Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 64/17

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen einen Abgabenbescheid über Einfuhrumsatz- und Tabaksteuer.

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Anfang Februar 2014 verbrachte das Containerschiff A den Container xxx aus China in den Hafen Hamburg. Vertraglicher Seefrachtführer war die Reederei B (...). Bei der Klägerin handelt es sich um die Linienagentin der B. Am 5. Februar 2014 übermittelte die C GmbH (C) als Vertreterin der Klägerin eine vorzeitige summarische Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung für den o.g. Container an das Zollamt Hamburg-1. Die Anmeldung beinhaltete eine Position mit insgesamt 296 Packstücken mit der Warenbeschreibung: "Statuettes and other ornaments, of wood (excl. wood marquetry and inlaid wood)". In der Anmeldung trat die Klägerin als Gestellende und die C als ihr Vertreter und Verwahrer auf.

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Nach den ATLAS-Daten erfolgte die Ankunft des Schiffes am ... Februar 2014. Am 18. Februar 2014 um 4:07 Uhr wurde der o.g. Container am C Terminal X-Kai gelöscht. Die Gestellung fand ebenfalls am 18. Februar 2014 statt. Um 4:13 Uhr erfolgte im ATLAS-Verfahren die Bestätigung der Gestellung und der Wechsel der summarischen Anmeldung in den Status "endgültig". Die C verwahrte den Container zunächst am X Damm.

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Am 19. Februar übernahm die D GmbH (D) die Verwahrung des Containers und verbrachte ihn in ihr Verwahrungslager.

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Schließlich kam es zu einer Aufteilung der summarischen Anmeldung und der Generierung von fünf Positionen, u. a. der Position 5, die vier Packstücke (1.600 kg) mit der Bezeichnung "Part of Tombstone" umfasste. Verwahrer dieser Packstücke war zunächst die D, später die E GmbH (E), wobei die D verfügungsberechtigt blieb.

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Da eine Vereinbarung mit dem angeblichen Empfänger dieser Packstücke zur weiteren zollrechtlichen Abwicklung sowie zur Abholung der Ware nicht zu Stande kam, beantragte die E im Folgenden wegen Annahmeverweigerung die Vernichtung der Grabsteine unter zollamtlicher Überwachung bei einem Abfallverwertungsunternehmen.

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Die Packstücke wurden daraufhin auf das Betriebsgelände des Recyclingunternehmens verbracht. Beim Zerbrechen des ersten Packstücks kamen Silberfolien zum Vorschein. Es stellte sich heraus, dass die Packstücke lediglich von außen mit Stein ummantelt waren, innen aber insgesamt ... kg Feinschnitttabak beinhalteten, der von den anwesenden Zollbeamten sichergestellt und vom Beklagten später vernichtet wurde.

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Ein gegen Unbekannt geführtes Strafverfahren stellte das Zollfahndungsamt Hamburg im Folgenden ein. Verantwortliche Personen konnten nicht ermittelt werden.

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Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 3. November 2014 setzte der Beklagte Tabaksteuer in Höhe von ... € und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ... € gegen die Klägerin fest. Die Klägerin habe am 18. Februar 2014 ... kg Feinschnitttabak in das Zollgebiet der Union eingeführt. Für diese Waren sei eine unzutreffende summarische Anmeldung abgegeben worden (Grabsteine). Damit liege ein vorschriftswidriges Verbringen vor. Die Einfuhrumsatzsteuerschuld sei gem. Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, 1; Zollkodex - ZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) entstanden, die Tabaksteuer im Zeitpunkt der Einfuhr gem. §§ 21 Abs. 1 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 2 Tabaksteuergesetz (TabStG). Die Klägerin sei Schuldnerin der Einfuhrabgaben gem. Art. 202 Abs. 3, Anstrich 1 ZK, da sie den Tabak vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe.

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Hiergegen legte die Klägerin am 14. November 2014 Einspruch ein und stellte einen Aussetzungs- und einen Erlassantrag. Sie, die Klägerin, scheide nach der Rechtsprechung des EuGH als Agentin der Reederei B als Zollschuldnerin aus. Die B habe die Container beladen und versiegelt vom Versender ohne Kontrollmöglichkeit im Ladehafen zum Transport erhalten. Die Warenbeschreibung im Transportvertrag, die im Rahmen der summarischen Anmeldung übernommen worden sei, beruhe auf Angaben des Warenexporteurs. Der EuGH habe entschieden, dass die Person, die eine unrichtige summarische Anmeldung oder die Anmeldung für das Zollverfahren abgebeben habe, als Zollschuldner nach Art. 202 ZK ausscheide, wenn diese Person durch die unrichtige summarische Anmeldung nicht den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Ware gesetzt habe. Ferner scheide diese Person als Zollschuldner aus, wenn sie nicht gewusst habe oder auch nicht vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass dieses Verbringen der Ware vorschriftswidrig gewesen sei. Vorliegend habe sie, die Klägerin, nicht den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Ware in die EU gesetzt. Sie habe nicht gewusst und auch nicht vernünftigerweise wissen können, dass die Warenangaben des Exporteurs unrichtig gewesen seien. Es sei unmöglich, vor jedem Transport die teilweise über 10.000 Container an Bord eines Schiffes zu überprüfen. Im Übrigen stehe die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners nicht im freien Belieben der Behörde, sondern in ihrem pflichtgemäßen Auswahlermessen. Da der Beklagte vorliegend weder den Warenexporteur noch den Warenimporteur im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensausübung berücksichtigt habe, liege ein Ermessensfehler in Form der Ermessensunterschreitung vor.

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Mit Bescheid vom 25. November 2014 setzte der Beklagte die Zahlungsverpflichtung für die Einfuhrumsatzsteuer im Hinblick auf den gestellten Erlassantrag aus und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Tabaksteuer ab. Wenn bei der Gestellung eine summarische Anmeldung abgegeben werde, die eine unrichtige Warenbezeichnung beinhalte, werde eine Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht. Abgabenschuldner könne jeder sein, der mit seinem Verhalten den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen gesetzt habe, auch eine juristische Person. Im Schiffsverkehr sende in der Regel die Reederei bzw. diese veranlasse das Senden der für die summarische Anmeldung erforderlichen Daten, zu denen auch die Warenbezeichnung gehöre, an den Terminalbetreiber, der die Daten dann an den Zoll über ATLAS weiterleite. In der hier in Rede stehenden summarischen Anmeldung werde die Klägerin als Gestellende und die C als Vertreter bezeichnet. Die Eigenschaft der Klägerin als Zollschuldnerin beruhe ausschließlich auf den Rechtswirkungen, die an die Förmlichkeit dieser Anmeldung geknüpft seien. Ihre Situation sei vergleichbar mit der eines Lkw-Fahrers, der von den ohne sein Wissen im Fahrzeug versteckten oder verheimlichten Waren keine Kenntnis habe, gleichwohl aber für diese Waren gestellungspflichtig sei und bei Verletzung der Gestellungspflicht hierdurch Zollschuldner werde. Es sei allein auf die objektive Gestellungs- und Anmeldepflichtverletzung abzustellen; subjektive Momente seien bei der Frage der Zollschuldentstehung nicht zu berücksichtigen. Die Rigidität dieses Ergebnisses könne im Einzelfall nur durch die Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelungen korrigiert werden. Weitere Zollschuldner hätten bislang nicht ermittelt werden können.

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Hierauf erwiderte die Klägerin, dass sie am Verbringen der Ware weder physisch noch rechtgeschäftlich beteiligt gewesen sei. Sie sei lediglich als Agentin für die B im Rahmen der Gestellung tätig geworden. B habe als Verfrachter fungiert. Unter anderem der Auftraggeber von B und dessen Vertreter stünden der Veranlassung des Transports und dem in den Grabsteinen versteckten Tabak näher als die B oder sie, die Klägerin. Die Ursache für die Falschdeklaration liege bei diesen Unternehmen bzw. deren Auftraggebern.

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Dieser Rechtsauffassung widersprach der Beklagte. Die Klägerin sei gegenüber den Zollbehörden als Gestellende aufgetreten, die C als Verwahrer und Vertreter. Aus Art. 40 ZK folge, dass eine Ware beim Eingang in das Zollgebiet der Union von der Person zu gestellen sei, die sie dorthin verbracht habe. Als Reederei des Schiffes, mit welchem das Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft durchgeführt worden sei, sei die Klägerin am Verbringen beteiligt gewesen. Weiterhin habe sie als Gestellende auch die Gestellungspflicht gegenüber den Zollbehörden wahrgenommen. Nach Art. 40 ZK sei die Person des Verbringers identisch mit der Person des Gestellungspflichtigen. Die C habe die Daten der summarischen Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung auf Veranlassung der Reederei, also der Klägerin, an das Zollamt Hamburg-1 übermittelt. Da die Anmeldung eine unrichtige Warenbeschreibung im Hinblick auf den später festgestellten Tabak enthalten habe, sei die Gestellungspflicht durch die Klägerin als Gestellende bzw. Gestellungspflichtige verletzt worden. Damit habe sie den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen gesetzt und sei als Zollschuldnerin in Anspruch zu nehmen. Überdies seien der Kapitän und die Schiffsbesatzung Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK geworden. Der Beklagte bat deshalb um die Übersendung der Crew-Liste nebst ladungsfähigen Anschriften.

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Hierauf erwiderte die Klägerin, dass die Schlussfolgerung des Beklagten, der die Gestellungserklärung Abgebende sei auch der Verbringer, unzulässig sei. Art. 40 ZK bestimme lediglich, dass der Verbringer auch die Pflicht habe, die Ware zu gestellen. Der Verbringer könne sich zur Erfüllung dieser Pflicht anderer Personen bedienen und andere Personen könnten im Interesse des Verbringers eine Gestellungserklärung abgeben. Dies sei vorliegend geschehen. Zutreffend sei wohl, dass auch der Kapitän des Schiffes als Verbringer in Betracht komme. Als Verbringer komme jedoch auch der Übernehmer der Ware in Betracht, denn die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Verbringen könnten gem. Art. 38 Abs. 2 ZK bis zur Gestellung auf eine andere Person übergehen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Zollschuldnerschaft. Vorliegend sei der fragliche Container am 18. Februar 2014 um 4:07 Uhr gelöscht und auf der Pier des X-Kai aufgesetzt worden. Damit habe die C den Container zu diesem Zeitpunkt übernommen. Übergegangen sei in diesem Zeitpunkt auch die Verbringereigenschaft und damit die Gestellungspflicht. Die Gestellung sei erst am 18. Februar 2014 um 4:13:36 Uhr vorgenommen worden. Damit habe nunmehr die C die ihr obliegende Pflicht erfüllt. Mithin sei alleiniger Zollschuldner die C oder derjenige Kranführer, der den Container auf dem Terminal abgesetzt habe. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre allein der Kapitän des Schiffes bzw. dasjenige Unternehmen, in dessen Auftrag dieser das Schiff geführt habe, Zollschuldner und jedenfalls nicht sie, die Klägerin, die nur für den Verbringer die Gestellung vorgenommen habe.

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Gründe für eine Inanspruchnahme des Terminalbetreibers C sah der Beklagte im Folgenden nicht. Die Daten der summarischen Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung würden durch die Reederei versendet bzw. es werde ihre Übermittlung durch die Reederei veranlasst. Die dazwischengeschaltete Weiterleitung der Daten an die Zollbehörden durch den Terminalbetreiber stelle lediglich dessen Serviceleistung dar, die viele Softwareanbieter in ähnlicher Form anböten. Der Terminalbetreiber habe keinerlei Einfluss auf den Inhalt der Daten. Die Anmeldung sei folglich keine Willenserklärung des Terminalbetreibers, sondern der Reederei. Gleiches gelte für die Abgabe der Gestellungsmitteilung, die zwar der Terminalbetreiber versende, nicht jedoch im eigenen Namen, sondern für die Reederei. Er trete als Vertreter der Reederei oder sogar nur als Bote auf. Dies spiegele sich auch in den Angaben wider, welche die Reederei für die Erstellung der summarischen Anmeldung übermittelt habe. Dort werde die Reederei als Gestellende und der Terminalbetreiber als Vertreter angegeben. Demnach seien der Reederei die fehlerhaften Daten der Anmeldung alleine zuzurechnen. Mithin habe sie den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen gesetzt.

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Hierauf entgegnete die Klägerin, dass sie darauf abgestellt habe, dass der Terminalbetreiber den Container körperlich übernommen habe. Hierdurch sei die Gestellungspflicht vom ursprünglichen Verbringer auf den Übernehmer übergegangen. Überdies übersehe der Beklagte, dass sie, die Klägerin, nicht die Reederei des Schiffes sei. Sie sei lediglich eine Agentin, also ein Vertreter der Reederei bzw. von mehreren Reedereien. Vorliegend habe sie als Agentin für die Reederei B fungiert. Der Umstand, dass sie den Datensatz für die summarische Anmeldung auf den Weg zum Zollserver gebracht habe, mache sie noch nicht zu einem Beteiligten am Verbringen oder zur Gestellenden. Selbst wenn sie am Verbringen beteiligt gewesen wäre, wäre sie nicht als Zollschuldnerin in Anspruch zu nehmen, da sie von den fehlerhaften Angaben weder gewusst habe noch hätte wissen müssen. Wenn sie, die Klägerin, als am Verbringen Beteiligte anzusehen sei, dann müssten auch alle anderen Unternehmen, die am Transport beteiligt gewesen seien, als Zollschuldner angesehen werden und zwar vorrangig. Sie habe lediglich Informationen weitergegeben.

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Mit Schreiben vom 11. Januar 2016 übersandte die Klägerin die vom Beklagten angeforderte Crew-Liste. Daraufhin schrieb der Beklagte die Crew-Agenturen für die Schiffsbesatzung an und bat um eine Übersendung ladungsfähiger Anschriften. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 6. März 2017 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Für Nichtunionswaren sei gemäß Art. 186 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, 1; Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) spätestens bei der Gestellung eine summarische Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung durch den Gestellenden abzugeben. Im ATLAS-Verfahren sei diese Anmeldung gleichzeitig Gestellungsmitteilung gemäß Art. 4 Nr. 19 i.V.m. Art. 40 ZK. Der Inhalt der Gestellungsmitteilung sei daher deckungsgleich mit dem Inhalt der summarischen Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung. Der Tabak sei vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden, da bei der Gestellung eine summarische Anmeldung mit einer unrichtigen Warenbezeichnung abgegeben worden sei. In der Anmeldung sei die Klägerin als Gestellende aufgetreten, die C als ihr Vertreter. Die Eigenschaft der Klägerin als Zollschuldnerin beruhe ausschließlich auf den Rechtswirkungen, die an die Förmlichkeit der Anmeldung geknüpft seien. Eine Inanspruchnahme des Terminalbetreibers komme nicht in Betracht. Dass der Container um 4:07 Uhr vom Transportschiff gelöscht und auf dem Kai des C Terminals X-Kai abgesetzt worden sei, bedeute nicht, dass die Verbringereigenschaft oder die Gestellungspflicht ab diesem Zeitpunkt auf die C übergegangen sei. Für die Bewirkung der Gestellung seien gemäß Art. 4 Nr. 19 ZK zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen die Abgabe der elektronischen Gestellungsmitteilung in Form der summarischen Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung gem. Art. 186 Abs. 1 ZK-DVO und zum anderen die körperliche Anwesenheit der Waren. Mit der Übermittlung der Daten aus der summarischen Anmeldung und damit auch der Gestellungsmitteilung durch die C im Auftrag der Klägerin habe eine Voraussetzung bereits vorgelegen. Die Anlegestelle des Terminals X-Kai am Y Hafen sei auch ein Zollanladeplatz. Durch das Abstellen des Containers am Pier sei die Ware körperlich an einem nach Art. 38 ZK vorgeschriebenen Ort anwesend und die Gestellung mit der Abladung bewirkt worden. Durch das Löschen des Containers bzw. das Abladen werde auch die systemseitige Gestellungsbestätigung initiiert. Dass diese in ATLAS um 4:13 Uhr mit einer Zeitverzögerung von sechs Minuten nach dem Abladen laut Container-Historie erfolgt sei, beruhe lediglich auf der Verarbeitungsdauer der von der C und der Zollverwaltung genutzten IT-Systeme. Mit Übernahme des Containers von der C sei die Gestellung bereits bewirkt gewesen, die Pflicht zur Gestellung habe somit nicht mehr auf die C übergehen können. Über die angeschriebenen Agenturen hätten ladungsfähige Anschriften des Kapitäns und der Besatzung nicht ermittelt werden können. Mittlerweile sei die Verjährung der Festsetzungsfrist eingetreten, sodass eine Inanspruchnahme weiterer Zollschuldner nicht mehr möglich sei. Die Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld sei im vorliegenden Fall auch nicht nach Art. 233 Satz 1 Buchst. d ZK erloschen, da das Verbringen zum Zeitpunkt der Sicherstellung bereits abgeschlossen gewesen sei. Der sichergestellte Tabak gelte nach Art. 867a Abs. 1 ZK-DVO als in das Zollverfahren überführt. Die EU-Kommission habe in diesen Fällen entschieden, dass mit der Sicherstellung zunächst vorläufig und mit der Vernichtung der eingezogenen Waren dauerhaft von der Erhebung der Zölle abgesehen werde. Verbrauchsteuern und Einfuhrumsatzsteuer seien von dieser Regelung jedoch ausgenommen.

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Mit am 6. April 2017 bei Gericht eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist weiterhin der Auffassung, nicht Zollschuldnerin geworden zu sein, und verweist insoweit auf ihren Vortrag im Vorverfahren. Die Einfuhrumsatzsteuer sei nicht entstanden, da der Tabak nie beim Empfänger angekommen, mithin nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingeführt worden sei. Er habe sich durchgehend unter zollamtlicher Überwachung befunden und sei schließlich unter zollamtlicher Aufsicht vernichtet worden. Insoweit sei der 9. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABL. L 9, 12; Verbrauchsteuersystemrichtlinie - VerbrSt-SysRL) zu beachten. Danach solle die Verbrauchsteuer, da sie auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben werde, nicht auf Waren erhoben werden, die unter bestimmten Umständen zerstört worden oder unwiederbringlich verlorengegangen seien. Hierin komme zum Ausdruck, dass eine Besteuerung nur bei einem tatsächlichen Verbrauch der Ware erfolgen solle, nicht jedoch bei einem nachgewiesenen Nichtverbrauch. Schließlich müsse auch das Urteil des EuGH vom 10. Juli 2019 (Federal Express) Beachtung finden. Danach genüge für die Entstehung der Einfuhrmehrwertsteuer nicht, dass in einem bestimmten Mitgliedsstaat ein zollrechtliches Fehlverhalten in Bezug auf den Gegenstand begangen worden sei, wenn nachgewiesen worden sei, dass der fragliche Gegenstand in einem anderen Mitgliedsstaat, seinem endgültigen Bestimmungsort, weiterbefördert und dort verbraucht worden sei. Vorliegend sei es weder zu einer Weiterbeförderung noch zu einem Verbrauch gekommen. Für die Tabaksteuer, bei der es sich ebenfalls um eine Verbrauchsteuer handele, könne letztlich nichts anderes gelten.

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Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 3. November 2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte nimmt auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug und unterstreicht, dass sich der Tabak nicht in der vorübergehenden Verwahrung befunden habe, da sich gem. Art. 50 Satz 1 ZK nur gestellte Waren bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung in der Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung befänden. Daraus resultiere auch die Entstehung der Tabaksteuer nach Art. 21 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 2 TabStG. Durch das vorschriftswidrige Verbringen sei der Tabak aus einem Nichterhebungsverfahren gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a TabStG, nämlich den nach Titel III Kapitel 1 - 4 des Zollkodex vorgesehenen besonderen Verfahren der zollamtlichen Überwachung beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 36a bis Art. 57 ZK), entnommen worden. Durch die Entnahme des Tabaks aus diesem Verfahren habe eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattgefunden. Die Klägerin habe die Gestellungspflicht in Form der Abgabe der Gestellungsmitteilung sowie die Pflicht zur Abgabe der summarischen Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung wahrgenommen und sei damit nach den Zollvorschriften verpflichtet gewesen, die Tabakwaren anzumelden. Somit sei sie Tabaksteuerschuldnerin gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabStG geworden. Den geltend gemachten Abgaben stehe auch nicht die neuere Rechtsprechung des EuGH zum Einfuhrumsatzsteuer- bzw. Verbrauchsteuerrecht entgegen. Dem Streitfall liege eine Tabaksteuerentstehung durch eine unrechtmäßige Einfuhr zugrunde. Auch Art. 7 Abs. 2 Buchst. d VerbrSt-SysRL sehe für die unrechtmäßige Einfuhr eine Steuerentstehung vor. Dieser Steuerentstehungstatbestand knüpfe auch nicht an einen Verwendungszweck oder Verbrauch des Tabaks an. Die Tabaksteuer entstehe unabhängig davon, dass der Tabak zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen und vernichtet worden sei. Einen Erlöschungstatbestand für entstandene Tabaksteuer durch das Einziehen und die Vernichtung der Tabakwaren habe der Gesetzgeber im Tabaksteuerrecht nicht vorgesehen. Im Gegenteil, er habe in § 21 Abs. 3 TabStG das Erlöschen durch Einziehen von der sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften explizit ausgenommen.

...

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

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Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte durfte weder eine Einfuhrumsatzsteuerschuld festsetzen (hierzu unter 1.) noch die Klägerin mit den vorgenommenen Ermessenserwägungen aus dem Kreis der Tabaksteuergesamtschuldner auswählen (hierzu unter 2.).

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1. Die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuerschuld i.H.v. ... € ist rechtswidrig.

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Nach § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Durch die sinngemäße Geltung der Zollvorschriften soll sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer kommt. Das bedeutet aber nicht die Anwendbarkeit aller Zollvorschriften. Vielmehr bedarf die Frage, ob und inwieweit eine Vorschrift des Zollrechts im Einklang mit Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer als Teil der Mehrwertsteuer steht, für jede Vorschrift einer eigenen Prüfung (Weymüller in Dorsch, § 21 UStG, Rn. 130, Stand Mai 2019).

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Daran gemessen kann der vorliegend aufgrund des vorschriftswidrigen Verbringens des Tabaks einschlägige Zollschuldentstehungstatbestand des Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ZK nur nach Maßgabe der Normen über die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, 1; Mehrwertsteuersystemrichtlinie - MwSt-SysRL) und deren Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung des EUGH, insbesondere der Entscheidung vom 10.07.2019 (Federal Express, C-26/18) erfahren haben, herangezogen werden. Danach widerspricht es dem Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer im Fall einer Zollschuldentstehung nach Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ZK, "automatisch" die Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld anzunehmen. Zwar stellt Art. 30 Abs. 1 MwSt-SysRL hinsichtlich der "Einfuhr eines Gegenstands" ähnlich wie Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ZK auf seine Verbringung ab. Auch die Vorschriften über den Zeitpunkt des Eintritts des Steuertatbestands und des Steueranspruchs (Art. 70 MwSt-SysRL) entsprechen Art. 202 Abs. 2 ZK. Bei der Einfuhrumsatzsteuer handelt es sich aber um eine Verbrauchsteuer. Sie findet auf Waren und Dienstleistungen Anwendung, die in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangen und einem Verbrauch zugeführt werden können (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019, Federal Express, C-26/18). In diesem Urteil hat der EuGH unterstrichen, dass ein zollrechtliches Fehlverhalten wie ein vorschriftswidriges Verbringen nicht zwingend die Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuer nach sich zieht. Der Tatbestand der Einfuhrumsatzsteuer ist erst dann eingetreten, wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld geführt hat, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnten.

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Vorliegend ist der Tabak nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt und konnte keinem Verbrauch zugeführt werden. Es trifft zu, dass er sich mangels Gestellung nicht in der vorübergehenden Verwahrung gem. Art. 50 ZK befunden hat. Gleichwohl unterlag er wie jede ins Zollgebiet verbrachte Nichtunionsware der zollamtlichen Überwachung (insoweit spielt das vorschriftswidrige Verbringen keine Rolle, vgl. EuGH, Urteil vom 3. März 2005, Papismedov, C-195/03), auch wenn diese aufgrund des Schmuggels beeinträchtigt war. Er befand sich nämlich falsch deklariert - als ein Packstück mit Teilen von Grabsteinen -, wenn auch nach seinem Verbringen ausschließlich in Verwahrungslagern gem. Art. 185 Abs. 1 ZK-DVO, also an von den Zollbehörden zugelassenen Orten. Zu einer Überführung der Packstücke in den freien Verkehr kam es aufgrund der gescheiterten Kontaktaufnahme mit dem angeblichen Empfänger der Waren nicht. Deshalb erreichte der Tabak auch nicht seinen geplanten Bestimmungsort. Vielmehr wurden die Packstücke unter Aufsicht von Zollbeamten zum Abfallverwertungsunternehmen gebracht und der Tabak nach seiner Entdeckung vom Beklagten sichergestellt und vernichtet. Insoweit ist nachgewiesen, dass er nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist und keinem Verbrauch zugeführt wurde.

29

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Beklagte auch im Fall einer Einfuhr des später sichergestellten und vernichteten Tabaks die Einfuhrumsatzsteuer aufgrund einer gem. § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG sinngemäßen Anwendung der Art. 867a Abs. 1 ZK-DVO, Art. 98 Abs. 1 Buchst. a ZK nicht hätte festsetzen dürfen.

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2. Die angegriffenen Bescheide sind auch hinsichtlich der Tabaksteuer rechtswidrig. Es kann offen bleiben, ob die Tabaksteuer vorliegend entstanden ist (hierzu unter a.). Im Fall ihres Entstehens hätte der Beklagte jedenfalls sein Auswahlermessen über die Inanspruchnahme der Klägerin als Steuerschuldnerin (hierzu unter b.) aus dem Kreis der in Betracht kommenden Gesamtschuldner fehlerhaft ausgeübt (hierzu unter c.).

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a. Nach bisherigem Verständnis ist die Tabaksteuer gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 TabStG entstanden. Danach entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr, es sei denn, die Tabakwaren werden unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt oder es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Auch die weiteren Voraussetzungen dieser Norm dürften erfüllt sein. Es dürfte grds. eine Einfuhr der Tabakwaren gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 TabStG vorliegen. Danach ist "Einfuhr" der Eingang von Tabakwaren aus Drittländern oder Drittgebieten in das Steuergebiet, es sei denn, die Tabakwaren befinden sich beim Eingang in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren. Die in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 TabStG) verbrachten Tabakwaren stammten aus China. Sie befanden sich beim Eingang nicht in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren im Sinne des § 19 Abs. 2 TabStG. Insbesondere ist nicht das Nichterhebungsverfahren gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a TabStG einschlägig, wonach beim Eingang von Tabakwaren im zollrechtlichen Status als Nichtgemeinschaftswaren aus Drittländern zollrechtliche Nichterhebungsverfahren die nach Titel III Kapitel 1 bis 4 des Zollkodex vorgesehenen besonderen Verfahren der Zollüberwachung beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft und die dazu ergangenen Vorschriften sind. Nach dieser Norm scheidet bei einem ordnungsgemäßen zollrechtlichen Verbringen ein verbrauchsteuerrechtlicher Eingang aus. Vorliegend war das zollrechtliche Verbringen aber nicht ordnungsgemäß. Die Tabakwaren wurden dem Beklagten bereits bei der summarischen Eingangsanmeldung und auch im Folgenden vorenthalten. Im Fall des vorschriftswidrigen Verbringens liegt daher eine Einfuhr nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 TabStG vor (Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 23. August 2016, 7 V 786/16, juris, Rn. 28; zur gleichlautenden Norm des § 19 EnergieStG: Milewski in Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG/StromStG, 1. Aufl. 2012, § 19 EnergieStG, Rn. 5, 10, § 19b EnergieStG, Rn. 5; Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG/StromStG, § 19 EnergieStG, Rn. 8, Stand November 2012). Eine Einfuhr nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 TabStG durch eine Entnahme von Tabakwaren aus einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren im Steuergebiet, wovon der Beklagte ausgeht, ist dagegen nicht gegeben. Es fehlt beim Einfuhrschmuggel bereits an einer "Entnahme"-Handlung. Vorliegend wurde nichts entnommen, sondern von Anfang an unrichtig erklärt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welcher Anwendungsbereich dem § 19 Abs. 1 Nr. 1 TabStG verbleiben sollte, wenn der Einfuhrschmuggel von § 19 Abs. 1 Nr. 2 TabStG erfasst wäre.

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Der Senat braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob einer Entstehung der Tabaksteuer die o.g. neuere Rechtsprechung des EuGH zur Einfuhrumsatzsteuer entgegensteht mit der Folge, dass vorliegend eine Einfuhr des Tabaks gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 TabStG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Buchst. d VerbrSt-SysRL zu verneinen wäre. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die besonderen Verbrauchsteuern könnte der gemeinsame Sinn und Zweck dieser Steuern, nämlich einen Verbrauch zu besteuern, sprechen. Dieser Gedanke kommt auch im 9. Erwägungsgrund der VerbrSt-SysRL zum Ausdruck, wonach, da die Verbrauchsteuer auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben wird, sie nicht auf Waren erhoben werden sollte, die unter bestimmten Umständen zerstört wurden oder unwiederbringlich verloren gegangen sind. Allerdings soll nach diesem Erwägungsgrund nur unter bestimmten Umständen von einer Steuererhebung abgesehen werden. Diese besonderen Umstände sind gem. Art. 7 Abs. 4 der VerbrSt-SysRL dadurch gekennzeichnet, dass die zerstörten oder verlorenen Waren einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellt waren. Von einer amtlichen Zerstörung sichergestellter Waren, die unter Verletzung der Zollvorschriften ins Steuergebiet geschmuggelt wurden, ist in der VerbrSt-SysRL indes ausdrücklich keine Rede. Insoweit könnte auch argumentiert werden, dass der 9. Erwägungsgrund keinen allgemeinen Rechtsgedanken beinhaltet und der Richtliniengeber die Fälle, in denen ein nachträglich eintretendes Ereignis einen Verbrauch unmöglich macht und deshalb keine Tabaksteuer entsteht, abschließend geregelt hat (vgl. insoweit auch Art. 37 VerbrSt-SysRL). Überdies führt nach Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c VerbrSt-SysRL ausdrücklich auch die unrechtmäßige Einfuhr zum Entstehen des Verbrauchsteueranspruchs.

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b. Die Klägerin wäre auch gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 TabakStG Schuldnerin der Tabaksteuer. Danach ist Steuerschuldner die Person, die nach den Zollvorschriften verpflichtet ist, die Tabakwaren anzumelden oder in deren Namen die Tabakwaren angemeldet werden (Nr. 1) bzw. jede andere Person, die an einer unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt ist (Nr. 2). Eine Steuerschuldnerschaft der Klägerin nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TabStG kommt nicht in Betracht, da im Fall des Einfuhrschmuggels die Einfuhr nicht im Weg einer Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr (Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 ZK) geschieht (vgl. Soyk in Friedrich/Soyk, Energiesteuern, § 19b EnergieStG, Rn. 43, Stand Februar 2016 zur gleichlautenden Vorschrift des § 19b EnergieStG). Die Klägerin wäre jedoch eine Person, die nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG an der unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt war. Beteiligter in den Fällen des Art. 8 VerbrSt-SysRL und damit auch gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG ist, wer in irgendeiner Weise an der unrechtmäßigen Einfuhr mitgewirkt hat. Dabei reicht es aus, wenn der Teilnehmer die Einfuhr in irgendeiner Weise kausal veranlasst oder unterstützt. Der Teilnehmer muss an der Einfuhr nicht unmittelbar beteiligt sein, eine logistische Unterstützung im Hintergrund genügt (FG Hamburg, Beschluss vom 8. März 2019, 4 V 65/17, juris, Rn. 28 ff.). Vorliegend hat die Klägerin eine Einfuhr des Tabaks bereits dadurch unterstützt, dass sie in Ausübung ihrer Funktion als Schiffsagentin hinsichtlich der streitgegenständlichen Waren eine unrichtige vorzeitige summarische Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung abgegeben hat. Dass sie von den geschmuggelten Tabakwaren keine Kenntnis hatte und auch nicht haben konnte, spielt nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Buchst. d VerbrSt-SysRL und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG - auch in Abgrenzung zu Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 ZK, dessen Wortlaut ein subjektives Element beinhaltet - keine Rolle (FG Hamburg, Beschluss vom 8. März. 2019, 4 V 65/17, juris, Rn. 28).

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c. Der Beklagte hätte aber - das Entstehen der Tabaksteuerschuld vorausgesetzt - sein Auswahlermessen hinsichtlich der Inanspruchnahme der neben der Klägerin in Betracht kommenden Gesamtschuldner fehlerhaft ausgeübt. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 TabStG gilt § 15 Abs. 5 TabStG entsprechend, wonach, wenn mehrere Personen die Steuer schulden, diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Schuld verpflichtet sind. Die Inanspruchnahme eines oder mehrerer Gesamtschuldner (§ 44 AO) steht im gemäß § 5 AO auszuübenden Auswahlermessen des Beklagten, das in den Grenzen des § 102 Satz 1 FGO vom Gericht überprüft wird. Die Ermessensausübung ist nach § 121 Abs. 1 AO grundsätzlich zu begründen. Die maßgeblichen Gründe, insbesondere die angestellten Zweckmäßigkeitserwägungen sind darzulegen. Regelmäßig sind die für die Inanspruchnahme in Betracht kommenden Gesamtschuldner zu benennen und die für oder gegen ihre jeweilige Inanspruchnahme sprechenden Umstände darzulegen (Schindler in Gosch, AO/FGO, § 44, Rn. 39, Stand August 2015). Der Beklagte hat vorliegend bereits nicht alle für die Inanspruchnahme in Betracht kommenden Gesamtschuldner benannt. Im Einfuhrabgabenbescheid vom 3. November 2014 findet eine Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Gesamtschuldnern nicht statt. In der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2017 hat der Beklagte dies zwar nachgeholt und erklärt, die Inanspruchnahme weiterer Zollschuldner geprüft zu haben. Sodann wird eine Heranziehung des Terminalbetreibers verneint und die Nichtinanspruchnahme des Kapitäns und der Schiffsbesatzung damit begründet, dass ladungsfähige Anschriften nicht hätten ermittelt werden können. Mittlerweile sei die Verjährung der Festsetzungsfrist eingetreten und eine Inanspruchnahme weiterer Zollschuldner nicht mehr möglich. Die damit nachgeholte Benennung von in Betracht kommenden Gesamtschuldnern ist indes lückenhaft. Angesichts des weiten Tatbestands des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG war vorliegend jedenfalls auch die Reederei B Steuerschuldner. "Person" im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG kann nach § 4 Nr. 11 TabStG auch eine juristische Person sein. Vorliegend hat zwar der Kapitän die Waren in der Steuergebiet eingeführt, er hat dies aber in Besorgung von Angelegenheiten seines Arbeitgebers in dessen Namen und für dessen Rechnung aufgrund der ihm übertragenen Aufgaben und gegebenen Weisungen getan. Mithin hat die Reederei die Einfuhr durch den Kapitän veranlasst und durch die Zurverfügungstellung eines Containerschiffes auch unterstützt (vgl. zur vergleichbaren Fragestellung bei Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK: EuGH, Urteil vom 23. September 2004, Spedition Ulustrans, C-414/02; EuGH, Urteil vom 25. Januar 2017, Ultra-Brag, C-679/15).

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Vorliegend war das Ermessen des Beklagten auch nicht in der Weise vorgeprägt, dass eine Heranziehung der Reederei nicht in Betracht kam und aus diesem Grund nicht einmal hätte begründet werden müssen. Zwar handelt es sich bei der Reederei um eine in F ansässige juristische Person. Insoweit könnte eine Realisierbarkeit der Abgabenforderung, was einen berücksichtigungsfähigen Belang im Rahmen der Ermessensentscheidung darstellt, unsicherer sein als bei einer in der EU ansässigen Reederei. Es handelt sich aber bei der B um ein bedeutendes Unternehmen, das (selbständiger) Teil einer noch größeren Konzerngruppe ist. Deshalb war der Versuch einer Inanspruchnahme der B nicht von vornherein aussichtslos, was auch der Beklagte nicht behauptet. Ob eine Heranziehung der B im Rahmen der Ermessensbegründung zulässigerweise mit einer unsicheren Realisierbarkeit der Forderung hätte verneint werden können (vgl. zur ähnlichen Fragestellung im ZK: Witte in Witte, Zollkodex, 6. Auflage 2013, Art. 213, Rn 7b), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da es an solch einer Begründung fehlt.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 FGO zuzulassen.

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