Urteil vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 196/16

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. c des Hamburgischen Zweitwohnungsteuergesetzes (HmbZWStG) von der Zweitwohnungsteuer befreit ist.

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Der Kläger ist mit Hauptwohnung in A, X-Straße gemeldet und wohnt dort in einem Einfamilienhaus. Wegen seiner beruflichen Tätigkeit in Hamburg bewohnt er eine Eigentumswohnung in Hamburg, Y-Straße, in der er seit 01.09.2009 mit Nebenwohnung gemeldet ist. Die Wohnung ist 58 m² groß und wurde zum 01.12.1988 bezugsfertig.

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Der Kläger ist seit ... 2011 mit B verheiratet, die in Deutschland nicht gemeldet ist, sondern als ukrainische Staatsangehörige lediglich ein Visum und keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis hat. Die Ehefrau ist ihrerseits in Osteuropa berufstätig und hat in diesem Zusammenhang einen Wohnsitz an ihrem Arbeitsort in der Ukraine. Gegenüber dem für die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers zuständigen Finanzamt Hamburg-1 gab der Kläger mit Schreiben vom 26.09.2014 an, nur mit seinem Sohn in dem gemeinsamen Haus zu wohnen, nicht aber mit seiner ukrainischen Ehefrau; diese habe ihren Wohnsitz in der Ukraine und halte sich nur gelegentlich zu Besuchszwecken bei ihnen auf.

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Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 20.04.2016 die Zweitwohnungsteuer für 2011 (4 Monate) auf 148 € und für 2012 und 2013 jeweils auf 444 € fest, wobei er ausgehend von einer Baualtersklasse ab 1994 eine monatliche Nettokaltmiete von 8,02 € je m² zugrunde legte. Ebenfalls mit Bescheid vom 20.04.2016 setzte der Beklagte die Zweitwohnungsteuer für 2014 bis 2016 auf jeweils 492 € fest, wobei er ausgehend von einer Baualtersklasse ab 1994 eine monatliche Nettokaltmiete von 8,89 € je m² zugrunde legte. Der Kläger legte am 23.04.2016 Einspruch ein mit dem Ziel einer Aufhebung der Zweitwohnungsteuerfestsetzungen. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2016 als unbegründet zurück.

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Der Kläger hat am 23.06.2016 Klage erhoben.

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Mit geänderten Bescheiden vom 29.05.2017 setzte der Beklagte die Zweitwohnungsteuer auf der Grundlage der Baualtersklasse 01.01.1978 bis 31.12.1993 niedriger fest auf 140 € für 2011, jeweils 420 € für 2012 und 2013 und jeweils 456 € für 2014 bis 2016.

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Der Kläger ist der Auffassung, die Zweitwohnungsteuerfestsetzung sei zu Unrecht erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG seien erfüllt. Er sei mit seiner Ehefrau am gemeinsamen Hauptwohnsitz wohnhaft, auch wenn seine Ehefrau dort nicht gemeldet sei. Seine Nebenwohnung in Hamburg nutze er lediglich aus beruflichen Gründen und halte sich dort auch nur zeitweise aus beruflichen Gründen auf. Die Äußerungen gegenüber dem Finanzamt Hamburg-1 seien missverständlich gewesen. Auch seine Ehefrau wohne in dem gemeinsamen Haushalt in A. Dies sei nicht ständig der Fall, sondern in unterschiedlicher Dauer und zu unterschiedlichen Zeiten mehrere Monate im Jahr. Ein überwiegender Aufenthalt in A sei weder dem Kläger noch seiner Ehefrau möglich im Hinblick auf ihre jeweilige Berufstätigkeit in Hamburg bzw. in der Ukraine. Eine Meldung seiner Ehefrau mit Hauptwohnsitz in A komme nicht in Betracht, weil sie keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich ein Visum besitze. Seine Ehefrau habe sich im Jahr 2011 ab 14.12.2011 bis zum Jahresende, im Jahr 2012 an 79 Tagen, im Jahr 2013 an 103 Tagen, im Jahr 2014 an 84 Tagen, im Jahr 2015 an 69 Tagen und im Jahr 2016 an 58 Tagen am gemeinsamen Familienwohnsitz in A aufgehalten. Es komme auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt und den Familienwohnsitz dort an und nicht auf die melderechtliche Situation. Es könne hier nichts anderes gelten als im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung und der dortigen Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung des Klägers. Auf melderechtliche Verhältnisse stelle das HmbZWStG lediglich für die Zweitwohnung als Nebenwohnung ab, nicht jedoch für die Frage der gemeinsamen Wohnung als Hauptwohnung mit dem Ehegatten.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die geänderten Bescheide vom 29.05.2017 über Zweitwohnungsteuer für 2011 bis 2016 ersatzlos aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG seien nicht erfüllt. Der Kläger habe zum einen nicht hinreichend dargelegt, dass eine gemeinsame Ehewohnung in A im Streitzeitraum vorgelegen habe. Hierzu verweist der Beklagte auf die Äußerungen des Klägers gegenüber dem Finanzamt Hamburg-1 und einen unzureichenden Sachvortrag zu einer gemeinsamen Ehewohnung im Klageverfahren. Zudem komme es nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse an, sondern auf die melderechtlichen Verhältnisse. Da melderechtlich keine gemeinsame Wohnung außerhalb Hamburgs bestehe, sei kein Raum für die Steuerbefreiung gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG. Die Maßgeblichkeit der melderechtlichen Verhältnisse folge bereits aus der Verknüpfung der Begriffe einer gemeinsamen Wohnung und einer Hauptwohnung der Ehegatten in § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG. Zudem sei diese Vorschrift eingeführt worden im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 11.10.2005, 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03, BVerfGE 114, 316, BGBl I 2005, 3387. In Fällen, in denen zwingend die außerhalb Hamburgs belegene Ehe- bzw. Familienwohnung melderechtlich die Hauptwohnung sei, der Inhaber der Nebenwohnung seiner Berufstätigkeit von der Hauptwohnung aus aber nicht nachgehen könne und deshalb am Ort der Beschäftigung eine in Hamburg belegene Nebenwohnung innehabe, überwögen die beruflichen Gründe für das Innehaben der Zweitwohnung und führten dazu, dass eine Zweitwohnungsteuer nicht mehr erhoben werde; eine aus den genannten Gründen genutzte weitere Wohnung sei durch die Änderung der Vorschrift keine Zweitwohnung im Sinne des Zweitwohnungsteuergesetzes (so die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG, Drucksache 18/3627 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 31.01.2006).

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Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin zugestimmt.

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Dem Gericht haben die Zweitwohnungsteuer-Akten bezüglich des Klägers vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung gemäß § 79a Abs. 3, Abs. 4, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Gegenstand des Verfahrens sind nach Änderung der angefochtenen Bescheide im Klageverfahren mit den Bescheiden vom 29.05.2017 nunmehr gemäß § 68 FGO diese Bescheide und nicht mehr die ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 20.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2016.

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Der Beklagte hat die Zweitwohnungsteuer für 2011 bis 2016 mit den Bescheiden vom 29.05.2017 rechtmäßig festgesetzt und der Kläger ist somit durch die Zweitwohnungsteuerfestsetzung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

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Der Zweitwohnungsteuer unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung in der Freien und Hansestadt Hamburg (§ 1 HmbZWStG). Dabei wird die Zweitwohnung gemäß § 2 Abs. 1 HmbZWStG definiert als jede Wohnung, die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Bundesmeldegesetzes (BMG, gültig ab 01.11.2015) bzw. zuvor im Sinne des inhaltlich damit übereinstimmenden Hamburgischen Meldegesetzes (gültig bis 31.10.2015) dient. Gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG gilt dies nicht für Wohnungen, die eine verheiratete oder in Lebenspartnerschaft lebende Person, die nicht dauernd getrennt von ihrem Ehe- oder Lebenspartner lebt, aus überwiegend beruflichen Gründen innehat, wenn die gemeinsame Wohnung die Hauptwohnung ist und außerhalb des Gebietes der Freien und Hansestadt Hamburg belegen ist.

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Nicht nur für die Bestimmung der Zweitwohnung als Nebenwohnung, sondern auch für die Frage einer (ehelichen) Hauptwohnung außerhalb des Gebietes der Freien und Hansestadt Hamburg kommt es auf das Vorliegen einer gemeinsamen Wohnung als Hauptwohnung im Sinne des BMG an.

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Gemäß § 21 BMG ist die Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners (Abs. 2), während jede weitere Wohnung des Einwohners im Inland Nebenwohnung ist (Abs. 3). Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner (§ 22 Abs. 1 BMG). Für Verheiratete oder Lebenspartner ist Hauptwohnung daher die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner, nicht jedoch die vorwiegend von ihnen selbst genutzte Wohnung. Im Fall der Notwendigkeit der Begründung eines zusätzlichen Wohnsitzes am Beschäftigungsort haben Verheiratete oder Lebenspartner daher nicht die Möglichkeit, ihren Hauptwohnsitz an den Beschäftigungsort zu legen. Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG mit Beschluss vom 11.10.2005, 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03, BVerfGE 114, 316, BGBl I 2005, 3387 zu den Zweitwohnungsteuersatzungen der Städte Hannover und Dortmund entschieden, dass die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, die Ehe diskriminiert und gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt. Dabei hat das BVerfG insbesondere darauf abgestellt, dass dieser Personenkreis wegen der ehelichen Bindung von der Verlegung des Hauptwohnsitzes an den Beschäftigungsort abgehalten wird und deshalb in unzulässiger Weise benachteiligt wird. Von dieser Belastung nicht betroffen sind ausweislich der Entscheidung Erwerbstätige, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung des Hauptwohnsitzes an den Beschäftigungsort abgehalten werden. Dementsprechend hat das BVerfG die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer nicht etwa für alle Fälle beanstandet, in denen das Innehaben der Zweitwohnung durch die Berufsausübung an einem anderen Ort als dem der Hauptwohnung veranlasst worden ist und daher die Kosten der Zweitwohnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Zur Umsetzung dieser Entscheidung des BVerfG für die Hamburgische Zweitwohnungsteuer ist § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG eingeführt worden. Die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG, Drucksache 18/3627 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 31.01.2006 knüpft ausdrücklich an die Entscheidung des BVerfG an und führt aus, dass mit der Gesetzesänderung das Zweitwohnung-steuergesetz an die Entscheidung des BVerfG angepasst wird. Dazu heißt es, dass in Fällen, in denen zwingend die außerhalb Hamburgs gelegene Ehe- bzw. Familienwohnung melderechtlich die Hauptwohnung ist, der Inhaber der Nebenwohnung seiner Berufstätigkeit von der Hauptwohnung aus aber nicht nachgehen kann und deshalb am Ort der Beschäftigung eine in Hamburg belegene Nebenwohnung innehat, die beruflichen Gründe für das Innehaben der Zweitwohnung überwiegen und dazu führen, dass eine Zweitwohnungsteuer nicht mehr erhoben wird. Eine aus den genannten Gründen genutzte weitere Wohnung ist danach durch die Änderung der Vorschrift keine Zweitwohnung im Sinne des Zweitwohnungsteuergesetzes. § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG knüpft damit an die aus dem Melderecht folgende Notwendigkeit der gemeinsamen Wohnung als Hauptwohnung an und stellt nicht allein darauf ab, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen der gemeinsame Lebensmittelpunkt der Ehegatten oder Lebenspartner außerhalb Hamburgs liegt. Anderenfalls hätte es auch nicht der Erwähnung sowohl der gemeinsamen Wohnung wie der Hauptwohnung in dieser Vorschrift bedurft. Dementsprechend ist die Vorschrift nicht anwendbar in Situationen wie im Streitfall, in denen es keine gemeinsame Wohnung als Hauptwohnung im Sinne von § 22 BMG gibt. Denn in diesen Konstellationen besteht die vom BVerfG zugrunde gelegte melderechtliche Zwangssituation nicht. Zugleich ist mit der Verwendung des Begriffes "Hauptwohnung" die melderechtliche Anknüpfung eindeutig auch ohne dass ausdrücklich hinzugefügt ist, dass es sich um eine Hauptwohnung im Sinne des BMG handelt. Unerheblich ist, wenn bei der Prüfung des Vorliegens einer doppelten Haushaltsführung im Zuge der Einkommensteuerfestsetzung nicht auf die melderechtliche Situation abgestellt wird, sondern auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt. Einkommensteuer und Zweitwohnungsteuer knüpfen hier an unterschiedliche Merkmale an.

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Es kommt danach nicht darauf an, ob die Ehefrau des Klägers ihren Lebensmittelpunkt mit dem Kläger gemeinsam in A hat. Dementsprechend kann es dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers überhaupt ausreicht, um einen solchen gemeinsamen Lebensmittelpunkt hinreichend zu konkretisieren und einer Aufklärung zugänglich zu machen.

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Die dem Grunde nach festzusetzende Zweitwohnungsteuer entspricht nach Ergehen der Bescheide vom 29.05.2017 mit Ansatz des Mittelwertes des jeweils maßgeblichen Mietenspiegels für die Baualtersklasse bis 1993 nunmehr auch der Höhe nach den Vorgaben zur Bemessungsgrundlage gemäß § 5 HmbZWStG. Eine weitere Herabsetzung kommt nicht in Betracht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 i. V. m. § 138 Abs. 2 S. 1 FGO. Soweit der Beklagte mit den Bescheiden vom 29.05.2017 der Klage teilweise abgeholfen hat, sind die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Im Übrigen sind wegen der Abweisung der Klage die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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