Urteil vom Finanzgericht Hamburg (5. Senat) - 5 K 155/16

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die Rückforderung von Kindergeld.

2

Die Klägerin, geb. am ..., stellte am 02.11.2006 an die Familienkasse A einen Kindergeldantrag mit Hinweis auf ihre Behinderung, den ihr unbekannten Vater und ihre am ... verstorbene Mutter. Die Familienkasse erließ am 20.11.2006 einen Ablehnungsbescheid wegen Überschreitung der Altersgrenze gem. § 1 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Nach Einspruchsverfahren und anschließendem Klageverfahren vor dem Sozialgericht B (Vergleich in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2008) hob die Familienkasse A den Ablehnungsbescheid auf und gab das Verfahren ohne Zahlungsaufnahme zuständigkeitshalber an die Familienkasse C weiter. In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2008 vor dem Sozialgericht hatte die Klägerin für den Fall, dass die zuständige Familienkasse nicht schon den Antrag vom 02.11.2006 als Antrag im berechtigten Interesse für den Vater auslegen sollte, einen solchen Antrag ausdrücklich gestellt, dessen Eingang die dortige Beklagte bestätigte. Die Klage, "soweit sie auf die Gewährung von Kindergeld für sie selbst gerichtet war", hatte die Klägerin zurückgenommen. In dem Vergleich war ausdrücklich festgehalten, dass der Vater der Klägerin den (heutigen) Namen der Klägerin und ihre heutige Anschrift nicht erfahren dürfe. In der Folgezeit erklärte sich die Klägerin einverstanden damit, dass die Familienkasse mit dem Vater Kontakt aufnahm, um ihn zur Antragstellung aufzufordern. Am 20.10.2008 beantragte der Vater der Klägerin, D, gegenüber der Familienkasse C Kindergeld für die namentlich benannte Klägerin (mit Hinweis auf deren unbekannten Aufenthalt) und erklärte sich mit der Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin einverstanden. Am 05.11.2008 beantragte die Klägerin gegenüber der Familienkasse C unter Bezugnahme auf den Antrag des Vaters die Auszahlung des Kindergeldes. Die Familienkasse C setzte gegenüber D mit Bescheid vom 10.11.2008 Kindergeld für die Klägerin für die Zeit ab Januar 2004 fest und entschied ihm gegenüber am selben Tag im Sinne einer Abzweigung an die Klägerin, da er keine Unterhaltszahlungen leiste. Die Klägerin erhielt mit Schreiben vom 10.11.2008 einen Abdruck des Bescheids verbunden mit einem Hinweis auf ihre Mitteilungspflicht bei veränderten Verhältnisses gem. § 68 Einkommensteuergesetz (EStG).

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In der Folge forderte die Familienkasse C die Klägerin in Abständen mehrfach auf mitzuteilen, ob sich hinsichtlich der Behinderung bzw. der eigenen Einkünfte und Bezüge Änderungen ergeben haben, und bat um Vorlage von Belegen.

4

Nach Zuständigkeitswechsel zu der Familienkasse E (Beklagte) bat die Klägerin in einem persönlichen Gespräch bei der Familienkasse E am 02.06.2014 um Weiterbewilligung des Kindergeldes. Bis einschließlich April 2016 wurde das Kindergeld weiter an die Klägerin ausgezahlt.

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Mit Bescheid vom 18.04.2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber D mit einem an diesen adressierten Bescheid mit Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG (keine Behinderung schon vor Vollendung des 27. Lebensjahres) für die Zeit ab Mai 2016 gem. § 70 Abs. 3 EStG auf und teilte dies auch durch Übersendung eines Bescheidabdrucks gegenüber der Klägerin mit.

6

In der Folge erfuhr die Beklagte, dass D am ... 2011 verstorben war. Aufgrund dessen betrachtete sie einen zwischenzeitlich gegen den Bescheid vom 18.04.2016 eingelegten Einspruch der Klägerin als erledigt (s. Schreiben an die Bevollmächtigte der Klägerin vom 02.08.2016).

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Mit Bescheid vom 16.09.2016 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit von Mai 2011 bis April "1611" einschließlich in Höhe von insgesamt 11.112 € gem. § 218 Abs. 2 i. V. m. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurück. Dem war eine Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 26.08.2016 und ein Hinweis auf die Rückforderung der Zahlungen für Mai 2011 bis April 2016 vorausgegangen. Ebenfalls unter dem Datum des 16.09.2016 und demselben Aktenzeichen setzte die Beklagte Hinterziehungszinsen fest. Mit Schreiben vom 01.10.2016 (Eingang am 05.10.2016) legte die Klägerin gegen "den" Bescheid vom 16.09.2016 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf eine Stellungnahme zu der erfolgten Anhörung und trug ergänzend vor, dass auch eine Steuerhinterziehung nicht vorliege.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 21.10.2016 wies die Beklagte den Einspruch wegen der Erstattung von Kindergeld (mit Hinweis auf den zutreffenden Endzeitpunkt der Erstattung bis April "2016") als unbegründet zurück. Den Bescheid betreffend die Hinterziehungszinsen änderte sie unter dem 07.11.2016 gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Eine Steuerhinterziehung liege nicht vor, so dass Hinterziehungszinsen nicht festzusetzen seien und der zurückgeforderte Betrag nicht zu erstatten sei. Dem Einspruch vom 01.10.2016 werde daher vollen Umfangs entsprochen.

9

Am 07.11.2016 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 16.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.10.2016 Klage erhoben.

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Die Klägerin trägt vor:
Es gebe allein eine Rechtsbeziehung zwischen der Familienkasse und dem verstorbenen Vater, im Zuge derer die Familienkasse es versäumt habe, die Berechtigung zum fortlaufenden Bezug von Kindergeld zu prüfen. Sie, die Klägerin, habe - wie die Beklagte wisse - keinen Kontakt zu dem verstorbenen Vater und mithin auch keine Kenntnis von dessen Tod gehabt. Sie verweist auf die auch in dem Vergleich vor dem Sozialgericht B zum Ausdruck gekommene spezielle Problematik zwischen ihr und ihrem verstorbenen Vater, aufgrund derer ihr ein Kontakt wegen drohender gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht zumutbar gewesen sei. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom 02.08.2016 habe sie von dem Tod ihres Vaters erfahren. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht oder ein Verschulden könne ihr, der Klägerin, mithin nicht zur Last gelegt werden. Demgegenüber habe die Beklagte es versäumt, regelmäßig eine Lebensbescheinigung des Vaters der Klägerin anzufordern. Im Übrigen sei die Rückforderung bis September 2011 verjährt. Schließlich komme auch ein Erlass gem. § 227 AO in Betracht, dies auch aus persönlichen Gründen, da sie, die Klägerin, schwerbehindert und nicht in der Lage sei, die Zahlungen zu leisten.

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Die Klägerin beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 16.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.10.2016 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor:
Das Vorbringen der Klägerin sei unbeachtlich. Für § 37 Abs. 2 AO sei allein erheblich, dass die Kindergeldauszahlung ab Mai 2011 ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Kindergeldfestsetzung habe sich mit dem Tod des Kindergeldberechtigten entsprechend § 124 Abs. 2 AO erledigt, weshalb die Zahlung ab Mai 2011 ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Im Übrigen sei eine Rechtsbeziehung auch zu der Klägerin schon aufgrund deren Auszahlungsantrages vom 05.11.2008 in Verbindung mit der Übersendung eines Abdrucks des Bescheids vom 10.11.2008 begründet worden. Gründe, die der Rückforderung unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung nach Treu und Glauben entgegenstünden, lägen nicht vor. Ein Erlass aus Billigkeitsgründen sei in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen.

14

Dem Senat haben 2 Hefter mit Ausdrucken der Kindergeldakte vorgelegen.

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Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Der Senat entscheidet gem. 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

I.

17

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

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1. Der Senat legt den Abhilfebescheid vom 07.11.2016 aufgrund des "Tenors" dahingehend aus, dass er sich nur auf die Hinterziehungszinsen beziehen soll und ungeachtet des unverständlichen Hinweises darauf, dass der zurück geforderte Betrag nicht zu erstatten sei, keinen die Einspruchsentscheidung vom 21.10.2016 hinsichtlich der Erstattung des Kindergeldes für Mai 2011 bis April 2016 ändernden Bescheid enthält. So hat offenkundig auch die Klägerin den Bescheid verstanden.

19

2. Der Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig.

20

a) In Abzweigungsfällen ist der Dritte (Abzweigungsempfänger) und nicht der Kindergeldberechtigte Leistungsempfänger und damit im Falle rechtsgrundloser Leistung zur Erstattung gem. § 37 Abs. 2 AO verpflichtet (BFH Urteil vom 24.08.2001 VI R 83/99, BStBl II 2002, 47 in Abgrenzung zur bloßen Zahlung aufgrund einer Anweisung für einen anderen; hierzu s. a. BFH Urteil vom 10.03.2016 III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278).

21

b) Die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem kindergeldberechtigten Vater als personenbezogener Verwaltungsakt ebenso wie der dem Vater gegenüber ergangene Abzweigungsbescheid haben infolge des Todes des Vaters entsprechend § 124 Abs. 2 AO ihre Erledigung gefunden. Damit ist der Rechtsgrund der Zahlung entfallen, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung gem. § 70 Abs. 2 EStG für die Zeit nach dem Tod des Vaters bedarf.

22

Der Senat schließt sich damit der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13.01.2010 (16 K 337/98, EFG 2010, 1011 m. Anm. Reuß, sowie Reuß in: Bordewin/Brandt EStG § 70 Lfg. Dez. 2013 Rn. 53b; s. a. FG München Beschluss vom 23.02.2017 10 K 2845/16; vgl. a. Felix in: Kirchhof EStG 15. Aufl. 2016 § 70 Rn. 2; allgemein zur Anwendung des § 124 Abs. 2 AO bei Dauerverwaltungsakten im Falle des Todes des Betroffenen: Seer in: Tipke/Kruse § 124 AO Lfg. Okt. 2015 Tz. 20; Güroff in: Beermann/Gosch § 124 AO Lfg. Nov 2014 Rn. 14; Müller-Franken in: Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 124 Lfg. Juni 2010 Rn. 248) zum Erlöschen des personenbezogenen Verwaltungsaktes infolge des Todes des Kindergeldberechtigten an.

23

Zwar käme eine förmliche Aufhebung dem Interesse an Rechtsklarheit entgegen, das in der zum Veranlagungszeitraum 2007 erfolgten Aufhebung des § 70 Abs. 1 S. 2 EStG a. F. (Absehen von der Erteilung eines schriftlichen Bescheides in bestimmten Fällen, u. a. bei zwischenzeitlicher Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes) zum Ausdruck kommt und der Intention des Gesetzgebers entspricht, das Handeln der Familienkasse transparenter zu machen (BTDrs. 16/1368 S. 10). Auch enthält § 70 Abs. 2 EStG mit Blick auf die Besonderheiten des Dauerverwaltungsaktes für nachträgliche Änderungen eine eigenständige Regelung, die grundsätzlich den Erlass eines Änderungs- bzw. Aufhebungsbescheides vorsieht (z. B. auch für Fälle des Erreichens des 25. Lebensjahres, BFH Urteil vom 17.12.2014 XI R 15/12, BStBl II 2016, 100 und die Dienstanweisung zum Kindergeld 2016 V 14.1. Abs. 2). Zudem fehlt es an einer § 102 Abs. 5 SGB VI entsprechenden gesetzlichen Befristung des Kindergeldanspruchs bis zum Tod des Berechtigten (vgl. hierzu Niedersächs. FG a. a. O.).

24

Das Erlöschen der Kindergeldfestsetzung ohne Rücksicht auf eine förmliche Aufhebung des Bescheides für die Zeit nach dem Tod des Kindergeldberechtigten ist indes aufgrund des offensichtlich fehlenden Interesses des Kindergeldberechtigten selbst und des aufgrund der offenkundigen Personenbezogenheit der Kindergeldfestsetzung fehlenden rechtlich schützenswerten Interesse der Erben an einem förmlichen Aufhebungsbescheid gerechtfertigt. Die Anspruchsvoraussetzungen sind zeitraumbezogen nach den in den §§ 62 ff. EStG geregelten persönlichen Umständen zu prüfen, die von jedem potentiell Anspruchsberechtigten selbst zu verwirklichen und nicht vererbbar sind (vgl. demgegenüber zur Frage der Vererblichkeit eines etwaigen noch offenen Kindergeldanspruchs für einen vergangenen Zeitraum bis zum Todesmonat Anm. Reuß zum Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13.01.2010 16 K 337/98, EFG 2010, 1011).

25

Auch ein berechtigtes Interesse des Abzweigungsberechtigten an der förmlichen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung besteht angesichts der nur abgeleiteten Berechtigung und der sich hieraus nach der Rechtsprechung ergebenden verfahrensrechtlichen Rechtsposition des Abzweigungsberechtigten nicht.

26

Zwar kann ein Abzweigungsberechtigter aufgrund seines berechtigten Interesses selbst das Kindergeld beantragen (§ 67 S. 2 Alternative 2 EStG). Hierdurch erhält er verfahrensrechtlich eine Beteiligtenstellung im Festsetzungsverfahren. Zudem ist er befugt, gegen den das Festsetzungsverfahren abschließenden Bescheid Einspruch einzulegen und gegen die im Einspruchsverfahren ergangene Entscheidung Klage zu erheben (BFH Urteil vom 26.11.2009 III R 67/07, BStBl II 2010, 476). Der Abzweigungsberechtigte wird indes nicht zum Kindergeldberechtigten und erlangt keine Rechte, die über die Rechte des materiell Kindergeldberechtigten hinausgehen. Ist das Festsetzungsverfahren für den (materiell) Kindergeldberechtigten bestandskräftig abgeschlossen, muss ein nach § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG Antragsberechtigter sich zudem die Bestandskraft des dieses Festsetzungsverfahren abschließenden Bescheids entgegenhalten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob er von der Durchführung des aufgrund eines fremden Antrags eingeleiteten Verfahrens Kenntnis hatte oder nicht (BFH Urteil vom 26.11.2009 a. a. O.). Das in § 67 S. 2 Alternative 2 EStG vorgesehene, auf Einleitung eines Festsetzungsverfahrens gerichtete Antragsrecht besteht nur für und im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zwischen dem (materiell) Kindergeldberechtigten und der Familienkasse. Kann ein dieses Verfahren abschließender, für den Kindergeldberechtigten negativer Bescheid von diesem im Hinblick auf seine Bestandskraft nicht mehr angegriffen werden, besteht auch für einen nach § 67 Satz 2 Alternative 2 EStG Antragsberechtigten keine verfahrensrechtliche Möglichkeit mehr, unter Hinweis auf sein Antragsrecht zugunsten des (materiell) Kindergeldberechtigten eine andere (positive) Festsetzung zu erreichen. Das Antragsrecht ist mit Eintritt der Bestandskraft des ablehnenden Bescheids diesem gegenüber verbraucht.

27

Dieser von dem Recht des materiell Kindergeldberechtigten nur abgeleiteten Rechtsposition des Abzweigungsberechtigten entspricht es, dass Letzterer sich auf die fehlende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nur insoweit berufen kann, als dieser Einwand auch dem Kindergeldberechtigten zustünde. Ein rechtliches Interesse an der Fortzahlung des Kindergeldes über den Monat des Todes des Kindergeldberechtigten hinaus hat indes - wie dargelegt - der Kindergeldberechtigte naturgemäß nicht und könnte eben wegen der Personenbezogenheit und fehlenden Vererbbarkeit der materiellen Anspruchsberechtigung auch nicht dessen Erbe geltend machen. Entsprechendes gilt für den Einwand der Festsetzungsverjährung, der (auf der Grundlage des § 170 Abs. 1 AO für die Auszahlungsbeträge des Jahres 2011 - Festsetzungsverjährung Ende 2015 - und für diejenigen des Jahres 2012 - Festsetzungsverjährung Ende 2016) nur greift, sofern eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erfolgt bzw. erforderlich ist.

28

Im Einklang mit der nur abgeleiteten Rechtsposition des Abzweigungsberechtigten wertet der Senat dessen Interesse an der Rechtsklarheit durch Erlass eines förmlichen Bescheids als nachrangig gegenüber dem Interesse an der Vermeidung von weiterem Verwaltungsaufwand, u. a. auch für die ggf. erforderliche Nachforschung nach den für den Erlass des Aufhebungsbescheids maßgeblichen Erben des Kindergeldberechtigten.

29

c) Zahlungsverjährung gem. §§ 228 ff. FGO ist nicht eingetreten.

30

Gem. § 228 AO gilt eine 5- jährige Verjährung, die gem. § 229 Abs. 1 S. 1 AO frühestens mit Ende des Jahres beginnt, zu dem der Anspruch fällig geworden ist. Mangels anderweitiger Fälligkeitsregelung ist gem. § 220 AO für die Fälligkeit auf den Entstehungszeitpunkt des Rückforderungsanspruchs, mithin den Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Auszahlung, abzustellen. Ausgehend von einer sukzessiven monatlichen Auszahlung begann der Lauf der Zahlungsverjährung Ende 2011 und endete damit erst Ende 2016 und damit nach dem Erlass des Rückforderungsbescheids.

31

d) Der Rückforderung steht es nicht entgegen, wenn der Kindergeldbezieher seinen Mitwirkungspflichten stets nachgekommen ist (vgl. BFH Urteil vom 03.03.2011 III R 11/08, BStBl II 2011, 722). Ebenso wenig kann sich die Klägerin auf den etwaigen Einwand der Entreicherung berufen; § 818 Abs. 3 BGB findet im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO keine Anwendung (BFH Beschluss vom 28.03.2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117).

32

Auch hat die Beklagte vorliegend keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, der ggf. ausnahmsweise einer Rückforderung entgegenstünde.

33

Hierzu bedarf es eines Verhaltens der Familienkasse, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen kann, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle. Die bloße Weiterzahlung des Kindergeldes genügt als Vertrauenstatbestand nicht. Hinzukommen müssen besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie dem Kindergeldrecht ist insoweit ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falles von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht und ein anderer Eindruck bei dem Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen braucht (vgl. BFH Urteil vom 11.07.2013 VI R 67/11, BFH/NV 2014, 20; BFH Urteil vom 27.10.2004 VIII R 23/04, BFH/NV 2005, 499; BFH Urteil vom 14.10.2003 VIII R 56/01, BStBl II 20014, 123).

34

Ein den genannten Voraussetzungen entsprechendes Verhalten der Beklagten liegt im Streitfall nicht vor. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des der Beklagten bekannten Kontaktverbots des Vaters und der Tatsache, dass die Familienkassen sich bei der Klägerin regelmäßig nach dem Fortbestehen der spezifischen Voraussetzungen für die behinderungsbedingte Unfähigkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, erkundigten. Dies in Verbindung mit der Fortzahlung des Kindergeldes konnte auch aus Sicht der Klägerin nicht als eindeutige Erklärung dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte auch das Fortleben des Vaters (ggf. in Verbindung mit einer Überprüfung des Fortbestehens des inländischen Wohnsitzes bzw. der alternativen Voraussetzungen gem. § 62 EStG) regelmäßig überprüft hat und die konkludente Zusage machte, die Klägerin brauche nicht mit einer Rückforderung zu rechnen.

35

e) Etwaige Gründe für einen Erlass aus sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründen sind für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, sondern können nur in einem gesonderten Billigkeitsverfahren Berücksichtigung finden.

II.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

37

Der Senat sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Zwar hat der BFH in der Divergenzentscheidung im Beschluss vom 12.10.2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178 Tz. 6 Juris, mangels dortiger Entscheidungserheblichkeit zu der Rechtsansicht des Niedersächsischen FG keine Stellung genommen.

38

Indes liegt die Entscheidung des Senats auf der durch die Rechtsprechung des BFH zur Rechtsstellung des Abzweigungsberechtigten vorgeprägten Linie.

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