Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 K 383/16

Tenor

Die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2010 vom 23. Juli 2015 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 17. März 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Körperschaftsteuer für 2010 unter Berücksichtigung eines um ... € verminderten zu versteuernden Einkommens sowie unter Berücksichtigung einer um ... € verminderten Anrechnung ausländischer Steuern auf ... € und der Gewerbesteuermessbetrag für 2010 unter Berücksichtigung eines um ... € verminderten Gewerbeertrages auf ... € herabgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten sich darüber, ob Ausschüttungen, welche die Klägerin im Jahr 2010 von der in Luxemburg ansässigen Gesellschaft B. SICAV (Société d’invetissement à capital variable) erhalten hat, nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 des für 2010 geltenden Doppelbesteuerungsabkommens mit Luxemburg (DBA Luxemburg 1958) von der Besteuerung in Deutschland freizustellen sind (so die Klägerin) oder ob die Ausschüttungen nicht freizustellen sondern als Investmenterträge gem. § 5 Investmentsteuergesetz (InvStG) abweichend zu ermitteln und zu besteuern sind (so der Beklagte).

2

Die Klägerin wurde im Jahr 2009 mit Sitz in Z. gegründet und firmierte bis zur Gesellschafterversammlung vom 9. September 2010, in der der Sitz der Klägerin zugleich nach X. verlegt wurde, unter „C. GmbH“. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Verwaltung und langfristige Anlage eigenen Vermögens in einem oder mehreren in- und ausländischen Investmentfonds. Alleingesellschafter der Klägerin ist der D. e.V., der die Gesellschaftsanteile treuhänderisch für mehrere Konzerngesellschaften der Y-Bank hält. Die größten Anteile als Treugeber halten die Y-Bank 1 AG mit einem Anteil von ca. 72 v.H. sowie die Y-Bank 2 AG mit einem Anteil von ca. 23 v.H.

3

Seit dem 10. Dezember 2009 ist die Klägerin an der am 23. April 2009 von dem D. e.V. als damaligem alleinigem Gesellschafter der Klägerin gegründeten B. SICAV mit einem Anteil von 99,3 v.H. beteiligt. Die B. SICAV ist ausweislich Art. 1 sowie Art. 26 ihrer Satzung, die sowohl auf Französisch als auch auf Deutsch verfasst wurde, eine Kapitalgesellschaft (société anonyme) in der Form einer offenen Investmentgesellschaft nach luxemburgischem Recht. Gem. Art. 1 der Satzung kann sie mehrere Aktionäre haben und dem Anleger nach freiem Ermessen einen oder mehrere Teilfonds anbieten (Umbrella-Konstruktion). Die Gesamtheit der Teilfonds ergibt den Umbrellafonds, wobei die Rechte und Pflichten der Anteilinhaber in der Satzung geregelt sind (Art. 10ff der Satzung). Gesellschaftszweck der B. SICAV ist nach Art. 2 der Satzung der Erwerb, der Verkauf und die Verwaltung von Wertpapieren und sonstigen Vermögenswerten nach dem Grundsatz der Risikostreuung und mit dem Ziel, dass die Aktionäre von der Verwaltung ihrer Anlage profitieren. Die Gesellschaft kann zur Erfüllung dieses Zwecks jede Maßnahme ergreifen, die sie hierfür für sinnvoll erachtet, soweit dieses gem. Teil I des (Luxemburger) Gesetzes über die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren -OGAW- vom 20. Dezember 2002 in seiner jeweils gültigen Fassung zulässig ist. Das Gesellschaftskapital entspricht zu jeder Zeit dem Gesamtnettowert der verschiedenen Teilfonds. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Anteile jederzeit zurückzukaufen. Die Geschäfte der Gesellschaft werden durch einen Verwaltungsrat geführt, der von der Gesellschafterversammlung gewählt wird. Dieser beschließt auch über Zwischenausschüttungen aus dem Teilfonds.

4

Die B. SICAV war und ist in Luxemburg ansässig und verfügt dort über eigene Geschäftsräume mit ca. 10 Mitarbeitern.

5

In Luxemburg galten im Streitjahr 2010 sowie im Jahr 2009 im Zusammenhang mit der Gründung und steuerrechtlichen Behandlung einer SICAV u.a. folgende gesetzliche Bestimmungen:

-       

Gesetz vom 10. August 1915 betreffend die Handelsgesellschaften (Loi du 10 août 1915, concernant les sociétés commerciales),

-       

Gesetz vom 4. Dezember 1967 über Einkommensteuer (Loi du 4 décembre 1967 concernant l’impôt sur le revenu),

-       

Gesetz vom 20. Dezember 2002 über Organismen für gemeinsame Anlagen (Loi du 20 décembre 2002 concernant les organismes de placement collectif et modifiant la loi modifiée du 12 février 1979 concernant la taxe sur la valeur ajoutée).

6

Das Gesetz vom 10. August 1915 enthielt in Art. 2 die Regelung, dass das Gesetz u.a. die Aktiengesellschaft („société anonyme“) als Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit kenne. In Abschnitt IV des Gesetzes werden in Art. 23ff spezielle Regelungen im Hinblick auf die société anonyme aufgeführt.

7

Das Gesetz vom 4. Dezember 1967 enthielt im Titel II (Impot sur le Revenu des Collectives, Art. 158ff) Regelungen zur Körperschaftsteuer. Gem. Art. 1 unterliegen Kapitalgesellschaften („les sociétés anonymes, les sociétés en commandite par actions, les sociétés à responsabilité limitée, les sociétés européennes“) der Körperschaftsteuer.

8

Das Gesetz vom 20. Dezember 2002 über Organismen für gemeinsame Anlagen (OGA) enthielt u.a. Regelungen zur SICAV, wobei die SICAV in Art. 1 Nr. 24 als „société d’invetessiment à capital variable" und in der (nicht amtlichen) deutschen Übersetzung (die lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit bei Maßgeblichkeit der französischen Originalfassung nachfolgend wiedergegeben wird) in Art. 1 Nr. 22 als „Investmentgesellschaft mit variablem Kapital“ definiert wurde. Art. 25-38 (4. Kapitel) des Gesetzes enthielten besondere Bestimmungen für SICAV zur Anlage in Wertpapieren, wobei Art. 33 die allgemeine Regelung traf, dass die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ für Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich dieses Kapitels fallen, durch „Investmentgesellschaft mit variablem Kapital“ oder „SICAV“ ersetzt wird. Gem. Art. 25 des Gesetzes gelten als SICAV Gesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft nach Luxemburger Recht, deren ausschließlicher Zweck darin besteht, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen liquiden Finanzanlagen im Sinne von Art. 41 Abs. 1 dieses Gesetzes anzulegen und ihren Anteilinhabern das Ergebnis der Verwaltung ihrer Vermögenswerte zukommen zu lassen und deren Anteile zum Vertrieb im Wege eines öffentlichen Angebotes oder einer Privatplatzierung bestimmt sind und deren Satzung bestimmt, dass ihr Kapital zu jeder Zeit dem Nettovermögen entspricht. Gem. Art. 26 des Gesetzes unterliegen SICAV vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen dieses Gesetzes den auf Aktiengesellschaften anwendbaren Bestimmungen. In Art. 127 Abs. 1 wurde geregelt, dass OGA im Sinne des Gesetzes keiner Steuer unterliegen mit Ausnahme der von den bürgerlich-rechtlichen Gesellschaften und Handelsgesellschaften zu entrichtenden Kapitalverkehrssteuern und der Abgeltungssteuer (tax d'abonnement) gemäß Art. 129. Gem. Art. 127 Abs. 2 des Gesetzes unterliegen die von den vorgenannten OGA vorgenommenen Ausschüttungen keiner Quellensteuer und werden bei nicht Gebietsansässigen nicht besteuert. Art. 133 Abs. 1 des Gesetzes lautet in der französischen Originalfassung "Les OPC peuvent être constitués avec des compartiments multiples correspondant chacun à une partie distincte du patrimoine d l'OPC". Die in den Akten befindliche nicht amtliche deutsche Übersetzung von Art. 133 Abs. 1 des Gesetzes lautet "OGA können in der Rechtsform eines Umbrella-Fonds mit einzelnen Teilfonds gegründet werden, die jeweils einen separaten Teil des Vermögens des OGA umfassen". Gem. Art. 133 Abs. 5 beschränken sich die Rechte der Anleger und Gläubiger im Hinblick auf einen Teilfonds oder die die Rechte, die im Zusammenhang mit der Gründung, der Verwaltung oder der Liquidation eines Teilfonds stehen, vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung in den Gründungsunterlagen auf die Vermögenswerte dieses Teilfonds. Die Vermögenswerte eines Teilfonds haften, vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung in den Gründungsunterlagen, ausschließlich im Umfang der Anlagen der Anleger in diesem Teilfonds und im Umfang der Forderungen derjenigen Gläubiger, deren Forderungen bei Gründung des Teilfonds, im Zusammenhang mit der Verwaltung oder der Liquidation dieses Teilfonds entstanden sind. Vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung in den Gründungsunterlagen wird im Verhältnis der Anteilhaber untereinander jeder Teilfonds als eigenständige Einheit behandelt.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Gesetz vom 20. Dezember 2002 wird auf die in den Gerichtsakten befindliche französische Originalfassung sowie (lediglich ergänzend) auf die nichtamtliche deutsche Übersetzung verwiesen.

10

In den Jahren 2009 und 2010 bestand bei der B. SICAV ein Teilgesellschaftsvermögen, der B. Fonds, welcher am 8. Mai 2009 aufgelegt worden war. Der Fonds wies zu mehr als 90 v.H. festverzinsliche Wertpapiere einer Vielzahl von Emittenten verschiedener Nationalitäten aus. Die verbleibenden 10 v.H. entfielen auf gruppeneigene (Y-Bank) Investmentanteile, Derivate, Swaps und Bankguthaben. Aktien waren nicht darunter. Über die diesem Fonds zuzuordnenden Vermögensgegenstände erzielte die B. SICAV Zinserträge, die zum Teil ausländischer Quellensteuer unterlagen.

11

Die Klägerin erhielt im Streitjahr 2010 von der B. SICAV aus ihrem Teilgesellschaftsvermögen B. Fonds folgende Gewinnausschüttungen überwiesen, die sie in Ihren zunächst vom Beklagten wie erklärt verarbeiteten Ertragsteuererklärungen für 2010 als steuerfrei nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 wie folgt unter Berücksichtigung nicht abziehbarer Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG erklärte:

12

05.03.2010:

Endausschüttung Geschäftsjahr 2009

        

02.08.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

        

30.09.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

  €

        

17.12.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

     €

        

Gesamt:

        

  €

5 v.H. nicht abziehbare Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG:

 €

        

Differenz:

        

    €

13

Den Ausschüttungen lagen als Zwischenausschüttungen Beschlüsse des Verwaltungsrates und als Endausschüttungen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu Grunde.

14

Die Gewinnausschüttungen wurden in Luxemburg keinem Quellensteuerabzug unterworfen und wurden bei der B. SICAV nicht für steuerliche Zwecke gewinnmindernd gebucht.

15

Die B. SICAV veröffentlichte im Bundesanzeiger Bescheinigungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG über Besteuerungsgrundlagen, in denen der Teilfonds B. Fonds als ausschüttendes Investmentvermögen ausgewiesen wurde. In den Bescheinigungen war u.a. auch ausländische Quellensteuer auf die vom Fonds erzielten Erträge ausgewiesen.

16

In der Zeit vom 15. Oktober 2012 bis 1. April 2015 führte der Beklagte bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch, die sich u.a. auf das bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagte Jahr 2010 bezog. Der Betriebsprüfungsbericht, auf den hinsichtlich der einzelnen Feststellungen Bezug genommen wird, datiert auf den 19. Mai 2015.

17

Der Beklagte war im Ergebnis der Betriebsprüfung der Auffassung, dass die im Jahr 2010 an die Klägerin erfolgten Ausschüttungen der B. SICAV nicht auf Grund des Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 von der deutschen Körperschaft- und Gewerbesteuer freizustellen seien, da es sich bei der B. SICAV zum einen nicht um eine Kapitalgesellschaft i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 handele und zum anderen die Ausschüttungen auch keine Dividenden darstellen würden.

18

Gleichzeitig war der Beklagte aber auch der Auffassung, dass, da eine Steuerfreistellung nicht zu erfolgen habe, die Klägerin nicht lediglich mit den zugeflossenen und in der Bilanz ausgewiesenen Erträgen, sondern mit den gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG bescheinigten Erträgen aus dem Teilfonds der Regelbesteuerung nach dem InvStG unterliege. Es seien bei der Klägerin Investmenterträge i.S.v. § 2 InvStG als Einkünfte anzusetzen und die ausländische Quellensteuer dem Einkommen außerbilanziell hinzuzurechnen.

19

Hierauf bezogen ergab sich folgende Änderung des zu versteuernden Einkommens:

20

05.03.2010:

Endausschüttung Geschäftsjahr 2009

        

02.08.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

        

30.09.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

  €

        

17.12.2010:

Zwischenausschüttung Geschäftsjahr 2010

  €

        

Summe:

        

zzgl. Ausgleichsposten

                 

für nichtabziehbare Werbungskosten § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 InvStG

 €

        

Summe:

        

zzgl. Quellensteueraufwand im Fonds (außerbilanziell)

 €

        

Summe:

        

abzgl. bereits von der Klägerin gem. § 8b Abs. KStG berücksichtigt

        

Differenz im z.v.E.:

        

    €

21

Weiterhin sei gem. § 4 InvStG i.V.m. § 26 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und § 34c Einkommensteuergesetz (EStG) ausländische Quellensteuer in einer berechneten Höhe von ... € anzurechnen.

22

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 23. Juli 2015 gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermessbetrag für 2010. Er setzte die Körperschaftsteuer für 2010 von ... € auf ... € und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 von ... € auf ... € herauf. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte jeweils auf.

23

Hiergegen legte die Klägerin am 24. Juli 2015 Sprungklage beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt ein, der der Beklagte nicht zustimmte. Das Verfahren wurde daraufhin gem. § 45 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an den Beklagten zur Durchführung des Einspruchsverfahrens abgegeben.

24

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 17. März 2016 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten der Argumentation wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

25

Die hiergegen gerichtete Klage ist am 20. April 2016 bei Gericht eingegangen.

26

Die Klägerin trägt zusammenfassend vor, dass die aus Luxemburg bezogenen Ausschüttungen der B. SICAV als Schachteldividenden i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 in Deutschland von der Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer freizustellen seien. Dem stehe die Anwendung des InvStG nicht entgegen. Es greife keine Rückfallklausel ein, weder im DBA Luxemburg 1958 noch im innerstaatlichen Recht, etwa nach § 50d Abs. 9 EStG. Die dadurch entstehende doppelte Nichtbesteuerung der Ausschüttungen für das Streitjahr sei rechtlich nicht zu beanstanden, da das seinerzeit geltende DBA Luxemburg 1958 (im Gegensatz zu dem aktuell seit dem 01. Januar 2014 geltenden DBA Luxemburg 2012) schon die virtuelle Doppelbesteuerung vermeiden wollte und ein generelles Prinzip des Verbots der doppelten Nichtbesteuerung nicht galt. Auch die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 ff. Außensteuergesetz (AStG) komme nach § 8 Abs. 2 AStG aufgrund der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der B. SICAV in Luxemburg nicht zur Anwendung. Auf die freigestellten Dividenden sei allerdings, wie von der Klägerin auch ursprünglich erklärt und abweichend von der noch mit Klageeinreichung vertretenen Auffassung § 8b Abs. 5 KStG (Hinzurechnung von pauschal 5 v.H. der Dividenden als nichtabziehbare Betriebsausgaben) anzuwenden.

27

Die Argumentation gliedert sich im Einzelnen wie folgt auf:

28

Das Besteuerungsrecht für die Ausschüttungen der B. SICAV, die als Dividenden anzusehen seien, stehe nach den Verteilungsartikeln des DBA Luxemburg 1958 sowohl Deutschland nach Art. 13 Abs. 1 als auch Luxemburg nach Art. 13 Abs. 2 zu.

29

Die auf Grund der Nichtausübung des Rechtes zur Erhebung von Quellensteuer in Luxemburg lediglich virtuell vorhandene Doppelbesteuerung sei durch Freistellung der von der Klägerin bezogenen Schachteldividenden i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 in Deutschland zu beseitigen. Die Klägerin sei eine Kapitalgesellschaft mit Wohnsitz in Deutschland. Die B. SICAV sei ebenfalls eine Kapitalgesellschaft i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958. Sie sei eine nach Luxemburger Recht gegründete société anonyme (s.a.), eine Aktiengesellschaft Luxemburgischen Rechts. Dass sie daneben aus rein investmentsteuerlicher Sicht auch ein Investmentvermögen (des Satzungstyps, also in Form einer Kapitalgesellschaft, nicht des Vertragstyps in Form eines Sondervermögens) sei, ändere an der Beurteilung der B. SICAV für alle anderen Zwecke, insbesondere für die Anwendung des DBA, als Kapitalgesellschaft, nichts. Nach dem Rechtstypenvergleich sei die B. SICAV mit einer deutschen AG, d.h. einer Investmentaktiengesellschaft (InvestmentAG) vergleichbar. Dieses ergebe sich aus einem Vergleich der Luxemburger Rechtsnormen für die SICAV und den Merkmalen einer deutschen Kapitalgesellschaft. Die SICAV sei nach Art. 25 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 eine Gesellschaft in Form einer Aktiengesellschaft nach Luxemburger Recht (société anonyme). Diese entspreche einer deutschen AG. Die Besonderheiten einer SICAV im Vergleich zu einer sonstigen s.a. änderten hieran nichts. Mit EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 (C-303/07, Aberdeen Property finest Alpha Oy) sei entschieden worden, dass eine Luxemburger SICAV in dem dortigen Streitfall einer finnischen Kapitalgesellschaft gleichzustellen sei. SICAVs seien Kapitalgesellschaften, für die lediglich für investmentrechtliche und investmentsteuerrechtliche Zwecke gewisse Besonderheiten gelten würden, da sie auch als Investmentvermögen fungierten und sie sogar, wie die B. SICAV, eine Umbrellastruktur haben könnten. Gem. Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 sei eine SICAV sowohl Kapitalgesellschaft als auch Investmentgesellschaft. Allein die Eigenschaft auch Investmentgesellschaft zu sein, qualifiziere die SICAV nicht als sonstige juristische Person privaten Rechts gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Entgegen der Darstellung des Beklagten und entgegen der vom Beklagten vorgelegten nichtamtlichen Übersetzung von Art. 133 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 werde die SICAV im Fall einer Investmentstruktur mit Umbrellafond nicht zu einer eigenen Rechtsform. Die vom Beklagten vorgelegte nichtamtliche Übersetzung des Gesetzestextes sei unrichtig. Der französische Originaltext verwende den Begriff der Rechtsform (form juridique) nicht und verwende auch nicht den Begriff „Umbrellafond“. Richtig übersetzt laute die französische Vorschrift des Art. 133 „OGAs können mit mehreren Teilfonds errichtet werden, die jeweils einem separaten Teil des Vermögens des OGA entsprechen“. Dies zeige sehr deutlich, dass mit der Umbrellastruktur keine eigene Rechtsform verbunden sei. Das Teilgesellschaftsvermögen der SICAV sei auch nicht rechtlich selbständig, sondern Teil des Gesellschaftsvermögens der SICAV. Dies habe auch der Beklagte letztlich auf Seite 31 der Einspruchsentscheidung bei dem Vergleich mit der Deutschen InvestmentAG  erkannt, ohne allerdings hieraus den logischen Folgeschritt der Einordnung der SICAV als Kapitalgesellschaft zu vollziehen. Hintergrund der Bildung von Teilgesellschaftsvermögen seien aus investmentrechtlicher Sicht allein haftungs- und vermögensrechtliche Erwägungen, die aber an der Zuordnung des Vermögens zur SICAV bzw. InvestmentAG nichts ändern würden. Die Ausschüttungen erfolgten durch die SICAV und nicht, wie der Beklagte meint, durch den Teilfonds, der für sich betrachtet nichts „ausschütten“ könne. Die Umbrellastruktur, auf die der Beklagte in seiner Argumentation entscheidend abstelle, berühre lediglich die Art und Weise, wie die SICAV ihr Anlagevermögen haftungs- und vermögensrechtlich organisiere. Sie qualifiziere aber die Rechtsform nicht um. Für die Qualifikation als Kapitalgesellschaft sei es auch irrelevant, ob die SICAV ihre Ausschüttungen aus dem einen oder anderen Teilgesellschaftsvermögen speise, ebenso wie es für die Einordnung einer AG als Kapitalgesellschaft unbeachtlich sei, ob sie die Gewinnausschüttungen aus dem einen oder anderen Geschäftsbereich speise.

30

Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 seien erfüllt. Die B. SICAV habe ihren Wohnsitz in Luxemburg. Die Klägerin habe mindestens 25 % der Stimmrechte an der B. SICAV und die strittigen Ausschüttungen seien auch Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958. Das DBA Luxemburg 1958 enthalte eine eigenständige Bestimmung des Dividendenbegriffs. Hiernach seien gem. Nr. 12 des Schlussprotokolls alle dort aufgeführten Einkünfte Dividenden. Der Begriff sei daher sehr weit gefasst. Die Klägerin erziele die Dividenden von der B. SICAV und nicht von ihrem Teilgesellschaftsvermögen, da dieses nicht rechtlich selbständig und lediglich Bestandteil des Investmentvermögens der SICAV sei. Die strittigen Ausschüttungen seien auch „echte“ Dividenden i.S.d. BFH-Urteils vom 04. Juni 2008 (I R 62/06). Es handele sich um Dividenden i.S.v. Ziffer 12 des Schlussprotokolls zum DBA Luxemburg 1958. Der BFH habe es in dem genannten Urteil lediglich abgelehnt, die „fiktiven“ Dividenden gem. Ziffer 11 des Schlussprotokolls des DBA Luxemburg 1958 (Einkünfte als typisch stiller Gesellschafter) auch unter das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 zu fassen. Das „investmentsteuerliche Transparenzprinzip“ stehe der Behandlung als Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 ebenfalls nicht entgegen.

31

Die tatsächliche Nichtbesteuerung der Dividenden in Luxemburg sei unschädlich. Luxemburg habe von dem ihm in Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 eingeräumten Quellenbesteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Für die Anwendung von Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 genüge es aber, dass abstrakt beiden Staaten das Besteuerungsrecht zugewiesen sei, unabhängig davon, ob beide Staaten auch davon Gebrauch machen (BFH-Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/99, BFH/NV 2012, 1056).

32

Eine Rückfallklausel bei tatsächlicher Nichtbesteuerung nach dem DBA Luxemburg 1958 existiere für das Streitjahr nicht. Erst das neue DBA Luxemburg 2012 vom 13. April 2012, welches für das Jahr 2010 noch nicht anwendbar sei, sehe in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Klausel vor, nach der eine Freistellung in Deutschland nur dann zu erfolgen habe, wenn tatsächlich eine Besteuerung in Luxemburg erfolge. Anderenfalls komme nur eine Anrechnung in Betracht. Eine derartige Klausel enthalte das DBA Luxemburg 1958 aber nicht, sondern stelle für die Freistellung in Deutschland auf das abstrakte Besteuerungsrecht Luxemburgs ab.

33

Es existiere auch keine Rückfallklausel nach einem deutschen Einzelsteuergesetz. Insbesondere komme § 50d Abs. 9 EStG nicht zur Anwendung, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.

34

Ein generelles Verbot der Doppel-Nichtbesteuerung existiere ebenfalls nicht. Dies lasse sich zum einen aus dem DBA Luxemburg 1958 nicht entnehmen. Zum anderen sei sich der Gesetzgeber dem Problem bewusst gewesen und habe den Kreis der Rückfallklauseln (nur) auf die in § 50d Abs. 9 EStG genannten Fälle eingeschränkt.

35

Die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7ff AStG sei auch nach Auffassung des Beklagten nicht anzuwenden.

36

Die Auffassung der Klägerin werde zudem bestätigt durch die Anwendung von Schachtelprivilegien auf Fondsausschüttungen, denn die Systematik des InvStG und des AStG belegten, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass das InvStG der Anwendung des Schachtelprivilegs auf Ausschüttungen eines ausländischen Investmentvermögens nicht entgegenstehe. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 7 AStG. Die Schachtelprivilegierung von Auslandsfondsausschüttungen entspreche im Übrigen auch der Auffassung der Finanzverwaltung.

37

Die Klägerin sieht ihre Auffassung auch bestätigt durch das (geplante) Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG). Die vorgesehenen Änderungen im Rahmen des InvStRefG, insbesondere die Ausführungen in der Begründung zum Referentenentwurf zu § 14 Abs. 5 INvStG-E zeigten deutlich, dass nach der bislang und damit auch für das Streitjahr geltenden Rechtslage Ausschüttungen eines ausländischen Investmentvermögens des Satzungstyps ungeachtet der Anwendung des investmentsteuerlichen Transparenzprinzips als Schachteldividenden von der Besteuerung in Deutschland freigestellt werden könnten.

38

Auf die Ausschüttung sei § 8b Abs. 5 KStG anzuwenden.

39

Die Klägerin beantragt,
Die Bescheide für 2010 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag vom 23. Juli 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. März 2016 dahingehend zu ändern, dass
die Körperschaftsteuer 2010 unter Berücksichtigung eines um ... € verminderten zu versteuernden Einkommens sowie unter Berücksichtigung einer um ... € verminderten Anrechnung ausländischer Steuern auf ... € herabgesetzt wird und
der Gewerbesteuermessbetrag 2010 unter Berücksichtigung eines um ... € verminderten Gewerbeertrages auf ...  € herabgesetzt wird,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

40

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

41

Er verweist zur Begründung zum einen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

42

Weiter erwidert er zur Klagebegründung wie folgt:

43

Es sei zwar zutreffend, dass das Besteuerungsrecht für die Ausschüttungen der B. SICAV nach den Verteilungsartikeln des DBA Luxemburg 1958 sowohl Deutschland gem. Art. 13 Abs. 1 als auch Luxemburg gem. Art. 13 Abs. 2 zustehe. Zwar lägen mit den Ausschüttungen keine Dividenden im Rechtssinne vor. Wegen Nr. 12 des Schlussprotokolls gelten die Einkünfte aus Anteilen an einer Kapitalanlagegesellschaft (eine solche sei die B. SICAV) aber als Dividenden i.S.v. Art. 13 DBA Luxemburg 1958. Luxemburg habe daher ein beschränktes Quellenbesteuerungsrecht, wobei durch Anwendung der Anrechnungsmethode gem. Art 20 Abs. 3 DBA Luxemburg 1958 eine Doppelbesteuerung der Investmenterträge ausgeschlossen sei.

44

Die virtuelle Doppelbesteuerung sei nicht durch Freistellung in Deutschland als Schachteldividende i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 zu vermeiden. Zwar sei die Klägerin eine Kapitalgesellschaft mit Wohnsitz in Deutschland. Gem. Ziffer 1 des Schlussprotokolls, die eine dynamische Verweisung enthalte, gelte das Abkommen nicht für Holdinggesellschaften im Sinne der besonderen luxemburgischen Gesetze (zur Zeit, d.h. zum Zeitpunkt der Abfassung des Schlussprotokolls, Gesetze vom 31. Juli 1929 und 27. Dezember 1937). Die B. SICAV stelle eine Holdinggesellschaft im Sinne von Ziffer 1 des Schlussprotokolls dar. Die B. SICAV sei aber auch keine Kapitalgesellschaft i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958. Der Begriff der Kapitalgesellschaft sei im DBA Luxemburg 1958 nicht definiert, so dass bei der Definition der Kapitalgesellschaft gem. Art. 2 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 auf deutsches Recht, das sich auf Steuern bezieht, zurückzugreifen sei. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG seien Kapitalgesellschaften u.a. die AG. Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zählten nicht dazu. Die Klägerin habe letztlich die Ausschüttungen aus dem Teilgesellschaftsvermögen, dem B. Fonds erhalten, der als Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG einzuordnen sei. Die SICAV entspreche aber auch im Typenvergleich keiner deutschen AG, sondern mit ihrer Ausgestaltung als Umbrellafonds einer deutschen InvestmentAG nach dem InvG bzw. KAGB. Zwar beruhten sowohl die SICAV als auch die InvestmentAG mit variablem Kapital auf dem Grundtyp einer AG, unterscheiden sich jedoch von dieser auf Grund vorrangiger investmentrechtlicher Besonderheiten (insbesondere durch das variable Kapital) grundlegend. So seien etwa bei der Investment-AG ein nicht unwesentlicher Teil der aktienrechtlichen Bestimmungen, die dem Aktionärsschutz dienten, nicht anwendbar. Der investmentrechtliche Aktionär sei in erster Linie Anleger und bedürfe vor allem des institutionalisierten investmentrechtlichen Anlegerschutzes und weniger des allgemeinen. Der Unternehmensgegenstand sei auf die Anlage von Wertpapieren beschränkt. Es beständen auch besondere Aufsichts- und Genehmigungsvorschriften, die es so für AGs nicht gebe. Das Teilgesellschaftsvermögen des Fonds stehe im Widerspruch zum allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei der AG keine Unterteilung in Teilvermögen bestehe. Zudem erfolgten die Ausschüttungen  gesondert für die im jeweiligen Teilfonds erwirtschaften Erträge je Anteil. Es sei nicht mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen für Kapitalgesellschaften vereinbar, dass das Gesellschaftskapital zu jeder Zeit dem Nettovermögen der Gesellschaft entspreche und das Vermögen mit dem Verkehrswert bilanziell auszuweisen sei. Regelungen aus dem AktG zur Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung gelten nicht. Die Gesellschaft sei auch verpflichtet, die Anteile auf Verlangen der Anteilsinhaber zurückzunehmen. Die SICAV stelle mit Ihrer in Art. 133 des luxemburgischen OPC-Gesetzes 2002 eine investmentrechtlich geprägte hybride Sonderrechtsform dar und sei deshalb einer sonstigen juristischen Person des privaten Rechts i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG gleichzusetzen. Die SICAV habe zudem mit ihrem Teilfonds die besondere Rechtsform des Umbrella-Fonds gem. Art. 133 des OPC-Gesetztes 2002. Bereits diese Tatsache schließe aus, dass die SICAV der Rechtsform nach eine AG sei. Der Fonds selbst sei ein separates, mit der SICAV nicht zusammenzufassendes Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Hieraus habe die Klägerin Ausschüttungen erhalten und damit nicht von einer Kapitalgesellschaft. Allerdings vertrete der Beklagte keinesfalls die Auffassung, dass die Teilfonds in dem Sinne rechtlich verselbständigt seien, dass sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügten. Es sei unstreitig, dass die Vermögenswerte des Teilfonds Eigentum der SICAV seien. Insbesondere die Umbrella-Struktur mit Teilfonds und der Regelung, dass im Verhältnis der Anleger untereinander jeder Teilfonds als eigenständige Einheit behandelt werde, unterscheide die SICAV von der AG bzw. luxemburgischen S.A. Daher könnten Aussagen zur Einordnung einer luxemburgischen SICAV ohne Teilfonds als Kapitalgesellschaft nicht auf die B. SICAV und ihren Teilfonds übertragen werden. Auch steuerlich würde sich eine Investmentgesellschaft wie die SICAV oder eine InvestmentAG grundlegend von einer Kapitalgesellschaft wie einer AG unterscheiden, da diese auf Grund der besonderen Vorschriften für Investmentvermögen von der Ertragsbesteuerung freigestellt seien. Historische Überlegungen führten dazu, dass die SICAV nicht als Kapitalgesellschaft i.S.d. DBA Luxemburg 1958 einzuordnen sei. Denn diese Rechtsform bzw. die vergleichbare Rechtsform der deutschen InvestmentAG mit variablem Kapital sei erst Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens am 23. August 1958 bzw. des Ergänzungsprotokolls zum Abkommen am 15. Juni 1973 eingeführt worden. Es sei offensichtlich, dass es auf Grund der Abkommenssystematik aus deutscher und luxemburgischer Sicht keinen Sinn mache, für satzungsrechtliches Investmentvermögen wie im Streitfall das Schachtelprivileg zu gewähren. Dies bestätige auch der Umstand, dass im neuen DBA Luxemburg 2012 steuerbefreites satzungsrechtliches Investmentvermögen durch die Vereinbarung einer subjekt-to-tax-Klausel vom Schachtelprivileg des Art 22. DBA Luxemburg 2012 ausgenommen worden sei.

45

Die strittigen Ausschüttungen seien auch keine Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958. Zum einen bereits deshalb nicht, da die Ausschüttungen nicht von einer Kapitalgesellschaft stammten. Die Ausschüttungen seien aber auch keine „echten“ Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 i.S.d. zur typisch stillen GmbH-Beteiligung ergangenen BFH-Urteils vom 24. Juni 2008 (I R 62/06, BStBl II 2008, 798), denn es müsste sich um Dividenden handeln, die gerade aus der mindestens 25%igen Kapitalbeteiligung herrührten. Die Urteilsgrundsätze seien auf den Streitfall zu übertragen. Vorliegend stammten die ausgeschütteten Erträge aus dem Fonds-Sondervermögen der B. SICAV, dem B. Fonds, und seien daher keine echten Dividenden sondern Investmenterträge, die der Regelbesteuerung nach dem InvStG unterlägen. Der Behandlung als Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 stehe auch das investmentsteuerliche Transparenzprinzip entgegen. Danach soll der Anleger in ein Investmentvermögen im Grundsatz nicht besser aber auch nicht schlechter gestellt werden, als habe er direkt in die von dem Investmentvermögen gehaltenen Vermögensgegenstände investiert.

46

Die tatsächliche Nichtbesteuerung in Luxemburg sei schädlich, da hierdurch unversteuerte (weiße) Einkünfte entstehen würden, was mit dem Sinn- und Zweck des Doppelbesteuerungsabkommens nicht vereinbar sei. Luxemburg habe von dem in Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 eingeräumten Quellenbesteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Die Gewährung des Schachtelprivilegs zöge im Ergebnis in beiden Staaten nichtbesteuerte Einkünfte nach sich. Dieses sei aber mit dem Sinn- und Zweck des DBA, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung und Doppelbelastung zu vermeiden, nicht vereinbar. Die Steuerfreistellung durch das Schachtelprivileg diene der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, nicht der Vermeidung der lediglich virtuellen Doppelbesteuerung und unterscheide sich daher von der Steuerfreistellung anderer Einkünfte nach Art. 20  Abs. 2 Satz 1 DBA Luxemburg 1958. Bei Nichtanwendung des Schachtelprivilegs drohe, im Unterschied zur Freistellung anderer Einkünfte nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA Luxemburg 1958, auch keine Doppelbesteuerung von Dividenden, da dies durch die Anrechnungsmethode nach Art. 20 Abs. 3 DBA Luxemburg 1958  verhindert werden würde, hätte Luxemburg Quellensteuer erhoben. Diese systematischen Unterschiede gebieten es, bei der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 dem Ziel und Zweck einen höheren Stellenwert bei zu bemessen als bei der Freistellung anderer Einkünfte. Wie im Fall des BFH-Urteils vom 4. Juni 2008 (I R 62/06 „typisch stille Beteiligung“) sei daher auch vorliegend die Gewährung des Schachtelprivilegs abzulehnen.

47

Es bestehe zwar keine Rückfallklausel bei tatsächlicher Nichtbesteuerung nach dem DBA Luxemburg 1958. Erst das neue DBA Luxemburg 2012 vom 13. April 2012, welches für das Jahr 2010 noch nicht anwendbar sei, sehe in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Klausel vor, nach der eine Freistellung in Deutschland nur dann zu erfolgen habe, wenn tatsächlich eine Besteuerung in Luxemburg erfolge. Anderenfalls komme nur eine Anrechnung in Betracht. Eine derartige Klausel enthalte das DBA Luxemburg 1958 zwar nicht, es habe aber auch einer derartigen Klausel nicht bedurft, da bereits aus dem Sinn und Zweck des Abkommens eine rein virtuelle Doppelbesteuerung nicht zur Freistellung der Schachteldividenden gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 führe.

48

Es bestehe zwar kein generelles Verbot der Doppelnichtbesteuerung. Die diesbezügliche Argumentation der Klägerin sei aber für den vorliegenden Fall bedeutungslos. Da keine „echten“ Dividenden vorliegen würden, gelten die Grundsätze des BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 (I R 62/06), wonach die Gewährung des Schachtelprivilegs jedenfalls für die Klägerin abzulehnen sei.

49

Anders als es die Klägerin darstelle entspreche die Schachtelprivilegierung von Auslandsfondsausschüttungen keinesfalls allgemein der Auffassung der Finanzverwaltung, so dass hierdurch die Argumentation der Klägerin gerade nicht bestätigt werde. Bereits in den den Urteilen des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29. März 2007 (6 K 514/03, EFG 2007, 1223), des BFH vom 6. Juni 2012 (I R 52/11, BStBl II 2014, 240) und des BFH vom 20. Januar 2015 (II R 42/12, BFH/NV 2015, 1079) zu Grunde liegenden Verfahren habe die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass die französische SICAV nicht als herkömmliche Kapitalgesellschaft angesehen werden könne. Beide BFH-Verfahren seien zur Klärung der Rechtslage in einem anderen Staat zurückverwiesen worden. Die Finanzverwaltung würde die Verfahren nicht betreiben, wenn sie der Auffassung wäre, dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg zu gewähren sei.

50

Die Auffassung der Klägerin werde auch nicht durch das (geplante) Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG), insbesondere nicht durch die Ausführungen in der Begründung zum Referentenentwurf zu § 14 Abs. 5 INvStG-E bestätigt. Der Entwurf sehe vor, dass für Publikumsfonds wie den B. Fonds in Abkehr vom investmentrechtlichen Transparenzprinzip eine intransparente Besteuerung eingeführt werden soll. Bereits aus diesem Systemwechsel werde deutlich, dass hieraus keine Rückschlüsse für den Streitfall gezogen werden könnten. In § 14 Abs. 5 INvStG-E werden zudem an sich steuerpflichtige Einkünfte (Zinsen) in steuerfreie Schachteldividenden umgewandelt. Ein solcher Zusammenhang spreche aber eher gegen die Gewährung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs im Streitfall. Denn es laufe dem Ziel des DBA eindeutig zuwider, wenn das Schachtelprivileg bei Gestaltungsmodellen mit Investmentfonds zur Anwendung komme, die in erster Linie die Entstehung unversteuerter weißer Einkünfte zum Ziel haben. In einem solchen Fall wäre auch § 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG näher zu prüfen.

51

Vorliegend sei § 8b Abs. 5 KStG nur deshalb nicht anwendbar, da § 8b Abs. 1 KStG wegen § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht zur Anwendung komme. Es bestehe daher in direkter Zusammenhang zwischen der Nichtanwendung des § 8b Abs. 1 KStG, der Einordnung der B. SICAV als juristische Person  des privaten Rechts i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG und der Einordnung des Teilfonds B. Fonds als Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation wird auf die von den Beteiligten im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

53

1. Die Klage ist begründet.

54

Die Bescheide über Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermessbetrag für 2010 vom 23. Juli 2015 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 17. März 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO.

55

Die streitigen Ausschüttungen sind als sog. Schachteldividenden gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 des DBA Luxemburg 1958 von der Bemessungsgrundlage der Körperschaft- und Gewerbesteuer auszunehmen, mit der weiteren Folge, dass die vom Beklagten vorgenommene Anrechnung ausländischer Steuern nicht zu erfolgen hat, gleichwohl aber pauschale, nicht abziehbare Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG, wie auch von der Klägerin erklärt, zu berücksichtigen sind.

56

a) Die Klägerin war im Streitjahr in Deutschland ansässig und unterfällt hier als Kapitalgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG mit ihrem Welteinkommen (§ 8 Abs. 1 KStG) der unbeschränkten Steuerpflicht.

57

Dazu gehören zum einen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch die Gewinnanteile auf Anteile an einer, auch ausländischen Kapitalgesellschaft. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG gehören auch die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge und der Zwischengewinn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie nicht (wie vorliegend) Betriebseinnahmen des Anlegers, Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG oder Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG sind.

58

Das DBA-Luxemburg 1958 ändert daran prinzipiell nichts: Das Besteuerungsrecht für Dividenden richtet sich grundsätzlich nach Art. 13 DBA-Luxemburg. Eine Definition der Dividende enthält das DBA Luxemburg 1958 zwar nicht, allerdings werden gem. Ziffer 12 des Schlussprotokolls u.a. Einkünfte aus Wertpapieren wie Aktien oder Anteilsscheinen an einer Kapitalanlagegesellschaft als Dividenden i.S.v. Art. 13 DBA Luxemburg 1958 behandelt. In jedem Fall liegen Dividenden i.S.v. Ziffer 12 des Schlussprotokolls vor, entweder weil es sich, so die Klägerin, um Einkünfte aus Aktien handelt oder weil es sich, so der Beklagte, um Einkünfte aus Anteilen an einer Kapitalanlagegesellschaft, die aber als Dividenden i.S. des Abkommens behandelt werden, handelt. Das Besteuerungsrecht für Dividenden steht nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg grundsätzlich dem Wohnsitzstaat der Person (gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DBA Luxemburg 1958 bedeutet der Begriff „Person“ sowohl natürliche als auch juristische Personen) die Dividenden bezieht, im Streitfall also Deutschland zu. Es wird hinsichtlich der Dividenden lediglich durch das Recht des anderen Vertragsstaats, hier also Luxemburgs, zum Steuerabzug an der Quelle eingeschränkt (Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg); diese Quellensteuer, sofern sie denn erhoben wird, wäre in Deutschland grundsätzlich auf die Körperschaftsteuer anzurechnen (Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg).

59

b) § 8b Abs. 1 KStG ist auf die streitigen Ausschüttungen nicht anwendbar. Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft außer Ansatz. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht, ob diese Bezüge von inländischen oder ausländischen Körperschaften geleistet werden. Voraussetzung ist lediglich, dass es sich um solche i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG handelt. Damit gilt § 8b Abs. 1 KStG auch für Gewinnausschüttungen ausländischer Gesellschaften an inländische Körperschaften. Das abkommensrechtliche Schachtelprivileg des DBA kommt demgegenüber regelungssystematisch nur dann zur Anwendung, wenn sich die nämliche Rechtsfolge der "Freistellung" nicht bereits aus nationalem Recht ergibt. Die (Tatbestands-)Konkurrenz beider Regelungen ist somit regelmäßig zu Lasten des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs aufzulösen (BFH-Beschluss vom 22. September 2016 I R 29/15, IStR 2017, 194).

60

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG findet aber für Erträge aus Investmentanteilen § 8b Abs. 1 KStG außer in den Fällen des § 2 Abs. 2 InvStG keine Anwendung. Die Anwendbarkeit des InvStG auf den Streitfall ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 9 Investmentgesetz (InvG). Bei der B. SICAV handelt es sich um eine ausländische Investmentgesellschaft i.S.v. § 2 Abs. 9 InvG, bei der der Anleger verlangen kann, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem ausländischen Investmentvermögen ausgezahlt wird.

61

Die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 InvStG greift vorliegend nicht ein. Danach wäre § 8b KStG nur dann anzuwenden, soweit ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge solche im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 EStG sind. Hierbei handelt es sich um einen Anwendungsfall des (investmentsteuerlichen) Transparenzprinzips, weil sich die Behandlung auf der Ausgangsseite nach dem Charakter der die Erträge aus Investmentanteilen speisenden Erträge des Investmentvermögens auf der Eingangsseite richtet. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn das Investmentvermögen die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge mit Beträgen finanziert, die es auf der Eingangsseite als Einnahmen aus Beteiligungen an einer AG, GmbH, Genossenschaft oder den nach einem Typenvergleich diesen juristischen Personen entsprechenden Rechtsformen des ausländischen Rechts erzielt (Dividendenanteil) (Littmann/Bitz/Pust, InvStG, § 2 Rz. 50,53). Eine mehrstufige Transparenz findet nicht statt (Bordewin/Brandt, InvStG, § 2 Rz. 4). In den von der B. SICAV bezogenen Erträgen sind hingegen keine derartigen Erträge, sondern vielmehr Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren enthalten.

62

c) Die streitigen Ausschüttungen sind als Schachteldividenden nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 DBA Luxemburg 1958 von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen.

63

Gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA Luxemburg 1958 werden von der Bemessungsgrundlage für die Steuer des Wohnsitzstaates die Einkünfte und Vermögensteile ausgenommen, für die nach den vorhergehenden Artikeln der andere Staat ein Besteuerungsrecht hat. Vorliegend ergibt sich, wie bereits oben dargestellt, das (Quellen-) Besteuerungsrecht Luxemburgs, von dem Luxemburg allerdings keinen Gebrauch gemacht hat, für die streitigen Ausschüttungen aus Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 i.V.m. Ziffer 12 des Schlussprotokolls.

64

Allerdings gilt Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 hinsichtlich Dividenden nur für solche Dividenden, die einer Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft mit Wohnsitz in dem anderen Vertragsstaat gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 v.H. der erstgenannten Gesellschaft gehören. Dass es sich bei der Klägerin um eine Kapitalgesellschaft handelt, die zu mindestens 25 v.H. an der B. SICAV beteiligt ist, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Ebenfalls unstreitig ist, dass die B. SICAV ihren Wohnsitz i.S.v. Art 3 Abs. 5, 6 DBA Luxemburg 1958 (Ort des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung) in Luxemburg hat. Die Klägerin kann sich jedoch nur dann auf das Schachtelprivileg berufen, wenn es sich bei der B. SICAV um eine Kapitalgesellschaft i.S.d. DBA Luxemburg 1958 handelt, die Ausschüttungen Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA Luxemburg 1958 darstellen und die Klägerin die Ausschüttungen auch von der B. SICAV erhalten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

65

aa) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Beklagten ist die Anwendung des DBA Luxemburg 1958 hinsichtlich einer luxemburgischen SICAV mit Umbrellastruktur nicht bereits wegen Ziffer 1 des Schlussprotokolls zum Abkommen ausgeschlossen. Hiernach gilt das Abkommen nicht für Holdinggesellschaften im Sinne der besonderen luxemburgischen Gesetze (zur Zeit Gesetze vom 31. Juli 1929 und 27. Dezember 1937). Es gilt auch nicht  für Einkünfte, die eine Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland von diesen Holdinggesellschaften bezieht, und für Anteile an diesen Gesellschaften, die dieser Person gehören. Die B. SICAV ist hingegen keine Holdinggesellschaft i.S. von Ziffer 1 des Schlussprotokolls. Zum einen wurde der Typ der Holdinggesellschaft basierend auf dem Gesetz vom 31. Juli 1992 zum 01. Januar 2007 abgeschafft (Steichen in Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Luxemburg Anh. Rz. 117). Zum anderen liegt eine Holdinggesellschaft jedenfalls nur dann vor, wenn der ausschließliche Gesellschaftszweck darin besteht, Beteiligungen gleich welcher Art an luxemburgischen oder ausländischen Gesellschaften zu halten, zu verwalten und zu verwerten, und zwar so, dass die Holdinggesellschaft nicht selbst direkt erwerbstätig wird und auch keine der Öffentlichkeit zugängliche Geschäftseinrichtung unterhält (vgl. Steichen in Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, EL 125 Januar 2014, Anh. Luxemburg Rz. 116). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich bei der B. SICAV, deren ausschließlicher Gesellschaftszweck gerade nicht darin besteht, Beteiligungen gleich welcher Art an luxemburgischen oder ausländischen Gesellschaften zu halten, nicht vor. Gründe dafür, Ziffer 1 des Schlussprotokolls etwa in analoger Anwendung oder auf Grund einer (nicht ersichtlichen) dynamischen Verweisung auch auf luxemburgische SICAV unabhängig von deren Gesellschaftszweck anzuwenden, sind für den Senat nicht erkennbar.

66

bb) Die B. SICAV ist als (in Luxemburg grundsätzlich der intransparenten Besteuerung unterliegende, aber dort ertragsteuerbefreite) Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA Luxemburg 1958 einzustufen. Dieses gilt trotz der vom Beklagten als entscheidend benannten Tatsache, dass die B. SICAV eine Umbrellastruktur mit Teilgesellschaftsvermögen aufweist.

67

Der Begriff der Kapitalgesellschaft ist im DBA nicht definiert. Für diesen Fall enthält Art. 2 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 eine Auslegungsregel. Bei der Anwendung des Abkommens durch einen der Vertragsstaaten wird jeder Begriff, der nicht in diesem Abkommen bestimmt ist, die Auslegung erfahren, die sich aus den Gesetzen ergibt, die in dem Vertragsstaat in Kraft sind und sich auf Steuern im Sinne dieses Abkommens beziehen, falls der Zusammenhang keine andere Auslegung erfordert. Hierdurch ist hinsichtlich der Frage, was als Kapitalgesellschaft gilt, auf die Rechtslage im Streitjahr in Deutschland und nicht im Abkommensjahr 1958 bzw. 1973 abzustellen.

68

Da weder das InvG noch das InvStG eine Definition einer Kapitalgesellschaft enthalten, ist auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zurückzugreifen. Nach der hiernach im Streitjahr geltenden Fassung sind Kapitalgesellschaften insbesondere (dieses Wort wurde erst mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 durch Gesetz vom 07. Dezember 2006, BGBl I 2006, 2782 eingefügt) Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Das Wort „insbesondere“ macht deutlich, dass die im Gesetz enthaltene Aufzählung nicht abschließend ist.

69

Für die Qualifizierung einer ausländischen Person -hier einer SICAV- als Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg ist im Wege eines sog. Typenvergleichs (vgl. dazu z.B. BFH-Entscheidungen vom 4. April 2007 I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; vom 15. März 1995 II R 24/91, BFHE 177, 497, BStBl II 1995, 653; BFH-Urteil vom 20. Januar 2015 II R 42/12, BFH/NV 2015, 1079) darauf abzustellen, ob sie nach deutschem Recht als Kapitalgesellschaft anzusehen ist. Es ist zu prüfen, ob die SICAV nach Luxemburger Rechtslage als eigenständiges Steuersubjekt oder als steuerlich transparent (etwa im Sinne einer Mitunternehmerschaft wie eine Personengesellschaft aus deutscher Sicht) angesehen wird und ob sie nach diesen Besteuerungsmaßstäben aus deutscher Sicht als Kapitalgesellschaft qualifiziert werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 6. Juli 2012 I R 52/11, BStBl II 2014, 240 und vom 20. Januar 2015 II R 42/12, BFH/NV 2015, 1079, jeweils zur Frage der Anwendung des Schachtelprivilegs einer französischen SICAV)

70

(1) Die B. SICAV ist mit einer deutschen Aktiengesellschaft (AG) nach dem Aktiengesetz (AktG) bzw. noch spezieller mit einer InvestmentAG mit veränderlichem Kapital nach dem im Streitjahr geltenden Investmentgesetz (InvG) vergleichbar und damit als Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 anzusehen.

71

Die AG ist (allgemein) eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern gegenüber nur das Gesellschaftsvermögen. Die Gesellschaft ist mit der Übernahme aller Aktien (Zeichnung) durch die Gründer errichtet (§ 29 AktG) und entsteht mit der Eintragung ins Handelsregister. Die AG hat drei notwendige Organe: Die Hauptversammlung, den Vorstand und den Aufsichtsrat (vgl. hierzu insgesamt Klein in Hermann/Heuer/Raupach, KStG § 1 Rz. 36 m.w.N.).

72

Die Investmentaktiengesellschaft mit variablem Kapital wurde in Deutschland nach dem Vorbild der luxemburgischen SICAV mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführt (§ 96ff InvG; ab 01.Juli 2013 § 108ff KAGB, siehe auch den Aufsatz von Einsele, AG 2011, 141ff). Für den Fall einer Investmentaktiengesellschaft in Form einer sog. Umbrella-Konstruktion sah § 100 Abs. 2 InvG eine haftungs- und vermögensrechtliche Trennung der einzelnen Teilgesellschaftsvermögen vor. Inländische Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital sind gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InvStG von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit. Dieses gilt gemäß § 11 S. 4 InvStG allerdings nur dann, wenn sie die Anlagebedingungen des § 1 Abs. 1 Buchst. b InvStG erfüllen. Im Übrigen sind Investmentaktiengesellschaften als Kapitalgesellschaften gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig (Klein in Hermann/Heuer/Raupach, § 1 KStG Rz. 30) und stellen, wie etwa Kreditinstitute, Hypothekenbanken, Bausparkassen, Versicherungsgesellschaften oder auch Rechtsanwaltsgesellschaften lediglich Aktiengesellschaften besonderer Art dar, die lediglich zum Aktiengesetz ergänzenden Vorschriften besonderer Art unterliegen (Habersack, Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, Einleitung, Rn. 149 ff.).

73

Die Möglichkeit zur Gründung einer SICAV wurde in Luxemburg u.a. mit dem Gesetz vom 20. Dezember 2002 über Organismen für gemeinsame Anlagen geschaffen. Gemäß Art. 25 des Gesetzes gelten als SICAV Gesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft nach Luxemburger Recht (société anonyme), deren ausschließlicher Zweck darin besteht, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapiere und anderen liquiden Finanzanlagen im Sinne von Art. 41 Abs. 1 dieses Gesetzes anzulegen und Ihren Anteilsinhabern das Ergebnis der Verwaltung ihrer Vermögenswerte zukommen zu lassen, deren Anteile zum Vertrieb im Wege eines öffentlichen Angebotes oder einer Privatplatzierung bestimmt sind und deren Satzung bestimmt, dass ihr Kapital zu jeder Zeit dem Nettovermögen der Gesellschaft entspricht. Diesen Vorgaben entspricht die Satzung der B. SICAV. Gemäß Art. 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 gelten vorbehaltlich anderer Bestimmungen für SICAV auf die auf Aktiengesellschaften (société anonyme) anwendbaren Bestimmungen, wobei die société anonyme in Art. 23 ff. des luxemburgischen Gesetzes vom 10. August 1915 über Handelsgesellschaften geregelt ist. Die société anonyme entspricht hiernach einer deutschen AG. Die Finanzverwaltung hat zudem in den Tabellen 1 und 2 zum BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999 (BStBl. I 1999, 1076) für den Bereich der Kapitalgesellschaften eine Auflistung der den deutschen Körperschaften entsprechenden ausländischen Rechtsformen veröffentlicht. Für Luxemburg wurde die dortige société anonyme einer deutschen AG gleichgestellt. Die luxemburgische SICAV findet sich in der Tabelle nicht. Sie weist aber keine derartigen Besonderheiten auf, die es rechtfertigen würden, sie trotz ihrer Grundstruktur nicht mehr als Aktiengesellschaft einzuordnen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Aktiengesellschaft besteht lediglich, neben dem Unterschied, dass das Kapital zu jeder Zeit dem Nettovermögen der Gesellschaft entspricht, etwa das Recht der Anleger, die Mitglieder der Gesellschaft und damit Aktionäre sind, jederzeit die Anteile zurückzugeben, wobei die Geschäftsleitung gleichzeitig zusätzliche Anteile ausgeben kann. Dennoch sind die Investoren nicht unmittelbar an dem Fondsvermögen beteiligt, sondern besitzen lediglich Aktien an dem Fonds.

74

Denn soweit etwa Art. 132 bzw. Art. 133 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 besondere Regelungen im Hinblick auf eine Umbrella-Struktur vorsehen, trifft nach Auffassung des Senats die Auffassung der Klägerin zu, dass die in den Akten befindliche nichtamtliche deutsche Übersetzung, mit der auch der Beklagte argumentiert hat, insoweit jedenfalls missverständlich ist, als dass durch die Umbrella-Struktur keine besondere Rechtsform geschaffen wird. Die deutsche Übersetzung von Art. 133 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 lautet insoweit richtig: „Die OGAs können mit mehreren Teilfonds errichtet werden, die jeweils einem separaten Teil des Vermögens des OGA entsprechen“.

75

Die besonderen Bestimmungen, die im Gesetz vom 20. Dezember 2002 hinsichtlich der Investmentgesellschaft mit variablem Kapital eingeführt wurden, dienen zudem lediglich den fondspezifischen Besonderheiten und Anforderungen des Kapitalmarktes, bzw. dem Anlegerschutz. So unterliegen OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) etwa besonders strengen Regeln betreffend Investitionspolitik und Risikostreuung. Dieses gilt insbesondere im Hinblick auf die haftungs- und vermögensrechtlichen Besonderheiten für einen Teilfonds im Falle einer so genannten Umbrella-Struktur gemäß Art. 133 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002. Insbesondere kann jeder Teilfonds im Einzelnen liquidiert werden, ohne dass dies die Liquidation eines anderen Teils zur Folge hat. Auch der Umstand, dass gemäß Art. 133 Abs. 5 die Vermögenswerte eines Teilfonds vorbehaltlich anderer Vereinbarungen in den Gründungsunterlagen ausschließlich gegenüber Forderungen derjenigen Gläubiger haften, deren Forderung bei Gründung des Teilfonds im Zusammenhang mit der Verwaltung oder Liquidation dieses Teilfonds entstanden sind, dient ausschließlich dem Anlegerschutz. Auch die in Art. 97 ff. des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 vorgesehenen aufsichtsrechtlichen Regelungen dienen gleichfalls lediglich dem Kapitalmarkt bzw. erneut dem Anlegerschutz.

76

Diese Besonderheiten führen aber nicht dazu, dass eine SICAV mit Umbrellastruktur (d.h. die SICAV kann mehrere Unterfonds haben) in der Rechtsform einer luxemburgischen Aktiengesellschaft im Rahmen des Typenvergleichs nicht mehr als Aktiengesellschaft, d.h. als Kapitalgesellschaft zu behandeln wäre.

77

Dafür spricht auch, dass die gesamte organisationsrechtliche Struktur derjenigen einer normalen Aktiengesellschaft entspricht, lediglich mit der Ausnahme, dass der Verwaltungsrat für einzelne Teilfonds Fondsmanager bestellen kann. Die Ausschüttungen selbst erfolgen jedoch unmittelbar von der SICAV aufgrund eines Ausschüttungsbeschlusses des Verwaltungsrates. Dennoch stehen alle Subfonds unter der Kontrolle des Verwaltungsrates der SICAV und gehören letztlich zu deren Gesellschaftsvermögen. Die SICAV als Kapitalgesellschaft hält das Fondsvermögen als eigenständiges Eigentum. Die Investoren sind nicht unmittelbar am Fondsvermögen beteiligt sondern besitzen lediglich Aktien an dem Fonds (Steichen in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, EL 125 Januar 2014, Anh. Luxemburg Rz. 150). Auch insoweit entspricht die SICAV einer deutschen Aktiengesellschaft.

78

Sowohl das FG Münster hat die Eigenschaft einer luxemburgischen SICAV (Urteil vom 14. Januar 2010, 5 K 2852/05 E, EFG 2010, 691) als auch das niedersächsische Finanzgericht die Eigenschaft einer französischen SICAV (Urteil vom 29. März 2007, 6 K 514/03, EFG 2007, 1223) als Kapitalgesellschaft unproblematisch bejaht. Im BFH-Urteil vom 6. Juni 2012 (I R 52/11, BStBl. II 2014, 240) wurde das eine französische SICAV betreffende Verfahren an das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, um Feststellungen dazu zu treffen, ob es sich bei der SICAV um eine Kapitalgesellschaft aus deutscher Sicht handelt. Die Fälle zur französischen SICAV unterscheiden sich vom Streitfall jedoch dadurch, dass im französischen DBA für die Anwendung des Schachtelprivilegs nicht lediglich der Wohnsitz im anderen Staat maßgeblich ist, sondern auch die dortige Steuerpflicht einer SICAV.

79

Mit EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 (C-303/07, Aberdeen Property Fininvest Alpha, BFH/NV 2009, 1361) hat der EuGH zudem entschieden, dass eine SICAV nach Luxemburger Recht einer finnischen Kapitalgesellschaft gleichzustellen ist, auch wenn das finnische Aktienrecht eine Aktiengesellschaft mit variablem Kapital nicht kenne.

80

All dieses führt dazu, dass die B. SICAV vorliegend als Kapitalgesellschaft anzusehen ist.

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(2) Die B. SICAV stellt zudem nach Luxemburger Rechtslage ein eigenständiges Steuersubjekt mit dem Grunde nach intransparenter Ertragsbesteuerung dar. Der Umstand, dass sie vorliegend von der luxemburgischen Körperschaftsteuer befreit ist, ist für diese Bewertung unschädlich (Steichen in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Vor Art. 1 Luxemburg EL 93 Mai 2004 Rz. 92). Dies ergibt sich daraus, dass nach Art. 1 sowie Art. 159 des Gesetzes vom 4. Dezember 1967 Kapitalgesellschaften wie die société anonyme der Körperschaftsteuer unterliegen. Damit stellt die B. SICAV als s.a. dem Grunde nach ein eigenes Ertragsteuersubjekt in Luxemburg dar. Soweit in Art 127 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 über Organismen für gemeinsame Anlagen geregelt wird, dass OGA im Sinne dieses Gesetzes keiner Steuer mit Ausnahme der von den bürgerlichen-rechtlichen Gesellschaften und Handelsgesellschaften zu entrichtenden Kapitalverkehrssteuern und der Abgeltungssteuer (taxe d’abonnement) unterliegen, ist hierin, dieses ergibt sich aus der Gesetzessystematik, lediglich eine persönliche Steuerbefreiungsvorschrift hinsichtlich der Ertragssteuern Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögenssteuer enthalten, denn mit dem Gesetz vom 20. Dezember 2002 wurde keinesfalls Art. 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 1967, der hinsichtlich der Kapitalgesellschaften die Steuersubjekte definiert, abgeändert. Art. 127 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 kann daher als speziellere Norm im Hinblick auf OGA lediglich als Steuerbefreiungsvorschrift zu verstehen sein (so auch Steichen in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Anh. Luxemburg, EL 125 Januar 2014, Rz. 153). Dass die luxemburgische SICAV zudem nach der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls Steuersubjekt der Mehrwertsteuer ist (EuGH-Urteil vom 21. Oktober 2004 C-8/03, IStR 2004, 862) unterstreicht, dass es sich bei Art. 127 des Gesetzes vom 20. Dezember 2002 lediglich um eine ertragsteuerliche Steuerbefreiungsvorschrift handelt.

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cc) Aus dem o.g. ergibt sich zugleich, dass es sich bei der B. SICAV nicht um ein Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG handelt. Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG ist eine nichtrechtsfähige, wirtschaftlich selbständige, einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögensmasse, die auf Dauer aus dem Vermögen des Widmenden ausgeschieden ist und eigene Einkünfte bezieht. Dem Widmenden darf weder eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen und die daraus gezogenen Erträge verbleiben, noch darf die Erfüllung des besonderen Zwecks von seinem Willen abhängig sein. Auch mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten können zur Negation der Zweckvermögenseigenschaft führen, wenn der Widmende durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts die Zweckbindung jederzeit beenden kann und dadurch in der Lage ist, das Vermögen in seine eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht zurück zu überführen (Rengers in Blümich, EStG-KStG-GewStG-Komm., § 1 KStG Rz. 107; Graffe in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG-Komm., § 1 Rz. 51). Die für die Annahme eines Zweckvermögens im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erforderliche wirtschaftliche Verselbstständigung und Ausstattung mit einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass die Wirtschaftsgüter weder im wirtschaftlichen Eigentum der Anleger verbleiben noch in das wirtschaftliche Eigentum eines anderen Steuersubjekts (insbesondere des formalen Eigentümers) gelangen, so dass im Ergebnis nur die Zurechnung zum Investmentvermögen selbst als wirtschaftlichem Eigentümer verbleibt (Rengers in Blümich, EStG-KStG-GewStG-Komm., § 1 KStG Rz. 107). Hieran fehlt es vorliegend, denn wie oben dargestellt, stehen die streitigen festverzinslichen Wertpapieren, mit denen Erträge erzielt wurden, im Eigentum der B. SICAV, einer Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Annahme eines Zweckvermögens scheidet daher aus.

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dd) Die streitigen Ausschüttungen stellen auch „echte“ Dividenden i.S.v. Art. 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 dar.

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Das DBA Luxemburg 1958 selbst enthält im Gegensatz zum OECD-Musterabkommen (dort Art. 10 Abs. 3) keine unmittelbare Definition des Begriffs der Dividende, auch wenn in Art. 13 des Abkommens die Besteuerung von Einkünften aus Dividenden geregelt wird. In Ziffer 11 und 12 des Schlussprotokolls wird aber ausgeführt, dass zum einen Einkünfte aus der Beteiligung als „typisch“ stiller Gesellschafter als Dividenden (Art. 13) behandelt werden (Ziffer 11).  Gem. Ziffer 12 macht der Besitz von Aktien, Kuxen, Anteilsscheinen und ähnlichen Wertpapieren, von Anteilen an Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie von Anteilsscheinen einer Kapitalanlagegesellschaft den Besitzer nicht zum Unternehmer, die Einkünfte aus diesen Wertpapieren und Anteilen werden als Dividenden (Art. 13) behandelt. Da Ziffer 11 und 12 des Schlussprotokolls aber keine Hinweise darauf enthalten, dass die dort aufgeführten Fälle abschließend gemeint sind, ist nach Art. 2 Abs. 2 des Abkommens auf das innerstaatliche Recht (hier: § 20 Abs. 1 EStG: Gewinnanteile) zurückzugreifen. Hiernach würden Gewinnanteile aus Aktien den Dividendenbegriff erfüllen. Die gleiche Definition findet sich in Art. 10 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens, wonach Dividenden u.a. Einkünfte aus Aktien sind. Hinsichtlich des OECD-Musterabkommens fallen Ausschüttungen aus Anteilsscheinen von Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds) unproblematisch unter den Dividendenbegriff, sofern der Fonds eine Kapitalgesellschaft ist, wobei dieses auch dann gilt, wenn diese wegen ihrer Eigenschaft als Anlagevehikel von der Steuer befreit ist (Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, EL 128, August 2014, Art. 10 MA Rz. 147).

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Der Regelungswortlaut ebenso wie der Systemzusammenhang, in den die Gewährung des Schachtelprivilegs des Art. 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 gestellt ist, zeigen zudem auf, dass Gewinnanteile des lediglich still an einer Kapitalgesellschaft Beteiligten von jener Begünstigung auszunehmen sind. Es handelt sich, legt man jene Fiktion in Abschn. 11 des Schlussprotokolls zugrunde, zwar auch hierbei um Dividenden. Begreift man die Schachtelprivilegierung jedoch als eine solche, die nur für Dividenden einzuräumen ist, welche aus einer 25 %igen Kapitalbeteiligung herrühren, so wird deutlich, dass es sich insoweit nicht um fiktive, sondern um "echte" Dividenden aus einer entsprechenden Beteiligung handeln muss. Es bedarf der zusätzlichen direkten Kapitalbeteiligung, um den tatbestandlichen Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg zu genügen; stille Beteiligungen und die daraus fließenden Einkünfte reichen unbeschadet dessen, dass Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls diese Einkünfte fiktiv als Dividenden qualifiziert, hierfür nicht aus. Dem Dividendenbegriff innerhalb des Art. 20 DBA-Luxemburg muss dazu nicht, wie teilweise befürchtet wird (z.B. Siegers in Debatin/ Wassermeyer, ebenda; Rödder/Ritzer, IStR 2006, 666, 667), ein unterschiedliches Verständnis beigelegt werden. Der Dividendenbegriff ist derselbe. Allerdings wird nur eine "Teilmenge" dieser Dividenden, eben jene aus direkten Kapitalbeteiligungen, durch die "Schachtelfreistellung" des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg privilegiert (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 I R 62/06, BFH/NV 2008, 1769).

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Vorliegend erfolgten die Ausschüttungen jeweils aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsrates der B. SICAV. Sie sind auch nicht wie der Beklagte meint, etwa mit den Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters entsprechend des BFH-Urteils vom 4. Juni 2008 (I R 62/06, BFH NV 2008, 1769) gleichzusetzen, bei denen es sich nicht um so genannte „echte“ Dividenden i.S.v. § 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 handeln würde. Denn im Streitfall erfolgte die Auszahlung der Gewinnanteile aus den von der Klägerin gehaltenen Aktien(Dividenden) gerade auf Grund der unmittelbaren über 25 v.H. liegenden kapitalmäßigen Beteiligung der Klägerin an der B. SICAV. Es liegen damit "echte" Dividenden vor. Dass es sich letztlich um Ausschüttungen aus einem Teilgesellschaftsvermögen auf Grund der von der B. SICAV gebildeten „Umbrella-Struktur“ handelt, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

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d) Es besteht auch kein generelles Verbot der Doppelten Nichtbesteuerung. Dies lässt sich zum einen aus dem DBA Luxemburg 1958 nicht entnehmen. Es besteht aber auch jenseits spezieller abkommensrechtlicher Abwehrklauseln keine allgemeine Zielsetzung zur Vermeidung von Doppel-Nichtbesteuerungen in Doppelbesteuerungsabkommen (Schönfeld in Wassermeyer, Doppelbesteuerung Festgabe, Seite 101). Dieses gilt trotz der Tatsache, dass man allgemein vermuten kann, dass die an einem Doppelbesteuerungsabkommen beteiligten Partner regelmäßig kein Interesse daran haben, dass die auf die Vermeidung von Doppelbesteuerung zielenden Regelungen als Nebenfolge zu einer Minder- oder Nichtbesteuerung führen (BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 64/92, BFH/NV 1994, 11). Der Grundsatz des Verbots der virtuellen Doppelbesteuerung wird zwar durch sog. "subject to tax Klausel" eingeschränkt. Derartige Klauseln sind jedoch erst in jüngeren DBA enthalten. Sie gewähren eine Steuerbefreiung im Inland nur unter dem Vorbehalt, dass die freizustellenden Einkünfte in dem anderen Vertragsstaat steuerpflichtig sind. Das DBA-Luxemburg 1958 enthält keine solche Klausel. Aus deutscher Sicht ist zu beobachten, dass bei Fehlen spezieller abkommensrechtlicher Normen über innerstaatliche Regelungen in Form sogenannter "Treaty Override" (etwa in § 50d Abs. 9 EStG) versucht wird, die Fälle der Minder- und Nichtbesteuerung zu verhindern. Die Feststellung, dass die Vermeidung der Nichtbesteuerung kein generelles Abkommensziel ist, hat aber insbesondere deshalb Bedeutung, als dass die Abkommensauslegung diesen Aspekt auch nicht unter teleologischen Aspekten berücksichtigen kann (Schönfeld in Wassermeyer, Doppelbesteuerung Festgabe, Seite 101).

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e) Es besteht weder nach dem DBA Luxemburg 1958 noch nach deutschem Recht eine Rückfallklausel für den Fall der tatsächlichen Nichtbesteuerung, die trotz der grundsätzlich Anwendung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zu einer Besteuerung in Deutschland führen würde.

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aa) Eine Rückfallklausel bei tatsächlicher Nichtbesteuerung nach dem DBA Luxemburg 1958 besteht nicht. Erst das neue DBA Luxemburg 2012 vom 13. April 2012, welches für das Jahr 2010 noch nicht anwendbar ist, sieht in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Klausel vor, nach der eine Freistellung in Deutschland nur dann zu erfolgen habe, wenn tatsächlich eine Besteuerung in Luxemburg erfolge. Anderenfalls komme nur eine Anrechnung in Betracht. Eine derartige Klausel enthält das DBA Luxemburg 1958 nicht. Ohne eine derartige Klausel ist es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht möglich, aus dem vorgeblichen Sinn und Zweck des Abkommens, eine tatsächliche Doppelbesteuerung bzw. nach Auffassung des Beklagten eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden, eine derartige Klausel quasi im Wege der Auslegung einzufügen. Das DBA Luxemburg 1958 knüpft letztlich ausschließlich an das Besteuerungsrecht Luxemburgs im Hinblick auf den Quellensteuerabzug an. Bei einer derartigen Formulierung mussten die vertragschließenden Parteien davon ausgehen, dass auch die Möglichkeit besteht, dass dieses Recht nicht ausgeübt wird. Eine hieran anknüpfende Regelung wurde nicht getroffen.

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bb) Auch nach einem deutschen Einzelsteuergesetz besteht keine Rückfallklausel. § 50d Abs. 9 EStG (hier i.V.m. § 8 KStG) kommt nicht zur Anwendung, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, so wird gem. § 50d Abs. 9 EStG (hier i.V.m. § 8 KStG) die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. Die Vorschrift erfasst Fälle, in denen Einkünfte nicht oder zu gering besteuert werden, weil die Vertragsstaaten entweder von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen oder das Abkommen unterschiedlich auslegen, z.B. weil sie ein unterschiedliches Verständnis von Abkommensbegriffen haben (BFH-Urteil vom 05. März 2008 I R 54, 55/07, BFH/NV 2008, 1487; Gosch in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 50d Rz 67). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Der Luxemburgische Staat hat nicht aufgrund einer abweichenden Auslegung von Bestimmungen des DBA-Luxemburg keine Quellensteuer auf die streitigen Dividenden erhoben oder sie deshalb nicht besteuert, weil er einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Die unterbliebene Besteuerung beruht vielmehr darauf, dass Luxemburg aus politischen Gründen auf Dividenden aus Investmentvermögen keine Quellensteuer erhebt. Luxemburg ist sich daher im Einklang mit der deutschen Auslegung des DBA-Luxemburg seines Quellenbesteuerungsrechts hinsichtlich dieser Einkünfte bewusst; es verzichtet jedoch auf sein Besteuerungsrecht insoweit. Dieser Fall ist aber von § 50d Abs. 9 EStG nicht erfasst.

91

f) Die Klägerin hat bereits in ihrer Körperschaftsteuererklärung zutreffend nicht abziehbare Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG erklärt und diese auch, nachdem sie zunächst eine andere Auffassung vertreten hatte, in ihrem zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag berücksichtigt.

92

Das sog. nationale Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG einerseits und das sog. abkommensrechtliche Schachtelprivileg andererseits stehen im Ausgangspunkt selbständig nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die (Tatbestands-) Konkurrenz beider Regelungen ist regelmäßig zu Lasten des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs aufzulösen. Die Frage, ob die Hinzurechnung von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG zu unterbleiben hat, weil die von den ausländischen  Kapitalgesellschaften gezahlten Dividenden (auch) nach dem sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivileg von der Besteuerung auszunehmen sind, mithin § 8b KStG verdrängt wird und damit auch dessen Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt, ist daher zu verneinen (BFH-Beschluss vom 22. September 2016 – I R 29/15 –, IStR 2017, 194).

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g) Im Ergebnis war die Körperschaftsteuer 2010 antragsgemäß unter Berücksichtigung eines um € verminderten zu versteuernden Einkommens sowie unter Berücksichtigung einer um € verminderten Anrechnung ausländischer Steuern auf €  [(€ ./. €) x 0,15 – (Anrechnung € bisher ./. € = €)] herabzusetzen und der Gewerbesteuermessbetrag für 2010 unter Berücksichtigung eines um € verminderten Gewerbeertrages auf  € [(€ ./. €) x 3.5] herabzusetzen.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, auch wenn sich die streitige Rechtsfrage durch die Neufassung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Luxemburg ab dem 1. Januar 2014 nicht mehr stellen dürfte. Dennoch ist die Einordnung einer luxemburgischen SICAV als Kapitalgesellschaft noch nicht höchstrichterlich geklärt. Hinsichtlich einer französischen SICAV wurde der Rechtsstreit mit BFH-Urteil vom 6. Juni 2012 (I R 52/11, BStBl II 2014, 240) zur Klärung eben jener Rechtsfrage an das erstinstanzliche Finanzgericht zurückverwiesen.


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