Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 145/15

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben für eine Goldhalskette mit einem Diamantanhänger.

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Die Klägerin ist Geschäftsführerin der "A ... GmbH" (A) in B. Die A vermittelt gegen Provision den Verkauf von Schmuckstücken zwischen Privatpersonen. Anfang 2009 bot die A eine Weißgoldhalskette mit Diamantanhänger im Namen von Frau C aus D zum Kauf an. Die Klägerin fand selbst Gefallen an diesem Schmuckstück und erwarb es für ... €.

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Im September 2014 besuchte die Klägerin eine Juwelenmesse in E, wo sie diverse Schmuckstücke kaufte. Am 21.09.2014 landete sie mit diesen Schmuckstücken im Gepäck auf dem Flughafen B. Beim Verlassen des Terminals wählte sie den grünen Kanal für anmeldefreie Waren, wo es zu einer Zollkontrolle kam. Die Beamten fanden zahlreiche Tüten mit Modeschmuck und Perlenketten, eine neuwertige Markenhandtasche sowie eine Handelsrechnung für einen Diamanten über ... €. Hierzu gab die Klägerin an, den Diamanten von einem Händler aus F in E gekauft zu haben. Den Stein habe sie aber nicht mitgenommen, sondern dieser werde ihr zugesandt werden. Die Mitarbeiter des Beklagten glaubten diese Einlassung nicht und vermuteten, dass die Rechnung einen Diamanten betraf, den die Klägerin in einem Anhänger gefasst an einer Kette um den Hals trug. Tatsächlich handelte es sich hierbei um die 2009 von Frau C erworbene Kette. Daraufhin erließ der Beklagte einen Einfuhrabgabenbescheid über ... € für die o. g. Waren. Hinsichtlich der Kette, die allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, übernahm der Beklagte die Werte aus der gefundenen Handelsrechnung und nahm einen Zollwert von ... € an, was zu Zollabgaben i. H. v. ... € und Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. ... € (insgesamt: ... €) führte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 21.09.2014 verwiesen.

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Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 29.09.2014 Einspruch ein. Die Goldhalskette mit Diamantanhänger habe sie bereits im Jahr 2009 erworben. Zum Nachweis legte sie einen Verkaufsbeleg vom 05.01.2009 vor. Damit seien die Identität der sichergestellten Kette und ihr Eigentum nachgewiesen. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer seien folglich nicht angefallen. Der für ... € in E gekaufte Diamant, bei dem es sich um einen Diamantring handelte, werde ihr demnächst per Post zugehen, so dass bisher gar keine Einfuhr stattgefunden habe.

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Im Folgenden beglich die Klägerin die Einfuhrabgaben für die Perlenketten und den Modeschmuck und erhielt den Einspruch insoweit nicht aufrecht. Im Oktober 2014 ging ihr der in E ausweislich der Rechnung über ... € erworbene Diamantring per Post zu. Die Klägerin veranlasste die Verzollung des Ringes.

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Im Februar 2015 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass das Vorliegen einer Rückware im Fall der Goldhalskette mit Diamantanhänger nicht nachgewiesen sei. Es sei zwar davon auszugehen, dass es sich bei der eingeführten Kette mit Anhänger um die nämliche handele, die die Klägerin im Jahr 2009 erworben habe. Es sei aber nicht nachgewiesen, dass es sich bei dieser Kette um eine abgabenbegünstigte Rückware gehandelt habe. Ein langjähriger Besitz sei kein entsprechender Nachweis.

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Hierauf entgegnete die Klägerin, dass die Goldkette eine Rückware darstelle. Sie habe das Schmuckstück von der zwischenzeitlich verstorbenen Frau C erworben. Der Verkauf sei für Frau C durch einen Vertreter, Herrn G, abgewickelt worden. Frau C habe das Schmuckstück geerbt. Mit dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union im Jahr 2004 sei das Schmuckstück automatisch zur Gemeinschaftsware geworden. Dem Schreiben war eine eidesstattliche Versicherung des Herrn G, der in Belgien wohnhaft ist, beigefügt. Darin bestätigt Herr G, dass er die streitgegenständliche Goldkette mit Diamantanhänger über die A GmbH in Vertretung für die damalige Eigentümerin Frau C verkauft habe. Er habe die Verkäuferin vor ihrem Ableben seit mehr als 30 Jahren persönlich gekannt und erinnere sich daran, dass sie das Schmuckstück in diesem Zeitraum stets besessen und getragen habe. Sie habe ihm davon berichtet, dass sie das Schmuckstück geerbt habe.

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Der Beklagte erwiderte, dass damit der Gemeinschaftsstatus der Goldkette nach wie vor nicht bewiesen sei. Waren, die sich vor dem Beitritt Ungarns im ungarischen Staatsgebiet befunden hätten, seien nicht mit dem Beitritt Ungarns automatisch zu Gemeinschaftswaren geworden. Nach Art. 24 EGV werde eine Ware nur dann Gemeinschaftsware, wenn sie zusätzlich die Freiverkehrseigenschaft innehabe. Dies sei vorliegend weiterhin ungeklärt.

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Die Klägerin hielt am Vorliegen einer Gemeinschaftsware fest. Es sei lebensfremd, dass sich der mehrere Jahrzehnte in Ungarn befindliche Schmuck nicht im Zuge des Beitritts von Ungarn im freien Verkehr der Gemeinschaft befunden habe. Der Verweis des Beklagten auf Art. 24 EGV bzw. Art. 29 AEUV überzeuge nicht. Ungarn sei bereits zum Einfuhrzeitpunkt Mitgliedstaat gewesen und kein Drittland im Sinne der Vorschriften. Wenn die Auffassung des Beklagten zuträfe, müssten nach dem Beitritt Ungarns trotz der geltenden Zollunion sämtliche Waren, die aus Ungarn in einen anderen Mitgliedstaat der EU transportiert würden, zumindest einmalig einer Zolleinfuhrkontrolle unterzogen werden und mit Einfuhrabgaben belegt werden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Im Übrigen müsse eine Glaubhaftmachung ausreichen. Aufgrund des Todes der Verkäuferin sei es ihr, der Klägerin, nicht möglich, die Gemeinschaftswareneigenschaft der Kette nachzuweisen. Andere Nachweise ständen nicht zur Verfügung.

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Mit mittlerweile bestandskräftigem Einfuhrabgabenbescheid vom 17.06.2015 erließ der Beklagte Einfuhrabgaben i. H. v. ... €. Der Zollwert der Damenhandtasche sei auf ca. ... € festzulegen, da es sich hierbei um eine Fälschung handele. Die Handtasche werde deshalb im Rahmen der Einreisefreimenge abgabenfrei belassen. Hinsichtlich der Goldhalskette sei der Zollwert aufgrund des vorgelegten Kommissionsverkaufsbelegs über ... € zu reduzieren. Für die Festsetzung des Zollwertes seien zudem 19 % Umsatzsteuer vom Verkaufserlös abzuziehen, woraus sich ein Zollwert von ... € ergebe.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015, abgesandt am 01.10.2015, wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Bescheides vom 17.06.2015 als unbegründet zurück. Die Abgabenschuld sei nach Art. 202 ZK i. V. m. Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO entstanden. Eine einfuhrabgabenpflichtige Ware sei vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden. Die Klägerin habe bei ihrer Einreise am 21.09.2014 beim Verlassen des Terminals am Flughafen B den grünen Ausgang für "anmeldefreie Waren" genutzt und damit eine Zollanmeldung durch Willensäußerung nach Art. 233 Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich ZK-DVO abgegeben, ohne dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach Art. 230 bis Art. 232 ZK-DVO erfüllt gewesen seien. Die Klägerin hätte den grünen Ausgang nicht betreten dürfen, da die streitgegenständliche Kette aufgrund ihres hohen Wertes nicht unter die Einreisefreimenge von bis zu 430 € gefallen sei. Bei der Kette habe es sich auch nicht um eine Rückware gemäß Art. 185 ff. ZK i. V. m. Art. 846 ZK-DVO gehandelt. Diese Befreiung von den Einfuhrabgaben könne nur dann gewährt werden, wenn es sich bei der ausgeführten Ware um eine Gemeinschaftsware gehandelt hätte. Gemäß Art. 848 Abs. 3 ZK-DVO könnten Waren nur dann als Rückwaren anerkannt werden, wenn hierfür ein Nachweis auf Verlangen der Zollstelle erbracht werde. Der Anmelder müsse zum Nachweis der Rückwareneigenschaft die erforderlichen Unterlagen vorlegen. Er trage stets die Beweislast. Vorliegend habe die Klägerin zwar einen Kaufbeleg ausgestellt von der Firma A vorgelegt. Weitere Recherchen hätten jedoch ergeben, dass das Unternehmen das streitgegenständliche Schmuckstück lediglich in Kommission für Frau C mit Wohnsitz in D verkauft habe. Der zollrechtliche Status des Schmuckstücks sei trotz des Privatverkaufs an die Klägerin und des Kommissionsgeschäfts ungeklärt. Dies gelte ungeachtet der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn G. Hieraus ergebe sich nicht die Rückwareneigenschaft der Kette. Erforderlich sei hierfür auch, dass die Ware die Freiverkehrseigenschaft erlangt habe. Diese setze voraus, dass hinsichtlich des fraglichen Gegenstands bei einem Verbringen in das Zollgebiet die Einfuhrförmlichkeiten bereits erfüllt und die entsprechenden Abgaben entrichtet worden seien oder aber die Ware in der Gemeinschaft erzeugt oder hergestellt worden sei. Es genüge nicht, dass sich eine Ware vor der Ausfuhr über viele Jahre im Zollgebiet der Gemeinschaft befunden habe. Dem Sachvortrag der Klägerin, dass Ungarn 2004 der Europäischen Union beigetreten sei und alle Waren, die sich in Ungarn befunden hätten, mit dem EU-Beitritt zu Gemeinschaftswaren geworden wären, werde nicht gefolgt. Dies gelte lediglich für die Waren, die sich im Beitrittszeitpunkt im zollrechtlich freien Verkehr der Beitrittsstaaten befunden hätten, mithin für Waren, die entweder in Ungarn vollständig erzeugt oder hergestellt oder für die in Ungarn ordnungsgemäß die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt worden seien. Ob sich das Schmuckstück im Zeitpunkt des Verkaufs durch die A im zollrechtlich freien Verkehr Ungarns und damit der EU befunden habe, sei jedoch unklar.

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Die Klägerin hat am 02.11.2015 die vorliegende Klage erhoben. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren und unterstreicht, dass die Goldhalskette mit Diamantanhänger die Rückwareneigenschaft besessen habe. Die Kette sei im selben Zustand aus- und wieder eingeführt worden; eine Bearbeitung im Ausland sei nicht erfolgt. Recherchen hätten ergeben, dass die ursprüngliche Fassung des Diamanten vor etwa 15 bis 20 Jahren in die jetzige (moderne) Form in D umgearbeitet worden sei. Schriftliche Auskünfte hierüber habe sie, die Klägerin, nicht erlangen können. Die vom Beklagten an sie gestellten hohen Beweisanforderungen könnten nicht rechtens sein, da sie in aller Regel nicht erfüllbar seien. Es sei nicht ersichtlich, wie es ihr möglich sein solle, den Nachweis zu führen, dass ein seit unbestimmter Zeit in Ungarn befindlicher Schmuckstein auch in Ungarn gewonnen oder hergestellt worden sei, bzw., da Ungarn keine Diamantenminen besitze, vor Jahrzehnten unter Beachtung der seinerzeit geltenden Zollbestimmungen in den zollrechtlich freien Verkehr Ungarns übergeführt worden sei. Rechtsvorschriften, die vom Bürger Beweise verlangten, die regelmäßig nicht erbracht werden könnten, widersprächen rechtstaatlichen Grundsätzen und seien deshalb verfassungswidrig.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheids vom 17.06.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015 aufzuheben, soweit darin Einfuhrabgaben für eine "Weißgoldhalskette mit Diamantenanhänger" (Position 2 im Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014) festgesetzt wurden.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Es obliege der Klägerin, die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Rückware darzulegen und nachzuweisen. Die bloße, gegebenenfalls sehr lange Dauer des Besitzes einer Ware könne weder den Status als Gemeinschaftsware noch einen Wechsel des Status von einer Nichtgemeinschafts- zu einer Gemeinschaftsware begründen, weil es entsprechende gesetzliche Tatbestände hierfür nicht gebe. Das Zollrecht regele abschließend, welche Waren Gemeinschaftswaren seien und wodurch Nichtgemeinschaftswaren zu Gemeinschaftswaren würden. Der von der Klägerin vorgelegte Verkaufsbeleg vermöge die Rückwareneigenschaft nicht zu belegen. Das Vermittlungsgeschäft sage nichts darüber aus, ob es sich um eine Gemeinschaftsware gehandelt habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte des Beklagten (ein Ordner) und der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.06.2017 auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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I. Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

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II. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheids vom 17.06.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015 sind - soweit darin Einfuhrabgaben für die allein streitgegenständliche Goldhalskette mit Diamantanhänger festgesetzt worden sind - rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

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Der Beklagte hat für dieses Schmuckstück Einfuhrabgaben sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zutreffend gem. Art. 202 Abs. 1 Satz 1 lit. a), Abs. 2, Abs. 3 1. Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), Art. 234 Abs. 2, 233 Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich, Art. 230 lit a) 2. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK-DVO), § 21 Abs. 2 UStG festgesetzt. Insoweit folgt das Gericht den zutreffenden Begründungen der angegriffenen Bescheide, insbesondere der Begründung der Einspruchsentscheidung, die es sich zu Eigen macht (§ 105 Abs. 5 FGO).

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Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob es sich bei der Goldhalskette mit Diamantanhänger um eine abgabenfreie Rückware handelt. Dies ist nicht der Fall. Die Rückwareneigenschaft der Kette konnte auch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht festgestellt werden. Die Unerweislichkeit dieser abgabenbefreienden Tatsache geht zulasten der Klägerin.

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In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass der Nachweis dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Behandlung einer Ware als Rückware vorliegen, von dem Beteiligten zu erbringen ist, der die Abgabenfreiheit in Anspruch nehmen will (BFH, Beschluss vom 14.04.2014, VII B 213/12, Juris Rn. 9; FG München, Urteil vom 14.11.2007,14 K 993/05, Juris Rn. 19). Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen des Art. 185 Abs. 1 S. 1 ZK im Fall der Goldhalskette gegeben sind. Diese konnten im gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen werden. Nach Art. 185 Abs. 1 S. 1 ZK sind Unionswaren, die aus dem Zollgebiet der Union ausgeführt worden sind und innerhalb von drei Jahren wieder in dieses Zollgebiet eingeführt und dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, auf Antrag des Beteiligten von den Einfuhrabgaben befreit. Es ließ sich nicht feststellen, dass es sich bei der Goldhalskette im Zeitpunkt ihrer Ausfuhr um eine Unionsware im Sinne des Art. 4 Nr. 7 ZK gehandelt hat. Sie befand sich vor dem EU-Beitritt Ungarns am 01.05.2004 im Eigentum der damals in D wohnhaften Frau C und damit außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union. Zu dieser Zeit handelte es sich bei der Kette mithin um eine Nicht-Unionsware im Sinne des Art. 4 Nr. 8 ZK.

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Es konnte nicht bewiesen werden, dass sich dieser Status durch den EU-Beitritt Ungarns am 01.05.2004 geändert hat. Der EU-Beitritt hat nicht dazu geführt, dass alle Waren, die sich am 01.05.2004 auf ungarischem Staatsgebiet befunden haben, (automatisch) den Unionswaren-Status erhalten haben. Zu Unionswaren sind lediglich solche Waren geworden, die sich im Zeitpunkt des Beitritts im freien Verkehr eines Beitrittslandes befunden haben (vgl. Informationsunterlage der Europäischen Kommission, Ausschuss für den Zollkodex, Erweiterung der EU 2004, Übergangsmaßnahmen der Beitrittsakte im Zollbereich vom 10.12.2003, S. 3 ff., TAXUD/763/2003 ENDG. - DE; Lux, EU-Erweiterung 2004, AW-Prax 2004, S. 53; Vogl-Lang, Erfahrungen mit der EU-Erweiterung aus der Sicht des Zollrechts, S. 39, 45 in: EU-Erweiterung in der Praxis - Internationales Risikomanagement, Tagungsband des 16. Europäischen Zollrechtstages des EFA am 17./18. Juni 2004 in Graz - Schriftenreihe des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V., Band 21). Aus den Regelungen des Anhangs IV, Nr. 5 (Zollunion) zur Geltung des ZK und der ZK-DVO der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (im Folgenden: Beitrittsakte; Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom 23.09.2003) ergibt sich der für die EU-Erweiterung geltende Grundsatz, der den grundlegenden Bestimmungen über den freien Warenverkehr (damals: Art. 23 Abs. 1, Abs. 2, 24 EG-Vertrag) Rechnung trug, dass nur Waren, die sich in einem Beitrittsland oder in einem alten Mitgliedstaat im zollrechtlich freien Verkehr befanden, sich zum Zeitpunkt des Beitritts nach dem EG-Vertrag in der Fassung der Beitrittsakte in der ganzen erweiterten Union im zollrechtlich freien Verkehr befinden sollten, mithin den Unionswaren-Status erlangen sollten. Dieser Grundsatz kommt insbesondere in den Regelungen für Waren der Beitrittsländer, die vor dem Beitritt in ein Zollverfahren übergeführt waren, das nach dem Beitritt beendet wurde, zum Ausdruck. In diesen Fällen musste der Unionscharakter der Waren nach den Regelungen des Anhangs IV, Nr. 5 (Zollunion) zur Geltung des ZK und der ZK-DVO der Beitrittsakte nachgewiesen werden, um zu verhindern, dass der Beitritt ungerechtfertigterweise Waren zugutekam, die sich vorher nicht im zollrechtlich freien Verkehr der Beitrittsländer befunden hatten. Der Unionscharakter konnte in diesen Fällen nur für folgende Waren nachgewiesen werden:
"- Waren, die (...) vollständig im Gebiet eines der neuen Mitgliedstaaten gewonnen oder hergestellt worden sind, ohne dass ihnen aus anderen Ländern oder Gebieten eingeführte Waren hinzugefügt wurden; - aus anderen als den betreffenden Ländern oder Gebieten eingeführte Waren, die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind; - Waren, die in dem betreffenden Land entweder ausschließlich unter Verwendung von nach dem zweiten Gedankenstrich dieses Absatzes bezeichneten Waren oder unter Verwendung von nach den ersten beiden Gedankenstrichen dieses Absatzes bezeichneten Waren gewonnen oder hergestellt worden sind."

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Konnte ein Beteiligter den förmlichen Nachweis nicht erbringen, so galten die betroffenen Waren als Nicht-Unionswaren und unterlagen Zöllen und anderen gegenüber Drittländern geltenden Maßnahmen, auch wenn sie aus einem Beitrittsland stammten (Lux, EU-Erweiterung 2004, AW-Prax 2004, S. 54).

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Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, sondern ist aufgrund des lange zurückliegenden Sachverhalts nicht mehr aufklärbar, ob sich die Goldhalskette mit Diamantanhänger vor dem 01.05.2014 im zollrechtlich freien Verkehr Ungarns befunden hat. Insoweit konnte die Klägerin (vgl. zur erhöhten Mitwirkungspflicht aufgrund des Auslandssachverhalts § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 AO) lediglich darlegen, dass sich die Kette zu diesem Zeitpunkt im Eigentum von Frau C befunden habe und dass diese die Kette seit Jahrzehnten als Erbstück getragen habe. Vor etwa 15 bis 20 Jahren sei die ursprüngliche Fassung des Diamanten in die jetzige modernere Form in D umgearbeitet worden. Nachweise über diese Umarbeitung in D konnte die Klägerin nicht vorlegen und auch keine sonstigen Beweismittel benennen, sondern lediglich mitteilen, dass ihre ungarischen Ansprechpartner nur zu einer mündlichen Auskunft bereit gewesen seien. Angesichts der Unerweislichkeit dieser Tatsachen erübrigen sich Erwägungen dahingehend, ob durch die Umarbeitung die gesamte Kette als ungarische Ursprungsware angesehen werden könnte. Der zollrechtliche Status der Halskette vor dem EU-Beitritt Ungarns ist mithin unbekannt. Es ist möglich, dass sich die Kette im freien Verkehr Ungarns befunden hat. Ebenso möglich ist jedoch, dass sie die Freiverkehrsfähigkeit damals nicht besessen hat. Folglich ist nicht bewiesen, dass die Kette durch den EU-Beitritt Ungarns zu einer Unionsware geworden ist.

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Die vorliegenden Beweisschwierigkeiten führen nicht dazu, dass die Beitrittsakte oder sonstige Rechtsvorschriften rechtstaatlichen Prinzipien widersprechen würden. Solche Schwierigkeiten treten regelmäßig auf, wenn streitentscheidende Tatsachen Jahrzehnte zurückliegen und gehen sodann zulasten des insoweit beweisbelasteten Beteiligten (BFH, Beschluss vom 28.01.2013, VII B 180/12, Juris Rn. 8). Überdies spielt die Freiverkehrseigenschaft der Kette vor dem EU-Beitritt Ungarns lediglich in der vorliegenden Situation eine Rolle, in der sich die Klägerin, nachdem sie die Kette aus- und wiedereingeführt hat, auf den Status der Kette als Rück- und Unionsware beruft.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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