Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 701/20 VSt
Tenor
Der Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit damit mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist.
Der Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit mit ihm mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 59% und der Beklagte zu 41%.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Menge des Stroms, der zur Stromerzeugung entnommen worden sein soll.
3Die Klägerin versorgte ihre Kunden in Teilen ihres Einzugsgebiets mit Fernwärme, die sie am Standort Straße01 mit ... Erdgas oder Biogas betriebenen KWK-Anlagen (KWK-Anlagen), einer ORC-Anlage (ORC-Anlage) und ... Heizkesseln erzeugte. Die KWK-Anlagen, die ORC-Anlage und die Heizkessel waren parallel geschaltet und konnten unabhängig voneinander betrieben werden. Die Heizkessel erlaubten der Klägerin, die Fernwärme ohne Einsatz der KWK-Anlagen und der ORC-Anlage zu erzeugen.
4Die Fernwärme lieferte die Klägerin durch einen Kreislauf erhitzten Wassers, der ganzjährig betrieben wird. In den mit Fernwärme belieferten Wohngebieten bestand Anschluss- und Benutzungszwang.
5Die KWK-Anlagen wurden stromgeführt betrieben und erzeugten nur dann Strom, wenn es sich für die Klägerin wirtschaftlich rechnete.
6Zur Kühlung der KWK-Anlagen und der ORC-Anlage nutzte die Klägerin den Fernwärmerücklauf, in dem sich die Netzumwälzpumpen befanden.
7Jede KWK-Anlage verfügte über jeweils vier Kühlkreisläufe, durch die der Fernwärmerücklauf mit Wärmetauschern von seiner Rücklauftemperatur (im jährlichen Mittel 52°C) auf die zum Betrieb erforderliche Vorlauftemperatur (im jährlichen Mittel 90°C) gebracht wurde. Im ersten Kühlkreislauf wurde die Wärme aus der Ladeluft, im zweiten die Wärme aus dem Schmieröl, im dritten die Wärme des Kühlwassers und im vierten die Wärme des Abgases genutzt. Für das Schmieröl und das Kühlwasser hatten die KWK-Anlagen eigene Pumpen, mit denen die Flüssigkeiten dem Wärmetauscher zugeführt wurden. Die KWK-Anlagen hatten keinen Notkühler. Ohne den Betrieb der Netzumwälzpumpen konnten die KWK-Anlagen nicht betrieben werden, sondern hätten sich sofort abgeschaltet.
8Die Klägerin erfasste die Wärmeleistung ihrer Anlagen (KWK-Anlagen, ORC-Anlage) und Heizkessel und den Stromverbrauch der elektrisch angetriebenen Netzumwälzpumpen regelmäßig. In ihren Stromsteueranmeldungen berücksichtigte sie den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom als Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wurde, indem sie in einem ersten Schritt den Stromverbrauch der Zeiten herausrechnete, in denen die Wärme nur mit den Heizkesseln erzeugt wurde. In einem zweiten Schritt teilte sie die Wärmeerzeugung durch die KWK-Anlagen zur gesamten verbleibenden Wärmeerzeugung auf. Dadurch errechnete sie einen auf den Betrieb der Wärmeumwälzpumpen zur Kühlung der KWK-Anlagen entfallenden Stromverbrauch von ... MWh (2016) und ... MWh (2018).
9Der Wirkungsgrad ihrer KWK-Anlagen betrug bezogen auf die zugeführte Leistung (100%) im Mittel hinsichtlich der elektrischen Leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen Leistung 42,74%.
10Auf Anordnung des Beklagten begann am 15.11.2017 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch den Prüfungsdienst des Beklagten, die u.a. die Stromsteuer des Jahres 2016 zum Gegenstand hatte. Dieser kam im Prüfungsbericht vom 29.12.2017, AB-Nr.: ..., zur Auffassung, der von den Netzumwälzpumpen verbrauchte Strom (... MWh), den die Klägerin in ihrer Stromsteueranmeldung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG) steuerfrei belassen hatte, sei abweichend von der Außenprüfung für 2014 auch nicht teilweise steuerfrei. Die Netzumwälzpumpen dienten in erster Linie dem Transport der Fernwärme zum Kunden. Sie arbeiteten auch dann, wenn die Fernwärme nur mit den Heizkesseln erzeugt werde (Tz. 3.8.4 und 3.8.4.2 des Prüfungsberichts).
11Der Beklagte folgte den Ausführungen seines Prüfungsdienstes und erhob von der Klägerin mit Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 für 2016 ... € Stromsteuer nach, wobei er sie unter Berücksichtigung der dadurch höheren Entlastung nach § 9b StromStG von ... € nur zur Zahlung von ... € aufforderte.
12Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs verwies die Klägerin auf die Anerkennung der Steuerbefreiung bei der vorangegangenen Außenprüfung und gab ergänzend an, dass Strom für die Netzumwälzpumpen zur Kühlung der KWK-Anlagen auch dann verbraucht worden wäre, wenn es ein Fernwärmenetz nicht gegeben hätte.
13In ihrer Stromsteueranmeldung für 2018 vom 31.05.2019 gab die Klägerin den nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei entnommenen Strom mit ... MWh an und teilte in einem erklärenden Schreiben dazu mit, dass darin ... MWh Strom für die Netzumwälzpumpen enthalten seien.
14Mit Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 korrigierte der Beklagte die Angaben der Klägerin in der Steueranmeldung und ging von einer zu versteuernden Menge von ... MWh aus, die er um die Strommenge für die Netzumwälzpumpen von ... MWh auf ... MWh erhöhte, da der von den Netzumwälzpumpen verbrauchte Strom im Jahr 2018 nicht steuerfrei gewesen sei. Damit ergab sich ausgehend vom angemeldeten Steuerbetrag von ... € ein um ... € höherer Steuerbetrag von ... €.
15Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und verwies zur Begründung auf ihren Einspruch gegen den Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018.
16Mit Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück, da die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG zu Recht versagt worden sei. Nach dieser Vorschrift werde Strom, der zur Stromerzeugung entnommen werde, von der Steuer befreit. Näheres regele § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung – StromStV). Danach sei nur solcher Strom von der Steuer befreit, der in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht werde. Dazu müsse die Verwendung des Stroms mit der Stromerzeugung in einem engen Zusammenhang stehen und aufgrund der besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Stromerzeugungsanlage erforderlich sein, um den Betrieb der Anlage aufrechtzuerhalten. Daher seien Nebenanlagen und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung einzubeziehen, ohne die die Stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden könne. Hierzu gehörten nicht Anlagen, die bei isolierter Betrachtung des Anlagenbetriebs nicht erforderlich seien, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukomme.
17Die Netzumwälzpumpen dienten in erster Linie dem Transport heißen Wassers zu den Kunden. Dass diese Pumpen dabei den Kühlkreislauf der KWK-Anlage ersetzen oder die gleichzeitige Funktion einer Kühleinrichtung erfüllen könnten, ändere daran nichts. Diese Pumpen müssten ohnehin zur Erfüllung ihres Hauptzwecks betrieben werden, um das Wasser im Netz umzuwälzen und die über das Wasser beförderte Wärme zu den Kunden zu bringen. Zudem seien die Netzumwälzpumpen nicht erforderlich, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten. Die erzeugte Wärme könne auch über den primären Kühlkreislauf der jeweiligen KWK-Anlage an die Umgebung abgegeben werden. Auch seien die Netzumwälzpumpen erst im Fernwärmenetz installiert. Schon daran zeige sich, worin ihr eigentlicher Zweck liege.
18Auch darüber hinaus werde mit der von der Klägerin begehrten Steuerbegünstigung zu Unrecht eine Besserstellung gegenüber Kraftwerken erreicht, die ihren Fernwärmekreislauf nicht zu Kühlzwecken benutzten oder nur Wärme erzeugten und diese in das Fernwärmenetz eingespeisten. Die genannten Vorschriften dienten nämlich dazu, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ohne dadurch Wettbewerbsverzerrungen auszulösen und die Funktion des Binnenmarktes zu gefährden.
19Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Die Netzumwälzpumpen seien für den Betrieb der KWK-Anlagen unerlässlich. Ihre Motoren müssten gekühlt werden, was dadurch erreicht werde, dass die von ihnen erzeugte Wärme über Wärmetauscher an das Fernwärmenetz abgegeben werde. Die Netzumwälzpumpen seien Hilfsanlagen der KWK-Anlagen. Sie könnten nicht durch andere Anlagen oder einen anderen Kühlkreislauf gekühlt werden, weil derartige Anlagen in ihrem Fernwärmenetz nicht vorhanden seien.
20Die Klägerin beantragt,
21den Steueränderungsbescheid vom 06. Februar 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2020 aufzuheben und den Stromsteuerbescheid vom 07. Juni 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2020 aufzuheben, soweit darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24hilfsweise die Revision zuzulassen.
25und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 führt er weiter aus:
26Die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung des von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Stroms auf die Heizkessel einerseits und die KWK-Anlagen andererseits widerspreche einer unionsrechtskonformen Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (RL 2003/96). Diese Vorschrift solle eine Doppelbesteuerung für Energieerzeugnisse ausschließen, die für die Stromerzeugung verwendet würden. Andererseits dürften Energieerzeugnisse, die für die Erzeugung von Wärme verwendet würden, nur nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 begünstigt werden. Daher seien die Mengen, die auf die Stromerzeugung entfielen, von den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Mengen abzugrenzen. Ebenso sei auch für die Stromsteuer zu berücksichtigen, dass das Herstellerprivileg nicht gelte, wenn eine Ware erzeugt werde, die zwar vermarktet werde, jedoch nicht nach der RL 2003/96 zu besteuern sei. Zudem sei Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 eng auszulegen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, da andernfalls das Beihilferecht der Union umgangen werde. Vor diesem Hintergrund wäre Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 entbehrlich.
27Die Netzumwälzpumpen dienten der Wärmeerzeugung und dem Wärmetransport, nicht aber der Stromerzeugung. Sie würden benötigt, um das erwärmte Wasser durch das Fernwärmenetz zu pumpen, die abgegebene Wärme von den KWK-Anlagen aufzunehmen und nutzbar zu machen, ohne dass es auf den Betrieb der KWK-Anlagen ankomme. Würde nur mit Heizkesseln oder anderen Wärmeerzeugern gearbeitet, würden die Pumpen genauso viel Strom verbrauchen.
28Die Stromsteuerbefreiung für den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom stelle gegenüber Heizwerken und KWK-Anlagen, die die mechanische Energie zu anderen Zwecken als der Stromerzeugung nutzten, einen Wettbewerbsvorteil dar, der nicht der Vermeidung der Doppelbesteuerung, sondern der Förderung der Stromerzeugung diene. Diese Befreiung sei nur nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 zulässig, so dass eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ausscheide.
29Begünstigt werden könne allenfalls die Strommenge, die die Pumpen für die Strecke des Rücklaufs benötigten, wenn die KWK-Anlagen Strom erzeugten und gekühlt werden müssten. Diese Strecke ende, wenn die Rücklauftemperatur in den KWK-Anlagen erstmals erhöht werde, weil es sich von da an um eine Wärmeerzeugung handele. Spätestens beim Wärmetauscher für das Abgas sei es nur noch um die Wärmeerzeugung gegangen.
30Auch habe er erhebliche Zweifel, ob der Durchlauf des Rücklaufs durch die KWK-Anlagen zu einem höheren Stromverbrauch der Pumpen führe und ob wegen der im Vordergrund stehenden Wärmeerzeugung und des Wärmetransports überhaupt eine Aufteilung zulässig sei.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage ist teilweise begründet.
33Der Beklagte hat die Klägerin mit dem Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 zu Unrecht für Stromsteuer in Anspruch genommen und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt hat, so dass der Steueränderungsbescheid insoweit aufzuheben war, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
34Weiter hat der Beklagte die Klägerin mit dem Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 in ihren Rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt hat. Auch insoweit war der Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 aufzuheben, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
35Im Übrigen wurde die Klägerin durch diese Bescheide zu Recht für die darin festgesetzte Stromsteuer in Anspruch genommen.
361. Der Beklagte war nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt, die Stromsteuerfestsetzung für 2016 hinsichtlich des von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Stroms zu ändern. Die Klägerin hatte nämlich in ihrer nach § 8 Abs. 1 StromStG abzugebenden Stromsteueranmeldung für 2016, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom in Höhe von ... MWh steuerfrei belassen.
37Nach Prüfung der Steueranmeldung für 2018, der der Beklagte hinsichtlich der Berücksichtigung des Stromverbrauchs für die Netzumwälzpumpen in der von der Klägerin im Rahmen der Anmeldung des nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfreien Stroms nicht folgen wollte, durfte er die aus seiner Sicht zutreffende Stromsteuer festsetzen, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO.
382. Die Klägerin hat – anders als der Beklagte meint – mit dem Betrieb der Netzumwälzpumpen auch Strom zur Stromerzeugung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG verwendet.
39Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen worden ist, von der Stromsteuer befreit. Zur Stromerzeugung entnommen wird nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV Strom, der u.a. in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht wird.
40Der Wortlaut der Vorschrift, die eine nicht als abschließend zu betrachtende Aufzählung von Neben- und Hilfsanlagen enthält, legt nahe, dass nur die Strommengen von der Steuer befreit sind, deren Verwendung in einem engen Zusammenhang mit der eigentlichen Stromerzeugung steht ("im technischen Sinne"). Deshalb sind die Neben- und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung mit einzubeziehen, ohne die eine Stromerzeugungsanlage technisch nicht betrieben werden kann. Nicht der Stromerzeugung dienen dagegen Anlagen, die bei isolierter Betrachtung des Anlagenbetriebs nicht erforderlich sind, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukommt (BFH Urteil v. 30.04.2019, VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz. 11; Beschluss v. 28.01.2021, VII B 99/20, ZfZ 2021, 222, Rz. 9).
41In die Begünstigung einzubeziehen sind jedoch auch solche Einrichtungen, ohne die eine Stromerzeugungsanlage nach bestimmten rechtlichen Vorgaben, nämlich den atomrechtlichen, gewerberechtlichen, umweltrechtlichen, wasserrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Auflagen überhaupt nicht betrieben werden kann. Denn auch solche Anlagen sind zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, erforderlich. Entscheidende Kriterien sind zum einen technische Erfordernisse und zum anderen rechtliche Anforderungen an den Betrieb einer Stromerzeugungsanlage. Auch insoweit scheiden Anlagen oder Anlagenbestandteile aus, denen im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukommt. Die Stromverwendung muss den spezifischen Anforderungen der Stromerzeugungsanlage entsprechen (BFH Urteil v. 06.10.2015, VII R 25/14, BFHE 251/563, Rz.12).
42Danach stellt der Betrieb der Netzumwälzpumpen eine technisch unerlässliche Voraussetzung für den Betrieb der KWK-Anlagen und damit für deren Stromerzeugung dar. Ohne diese Pumpen wären die KWK-Anlagen nicht funktionsfähig gewesen, weil die KWK-Anlagen dann nicht mehr mit dem für ihre zwingend erforderliche Kühlung nötigen kühlen Fernwärmerücklauf versorgt worden wären und sich abgeschaltet hätten. Nur dadurch konnten die Wärmetauscher, die die Kühlung der KWK-Anlagen durch die Abgabe der von ihnen erzeugten Wärme bewirkten, betrieben werden. Eine andere Möglichkeit der Kühlung gab es für die von der Klägerin betriebenen KWK-Anlagen nicht.
433. Gleichwohl kann die Klägerin die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht für den gesamten von ihr den Netzumwälzpumpen zugerechneten Stromverbrauch erhalten. Begünstigt ist nämlich nicht nur nach dieser Vorschrift, sondern auch nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 nur der Strom, der zur Stromerzeugung und zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, entnommen worden ist. Für die Stromerzeugung in KWK-Anlagen sieht das StromStG hingegen keine ausdrückliche Steuerbefreiung vor, was auch dem Unionsrecht entspricht, denn die Befreiung der KWK-Anlagen von der Stromsteuer ist den Mitgliedstaaten nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 freigestellt.
44Die Netzumwälzpumpen einschließlich des in ihnen verbrauchten Stroms dienten während des Betriebs der KWK-Anlagen nicht nur der Kühlung der KWK-Anlagen und damit der Stromerzeugung in den KWK-Anlagen, sondern zeitgleich auch der Abgabe der Wärme in den Wärmekreislauf des von der Klägerin betriebenen Fernwärmenetzes und der Erzeugung des Wärmekreislaufs im Fernwärmenetz.
45Daraus folgt, dass der Stromverbrauch zwischen den Zwecken der Stromerzeugung aufzuteilen ist. Hierbei sind der Zweck des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden (s. EuGH Urteil v. 27.06.2018, C-90/17, Rz. 35), als auch der Umstand, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 als Ausnahme von einer grundsätzlich gegebenen Steuerpflicht nicht weit auszulegen ist (s. EuGH Urteil v. 07.03.2018 C-31/17 Rz. 25), zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die maßgebenden Eigenschaften der KWK-Anlagen, aus denen die zu unterscheidenden Mengen ermittelt werden können (EUGH Urteil v. 07.03.2018 C-31/17, Rz. 45), ist eine Aufteilung nach dem Umfang des Wirkungsgrades der Stromerzeugung einerseits und der Wärmeerzeugung andererseits angemessen. Der durchschnittliche Wirkungsgrad der KWK-Anlagen der Klägerin betrug nämlich bezogen auf die zugeführte Leistung (100%) hinsichtlich der elektrischen Leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen Leistung 42,74%. Das ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der Klägerin überreichten Berechnung. Wird für die Aufteilung die ungenutzte thermische Leistung außer Acht gelassen, entfielen 50,79% der Leistung der KWK-Anlagen auf die Stromerzeugung, so dass die Klägerin nur für diesen Anteil eine Steuerbefreiung erhalten konnte.
46Diese Aufteilung entspricht auch dem tatsächlichen Einsatz der KWK-Anlagen, denn die Klägerin setzt sie stromgeführt und damit nur dann ein, wenn sie mit ihnen Strom erzeugen will, wobei die zeitgleich erzeugte Wärme an Stelle der sonst durch Heizkessel erzeugten Wärme tritt.
474. Im Übrigen ist das grundsätzliche Vorgehen der Klägerin zur Berechnung der auf die Netzumwälzpumpen entfallenden Strommengen nicht zu beanstanden. Sie hat zunächst die Strommengen herausgerechnet, die die Netzumwälzpumpen verbrauchten, als die Wärme nur mit den Heizkesseln und nicht mit den KWK-Anlagen erzeugt wurde. Die verbleibende Strommenge hat sie nach der von den Kesseln einerseits und den KWK-Anlagen andererseits erzeugten Wärme aufgeteilt und dabei nur den auf die KWK-Anlagen entfallenden Anteil berücksichtigt, der für 2016 bei ... MWh und 2018 bei ... MWh lag.
48Unter Berücksichtigung des ermittelten Maßstabs, des Wirkungsgrads der Stromerzeugung im Verhältnis des Wirkungsgrads der Ausnutzung thermischer Energie ergeben sich nach dem Vortrag der Klägerin im Klageverfahren für 2016 nur noch ... MWh und für 2018 nur noch ... MWh Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wurde.
49Bei der Ermittlung dieser Mengen ist es unerheblich, dass Strom für die Netzumwälzpumpen bei anders gebauten KWK-Anlagen nicht anfällt oder dass bei einer gesonderten elektrisch betriebenen Kühlung der Antriebsmaschinen für die Generatoren ein gegenüber dem Strombedarf für die Netzumwälzpumpen um ein mehrfaches höherer Strombedarf erforderlich gewesen wäre. Zu beurteilen sind nur die streitgegenständlichen Anlagen (BFH Urteil v. 06.10.2015, VII R 25/14, aaO. Rz. 15 in juris).
50Gleichfalls sind die vom Beklagten behaupteten angeblichen Wettbewerbsvorteile für reine Heizwerke und KWK-Anlagen, die an Stelle der Stromerzeugung andere mechanische Arbeit erzeugen, unerheblich.
51Soweit die Klägerin das Fernwärmenetz nur mit den Heizkesseln betreibt, hat sie den dafür erzeugten Strom herausgerechnet, so dass insoweit eine Begünstigung gegenüber dem Betrieb reiner Heizwerke nicht ersichtlich ist.
52Hinsichtlich der nicht Strom erzeugenden KWK-Anlagen, die ohnehin völlig anders konstruiert sind, ist ein Wettbewerb mit den streitgegenständlichen KWK-Anlagen nicht ersichtlich.
535. a) Bei Anwendung des am Wirkungsgrad orientierten Maßstabs ist die Steuerfestsetzung für 2016, mit der ... € Stromsteuer für ... MWh Strom zurückgefordert wurden, um ... € für ... MWh auf ... € herabzusetzen.
54b) Nach dem gleichen Maßstab ist die von der Klägerin für 2018 geschuldete Stromsteuer auf ... € festzusetzen:
55In ihrer Stromsteueranmeldung hatte die Klägerin die nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreite Strommenge mit ... MWh und die den Netzumwälzpumpen zuzurechnende Menge mit ... MWh angegeben, obwohl die nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG auf die Netzumwälzpumpen entfallende steuerbefreite Strommenge nach ihren Angaben im Klageverfahren nur ... MWh betrug. Dementsprechend ist die nach Auffassung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG hinsichtlich der Netzumwälzpumpen von der Stromsteuer befreite Menge um den unrichtigen Wert von ... MWh zu vermindern und die zu versteuernde Menge um diesen Wert zu erhöhen. Dieser Wert ist sodann um den Anteil von 50,79% von ... MWh oder ... MWh, der entsprechend dem elektrischen Wirkungsgrad der KWK-Anlagen zur Stromerzeugung verwendet wird, zu vermindern.
56Daraus ergibt sich folgende Steuerberechnung:
57Angemeldete Menge |
... MWh |
zuzüglich |
... MWh |
abzüglich |
... MWh |
Verbleiben |
... MWh und |
bei einem Steuersatz von 20,50 €/MWh ... € Stromsteuer.
596. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung.
61Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
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Referenzen
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