Urteil vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 301/13

Tatbestand

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Streitig ist der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater.

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Der Kläger ist seit dem ... 1995 als Steuerberater bestellt. Am ... 2013 wurde der Kläger aufgrund ... verschiedener Verfahren wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diesen Eintragungen lagen Verbindlichkeiten gegenüber ... verschiedenen Gläubigern in Höhe von 54.111 € zu Grunde. Daneben hatte der Kläger weitere Verbindlichkeiten unter anderem wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, Steuerschulden, rückständiger Unterhaltszahlungen und Verbindlichkeiten aus der Finanzierung einer dem Kläger zur Hälfte gehörenden Eigentumswohnung, die sich nach Aufstellungen des Klägers per 23.10.2013 auf insgesamt 182.152 € und per 22.11.2013 auf insgesamt 177.024,99 € beliefen.

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Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 23.10.2013 die Bestellung des Klägers als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) wegen Vermögensverfalls.

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Hiergegen wendet der Kläger sich mit der am 22.11.2013 erhobenen Klage.

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Nach Erhebung der Klage erging am ... 2013 gegen den Kläger ein Haftbefehl in einer Zwangsvollstreckungssache. Am 12.02.2014 war der Kläger noch in ... der bisherigen ... Verfahren sowie in einem neuen Verfahren ins Schuldnerverzeichnis eingetragen. Außerdem war er mit seinen eigenen Steuererklärungen in Rückstand. Am ... 2014 war der Kläger insgesamt ... im Schuldnerverzeichnis eingetragen, wobei die Eintragungen am ... 2013 (dreimal), am 25.11.2013, am 18.2.2014 und am 18.3.2014 angeordnet wurden.

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Der Kläger ist ausweislich der Klage vom 22.11.2013 der Auffassung, er sei im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 23.10.2013 nicht in Vermögensverfall gewesen. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien geordnet gewesen. Er habe seine laufenden Ausgaben durch laufende Einnahmen aus seiner Steuerberatertätigkeit decken können. Außerdem habe er aus der vorgesehenen Veräußerung der Eigentumswohnung sowie aus zugesagten familiären Darlehen die Absicht und die Möglichkeit, die bestehenden Schulden weitgehend bis Januar 2014 zu tilgen. Den Gläubigern, deren Forderungen den ... Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis vom ... 2013 zu Grunde liegen, habe er eine Tilgungsquote von 95 % angeboten. Zumindest sei spätestens bis zu einer anstehenden mündlichen Verhandlung ein etwaiger Vermögensverfall nicht mehr gegeben. Außerdem liege keine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber vor. Für nähere Einzelheiten wird auf die Klage vom 22.11.2013 nebst Anlagen Bezug genommen. Der Kläger hat in der Sache nicht weiter vorgetragen und sich insbesondere nicht zur tatsächlichen Umsetzung der angekündigten Schuldentilgungsmaßnahmen geäußert.

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Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.10.2013 über den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte verweist auf das Vorliegen der Widerrufsgründe gemäß den Ausführungen im Bescheid vom 23.10.2013 und auf das Fortbestehen der Widerrufsgründe. Der Kläger befinde sich in Vermögensverfall. Im Hinblick auf die Verletzung von Steuererklärungspflichten und Steuerschulden des Klägers sowie auf verschiedene Berufspflichtverletzungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet seien. Im Einzelnen wird hierzu auf die Klageerwiderung vom 28.02.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.

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Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung am 02.10.2014 nicht erschienen. In der am 13.08.2014 zugestellten Ladung zu diesem Termin ist er darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann gemäß § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger hat am Morgen des Verhandlungstages um 7:35 Uhr im Gericht angerufen und mitgeteilt, er sei heute Morgen ... und liege derzeit auf der Couch; ihm ... und er warte jetzt auf einen Arzt. In einem weiteren Telefonat um 9:05 Uhr hat er mitgeteilt, er befinde sich jetzt im Krankenhaus. Um 11:33 Uhr ist per Fax eine Aufenthaltsbescheinigung der Klinik-1 X eingegangen, wonach sich der Kläger am 02.10.2014 von 8:20 Uhr bis 12:00 Uhr in der dortigen ambulanten Behandlung befunden hat. Dem Kläger ist Gelegenheit gegeben worden, vor einer Verkündung einer Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2014 bis zum 17.10.2014 seine unerwartete Verhandlungsunfähigkeit nachzuweisen. Am 17.10.2014 hat der Kläger einen Schriftsatz eingereicht mit einer Schilderung seiner gesundheitlichen Beschwerden am Verhandlungstag unter anderem unter Beifügung eines Notfallberichtes der Klinik-1 X vom 02.10.2014. Auf den Schriftsatz nebst Anlagen wird Bezug genommen.

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Dem Gericht haben 4 Leitzordner Akten der Beklagten bezüglich des Klägers vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat entscheidet aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2014 in der Sache. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Gewährung rechtlichen Gehörs, um dem Kläger Gelegenheit zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu geben, ist nicht geboten.

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Der Kläger ist gemäß § 91 Abs. 2 FGO mit der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 S. 2 FGO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet verhindert war, an der Verhandlung am 02.10.2014 teilzunehmen.

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Für eine unverschuldete Verhinderung des Klägers legt der Senat dieselben Maßstäbe an, die bei einem Antrag auf Terminsaufhebung wegen Erkrankung gelten. Ein Verhandlungstermin kann gemäß § 155 FGO i. V. m. § 227 Abs. 1 S. 1 der Zivilprozessordnung bei Vorliegen erheblicher Gründe zu verlegen sein. Ein solcher Grund kann unter anderem darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter unerwartet erkrankt ist. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann; bei Vorlage eines ärztlichen Attestes muss dieses entweder Verhandlungsunfähigkeit bescheinigen oder eine so genaue Schilderung der Krankheit enthalten, dass das Finanzgericht selbst beurteilen kann, ob sie ein Erscheinen zum Termin verhindert oder nicht (vergleiche z. B. BFH Beschluss vom 05.09.2012, II B 61/12, BFH/NV 2012, 1995). Handelt es sich nicht um eine plötzliche, sondern um eine dauerhafte Erkrankung des Prozessbevollmächtigten oder des Beteiligten, so liegt es bei ihm, sich rechtzeitig um eine Vertretung zu bemühen (vergleiche z. B. BFH Beschlüsse vom 04.03.2014, VII B 189/13, BFH/NV 2014, 1057; vom 03.11.2003, III B 55/03, BFH/NV 2004, 506 und vom 24.05.1988, IV B 125/87, BFH/NV 1989, 175).

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Der Kläger hat mit der Vorlage des Notfallberichtes vom 02.10.2014 zwar zur Überzeugung des Senates nachgewiesen, dass er zu einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wegen einer Erkrankung nicht in der Lage war. Dies folgt auch ohne die ausdrückliche Bescheinigung einer Verhandlungsunfähigkeit aus der Diagnose ... mit ..., die medikamentös behandelt wurde und nach Einlieferung des Klägers ins Krankenhaus durch den Notfallarzt dort zu der Einschätzung führte, dass ein stationärer Aufenthalt angeraten sei.

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Der Kläger hätte sich jedoch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung um eine Vertretung in dieser Verhandlung bemühen müssen; für ein solches Bemühen liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Denn der Kläger leidet nach der Anamnese im Notfallbericht seit mindestens ... Jahren unter ..., hat bereits vor ... Jahren schon einmal eine solche Krise erlebt und nimmt seither das Medikament Y. Angesichts des bereits etwa 2 Wochen vor der Krise am 02.10.2014 beim Kläger nach seiner eigenen Schilderung in der Notfallbehandlung aufgetretenen ... und ... (...) aufgrund einer Stresssituation und der Erfahrung mit der Krise vor ... Jahren hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass seine persönliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus gesundheitlichen Gründen gefährdet war. Da andererseits ein persönliches Erscheinen weder aus Sicht des Gerichtes erforderlich war noch der Kläger selbst Gründe dafür vorgetragen hat, warum ein persönliches Erscheinen notwendig gewesen wäre, hätte sich der Kläger um eine Vertretung in der mündlichen Verhandlung bemühen müssen. Ein solches Bemühen ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat es der Kläger darauf ankommen gelassen, an der mündlichen Verhandlung weder persönlich noch durch einen Vertreter teilnehmen zu können.

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II. Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 23.10.2013 die Bestellung des Klägers als Steuerberater widerrufen; der Kläger ist hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO). Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Wiederbestellung als Steuerberater.

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Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird unter anderem dann vermutet, wenn der Steuerberater in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis gemäß § 882b der Zivilprozessordnung eingetragen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 23.10.2013 erfüllt. Der Kläger hatte Schulden in Höhe von mindestens 182.152 €, die er nicht bedienen konnte. Andernfalls wäre es zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Schulden in Höhe von 54.111 € nicht gekommen. Von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen kann daher nicht die Rede sein. Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass die Interessen seiner Auftraggeber dadurch nicht gefährdet waren. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine derartige Gefährdung vorlag, da der Kläger angesichts der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern schon in eigenen Angelegenheiten unzuverlässig gewesen ist.

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Der Kläger hat gegenwärtig auch keinen Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater gemäß §§ 48, 40 StBerG mit der Folge, dass der Bescheid vom 23.10.2013 aufzuheben wäre. Voraussetzung hierfür wäre insbesondere, dass die Gründe für den Widerruf der Bestellung nicht mehr bestehen. Der Kläger ist jedoch weiterhin in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, wobei ... der ...am ... 2014 vorhandenen Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis erst nach dem Widerrufsbescheid der Beklagten erfolgt sind. Eine Tilgung der Verbindlichkeiten des Klägers insbesondere gegenüber den Gläubigern, deren Forderungen den Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis zugrunde liegen, ist nicht ersichtlich. Die Durchführung konkreter Maßnahmen zur Schuldentilgung hat der Kläger weder vorgetragen noch nachgewiesen. Ebenso fehlt ein Nachweis, dass trotz der bestehenden Verbindlichkeiten und der Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis die Interessen der Auftraggeber des Klägers nicht gefährdet werden. Die Unzuverlässigkeit in eigenen Angelegenheiten besteht angesichts rückständiger Steuern und fehlender Steuererklärungen fort.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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