Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 82/18

Tatbestand

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Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr 2015 Kleinunternehmer war und deshalb Umsatzsteuer nicht zu erheben ist.

2

Der Kläger war in der Vergangenheit als Kleinunternehmer tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für 2014 vom 29. Juni 2015 erklärte er einen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit von 17.300 €, dem Umsätze von 28.143,36 € zugrunde lagen. Der Kläger wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2015 erklärungsgemäß veranlagt. Gegen den zunächst nicht wirksam bekannt gegebenen und dem Bevollmächtigten am 2. Oktober 2015 in Kopie übersandten Bescheid legte der Kläger unter dem 8. Oktober 2015 unter Hinweis darauf Einspruch ein, dass Erlöse aus freiberuflicher Tätigkeit nur in Höhe von 14.191,70 € erzielt worden seien. Im Übrigen handele es sich um durchlaufende Posten oder um Erlöse des Folgejahres. Mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 23. Juni 2016 berücksichtigte der Beklagte nur noch freiberufliche Einkünfte in Höhe von 14.191 €, weil Einnahmen von 4.140 € erst in 2015 zugeflossen seien. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Am 20. Juli 2015 hatte der Beklagte den Kläger aufgefordert, ab 2015 eine Umsatzsteuererklärung und -voranmeldungen abzugeben, weil in 2014 die Umsatzgrenze von 17.500 € überschritten worden sei. Hiergegen wandte der Kläger ein, er werde im Streitjahr auf keinen Fall die Umsatzgrenze von 50.000 € überschreiten und sei weiterhin Kleinunternehmer. Er habe seine bisherige einzelunternehmerische Tätigkeit per 31. Oktober 2015 eingestellt und in eine Unternehmergesellschaft eingebracht. Zudem sei unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umsätze in 2014 von 14.191, 70 € auch nicht die Grenze von 17.500 € überschritten.

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Nachdem der Kläger keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht hatte, ergingen unter dem 19. Oktober 2015 Schätzungsbescheide für das erste und zweite Quartal 2015, die mit Einspruch vom 22. Oktober 2015 angefochten wurden. Am 18. November 2015 und 31. Mai 2016 ergingen auch für das dritte und vierte Quartal Schätzungsbescheide. Gegen letzteren Bescheid richtete sich der Einspruch vom 2. Juni 2016. Am 10. März 2017 wurden die Einsprüche gegen die Vorauszahlungsbescheide zurückgewiesen. Dabei ging der Beklagte nunmehr von Umsätzen im Vorjahr 2014 von 20.967,65 € aus und sah damit weiterhin die Grenze für die Kleinunternehmerbesteuerung als überschritten an.

5

Am 15. März 2016 hatte der Kläger die Jahressteuererklärung für das Streitjahr eingereicht, mit der steuerpflichtige Lieferungen und Leistungen mit 0 € und Vorsteuerbeträge ebenfalls mit 0 € erklärt wurden.

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Der Jahresbescheid zur Umsatzsteuer 2015 erging am 6. Juni 2017 und berücksichtigte Umsätze in Höhe von 39.521 €. Hiergegen legte der Kläger am 6. Juli 2017 Einspruch ein, mit dem er sich weiterhin auf die Kleinunternehmerregelung berief. Am 10. April 2018 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Hiergegen richtet sich die Klage vom 19. April 2018.

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Der Kläger hält daran fest, dass die Kleinunternehmerregelung im Streitjahr Anwendung finden müsse. Die durchlaufenden Posten -Anschaffungen für Kunden, die in deren Eigentum übergegangen seien- dürften nicht in die zu berücksichtigenden Umsätze einbezogen werden. Nach Abzug dieser durchlaufenden Posten bleibe er, der Kläger, unter der maßgeblichen Umsatzgrenze von 17.500 € in 2014.

8

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte unter dem 9. Mai 2018 einen geändertem Umsatzsteuerbescheid für 2015 erlassen, mit dem Umsätze in Höhe von 33.211 € in Ansatz gebracht werden.

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Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2015 über Umsatzsteuer vom 9. Mai 2018 und die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2018 ersatzlos aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte sieht die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht als erfüllt an.

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Mit Beschluss vom 23. Juli 2018 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter gem. § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen worden.

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Die den Kläger betreffenden Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakte haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

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Der angegriffene Umsatzsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger unterlag im Streitjahr der regulären Umsatzbesteuerung und war nicht Kleinunternehmer.

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a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die für Umsätze, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben von Unternehmern, die im Inland ansässig sind, wenn der in § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Im Streitfall hat der Kläger in dem Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahr 2014 höhere Umsätze erzielt als 17.500 €.

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Der Kläger hat zunächst im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung Umsätze von 28.143,36 € angegeben. Diese hat er später auf 14.181,70 € reduziert; der Differenzbetrag soll auf Zahlungen im Folgejahr, durchlaufende Posten und Auslagenrückerstattungen entfallen. Diesen Einwendungen ist der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gefolgt, die insoweit aber keine Bindungswirkung für die Prüfung der Voraussetzungen für die Kleinunternehmerbesteuerung entfaltet (vgl. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 19 Rn. 35a). Für die Berechnung der maßgeblichen Untergrenze im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Beklagte vielmehr von Umsätzen in Höhe von 20.967,65 € ausgegangen. Hierin enthalten sind unstreitige Beträge in Höhe von 10.288,95 € (Rechnungen A: 2.000,00 €; B: 1.000,00 €; C: 428,50 €; D: 966,64 €; E: 100,00 €; F: 3.937,50 €; G: 1.856,31 €)

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Streitig geblieben sind dagegen drei Rechnungsbeträge, die der Kläger als durchlaufende Posten ansieht, weil er die von ihm getätigten Aufwendungen im Rahmen seiner Produktionen den Auftraggebern weiterbelastet habe (Rechnungen vom 14. März 2014 (C) über 1.318,53 €, vom 21. September 2015 (G, Korrektur) über 2.254,85 € sowie Rechnung vom 25. August 2014 (D) über 6.055,32 €), insgesamt 9.628,70 €. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber nicht um durchlaufende Posten.

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Gem. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG gehören Beträge nur dann nicht zum Entgelt, wenn der Unternehmer sie im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten). Die Verauslagung in fremdem Namen und für fremde Rechnung setzt voraus, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen zwei Beteiligten bestehen, in die der Unternehmer nur als vermittelnde Person (Zahlstelle) zwischengeschaltet ist (BFH-Urteile vom 4. Mai 2011 XI R 4/09, BFH/NV 2011, 1736; vom 1. September 2010 V R 32/09, BStBl II 2011, 300; vom 22. April 2010 V R 26/08, BStBl II 2010, 883). Darüber hinaus ist aus Gründen der Klarheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein eindeutiger Nachweis der Betätigung des Unternehmers als Zwischenperson bzw. Vermittler für die Beteiligten, zwischen denen die unmittelbaren Rechtsbeziehungen bestehen und für die die vermittelnde Person auftritt, erforderlich. Daher müssen der Zahlungsverpflichtete und der Zahlungsberechtigte jeweils den Namen des anderen und die Höhe des gezahlten Betrages erfahren (BFH-Urteile vom 4. Mai 2011 XI R 4/09, BFH/NV 2011, 1736 und vom 3. Juli 2014 V R 1/14, BFH/NV 2014, 2014). Der Unternehmer muss darüber hinaus die in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmten Beträge in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt haben. Dem Unternehmer steht damit letztlich ein Wahlrecht zu, ob er die im Namen und für Rechnung seiner Leistungsempfänger verauslagten Beträge als Teil der Besteuerungsgrundlage erfasst wissen will oder nicht (BFH-Urteile vom 4. Mai 2011 XI R 4/09, BFH/NV 2011, 1736; vom 15. April 1999 V R 45/98, HFR 1999, 929; vom 11. Februar 1999 V R 47/98, BFH/NV 1999, 1137). Nimmt er diese Behandlung in seiner Buchführung nicht vor, fallen die Beträge in die Bemessungsgrundlage für seine Umsätze.

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Im Streitfall fehlt es an beiden Voraussetzungen für durchlaufende Posten. Der Kläger hat die in Rede stehenden Beträge nicht im fremden Namen und für fremde Rechnung verauslagt, sondern ist im eigenen Namen aufgetreten. Auch in seiner Buchführung, soweit vorhanden, hat er keine Trennung zwischen durchlaufenden Posten und regulären Umsätzen vorgenommen. Folglich gehören die - wirtschaftlich betrachtet - nur durchlaufenden Posten umsatzsteuerrechtlich zu den zu berücksichtigenden Entgelten. Unter Einbeziehung dieser Umsätze überschreitet der Kläger die Umsatzgrenze von 17.500 € im Vorjahr 2014 und kann die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG nicht zur Anwendung kommen.

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b) Inwieweit der Umstand, dass das Überschreiten der Untergrenze, wirtschaftlich betrachtet, nicht auf "richtigen Umsätzen", sondern auf verauslagten Entgelten für die Auftraggeber beruhte, die den Kunden ohne einen Aufschlag weiterberechnet wurden, einer Billigkeitskorrektur bedarf, kann nicht im Rahmen dieses Verfahrens, die Festsetzung der Umsatzsteuer betreffend, geklärt werden. Insoweit wird der Beklagte zunächst über den bei ihm gestellten Billigkeitsantrag vom 4. Juli 2017 zu entscheiden haben.

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c) Einwendungen gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer der Höhe nach hat der Kläger nach Korrektur der Umsätze auf 33.211,30 € nicht mehr erhoben, sie beruhen vielmehr auf dem von ihm als richtig erachteten Beträgen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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