Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 V 278/19

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auflösung und Zurechnung eines Unterschiedsbetrages im Sinne von § 5a Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Der Antragsteller war Kommanditist des ...Fonds A GmbH & Co KG. Für ihn war ein Unterschiedsbetrag im Sinne von § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG in Höhe von ... Euro festgestellt worden. Der Antragsteller schenkte seinen Anteil an dieser Einschiffsgesellschaft in Höhe von ... Euro mit Wirkung zum ... 2016 seiner Mutter B.

3

Mit Änderungsbescheid zum Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2016 und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 21. Juni 2019 wurden für den Antragsteller Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... Euro festgestellt. In diesem Betrag war ein dem Gewinn hinzuzurechnender Unterschiedsbetrag nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG in Höhe von ... Euro enthalten. Der Antragsgegner ging dabei davon aus, dass der für den Antragsteller festgestellte Unterschiedsbetrag wegen der Schenkung des Kommanditanteils hinzuzurechnen sei.

4

Der Antragsteller legte am 28. Juni 2019 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Die Zurechnung des Unterschiedsbetrages sei nicht richtig, weil eine Schenkung kein Ausscheiden aus der Gesellschaft sei. Insoweit seien zwei Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

5

Der Feststellungsbescheid 2016 wurde am 23. Juli 2019 aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen nochmals geändert. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller ebenfalls Einspruch - und zwar am 31. Juli 2019 - ein.

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Mit Bescheid vom 26. August 2019 wies der Antragsgegner den AdV-Antrag zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Werte in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2016 seien geschätzt worden. Bei den geschätzten Werten habe es sich jedoch lediglich um den pauschal nach § 5a EStG ermittelten Gewinn sowie um Unterschiedsbeträge nach § 5a Abs. 4 EStG gehandelt. Bei den inzwischen erfolgten Änderungen des Bescheides seien die Anteilsübertragungen berücksichtigt worden. Auch Übertragungen im Schenkungswege seien zu berücksichtigen.

7

Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 2. September 2019 Einspruch ein. Eine Schenkung sei kein Ausscheiden aus der Gesellschaft mit der Folge der Auflösung des Unterschiedsbetrages. Jedenfalls bestünden insoweit ernstliche Zweifel, weil beim BFH diesbezügliche Verfahren anhängig seien. Wegen der hohen Steuerfolgen liege zudem eine unbillige Härte vor.

8

Mit Entscheidung vom 1. November 2019 wies der Antragsgegner den Einspruch zurück. Jede Art des Ausscheidens eines Gesellschafters und damit auch die Schenkung von Gesellschaftsanteilen führe zur Auflösung des Unterschiedsbetrages. Der Hinweis allein auf anhängige Revisionsverfahren genüge nicht, um AdV zu gewähren.

9

Der Antragsteller hat am 13. November 2019 um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachgesucht. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide, weil der BFH die Revision gegen zwei gleichgelagerte Urteile zugelassen habe. Nicht jegliches Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft habe die Auflösung des Unterschiedsbetrages zur Folge. Die hier erfolgte Schenkung zu Lebzeiten führe nicht zur Auflösung und Zurechnung des Unterschiedsbetrages. Es bestehe eine unbillige Härte, weil eine hohe Steuerlast ausgelöst werde.

10

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2016 vom 23. Juli 2019 auszusetzen, soweit für ihn höhere Einkünfte aus Gewerbebetrieb als ... Euro festgestellt werden.

11

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

12

Zur Begründung nimmt der Antragsgegner Bezug auf den Akteninhalt und die Einspruchsentscheidung.

...

Entscheidungsgründe

II.

13

1. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

14

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

15

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH, Beschluss vom 12. Juli 2017, X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204, juris, Rn. 53). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt allerdings nicht (vgl. BFH, Beschluss vom 16. Juni 2011, IV B 120/10, BFH/NV 2011,1549, juris, Rn. 30). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -) ergibt (vgl. BFH, Beschluss vom 12. Juli 2017, X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204, juris, Rn. 74). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (vgl. BFH, Beschluss vom 20. März 2002, IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809, juris, Rn. 8). Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch im Aussetzungsverfahren.

16

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen nach der gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Beweismittel nicht (a)). Zudem liegt keine unbillige Härte vor (b)).

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a) Es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 2016, soweit für den Antragsteller Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt ... Euro festgestellt wurden. Der Antragsgegner durfte den streitgegenständlichen Unterschiedsbetrag in Höhe von ... Euro nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG dem Gewinn des Antragstellers hinzurechnen (aa)) und ernsthafte Zweifel ergeben sich nicht wegen anhängiger Revisionsverfahren (bb)).

18

aa) Nach § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG ist zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung des Absatzes 1 (Wechsel zur Tonnagesteuer) vorangeht, für jedes Wirtschaftsgut, das unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen. Nach Satz 2 ist der Unterschiedsbetrag gesondert und bei Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einheitlich festzustellen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift ist der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 in dem Jahr des Ausscheidens eines Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden Anteils dem Gewinn hinzuzurechnen.

19

Zweck der Feststellung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG ist es, diejenigen stillen Reserven, die sich vor dem Übergang zur Tonnagebesteuerung angesammelt haben, festzuhalten, um deren spätere Besteuerung sicherzustellen (FG Hamburg, Urteil vom 19. Dezember 2017, 2 K 277/16, EFG 2018, 655, juris, Rn. 43). Hintergrund ist dabei, dass die Gewinnermittlung nach § 5a EStG pauschal erfolgt und die Aufdeckung von stillen Reserven keine Auswirkung auf die Besteuerung haben würde. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen jedoch stille Reserven, die außerhalb des Zeitraums der Tonnagebesteuerung und damit vor der begünstigen Besteuerung angesammelt worden sind, weiterhin der Besteuerung unterliegen, zumal sie regelmäßig mit im selben Zeitraum entstandenen und festgestellten Verlusten korrelieren. Die gesonderte Feststellung des Unterschiedsbetrages stellt die verfahrensmäßige Erfassung des Wertzuwachses dar, weil sich die Höhe der vor dem Wechsel der Gewinnermittlungsart vorhandenen stillen Reserven nachträglich nur noch schwer ermitteln lässt. § 5a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG dient damit der Sicherung des zukünftigen Besteuerungsverfahrens (zum Ganzen: FG Hamburg, Urteil vom 26. April 2019, 2 K 247/16, EFG 2019, 1185, juris, Rn. 42).

20

Der Begriff des Ausscheidens eines Gesellschafters wird in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG nicht eingeschränkt. Er bezieht sich semantisch auf den Gesellschafter und den auf ihn entfallenden Anteil. Vom weiten Wortlaut der Vorschrift wird dementsprechend jedes Ausscheiden eines Gesellschafters - ob unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge - erfasst (dazu ausführlich: FG Hamburg, Urteil vom 26. April 2019, 2 K 247/16, EFG 2019, 1185, juris, Rn. 44ff.; FG Hamburg, Urteil vom 19. Dezember 2017, 2 K 277/16, EFG 2018, 655, juris, Rn. 54ff.).

21

Nach diesen Maßstäben ist auch das hier vorliegende Ausscheiden im Wege der Schenkung der Anteile von der Norm erfasst, so dass der - der Höhe nach unstreitige - Unterschiedsbetrag dem Gewinn hinzugerechnet werden durfte.

22

bb) Ernstliche Zweifel bestehen nicht etwa deshalb, weil gegen die oben genannten Entscheidungen jeweils Revision (IV R 17/19 und IV R 4/1) eingelegt wurde.

23

Ernstliche Zweifel bestehen zwar dann, wenn die Rechtslage unklar ist (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 69 FGO, Stand: Januar 2016, Rn. 307ff.; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 69 FGO, Stand: Juli 2015, Rn. 91). Dies ist etwa dann der Fall, wenn oberste Bundesgerichte unterschiedlich entschieden haben (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 69 FGO, Stand: Januar 2016, Rn. 309 m.w.N.) oder die Finanzgerichte unterschiedlich entschieden haben und noch keine Entscheidung des BFHs vorliegt (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 69 FGO, Stand: Juli 2015, Rn. 91 m.w.N.). Auch können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes bestehen, wenn der BFH die Revision gegen ein klagabweisendes Urteil zugelassen hat (BFH, Beschluss vom 27. Januar 2005, V S 17/04, BFH/NV 2005, 1110, juris, Rn. 2) oder die Rechtslage umstritten ist und im Hinblick darauf mehrere Revisionsverfahren anhängig sind (BFH, Beschluss vom 12. April 2011, XI B 27/11, BFH/NV 2011, 1374, juris, Rn. 11ff.). Hingegen ist keine unklare Rechtslage gegeben, wenn das Finanzgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt, denn dies begründet keine ernstlichen Zweifel des Gerichts an der Richtigkeit seiner Entscheidung (FG Bremen, Beschluss vom 9. März 1999, EFG 1999, 571, juris, Rn. 7; Gosch in: Gosch, AO/FGO, § 69 FGO, Stand: Oktober 2010, Rn. 127; in diese Richtung wohl auch FG Hamburg, Beschluss vom 6. Dezember 2011, 2 V 149/11, DStRE 2013, 93, juris, Rn. 10).

24

Nach diesen Maßstäben liegt keine unklare Rechtslage vor. Zwar sind zwei Revisionen beim BFH anhängig, aber das Finanzgericht Hamburg hat in beiden Entscheidungen (2 K 247/16 und 2 K 277/16) die Revision wegen "grundsätzlicher Bedeutung" zugelassen. Dies hat gerade nicht automatisch zur Folge, dass das Gericht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidungen hatte. Außerdem sind die Entscheidungen im hier streitgegenständlichen Punkt gleichlautend. Wenn auch vor den beiden ergangenen Entscheidungen die Rechtslage unklar gewesen sein mag, so haben jedenfalls diese beiden Entscheidungen die Rechtslage geklärt. Schließlich sind - soweit ersichtlich - auch keine anderslautenden Entscheidungen von anderen Finanzgerichten danach ergangen.

25

b) Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung der Bescheide für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge haben könnte, bestehen nicht. Die geltend gemachte Steuerlast allein reicht insoweit nicht aus. Davon ist nur dann auszugehen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2002, X S 10/02, BFH/NV 2003, 296, juris, Rn. 19). Dies ist hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

26

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

27

3. Gründe, die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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