Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 26/15

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten in der Sache um die zutreffende steuerliche Behandlung des Ausscheidens des Klägers aus einer Rechtsanwaltssozietät.

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Der Kläger war seit 2001 Partner der ... (Partnerschaft). Mit Schreiben vom 30. Juni 2003 erklärte er seinen Austritt zum 1. Januar des Streitjahres 2004. In der Folgezeit war er in A in einer neuen Sozietät ... (Sozietät) tätig.

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Auf den Zeitpunkt des Ausscheidens ermittelte die Partnerschaft für den Kläger ein negatives Kapitalkonto in Höhe von ./. ... €. Dieses verbuchte sie als Forderung gegenüber ihrem Gesellschafter.

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Zur Beilegung diverser mit dem Ausscheiden verbundener Streitpunkte schlossen die Partnerschaft, der Kläger und die Sozietät im Juni 2009 eine Schiedsvereinbarung dergestalt, dass sich der Kläger mit der Sozietät gesamtschuldnerisch verpflichtete, ... € zuzüglich Umsatzsteuer an die Partnerschaft zu zahlen. Nach Eingang der Beträge sollten diese, soweit es zum Ausgleich erforderlich war, dem Kapitalkonto gutgeschrieben werden. Die Sozietät zahlte daraufhin im Jahr 2009 den vereinbarten Betrag.

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Für die Jahre 2003 bis 2007 führte der Beklagte bei der Partnerschaft eine Außenprüfung durch. Er stellte dabei fest, dass im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Partnerschaft kein Veräußerungsgewinn erklärt worden war, und vertrat die Auffassung, dass die Partnerschaft gegen Zahlung von ... € auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Klägers verzichtet habe. Der Beklagte änderte unter anderem die Feststellungsbescheide für 2003 und 2004 mit Bescheiden vom 24. Februar 2012. Für das Jahr 2004 brachte er für den Kläger einen Veräußerungsgewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos von ... € zum Ansatz.

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Dagegen richtete sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 8. März 2012.

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Diesen wies der Beklagte im Dezember 2014 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung trägt das Datum vom 22. Dezember 2014. Gleiches gilt für die in den Akten des Beklagten befindliche Fassung. Zudem trägt sie die Unterschrift der zuständigen Sachgebietsleiterin mit Datumszusatz "18. Dezember 2014" sowie im Verfügungsteil den Absendevermerk mit Datum vom 22. Dezember 2014. Ferner wies sie die Notierung einer Wiedervorlage, das Austragen aus der Rechtsbehelfsliste, ebenfalls mit handschriftlichem Erledigungsvermerk vom 19. Dezember 2014, und die Unterschrift der Verfasserin des Einspruchsschreibens B auf.

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Am 30. Januar 2015 (Eingang bei Gericht) hat der Kläger Klage erhoben, die er wie folgt begründet:

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Die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden, mithin zulässig. Die Einspruchsentscheidung sei im Büro der Sozietät erst am 7. Januar 2015 eingegangen. Dies ergebe sich bereits aus dem Eingangsstempel auf der Einspruchsentscheidung.

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Der Beklagte könne sich nicht auf die dreitägige Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) berufen. Bei Aufgabe zur Post am 22. Dezember 2014 sei aufgrund der Weihnachtsfeiertage und des Wochenendes Montag, der 29. Dezember 2014, der dritte Werktag im Sinn der Zugangsfiktion. Jedoch sei bereits zweifelhaft, ob der Beklagte die Einspruchsentscheidung tatsächlich am 22. Dezember 2014 zur Post gegeben habe. Wegen der Weihnachtsfeiertage könne die Post dort einfach liegen geblieben sein. Dem Beklagten sei der Vorwurf zu machen, dass die Mitarbeiterin die Einspruchsentscheidung zu spät gefertigt habe. Sie habe am 19. Dezember 2014 zeitgleich mit der möglichen Abgabe der Einspruchsentscheidung bei der Poststelle einfach ihren Weihnachtsurlaub angetreten, ohne zu kontrollieren, ob das Schreiben intern tatsächlich weiterbearbeitet worden sei. So sei das Schreiben lediglich in die Postausgangsbox des Finanzamtes gelegt worden. Dies sei pflichtwidrig. Das Schriftstück hätte wenigstens persönlich in die Poststelle gebracht und dort persönlich übergeben werden müssen. Es sei der Fehler des Beklagten, den Postausgang nicht kontrolliert zu haben. Scheinbar sei das gesamte Finanzamt ab Freitagnachmittag, den 19. Dezember 2014, nicht mehr besetzt gewesen.

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Jedenfalls sei die Zugangsfiktion widerlegt. Am Dienstag, dem 23. Dezember 2014, sei bei ihm kein Schreiben des Finanzamts eingegangen. Von Mittwoch 24. Dezember bis Sonntag 28. Dezember 2014 sei das Büro nicht besetzt gewesen. Nach Auskunft des Büropersonals sei am Montag bzw. Dienstag (29./30. Dezember 2014) kein nennenswerter Posteingang zu verzeichnen gewesen. Von Mittwoch 31. Dezember 2014 bis Sonntag 4. Januar 2015 sei das Büro nicht besetzt gewesen. Insgesamt seien von den 16 Kalendertagen vom 23. Dezember 2014 bis zum 7. Januar 2015 nur sechs Werktage gewesen. In den Zeitraum fielen zudem zwei lange Wochenenden aufgrund der Feiertage. In dieser Zeit sei die Arbeitsethik nicht überall gleichermaßen ausgeprägt. Es sei mehr als glaubhaft, dass die Post entweder das Finanzamt nicht verlassen habe bzw. wegen Überlastung in den Weihnachtstagen einfach liegen geblieben sei.

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Ein großer Teil der Behördenpost werde dem Büro der Sozietät von der C AG zugestellt, die im Höchstmaß unzuverlässig sei. Laufzeiten von mehr als 14 Tagen seien häufig.

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Der Umschlag der Einspruchsentscheidung sei nicht aufgehoben worden. Dazu bestehe keinerlei Verpflichtung. Ihm käme auch keine Beweiskraft zu, da auf ihm zwar ein Datum angebracht sei, die Zustellung trotzdem verspätet erfolgen könne. Im Übrigen sei es dem Beklagten vorzuwerfen, die Einspruchsentscheidung mit einfachem Brief versandt und nicht zugestellt zu haben.

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Ein Posteingangsbuch werde nicht geführt. Auch hätte ein solches keinen anderen Beweis erbringen können, da das Schriftstück erst am 7. Januar 2015 eingegangen sei. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) werde ausdrücklich nicht gestellt, da von einem Zugang der Einspruchsentscheidung am 7. Januar 2014, mithin einer fristgemäßen Klageerhebung auszugehen sei.

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In der Sache gehe der Beklagte fälschlich davon aus, dass er in Höhe des negativen Kapitalskontos einen Aufgabegewinn zu versteuern habe. Der Beklagte habe die Schiedsvereinbarung falsch gewürdigt. Die von ihm an die Partnerschaft geleisteten ... € sollten danach seinem Kapitalkonto bei der Partnerschaft gutgeschrieben werden.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003 und 2004 vom 15. August 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2014 dahingehend zu ändern, dass anstelle des Veräußerungsgewinns i. H. v. ... € ein Veräußerungsverlust i. H. v. ... € festgestellt wird.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Die Klage sei unzulässig, da verfristet. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 108 Abs. 3 AO gelte die Einspruchsentscheidung nach Aufgabe zur Post am 22. Dezember 2014 wegen der Feiertage und des Wochenendes mit Ablauf des 29. Dezember 2014 als dem Kläger zugegangen. Die Monatsfrist zur Klageerhebung sei mithin am 29. Januar 2015 abgelaufen, die erst am 30. Januar 2015 bei Gericht eingegangene Klage verfristet.

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Der Kläger habe die Zugangsvermutung auch nicht entkräftet. Pauschales Bestreiten reiche dafür nicht aus.

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Die Einspruchsentscheidung sei am 22. Dezember 2014 zur Post gegeben worden. B habe die Einspruchsentscheidung am 18. Dezember 2014 fertiggestellt und der Sachgebietsleiterin vorgelegt. Diese habe die Entscheidung am selbigen Tag unterzeichnet und B am nächsten Tag, am 19. Dezember 2014, zurückgegeben. B habe daraufhin die Entscheidung gegen Mittag in die Postausgangsbox in der Poststelle des Finanzamts gelegt. Diese Box werde jeden Morgen gegen 7:00 Uhr vom Bediensteten der Poststelle geleert und die Post gegen Mittag vom Postdienstleister - einer Tochterfirma der Deutschen Post - abgeholt. Mithin sei von einem Abgang des Schreibens nicht mehr am Freitag, dem 19. Dezember 2014, wohl aber am Montag, dem 22. Dezember 2014, auszugehen. Entsprechend sei die Einspruchsentscheidung vordatiert worden. Eine spätere Aufgabe zu Post komme nicht in Betracht. B sei ab dem 22. Dezember 2014 im Urlaub gewesen.

21

Probleme mit dem Postdienstleister seien nicht bekannt. Im Gebäude des Beklagten seien noch zwei weitere Finanzämter ansässig. Auch diese hätten hinsichtlich des Postlaufs um die Weihnachtstage keinerlei Verzögerungen festgestellt. Die vom Kläger behauptete mehr als zweiwöchige Beförderungsdauer sei zudem sehr ungewöhnlich. Zwar habe die Post vor Weihnachten und zwischen den Feiertagen zweifellos viel zu tun. Nichtsdestotrotz fielen in diesen Zeitraum mehrere Werktage. Selbst Heiligabend und Silvester stelle die Post noch Briefsendungen zu. Bei zügiger Arbeit sei bereits mit Zugang der Einspruchsentscheidung am 23. Dezember 2014 zu rechnen gewesen. Der Kläger trage insoweit vor, nur bis mittags im Büro gewesen zu sein. Fraglich sei daher, was mit der Post geschehen sei, die erst am Nachmittag in den Briefkasten des Klägers eingelegt worden sei.

22

Objektive Beweismittel zum schlüssigen späteren Zugang habe der Kläger nicht vorgelegt. Einen Briefumschlag, der mittels Poststempel eine spätere Aufgabe zur Post belegen könne, habe der Kläger nicht aufbewahrt. Ein Posteingangsbuch führe der Kläger bereits gar nicht. Im Übrigen habe er im Hinblick auf die Dreitagesfiktion, das Datum der Einspruchsentscheidung und den von ihm behaupteten Zugang am 7. Januar 2014 mit einem Fristenproblem rechnen und schon vor diesem Hintergrund den Briefumschlag aufbewahren müssen. Gerade weil es sich um ein Verfahren in eigener Sache mit erheblicher steuerlicher Auswirkung handele, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger Bescheiddatum und Postlaufzeit nicht zur Kenntnis genommen habe. Gerade weil der Kläger häufige Verspätungen bei Behördenpost anmahne, hätte er gewissenhaft auf das Bescheiddatum achten und Beweisvorsorge für seine Behauptung treffen müssen, dass der Bescheid erst erheblich nach Ablauf der Drei-Tages-Fiktion zugegangen sei.

23

Das Gericht hat den Bevollmächtigten des Klägers mit Verfügung vom 2. Mai 2018 zur mündlichen Verhandlung am 5. Juni 2018 mit dem Hinweis geladen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO). Den Erhalt der Ladung hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Empfangsbekenntnis vom 5. Mai 2018 bestätigt.

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Dem Gericht haben vier Bände Steuerakten zur Steuernummer ...-1 bzw. ...-2 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.

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I. Der Kläger hat die Klage nicht innerhalb der bis zum 29. Januar 2015, einem Donnerstag, laufenden Klagefrist, sondern erst einen Tag später, am 30. Januar 2015, erhoben.

27

1. Nach § 47 Abs. 1 FGO ist eine Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu erheben. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die Einspruchsentscheidung - als schriftlicher Verwaltungsakt - mit dem dritten Tag nach ihrer Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 letzter Halbsatz AO). Fällt das Ende dieses Drei-Tages-Zeitraums auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, gilt der Verwaltungsakt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (grundlegend BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BStBl II 2003, 898) in entsprechender Anwendung von § 108 Abs. 3 AO als am nächsten Werktag zugegangen.

28

Vorliegend ist die Einspruchsentscheidung zur Überzeugung des Gerichts am 22. Dezember 2014 zur Post aufgegeben worden, so dass sie wegen der gesetzlichen Feiertage am 25. und 26. Dezember 2014 sowie dem darauffolgenden Wochenende (27. und 28. Dezember 2014) als am Montag, dem 29. Dezember 2014, zugegangen gilt.

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2. Für das Gericht bestehen weder Zweifel daran, dass der Beklagte die Einspruchsentscheidung am 22. Dezember 2014 zur Post gegeben hat, noch daran, dass dem Kläger die Einspruchsentscheidung innerhalb des gesetzlich vermuteten Drei-Tages-Zeitraums zugegangen ist.

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a) Zwar hat die Behörde im Zweifel den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen, woraus überdies folgt, dass sie bei Zweifeln die objektive Feststellungslast auch für den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post trägt (BFH-Urteil vom 17. September 2002 IX R 68/98, BStBl II 2003, 2). Bestreitet der Empfänger, den Verwaltungsakt innerhalb des Drei-Tages-Zeitraum erhalten zu haben, so hat er aber substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Juni 2000 VI B 39/00, BFH/NV, 2000, 1449, mit weiteren Nachweisen). Zudem ist der Empfänger zur Substantiierung konkret möglicher Zweifel hinsichtlich des Aufgabezeitpunkts des Bescheides zur Post verpflichtet, wenn er bereits diesen bezweifelt (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661). Erst wenn der Empfänger dieser Substantiierungslast nachgekommen ist, hat das Finanzgericht den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Sachvortrages des Steuerpflichtigen aufzuklären und die festgestellten und unstreitigen Umstände gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1997 IX R 79/95, BFH/NV 1997, 828 mit weiteren Nachweisen).

31

b) Aufgrund der Aktenlage sowie des Vortrags des Beklagten ist das Gericht von der Aufgabe zur Post am 22. Dezember 2014 überzeugt. Der Vortrag des Klägers vermag diesbezüglich keine Zweifel zu begründen.

32

Sowohl die vom Kläger in Kopie übersandte Einspruchsentscheidung als auch die Entscheidung mit Verfügungsteil in den Akten des Beklagten tragen jeweils auf jeder Seite das gestempelte Datum vom 22. Dezember 2014. Überdies hat der Beklagte schlüssig und in sich widerspruchsfrei vorgetragen, dass B die Einspruchsentscheidung abschließend am Donnerstag, dem 18. Dezember 2014, abgefasst und der Sachgebietsleiterin zur Unterzeichnung vorgelegt hat. Entsprechend findet sich die Unterschrift der Sachgebietsleiterin mit Datum vom 18. Dezember 2014 auf dem Verfügungsteil in der Akte des Beklagten. Zudem hat B jeweils unter dem Datum vom 19. Dezember 2014 eine Wiedervorlage im Februar sowie das Austragen aus der Rechtsbehelfsliste verfügt und mit ihrem Namenskürzel versehen. Auch hat sie unter dem Datum vom 22. Dezember 2014 und ihrem Namenskürzel den Absendevermerk unter die Entscheidung aufgenommen. Dieses Vordatieren sowohl der Einspruchsentscheidung selbst, als auch des Postausgangs im Verfügungsteil passt sich schlüssig in das Gesamtbild ein. Denn der Beklagte hat vorgetragen, B habe am Freitag, dem 19. Dezember 2014, als ihrem letzten Arbeitstag vor Antritt des zweiwöchigen Weihnachtsurlaubs die Einspruchsentscheidung gegen Mittag in die Postausgangsbox in der Poststelle gelegt. Da - vom Kläger nicht bestritten - diese Box jeweils gegen 7:00 Uhr morgens von Mitarbeitern der Poststelle geleert und die Post gegen Mittag von einer Tochterfirma der Deutschen Post AG abgeholt wird, ist von einer Aufgabe zur Post am Montag, dem 22. Dezember 2014, als dem nachfolgenden Werktag auszugehen.

33

Soweit der Kläger dagegen vorbringt, die Post könne über Weihnachten auch einfach beim Beklagten liegen geblieben sein, denn es sei aufgrund des Urlaubsantritts bereits zweifelhaft, ob B das Einspruchsschreiben tatsächlich vor ihrem Urlaub zu Post aufgegeben habe - ihr sei insoweit vorzuwerfen, das Schreiben nicht persönlich in die Poststelle gebracht, dem dortigen Mitarbeiter oder gar dem Postdienstleister persönlich übergeben und nachträglich den Ausgang kontrolliert zu haben - verfängt dieser Vortrag nicht. Er enthält im Wesentlichen pauschale und unsubstantiierte Vermutungen, welche konkrete Zweifel am vom Beklagten dargelegten Geschehensablauf nicht begründen können. Der Kläger hätte konkrete Zweifel an der Richtigkeit des Datums der Aufgabe zur Post wecken können, wenn er den Briefumschlag der Einspruchsentscheidung aufbewahrt hätte und der Freistempel ein späteres Datum als das aus der Einspruchsentscheidung ersichtliche Absendedatum ausgewiesen hätte (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661; vom 18. Juli 1986 III R 216/81, BFH/NV 1987, 12).

34

c) Für das Gericht bestehen auch keine Zweifel daran, dass dem Kläger der Bescheid innerhalb des gesetzlich vermuteten dreitägigen Zugangszeitraums tatsächlich zugegangen ist. Der Kläger hat lediglich unsubstantiiert behauptet, den Bescheid erst am 7. Januar 2015 erhalten zu haben und verweist dafür lediglich auf den von ihm bzw. einer seiner Mitarbeiterinnen auf der Einspruchsentscheidung aufgebrachten Eingangsstempel. Dieser ist nicht geeignet, Zweifel am Zugang der Einspruchsentscheidung innerhalb des gesetzlich vermuteten Dreitageszeitraums zu begründen, da er allein von Umständen im Machtbereich des Empfängers - hier des Klägers - abhängig ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1997 IX R 79/95, BFH/NV 1997, 828; BFH-Beschlüsse vom 30. November 2006 XI B 13/06 BFH/NV 2007, 389; vom 25. Februar 2010 IX B 149/09 BFH/NV 2010, 1115).

35

Gleiches gilt für den klägerischen Vortrag, zu welchen Zeiten in der Weihnachtszeit und um Neujahr herum seine Kanzleiräume besetzt waren und wie es sich in dieser Zeit mit dem Postaufkommen verhalten habe, die Einspruchsentscheidung jedenfalls nicht vor dem 7. Januar 2015 eingegangen sei. Zu einem substantiierten, auf einen verspäteten Zugang hindeutenden Tatsachenvortrag hätte wiederum die Vorlage des betreffenden Briefumschlags gehört (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2007 V B 169/06 BFH/NV 2007, 1454 und vom 25. Februar 2010 IX B 149/09 BFH/NV 2010, 1115). Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO generell einen Streit über den genauen Zeitpunkt des Zugangs eines Bescheides weitgehend ausschließen wollte (BFH-Beschluss vom 26. Januar 2010 X B 147/09 BFH/NV 2010, 1081), geht die Rechtsprechung zudem davon aus, dass eine Obliegenheit zur Beweisvorsorge besteht, wenn der Adressat einen atypisch langen Postlauf anhand des Poststempels oder des Bescheiddatums erkennen konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Mai 2007 V B 169/06, BFH/NV 2007, 1454).

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Tatsachen, wie ein den konkreten Fall betreffendes Postversagen oder ähnliche vom typischen Ablauf abweichende Umstände, wie beispielsweise ein Poststreik, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch der nicht näher substantiierte Hinweis auf ein erhöhtes Postaufkommen zum Jahresende und die wenigen Werktage sowie daraus möglicherweise resultierende Nachlässigkeiten der Postbediensteten ist nicht geeignet, Zweifel an der Zugangsfiktion begründen zu können. Er enthält lediglich eine allgemeine Vermutung ohne konkret auf den Streitfall bezogene Umstände. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass im vorliegend fingierten Zugangszeitraum vom 23. bis 29. Dezember 2014 allein vier Tage fallen, an denen die Post Briefzustellungen grundsätzlich vorgenommen haben wird. Auch die pauschale Behauptung, dass es bei Behörden-Post im ... Büro der Sozietät immer wieder zu verspäteten Zustellungen käme, vermag keine konkreten Zweifel zu begründen.

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d) Nach alldem galt die Einspruchsentscheidung dem Kläger als am 29. Dezember 2014 zugegangen. Die einmonatige Frist zur Klageerhebung war mithin bereits am 29. Januar 2015 abgelaufen.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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