. Hiergegen legte der Kläger am 19. November 2015 Einspruch ein.
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Der Kläger hielt seine bisherige Rechtsauffassung aufrecht, dass es sich bei den vereinnahmten Entgelten nicht -wie vom Beklagten vertreten- um erhaltene Anzahlungen, sondern um die Stornierung von Leasingsondervorauszahlungen handele. Auch hätten die Kunden aufgrund der Stornorechnungen, die in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge wieder an das jeweils zuständige FA zurückerstattet (Schreiben vom 19. November 2015 ff., Rb-Akte, Bl. 5 ff.)
23 
8. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 als unbegründet zurückgewiesen, wobei der Beklagte an seiner Rechtsauffassung festhielt (Rb-Akte, Bl. 35 ff.).
24 
9. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage und beantragt (Schriftsatz vom 29. Dezember 2015, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4),
dem Einspruch vom 19. November 2015 stattzugeben und die Veranlagung der Umsatzsteuer für 2013 wie beantragt durchzuführen.
25 
Der Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 14. April 2016, S. 3, Gerichtsakte, Bl. 68),
die Klage abzuweisen.
26 
10. Der Kläger hält seinen bisherigen Vortrag im Wesentlichen aufrecht und ergänzt, dass die Ges weder willens noch in der Lage gewesen sei, die in Rechnung gestellten BHKW an ihre Kunden zu liefern. Zur Vertuschung dieses Betrugsmodells seien die Käufer angehalten worden, Miet- bzw. Pachtverträge und sog. Premium-Service-Verträge abzuschließen, mit dem Hintergrund, dass sich diese dann nicht um die Auslieferung und den Standort der gekauften Anlagen hätten kümmern müssen. Daher stelle die mit diesem Betrugsmodell ausgewiesene Umsatzsteuer durch die Ges eine unberechtigt ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG dar. Für eine Berichtigung dieser Rechnungen komme es --entgegen der Auffassung des Beklagten, der vorliegend § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG anwende- nicht darauf an, dass die Anzahlung bzw. das Entgelt zurückgewährt werden. Entscheidend sei dagegen die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens. Soweit daher die Rückzahlung oder die Nichtgeltendmachung der Vorsteuer aus den Rechnungen durch die Käufer erfolgt sei, seien die von der Ges geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen vom Beklagten zurückzuerstatten (Schriftsatz vom 16. Februar 2016, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 37).
27 
11. Der Beklagte trug im Klageverfahren zunächst vor, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufverträge bei der Ges die Absicht bestanden habe, die bestellten BHKW tatsächlich zu liefern. Anderenfalls hätte nämlich die Ges keine Bestellungen für die BHKW angenommen. Die Lieferungen der BHKW hätten sich lediglich auf Grund von nach Abschluss der Kaufverträge eingetretenen finanziellen Problemen der Ges nicht mehr realisieren lassen. Es solcher Sachverhalt falle nicht unter § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG.
28 
Eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG trete dagegen nur ein, wenn eine Rückzahlung der vereinnahmten Anzahlungen an die Kunden erfolge. Dies sei bisher nicht geschehen. Überdies sei zweifelhaft, ob die Kunden der Ges nicht als gutgläubige Erwerber bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung der geleisteten Anzahlungen zum Vorsteuerabzug aus den erteilten Abschlagsrechnungen berechtigt seien. Deshalb könne die Gefährdung des Steueraufkommens nicht beseitigt werden (Schriftsätze vom 14. April 2016, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 67 und vom 19. Mai 2016, S. 1 f., Gerichtsakte, Bl. 86 f.).
29 
12. Mit Schreiben vom 22. April 2016 wies der Berichterstatter auf die beim BFH anhängigen Verfahren zu der umsatzsteuerlichen Beurteilung des Vorsteuerabzugs bei nicht erbrachten Lieferungen von BHKW hin und regte bis zur höchstrichterlichen Klärung ein Ruhen des Verfahrens an (Gerichtsakte, Bl. 73 f.).
30 
Während der Kläger dem mit Schriftsatz vom 12. Mai 2016 zustimmte (Gerichtsakte, Bl. 84), widersprach der Beklagte zunächst (Schriftsatz vom 19. Mai 2016, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 87).
31 
13. Auf ein gerichtliches Aufklärungsschreiben vom 19. Mai 2016 (Gerichtsakte, Bl. 89), ob der Vorsteuerabzug bei den jeweiligen Rechnungsempfängern der Ges tatsächlich gewährt wurde, teilte der Beklagte mit, dass der Vorsteuerabzug in 70% der Fälle gewährt worden sei (Schriftsatz vom 30. Juni 2016, Gerichtsakte, Bl. 92). Der Kläger teilte dagegen mit, dass alle Kunden der Ges ihre Forderungen brutto zur Insolvenztabelle angemeldet hätten. Daher sei davon auszugehen, dass Vorsteuerbeträge entweder nicht erstattet worden oder von den Kunden an das jeweilige FA zurückbezahlt worden seien (Schriftsatz vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 127; vgl. auch die Aufstellung des Beklagten hierzu vom 17. Mai 2017, Gerichtsakte, Bl. 166).
32 
14. Sodann wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 26. Oktober 2016 erörtert (vgl. Niederschrift vom 26. Oktober 2016, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 108).
33 
Auf richterlichen Hinweis teilte der Beklagte mit, dass er nunmehr davon ausgehe, dass hinsichtlich der Anzahlungen von der Ges ein unberechtigter Steuerausweis i.S.v. § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG vorliege, da von Anfang an kein Leistungswille und somit auch keine Unternehmereigenschaft der Ges vorhanden gewesen sei. Der Beklagte werde aus diesem Grund auch die der Ges bisher gewährten Vorsteuerbeträge von insgesamt 961.875,84 Euro --für das Streitjahr seien dies 17.794,96 Euro-- zurückfordern und die bisherige Anmeldung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle entsprechend korrigieren. Im Übrigen sei eine Berichtigung eines unberechtigten Steuerausweises vorliegend nicht möglich, da die Erwerber gutgläubig im Hinblick auf den Leistungsbezug gewesen seien. Zudem könne eine Berichtigung erst für den Besteuerungszeitraum erfolgen, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt sei. Dies sei nicht das Streitjahr. Selbst wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt werden könne, so würde ein etwaiger Erstattungsanspruch zur Masse gehören. Gegen diesen Anspruch könne der Beklagte aber mit seinen Insolvenzforderungen aufrechnen. Im Übrigen stimmte der Beklagte nunmehr einer Verfahrensruhe zu (Schriftsatz vom 11. November 2016, S. 1 ff., Gerichtsakte, Bl. 123 ff.).
34 
In einer Steuerberechnung für das Streitjahr vom 15. Dezember 2016 geht der Beklagte demzufolge von einer Umsatzsteuerschuld i.H. von 115.425 Euro aus (Gerichtsakte, Bl. 159 und USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 30). Entsprechend wurde im Hinblick auf die Umsatzsteuer für 2011 und 2012 vorgegangen (vgl. Steuerberechnungen, Gerichtsakte, Bl. 156 ff.), so dass eine berichtigte Anmeldung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle i.H. von insgesamt 1.854.062,36 Euro erfolgte, welcher ein Gläubiger der Ges widersprach (Schreiben des Beklagten vom 30. Dezember 2016, Rb-Akte, Bl. 40 f.).
35 
15. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2016 ordnete der Berichterstatter im Hinblick auf die beim BFH unter den Aktenzeichen XI R 44/14 und V R 29/15 anhängigen Verfahren das Ruhen des Verfahrens an (Gerichtsakte, Bl. 160). In zwei Vorabentscheidungsersuchen stellte der BFH u.a. die Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), ob die Anforderungen an die Sicherheit einer Leistungserbringung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung rein objektiv oder aus Sicht des Anzahlenden nach den für ihn erkennbaren Umständen zu bestimmen seien und ob die Berichtigung von Steuer und Vorsteuerabzug gleichermaßen von einer Rückzahlung der Anzahlung abhängig zu machen sei (BFH-Beschlüsse vom 21. September 2016 V R 29/15, BFH/NV 2017, 243 und XI R 44/14, BFH/NV 2017, 248). Mit Urteil vom 31. Mai 2018 entschied der EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen (C-660/16 Kollroß und C-661/16 Wirtl, ABl EU 2018, Nr C 259, 10-11). Der BFH nahm das Verfahren XI R 44/14 daraufhin wieder auf und entschied mit Urteil vom 5. Dezember 2018, BFH/NV 2019, 499). Das Verfahren V R 29/15 nahm der BFH unter dem Aktenzeichen V R 9/19 wieder auf und urteilte am 17. Juli 2019 (BFH/NV 2019, 1466).
36 
16. Hierauf teilte der Berichterstatter den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Oktober 2019 mit, dass das vorliegende Verfahren wieder aufgenommen werde (Gerichtsakte, Bl. 202 f.).
37 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (Allgemeine Akten, Bilanz-, Vertrags-, Umsatzsteuer- und Rechtsbehelfsakten) und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
38 
Die Klage ist unbegründet.
39 
1. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, einerseits im Wege der Anfechtungsklage den Feststellungsbescheid vom 21. Oktober 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 -der zwar kein Steuerbescheid, aber ein sonstiger Verwaltungsakt ist (vgl. Werth in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 251 Rn. 27; Loose in Tipke/Kruse, FGO, Stand August 2019, § 251 Rn. 68)- aufzuheben, um die mit diesem Verwaltungsakt nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) einhergehende Bindungswirkung für die durch den Beklagten insoweit angemeldete Steuerforderung zur Insolvenztabelle i.H. von insgesamt 377.288,56 Euro zu beseitigen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
40 
Andererseits beantragt der Kläger „die Veranlagung der Umsatzsteuer 2013 wie von uns beantragt durchzuführen“ (Schriftsatz vom 29. September 2015, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4). In der Umsatzsteuersteuerklärung für das Streitjahr vom 22. Oktober 2014 (USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 9 ff.) berechnete der Kläger einen Erstattungsbetrag i.H. von 832.933,04 Euro. Der Senat legt den Klageantrag daher dahingehend aus, dass der Kläger eine entsprechende Festsetzung von Umsatzsteuer zu Gunsten der Insolvenzmasse erreichen möchte und eine Verpflichtung des Beklagten hierzu begehrt (§ 101 Satz 1 FGO). Eine solche Verpflichtung des Beklagten ist auch im laufenden Insolvenzverfahren zulässig, denn -nach dem Begehren des Klägers- soll eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt werden. Einem solchen, von dem Kläger angestrebten Bescheid fehlt nämlich die abstrakte Eignung, sich auf die anzumeldenden Steuerforderungen auszuwirken. Darum ist insoweit abweichend von § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. den Vorschriften der Insolvenzordnung ausnahmsweise der Erlass eines Steuerbescheides im laufenden Insolvenzverfahren möglich (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BStBl II 2010, 11 Rn. 18).
41 
Es liegt mithin eine objektive Klagehäufung einer Anfechtungs- und einer Verpflichtungsklage vor (§ 43 FGO).
42 
Soweit der Beklagte für das Streitjahr eine weitere Umsatzsteuerforderung angemeldet hat (115.425 Euro statt bisher 97.630 Euro) und diese ebenfalls bestritten wurde, ist darüber vom Senat nicht zu entscheiden. Insoweit handelt es sich um eine bisher nicht titulierte Forderung. Wird diese --so wie vorliegend- bestritten, obliegt es dem Beklagten, diese Forderung nach § 251 Abs. 3 AO zunächst durch Bescheid festzustellen. Erst ein solcher Feststellungsbescheid könnte im Rahmen des § 68 Satz 1 FGO zum Verfahrensgegenstand werden. Bloß nachrichtliche Steuerberechnungen -wie vorliegend vom 15. Dezember 2016 (Gerichtsakte, Bl. 159)- sind dagegen keine Verwaltungsakte und werden deshalb nicht zum Gegenstand des Verfahrens (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 68 Rn. 40).
43 
2. Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, denn der Feststellungsbescheid vom 21. Oktober 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
44 
Die Ges hat im Streitjahr als Unternehmerin unstreitig Umsätze i.H. ausgeführt. Die Umsatzsteuer hat der Beklagte zutreffend mit 19% aus den Entgelten i.H. von 607.500 Euro mit 115.425 Euro errechnet. Die Ges kann einen Vorsteuerbetrag i.H. von 17.794,66 Euro abziehen (Umsatzsteuerschuld 97.630,34 Euro). Von letzterem geht auch der Beklagte im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid aus. Er ist davon zwar -aus seiner Sicht mangels Unternehmereigenschaft der Ges- im Klageverfahren zwischenzeitlich abgerückt, ohne allerdings den Feststellungsbescheid zu ändern. Er berichtigte lediglich seine Steuerberechnung und die Anmeldung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle. Diese sind aber -wie oben bereits dargestellt- nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
45 
Zudem wurde der Ges nach dem Vortrag des Beklagten ein Umsatzsteuererstattungsanspruch für das Streitjahr i.H. von 270.535,72 Euro durch Verrechnung mit Steuerschulden gewährt (Schriftsatz vom 5. Dezember 2019, Gerichtsakte, Band II, Bl. 237), der nunmehr vom Beklagten mit dem Feststellungsbetrag zurückgefordert wird (Teil der Position Umsatzsteuer 2013). In einer Steuerberechnung für das Streitjahr vom 20. Juni 2014 wurde zwar ein Betrag i.H. von 270.536,11 Euro als „bereits ausgezahlt/umgebucht“ bezeichnet (USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 6). Diese geringe Abweichung führt der Senat aber auf eine Rundungsdifferenz zurück. Diese Verrechnung i.H. von 270.535,72 Euro bestreitet die Bevollmächtigte (Schriftsätze vom 4. Dezember 2019, Gerichtsakte, Band II, Bl. 232 und vom 14. Januar 2020, Gerichtsakte, Band II, Bl. 242).
46 
Nach der Überzeugung des Senats steht fest, dass eine Verrechnung zugunsten der Ges jedenfalls in dieser Höhe stattfand. So wurden die mit den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 2. und 4. Quartal des Streitjahres i.H. von 4.696,97 Euro bzw. i.H. von 923.235,73 Euro von der Ges errechneten Erstattungsansprüche (Rotbeträge) mit Umsatzsteuer- und Lohnsteuerschulden der Ges jedenfalls i.H. von 270.535,72 Euro verrechnet. Dies ergibt sich aus dem Kontoblatt der Ges, welches der Beklagte erläutert hat (Gerichtsakte, Band II, Bl. 237 f.).
47 
Demnach wurde die Umsatzsteuerschuld der Ges für das 4. Quartal 2012 i.H. von 287.513,11 Euro (Kennziffer 0200 4412) mit dem (zunächst angemeldeten) Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal des Streitjahres (Kennziffer 0200 4413) verrechnet. Des Weiteren fanden Verrechnungen dieses Erstattungsanspruchs und eines weiteren Erstattungsanspruchs der Ges aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Quartal des Streitjahres mit Lohnsteuerschulden von Juli 2013 (Kennziffer 0010 0713) und August 2013 bis Januar 2014 (Kennziffern 0010 0813 bis 0010 0114) i.H. von 12.928 Euro (ohne die Berücksichtigung von Verrechnungen mit dem Solidaritätszuschlag und der evangelischen Kirchensteuer) statt, die den vom Beklagten im angefochtenen Feststellungsbescheid geltend gemachten Erstattungsanspruch i.H. von 270.535,72 Euro (gesamtsaldiert) sogar noch übersteigen.
48 
Die im Feststellungsbescheid angegebenen Säumniszuschläge (6.727,50 Euro + 685 Euro = 7.412,50 Euro) und ein Verspätungszuschlag (1.710 Euro) wurden ebenfalls zutreffend ermittelt.
49 
Soweit der Kläger der vom Beklagten auf dieser Grundlage zutreffend ermittelten Steuerforderung einen Berichtigungsanspruch des Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG entgegenhält (vgl. Aktenvermerk vom 13. November 2019, Gerichtsakte, Bl. 211), kann dem nicht gefolgt werden.
50 
a) Die Voraussetzungen der Berichtigung eines unberechtigten Steuerausweises i.H. von 930.563,38 Euro (4.897.702 Euro x 19%) liegen nicht vor.
51 
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Der danach geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG).
52 
aa) Die Voraussetzungen von § 14c Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative UStG liegen nicht vor, denn die Ges ist Unternehmerin.
53 
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Ob ein Anzahlungsempfänger als Unternehmer handelt, ist dabei für die Anwendbarkeit von § 14c Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative UStG aus der objektivierten Sicht der Anzahlenden (sog. Empfängersicht) zu beurteilen (BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 24).
54 
Vor diesem Hintergrund kann der Ges die Unternehmereigenschaft nicht abgesprochen werden, denn trotz der betrügerischen Absicht und der Errichtung eines Schneeballsystems bestand von Anfang an die Absicht -wenn auch durch unzulässige Methoden- Einnahmen zu erzielen. Auch aus Sicht der Anzahlenden wollte die Ges mit ihren Tätigkeit Einnahmen erzielen und damit unternehmerisch tätig sein.
55 
bb) Auch ist der Tatbestand von § 14c Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative UStG nicht gegeben.
56 
Zwar hat die Ges Lieferungen oder sonstige Leistungen an ihre Kunden nicht ausgeführt. Dennoch hat sie keine Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen.
57 
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Dies gilt auch für Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG). Wird allerdings das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG).
58 
(a) Damit der Steueranspruch nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG entstehen kann, ist es zunächst erforderlich, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestandes, d.h. der künftigen Lieferung oder sonstigen Leistung, bereits bekannt und somit insbesondere der Gegenstand oder die Dienstleistung zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung genau bestimmt ist.
59 
Vorliegend waren die maßgeblichen Elemente der künftigen Lieferung des jeweiligen BHKW festgelegt (BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 21).
60 
Wie sich aus dem Senat vorliegenden Anzahlungsrechnungen vom 15. November 2011 und 30. Mai 2012 ergibt, waren die BHKW als Kaufgegenstand jeweils mit Seriennummer identifizierbar bezeichnet. Der Gesamtkaufpreis wurde mit 225.000 Euro ausgewiesen (Gerichtsakte, Bl. 128 und 131). Als Termin der Inbetriebnahme waren spätestens sechs Monate nach Auftragserteilung vereinbart (Auftragsbestätigung, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 133).
61 
Diese Angaben genügen, um die geschuldete Lieferung hinreichend genau bestimmen zu können.
62 
(b) Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Eintritt des Steuertatbestandes zu dem Zeitpunkt der Anzahlung -aus der objektivierten Sicht des Anzahlenden-- nicht unsicher ist. Dies wäre insbesondere bei betrügerischem Verhalten nicht der Fall, wenn der Anzahlende wusste oder hätte wissen können, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (EuGH-Urteile FIRIN vom 13. März 2014 C-107/13, ABl EU 2014, Nr. C 135, 14-15 Rn. 36 und 39 ff. sowie Kollroß und Wirtl vom 31. Mai 2018 C-660/16 und C-661/16, ABl EU 2018, Nr. C 259, 10-11 Rn. 49 bis Rn. 51; BFH-Urteile vom 29. Januar 2015 V R 51/13, BFH/NV 2015, 708 Rn. 13 f., vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 20 und vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 41 f.).
63 
Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass es nicht zur Lieferung oder sonstigen Leistung kommt, selbst wenn dies von Anfang an feststeht. Denn sowohl der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung beim anzahlenden Kunden als auch -hier streitgegenständlich- die Steuerentstehung beim Anzahlungsempfänger hängen weder davon ab, ob der Anzahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann noch ob er das will. Auf einen nach außen nicht offengelegten, geheimen Vorbehalt des Anzahlungsempfängers kommt es somit nicht an. Entscheidend ist deshalb nicht die innere Absicht zur Leistungserbringung, sondern nur die gegenüber den anzahlenden Kunden nach außen geäußerte Absicht zur Leistungserbringung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 22 f.).
64 
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es nach der Überzeugung des erkennenden Senats im Streitfall nicht anhand objektiver Umstände erwiesen, dass die Kunden der Ges bei der Anzahlung wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass die Bewirkung der für die Anzahlung versprochenen Leistung unsicher war.
65 
Dabei geht der Senat übereinstimmend mit den Feststellungen des LG M, Urteil vom xx.xx. 2013 xxx -auf die sich im Übrigen auch der Kläger und der Beklagte berufen- davon aus, dass auch die von den Kunden unter Auswahl von Option II geschlossenen Verträge auf die Lieferung von BHKW gerichtet waren (S. 9 f., Rb-Akte, Bl. 20 f.). Bei Abschluss des -- Pakets, welches integraler Bestandteil der jeweils abgeschlossenen Verträge war, sollte die Ges das jeweilige BHKW lediglich verwalten (vgl. Auftragsbestätigung vom 30. Mai 2012, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 133).
66 
Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Für die umsatzsteuerliche Beurteilung ist insoweit auf die maßgebenden zivilrechtlichen Vereinbarungen abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 29 ff. m.w.N.)
67 
Zwar bezeichnet auch das LG M das „Investment“ als Dauerschuldverhältnis, da über mehrere Jahre unterschiedliche, überwiegend wiederkehrende Leistungen, auszutauschen seien. Es würdigt aber überzeugend und nachvollziehbar den abgeschlossenen Vertrag als Kaufvertrag gerichtet auf die Verschaffung der Verfügungsmacht an dem jeweiligen BHKW. So führt es weiter aus, dass der Kunde durch den „Kauf“ der BHKW investieren wollte. Entgegen dieses „im Rahmen des Gesamtengagements … zu würdigenden Kaufs“ seien von der Anzahlung zwar keine BHKW gekauft, sondern das Geld sei dazu verwendet worden, andere Investitionen in die Heizhäuser zu tätigen. Obwohl die Vertragskonstruktion „schwer bis überhaupt nicht nachvollziehbar“ sei, stellt das LG M fest, dass die BHKW von der Ges „für“ die Kunden gekauft und diesen übereignet werden sollten.
68 
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Option II in den Auftragsbestätigungen als „Leasing“ bezeichnet wurde und nach Unterzeichnung des Auftrags über den Restbetrag pro BHKW i.H. von 185.000 Euro (225.000 Euro ./. Anzahlung von 40.000 Euro netto) noch ein „Leasingvertrag“ mit einer Laufzeit von acht Jahren ausgestellt werden sollte (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 133). Denn in den Anzahlungsrechnungen der Ges, mit denen jeweils ein Nettokaufpreis von 40.000 Euro abgerechnet wurde, wurde gegenüber den Kunden ein „Gesamtkaufpreis der Anlage“ von 225.000 Euro ausgewiesen (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 128). Zudem sollten die Leasingverträge nicht von der Ges, sondern von den Kunden selbst abgeschlossen werden. In einem Leasingvertrag heißt es dann auch, dass die E-GmbH in die „Bestellung des Kunden“ eintreten werde (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 129). Insofern folgerichtig wurden die geschlossenen Leasingverträge von der E-GmbH auch gegenüber dem Kunden gekündigt (Anlage zum Schreiben der Bevollmächtigten vom 19. November 2015, Rb-Akte, Bl. 26). Waren aber die Kunden selbst Vertragspartner der Leasingverträge, spricht dies nach Auffassung des Senats dafür, dass die Ges auch eine Lieferung des BHKW an die Kunden schuldete. Über diesen Anspruch verfügten dann die Kunden gegenüber der E-GmbH durch eine Abtretung zur Absicherung des Finanzierungsleasings.
69 
Des Weiteren spricht der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16. Februar 2016 selbst von „Kaufverträgen über die Veräußerung von Blockheizkraftwerken“, welche die Ges mit diversen Kunden in den Jahren 2011 bis 2013 abgeschlossen habe. Sowohl die polizeilichen Ermittlungen als auch das Urteil des AG Ö vom xx.xx. 2015 würden „unsere Auffassung“ unterstreichen, dass die Ges weder willens noch in der Lage gewesen sei, die in Rechnung gestellten BHKW an ihre Kunden „zu liefern“ (S. 1 f., Gerichtsakte, Bl. 36 f.).
70 
Im Übrigen hat die Ges zumindest in der Anfangsphase ihrer Geschäftstätigkeit durch den Abschluss von Verträgen über die Wärmelieferung an die W-KG, über den Bezug von Biomethangas von der V-GmbH und über die Bestellung von zwölf BHKW bei der MB-AG -wovon sechs geliefert wurden- für den Standort eines Heizhauses in P versucht, ein Geschäftsmodell zu realisieren. Auch die Bestellung von (weiteren) zwölf BHKW von einer F-GmbH und der Abschluss eines Rahmenforderungskaufvertrages mit der E-GmbH stützen diese Annahme (vgl. AG Ö, Urteil vom xx.xx. 2015  xxx, S. 4 ff., Gerichtsakte, Bl. 62 ff.).
71 
Vor diesem Hintergrund kann deshalb nicht von einer missbräuchlichen Gestaltung in einem Umfang ausgegangen werden, der es rechtfertigen würde, die mit den Kunden geschlossenen Verträge als reine Kapitalüberlassung zu qualifizieren. Denn die zivilrechtlichen Vereinbarungen lassen --auch wenn sie Teil eines betrügerischen Schnellballsystems waren- keine im vorgenannten Sinne rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung erkennen, die allein zu dem Zweck erfolgte, einen Steuervorteil zu erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 33).
72 
Unter Würdigung der Gesamtumstände geht der Senat davon aus, dass sich die Kunden von der Ges weder wissentlich betrügen ließen, noch erkennen konnten, dass die Lieferung der BHKW aufgrund sonstiger Umstände unsicher war, in dem sie für die (vermeintlichen) Lieferungen Anzahlungen leisteten. So stellte das AG Ö mit seinem Urteil vom xx.xx. 2015 fest, dass A und B noch im März 2013 (und damit bis kurz vor dem Zeitpunkt des Öffentlichwerdens der Zahlungsunfähigkeit der Ges) Kunden kontaktierten und vorgaben, dass einige Heizhäuser kurz vor der Inbetriebnahme stünden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben, habe die D-GmbH noch drei BHKW bestellt (S. 5 f., Gerichtsakte, Bl. 62 f.).
73 
Auch die -aus Sicht des Senats- unschlüssigen Rentabilitätsberechnungen (vgl. Anlage zum Schreiben der Bevollmächtigten vom 19. November 2015, Rb-Akte, Bl. 24 f.) sagen nichts darüber aus, ob die bestellten BHKW geliefert werden und genutzt werden können, zumal auch unvernünftige Kaufentscheidungen immer wieder im Rahmen des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs anzutreffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 25 m.w.N.).
74 
Mithin entstand durch die Vereinnahmung der von den Kunden geleisteten Anzahlungen Umsatzsteuer, so dass die Ges in den Anzahlungsrechnungen, Umsatzsteuer zu Recht entsprechend dem gesetzlichen Steuerentstehungstatbestand (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) und damit nicht -was für die Anwendbarkeit § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG erforderlich ist- „unberechtigt“ ausgewiesen hat (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 59).
75 
Vor diesem Hintergrund kann es der Senat offenlassen, ob die klägerseits vorgetragene Berichtigung auf der Grundlage von § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG nicht bereits deshalb ausscheidet, weil diese nur einem speziellen Verwaltungsverfahren durchgesetzt werden kann und eine Rückzahlung der ausgewiesenen Steuer an die Kunden voraussetzt (so Korn in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2018, § 14c Rn. 51).
76 
b) Die Bemessungsgrundlage zur Umsatzsteuer ist auch nicht i.H. von 4.897.702 Euro im Streitjahr zu mindern.
77 
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entsprechendes gilt, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG).
78 
Vereinbart der Unternehmer aber eine Anzahlung, ohne die hierfür geschuldete Leistung zu erbringen, kommt es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage (vgl. EuGH-Urteil FIRIN vom 13. März 2014 C-107/13, ABl EU 2014, Nr. C 135, 14-15 Rn. 56). Letztgenannte Voraussetzung beruht darauf, dass bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Solleinnahme zwar zunächst die Bemessungsgrundlage bildet, für eine Sollbesteuerung aber dann kein Raum bleibt, soweit der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer das „Soll-“Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch die Minderung des Entgelts, sondern erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rückgewähr erfolgt (BFH-Urteile vom 2. September 2010 V R 34/09, BStBl II 2011, 991 Rn. 17, vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 31 und vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 69 f.).
79 
Vorliegend haben die Kunden der Ges ihre Anzahlungen bisher weder ganz noch teilweise zurückerhalten, so dass die Bemessungsgrundlage nicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu mindern ist.
80 
Im Bericht des Klägers vom 21. Juli 2014 anlässlich eines Berichts- und Prüfungstermins heißt es zudem, dass in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ges aktuell keine Masse festzustellen sei. Als Vermögensgegenstände werden lediglich die BHKW bei der W-KG in P, deren Verwertung allerdings von einer bisher „ungelösten tatsächlichen und rechtlichen Gemengelage durchsetzt ist“ und ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten, den der Beklagte -wie den unterstehenden Ausführungen zu entnehmen ist- zu Recht nicht anerkennt (S. 5 ff., Gerichtsakte, Bl. 111 ff.). Somit wird es auch in Zukunft -ohne dass dies im vorliegenden Verfahren streitentscheidend wäre-- nach dem derzeitigen Vermögensstatus der Ges nicht zu einer Rückerstattung der Anzahlungen an die Kunden kommen.
81 
3. Die Verpflichtungsklage ist unbegründet.
82 
a) Dabei geht der Senat davon aus, dass Beklagte mit dem Erlass des Feststellungsbescheides vom 21. Oktober 2015 nicht nur über die angemeldeten Steuerforderungen, sondern auch über den von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch (i.H. von 832.933,04 Euro) ablehnend entschied, in dem er die Zustimmung zur Steueranmeldung des Streitjahres versagte (§ 168 Satz 2 AO). Dies ergibt aus der Begründung des Feststellungsbescheides. Hiergegen legte der Kläger auch in rechtsschutzgewährender Auslegung seines Schreibens vom 19. November 2015 Einspruch ein, so dass durch die Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 auch hierüber mitentschieden wurde.
83 
b) Der Beklagte versagte die Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 22. Oktober 2014 zu Recht (§ 168 Satz 2 AO; § 101 Satz 1 FGO).
84 
Denn weder kann der Kläger einen Berichtigungsanspruch nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geltend machen noch kann er sich auf eine Minderung der Bemessungsgrundlage i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG berufen.
85 
Zur Vermeidung von Wiederholung verweist der Senat auf seine obenstehenden Ausführungen (unter 2.).
86 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
87 
4. Der Senat hält es für zweckmäßig gemäß § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Gründe

 
38 
Die Klage ist unbegründet.
39 
1. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, einerseits im Wege der Anfechtungsklage den Feststellungsbescheid vom 21. Oktober 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 -der zwar kein Steuerbescheid, aber ein sonstiger Verwaltungsakt ist (vgl. Werth in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 251 Rn. 27; Loose in Tipke/Kruse, FGO, Stand August 2019, § 251 Rn. 68)- aufzuheben, um die mit diesem Verwaltungsakt nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) einhergehende Bindungswirkung für die durch den Beklagten insoweit angemeldete Steuerforderung zur Insolvenztabelle i.H. von insgesamt 377.288,56 Euro zu beseitigen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
40 
Andererseits beantragt der Kläger „die Veranlagung der Umsatzsteuer 2013 wie von uns beantragt durchzuführen“ (Schriftsatz vom 29. September 2015, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4). In der Umsatzsteuersteuerklärung für das Streitjahr vom 22. Oktober 2014 (USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 9 ff.) berechnete der Kläger einen Erstattungsbetrag i.H. von 832.933,04 Euro. Der Senat legt den Klageantrag daher dahingehend aus, dass der Kläger eine entsprechende Festsetzung von Umsatzsteuer zu Gunsten der Insolvenzmasse erreichen möchte und eine Verpflichtung des Beklagten hierzu begehrt (§ 101 Satz 1 FGO). Eine solche Verpflichtung des Beklagten ist auch im laufenden Insolvenzverfahren zulässig, denn -nach dem Begehren des Klägers- soll eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt werden. Einem solchen, von dem Kläger angestrebten Bescheid fehlt nämlich die abstrakte Eignung, sich auf die anzumeldenden Steuerforderungen auszuwirken. Darum ist insoweit abweichend von § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. den Vorschriften der Insolvenzordnung ausnahmsweise der Erlass eines Steuerbescheides im laufenden Insolvenzverfahren möglich (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BStBl II 2010, 11 Rn. 18).
41 
Es liegt mithin eine objektive Klagehäufung einer Anfechtungs- und einer Verpflichtungsklage vor (§ 43 FGO).
42 
Soweit der Beklagte für das Streitjahr eine weitere Umsatzsteuerforderung angemeldet hat (115.425 Euro statt bisher 97.630 Euro) und diese ebenfalls bestritten wurde, ist darüber vom Senat nicht zu entscheiden. Insoweit handelt es sich um eine bisher nicht titulierte Forderung. Wird diese --so wie vorliegend- bestritten, obliegt es dem Beklagten, diese Forderung nach § 251 Abs. 3 AO zunächst durch Bescheid festzustellen. Erst ein solcher Feststellungsbescheid könnte im Rahmen des § 68 Satz 1 FGO zum Verfahrensgegenstand werden. Bloß nachrichtliche Steuerberechnungen -wie vorliegend vom 15. Dezember 2016 (Gerichtsakte, Bl. 159)- sind dagegen keine Verwaltungsakte und werden deshalb nicht zum Gegenstand des Verfahrens (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 68 Rn. 40).
43 
2. Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, denn der Feststellungsbescheid vom 21. Oktober 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
44 
Die Ges hat im Streitjahr als Unternehmerin unstreitig Umsätze i.H. ausgeführt. Die Umsatzsteuer hat der Beklagte zutreffend mit 19% aus den Entgelten i.H. von 607.500 Euro mit 115.425 Euro errechnet. Die Ges kann einen Vorsteuerbetrag i.H. von 17.794,66 Euro abziehen (Umsatzsteuerschuld 97.630,34 Euro). Von letzterem geht auch der Beklagte im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid aus. Er ist davon zwar -aus seiner Sicht mangels Unternehmereigenschaft der Ges- im Klageverfahren zwischenzeitlich abgerückt, ohne allerdings den Feststellungsbescheid zu ändern. Er berichtigte lediglich seine Steuerberechnung und die Anmeldung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle. Diese sind aber -wie oben bereits dargestellt- nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
45 
Zudem wurde der Ges nach dem Vortrag des Beklagten ein Umsatzsteuererstattungsanspruch für das Streitjahr i.H. von 270.535,72 Euro durch Verrechnung mit Steuerschulden gewährt (Schriftsatz vom 5. Dezember 2019, Gerichtsakte, Band II, Bl. 237), der nunmehr vom Beklagten mit dem Feststellungsbetrag zurückgefordert wird (Teil der Position Umsatzsteuer 2013). In einer Steuerberechnung für das Streitjahr vom 20. Juni 2014 wurde zwar ein Betrag i.H. von 270.536,11 Euro als „bereits ausgezahlt/umgebucht“ bezeichnet (USt-Akte, Lasche 2013, Bl. 6). Diese geringe Abweichung führt der Senat aber auf eine Rundungsdifferenz zurück. Diese Verrechnung i.H. von 270.535,72 Euro bestreitet die Bevollmächtigte (Schriftsätze vom 4. Dezember 2019, Gerichtsakte, Band II, Bl. 232 und vom 14. Januar 2020, Gerichtsakte, Band II, Bl. 242).
46 
Nach der Überzeugung des Senats steht fest, dass eine Verrechnung zugunsten der Ges jedenfalls in dieser Höhe stattfand. So wurden die mit den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 2. und 4. Quartal des Streitjahres i.H. von 4.696,97 Euro bzw. i.H. von 923.235,73 Euro von der Ges errechneten Erstattungsansprüche (Rotbeträge) mit Umsatzsteuer- und Lohnsteuerschulden der Ges jedenfalls i.H. von 270.535,72 Euro verrechnet. Dies ergibt sich aus dem Kontoblatt der Ges, welches der Beklagte erläutert hat (Gerichtsakte, Band II, Bl. 237 f.).
47 
Demnach wurde die Umsatzsteuerschuld der Ges für das 4. Quartal 2012 i.H. von 287.513,11 Euro (Kennziffer 0200 4412) mit dem (zunächst angemeldeten) Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal des Streitjahres (Kennziffer 0200 4413) verrechnet. Des Weiteren fanden Verrechnungen dieses Erstattungsanspruchs und eines weiteren Erstattungsanspruchs der Ges aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Quartal des Streitjahres mit Lohnsteuerschulden von Juli 2013 (Kennziffer 0010 0713) und August 2013 bis Januar 2014 (Kennziffern 0010 0813 bis 0010 0114) i.H. von 12.928 Euro (ohne die Berücksichtigung von Verrechnungen mit dem Solidaritätszuschlag und der evangelischen Kirchensteuer) statt, die den vom Beklagten im angefochtenen Feststellungsbescheid geltend gemachten Erstattungsanspruch i.H. von 270.535,72 Euro (gesamtsaldiert) sogar noch übersteigen.
48 
Die im Feststellungsbescheid angegebenen Säumniszuschläge (6.727,50 Euro + 685 Euro = 7.412,50 Euro) und ein Verspätungszuschlag (1.710 Euro) wurden ebenfalls zutreffend ermittelt.
49 
Soweit der Kläger der vom Beklagten auf dieser Grundlage zutreffend ermittelten Steuerforderung einen Berichtigungsanspruch des Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG entgegenhält (vgl. Aktenvermerk vom 13. November 2019, Gerichtsakte, Bl. 211), kann dem nicht gefolgt werden.
50 
a) Die Voraussetzungen der Berichtigung eines unberechtigten Steuerausweises i.H. von 930.563,38 Euro (4.897.702 Euro x 19%) liegen nicht vor.
51 
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Der danach geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG).
52 
aa) Die Voraussetzungen von § 14c Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative UStG liegen nicht vor, denn die Ges ist Unternehmerin.
53 
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Ob ein Anzahlungsempfänger als Unternehmer handelt, ist dabei für die Anwendbarkeit von § 14c Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative UStG aus der objektivierten Sicht der Anzahlenden (sog. Empfängersicht) zu beurteilen (BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 24).
54 
Vor diesem Hintergrund kann der Ges die Unternehmereigenschaft nicht abgesprochen werden, denn trotz der betrügerischen Absicht und der Errichtung eines Schneeballsystems bestand von Anfang an die Absicht -wenn auch durch unzulässige Methoden- Einnahmen zu erzielen. Auch aus Sicht der Anzahlenden wollte die Ges mit ihren Tätigkeit Einnahmen erzielen und damit unternehmerisch tätig sein.
55 
bb) Auch ist der Tatbestand von § 14c Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative UStG nicht gegeben.
56 
Zwar hat die Ges Lieferungen oder sonstige Leistungen an ihre Kunden nicht ausgeführt. Dennoch hat sie keine Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen.
57 
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Dies gilt auch für Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG). Wird allerdings das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG).
58 
(a) Damit der Steueranspruch nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG entstehen kann, ist es zunächst erforderlich, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestandes, d.h. der künftigen Lieferung oder sonstigen Leistung, bereits bekannt und somit insbesondere der Gegenstand oder die Dienstleistung zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung genau bestimmt ist.
59 
Vorliegend waren die maßgeblichen Elemente der künftigen Lieferung des jeweiligen BHKW festgelegt (BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 21).
60 
Wie sich aus dem Senat vorliegenden Anzahlungsrechnungen vom 15. November 2011 und 30. Mai 2012 ergibt, waren die BHKW als Kaufgegenstand jeweils mit Seriennummer identifizierbar bezeichnet. Der Gesamtkaufpreis wurde mit 225.000 Euro ausgewiesen (Gerichtsakte, Bl. 128 und 131). Als Termin der Inbetriebnahme waren spätestens sechs Monate nach Auftragserteilung vereinbart (Auftragsbestätigung, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 133).
61 
Diese Angaben genügen, um die geschuldete Lieferung hinreichend genau bestimmen zu können.
62 
(b) Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Eintritt des Steuertatbestandes zu dem Zeitpunkt der Anzahlung -aus der objektivierten Sicht des Anzahlenden-- nicht unsicher ist. Dies wäre insbesondere bei betrügerischem Verhalten nicht der Fall, wenn der Anzahlende wusste oder hätte wissen können, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (EuGH-Urteile FIRIN vom 13. März 2014 C-107/13, ABl EU 2014, Nr. C 135, 14-15 Rn. 36 und 39 ff. sowie Kollroß und Wirtl vom 31. Mai 2018 C-660/16 und C-661/16, ABl EU 2018, Nr. C 259, 10-11 Rn. 49 bis Rn. 51; BFH-Urteile vom 29. Januar 2015 V R 51/13, BFH/NV 2015, 708 Rn. 13 f., vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 20 und vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 41 f.).
63 
Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass es nicht zur Lieferung oder sonstigen Leistung kommt, selbst wenn dies von Anfang an feststeht. Denn sowohl der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung beim anzahlenden Kunden als auch -hier streitgegenständlich- die Steuerentstehung beim Anzahlungsempfänger hängen weder davon ab, ob der Anzahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann noch ob er das will. Auf einen nach außen nicht offengelegten, geheimen Vorbehalt des Anzahlungsempfängers kommt es somit nicht an. Entscheidend ist deshalb nicht die innere Absicht zur Leistungserbringung, sondern nur die gegenüber den anzahlenden Kunden nach außen geäußerte Absicht zur Leistungserbringung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 22 f.).
64 
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es nach der Überzeugung des erkennenden Senats im Streitfall nicht anhand objektiver Umstände erwiesen, dass die Kunden der Ges bei der Anzahlung wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass die Bewirkung der für die Anzahlung versprochenen Leistung unsicher war.
65 
Dabei geht der Senat übereinstimmend mit den Feststellungen des LG M, Urteil vom xx.xx. 2013 xxx -auf die sich im Übrigen auch der Kläger und der Beklagte berufen- davon aus, dass auch die von den Kunden unter Auswahl von Option II geschlossenen Verträge auf die Lieferung von BHKW gerichtet waren (S. 9 f., Rb-Akte, Bl. 20 f.). Bei Abschluss des -- Pakets, welches integraler Bestandteil der jeweils abgeschlossenen Verträge war, sollte die Ges das jeweilige BHKW lediglich verwalten (vgl. Auftragsbestätigung vom 30. Mai 2012, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 133).
66 
Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Für die umsatzsteuerliche Beurteilung ist insoweit auf die maßgebenden zivilrechtlichen Vereinbarungen abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 29 ff. m.w.N.)
67 
Zwar bezeichnet auch das LG M das „Investment“ als Dauerschuldverhältnis, da über mehrere Jahre unterschiedliche, überwiegend wiederkehrende Leistungen, auszutauschen seien. Es würdigt aber überzeugend und nachvollziehbar den abgeschlossenen Vertrag als Kaufvertrag gerichtet auf die Verschaffung der Verfügungsmacht an dem jeweiligen BHKW. So führt es weiter aus, dass der Kunde durch den „Kauf“ der BHKW investieren wollte. Entgegen dieses „im Rahmen des Gesamtengagements … zu würdigenden Kaufs“ seien von der Anzahlung zwar keine BHKW gekauft, sondern das Geld sei dazu verwendet worden, andere Investitionen in die Heizhäuser zu tätigen. Obwohl die Vertragskonstruktion „schwer bis überhaupt nicht nachvollziehbar“ sei, stellt das LG M fest, dass die BHKW von der Ges „für“ die Kunden gekauft und diesen übereignet werden sollten.
68 
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Option II in den Auftragsbestätigungen als „Leasing“ bezeichnet wurde und nach Unterzeichnung des Auftrags über den Restbetrag pro BHKW i.H. von 185.000 Euro (225.000 Euro ./. Anzahlung von 40.000 Euro netto) noch ein „Leasingvertrag“ mit einer Laufzeit von acht Jahren ausgestellt werden sollte (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 133). Denn in den Anzahlungsrechnungen der Ges, mit denen jeweils ein Nettokaufpreis von 40.000 Euro abgerechnet wurde, wurde gegenüber den Kunden ein „Gesamtkaufpreis der Anlage“ von 225.000 Euro ausgewiesen (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 128). Zudem sollten die Leasingverträge nicht von der Ges, sondern von den Kunden selbst abgeschlossen werden. In einem Leasingvertrag heißt es dann auch, dass die E-GmbH in die „Bestellung des Kunden“ eintreten werde (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. November 2016, Gerichtsakte, Bl. 129). Insofern folgerichtig wurden die geschlossenen Leasingverträge von der E-GmbH auch gegenüber dem Kunden gekündigt (Anlage zum Schreiben der Bevollmächtigten vom 19. November 2015, Rb-Akte, Bl. 26). Waren aber die Kunden selbst Vertragspartner der Leasingverträge, spricht dies nach Auffassung des Senats dafür, dass die Ges auch eine Lieferung des BHKW an die Kunden schuldete. Über diesen Anspruch verfügten dann die Kunden gegenüber der E-GmbH durch eine Abtretung zur Absicherung des Finanzierungsleasings.
69 
Des Weiteren spricht der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16. Februar 2016 selbst von „Kaufverträgen über die Veräußerung von Blockheizkraftwerken“, welche die Ges mit diversen Kunden in den Jahren 2011 bis 2013 abgeschlossen habe. Sowohl die polizeilichen Ermittlungen als auch das Urteil des AG Ö vom xx.xx. 2015 würden „unsere Auffassung“ unterstreichen, dass die Ges weder willens noch in der Lage gewesen sei, die in Rechnung gestellten BHKW an ihre Kunden „zu liefern“ (S. 1 f., Gerichtsakte, Bl. 36 f.).
70 
Im Übrigen hat die Ges zumindest in der Anfangsphase ihrer Geschäftstätigkeit durch den Abschluss von Verträgen über die Wärmelieferung an die W-KG, über den Bezug von Biomethangas von der V-GmbH und über die Bestellung von zwölf BHKW bei der MB-AG -wovon sechs geliefert wurden- für den Standort eines Heizhauses in P versucht, ein Geschäftsmodell zu realisieren. Auch die Bestellung von (weiteren) zwölf BHKW von einer F-GmbH und der Abschluss eines Rahmenforderungskaufvertrages mit der E-GmbH stützen diese Annahme (vgl. AG Ö, Urteil vom xx.xx. 2015  xxx, S. 4 ff., Gerichtsakte, Bl. 62 ff.).
71 
Vor diesem Hintergrund kann deshalb nicht von einer missbräuchlichen Gestaltung in einem Umfang ausgegangen werden, der es rechtfertigen würde, die mit den Kunden geschlossenen Verträge als reine Kapitalüberlassung zu qualifizieren. Denn die zivilrechtlichen Vereinbarungen lassen --auch wenn sie Teil eines betrügerischen Schnellballsystems waren- keine im vorgenannten Sinne rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung erkennen, die allein zu dem Zweck erfolgte, einen Steuervorteil zu erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 33).
72 
Unter Würdigung der Gesamtumstände geht der Senat davon aus, dass sich die Kunden von der Ges weder wissentlich betrügen ließen, noch erkennen konnten, dass die Lieferung der BHKW aufgrund sonstiger Umstände unsicher war, in dem sie für die (vermeintlichen) Lieferungen Anzahlungen leisteten. So stellte das AG Ö mit seinem Urteil vom xx.xx. 2015 fest, dass A und B noch im März 2013 (und damit bis kurz vor dem Zeitpunkt des Öffentlichwerdens der Zahlungsunfähigkeit der Ges) Kunden kontaktierten und vorgaben, dass einige Heizhäuser kurz vor der Inbetriebnahme stünden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben, habe die D-GmbH noch drei BHKW bestellt (S. 5 f., Gerichtsakte, Bl. 62 f.).
73 
Auch die -aus Sicht des Senats- unschlüssigen Rentabilitätsberechnungen (vgl. Anlage zum Schreiben der Bevollmächtigten vom 19. November 2015, Rb-Akte, Bl. 24 f.) sagen nichts darüber aus, ob die bestellten BHKW geliefert werden und genutzt werden können, zumal auch unvernünftige Kaufentscheidungen immer wieder im Rahmen des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs anzutreffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 25 m.w.N.).
74 
Mithin entstand durch die Vereinnahmung der von den Kunden geleisteten Anzahlungen Umsatzsteuer, so dass die Ges in den Anzahlungsrechnungen, Umsatzsteuer zu Recht entsprechend dem gesetzlichen Steuerentstehungstatbestand (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) und damit nicht -was für die Anwendbarkeit § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG erforderlich ist- „unberechtigt“ ausgewiesen hat (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 59).
75 
Vor diesem Hintergrund kann es der Senat offenlassen, ob die klägerseits vorgetragene Berichtigung auf der Grundlage von § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG nicht bereits deshalb ausscheidet, weil diese nur einem speziellen Verwaltungsverfahren durchgesetzt werden kann und eine Rückzahlung der ausgewiesenen Steuer an die Kunden voraussetzt (so Korn in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2018, § 14c Rn. 51).
76 
b) Die Bemessungsgrundlage zur Umsatzsteuer ist auch nicht i.H. von 4.897.702 Euro im Streitjahr zu mindern.
77 
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entsprechendes gilt, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG).
78 
Vereinbart der Unternehmer aber eine Anzahlung, ohne die hierfür geschuldete Leistung zu erbringen, kommt es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage (vgl. EuGH-Urteil FIRIN vom 13. März 2014 C-107/13, ABl EU 2014, Nr. C 135, 14-15 Rn. 56). Letztgenannte Voraussetzung beruht darauf, dass bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Solleinnahme zwar zunächst die Bemessungsgrundlage bildet, für eine Sollbesteuerung aber dann kein Raum bleibt, soweit der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer das „Soll-“Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch die Minderung des Entgelts, sondern erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rückgewähr erfolgt (BFH-Urteile vom 2. September 2010 V R 34/09, BStBl II 2011, 991 Rn. 17, vom 17. Juli 2019 V R 9/19, BFH/NV 2019, 1466 Rn. 31 und vom 5. Dezember 2018 XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499 Rn. 69 f.).
79 
Vorliegend haben die Kunden der Ges ihre Anzahlungen bisher weder ganz noch teilweise zurückerhalten, so dass die Bemessungsgrundlage nicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu mindern ist.
80 
Im Bericht des Klägers vom 21. Juli 2014 anlässlich eines Berichts- und Prüfungstermins heißt es zudem, dass in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ges aktuell keine Masse festzustellen sei. Als Vermögensgegenstände werden lediglich die BHKW bei der W-KG in P, deren Verwertung allerdings von einer bisher „ungelösten tatsächlichen und rechtlichen Gemengelage durchsetzt ist“ und ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten, den der Beklagte -wie den unterstehenden Ausführungen zu entnehmen ist- zu Recht nicht anerkennt (S. 5 ff., Gerichtsakte, Bl. 111 ff.). Somit wird es auch in Zukunft -ohne dass dies im vorliegenden Verfahren streitentscheidend wäre-- nach dem derzeitigen Vermögensstatus der Ges nicht zu einer Rückerstattung der Anzahlungen an die Kunden kommen.
81 
3. Die Verpflichtungsklage ist unbegründet.
82 
a) Dabei geht der Senat davon aus, dass Beklagte mit dem Erlass des Feststellungsbescheides vom 21. Oktober 2015 nicht nur über die angemeldeten Steuerforderungen, sondern auch über den von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch (i.H. von 832.933,04 Euro) ablehnend entschied, in dem er die Zustimmung zur Steueranmeldung des Streitjahres versagte (§ 168 Satz 2 AO). Dies ergibt aus der Begründung des Feststellungsbescheides. Hiergegen legte der Kläger auch in rechtsschutzgewährender Auslegung seines Schreibens vom 19. November 2015 Einspruch ein, so dass durch die Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2015 auch hierüber mitentschieden wurde.
83 
b) Der Beklagte versagte die Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 22. Oktober 2014 zu Recht (§ 168 Satz 2 AO; § 101 Satz 1 FGO).
84 
Denn weder kann der Kläger einen Berichtigungsanspruch nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geltend machen noch kann er sich auf eine Minderung der Bemessungsgrundlage i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG berufen.
85 
Zur Vermeidung von Wiederholung verweist der Senat auf seine obenstehenden Ausführungen (unter 2.).
86 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
87 
4. Der Senat hält es für zweckmäßig gemäß § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

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