Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 71/18

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Energiesteuerbescheid für das Kalenderjahr 2016.

2

Das klägerische Unternehmen übt die Tätigkeit der Entwicklung, Produktion und Vermarktung alternativer Kraft- und Heizstoffe sowie verwandter Produkte .... Sie betreibt dazu eine Anlage zur Aufbereitung von Nebenprodukten und Reststoffen aus der Verarbeitung von Pflanzenölen, aus der Biodieselproduktion oder aus der Oleochemie. Sie bereitet die genannten Stoffe auf und vermarktet sie als Kraft- oder Heizstoffe, Rohstoffe für die Biokraftstoffproduktion oder Rohstoffe für die Herstellung von Anzündern und Lampenölen.

3

Streitig ist im Wesentlichen, ob das Produkt der Klägerin XXX nach § 2 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) wie schweres Heizöl zu besteuern ist oder nach § 2 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) EnergieStG wie schwefelarmes Gasöl.

4

XXX wird aus Resten der Oleochemie hergestellt und an Kunden verkauft, deren Dieselfahrzeuge mit einem Dual Fuel System zur Vorheizung des Produkts ausgestattet sind, um das Produkt im Fahrbetrieb als Kraftstoff verwenden zu können. Es besteht aus sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen in einem komplexen Gemisch aus überwiegend gerad- und verzweigtkettigen Mono- oder Dialkoholen sowie langkettigen Estern. Der Gehalt an Kohlenwasserstoffen beträgt ca. 9 %. Es handelt sich um eine farblose, klare Flüssigkeit, deren Dichte bei 15° C 839,8 kg/Kubikmeter beträgt. Es verfügt über eine Cetanzahl größer 51. Der untere Heizwert ist größer 39 MJ/kg, der Schwefelgehalt kleiner als 10 mg/kg, der Flammpunkt liegt zwischen 80 und 150 °C, der Pourpoint bei mindestens 10 °C. Bei der Auswertung einer Probe durch ein seitens der Klägerin beauftragtes Analyselabor begann die Destillation bei 237,6 °C, bei 250 °C gingen 2,5 % über, bei 300 °C 22,5 %, bei 350 °C 62 %, bei 360 °C 73,3 %, bei 372,8 °C 95 % (vgl. zu den technischen Eigenschaften das von der Klägerin vorgelegte Untersuchungszeugnis, ...).

5

Am 12. August 2016 zeigte die Klägerin die Abgabe des streitbefangenen Produkts als Kraftstoff gemäß § 23 Abs. 4 EnergieStG an und ordnete das Produkt als technischen Fettalkohol ein nach Unterposition 3823 7000 der Warennomenklatur nach Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256 vom 7. September 1987, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 578/2002 (ABl. L 97 vom 13. April 2002, S. 1) geänderten, am 1. Januar 2002 geltenden Fassung (im Folgenden KN). Auf dieser Grundlage gab sie den von ihr ermittelten Steuersatz gemäß § 2 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG von 130 € pro 1.000 kg an.

6

Am 18. August 2016 zog der Beklagte eine Probe des streitbefangenen Produkts und übergab sie dem Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Sitz Hamburg, der Generalzolldirektion (BWZ) zur Untersuchung. In seinem Untersuchungszeugnis und Gutachten vom 31. Januar 2017 ging das BWZ davon aus, dass es sich um ein Erzeugnis gemäß KN Code 3824 9099 handele. Im vorliegenden Fall solle das Erzeugnis als Dieselkraftstoff verwendet werden, die Besteuerung entspreche einem Dieselkraftstoff nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) EnergieStG.

7

Mit ihrer Energiesteueranmeldung für den Zeitraum Juni 2016 vom 9. September 2016 meldete die Klägerin eine Masseposition von ... kg XXX zu einem Steuersatz von 130 € pro 1000 kg nach § 2 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG an und berechnete darauf eine Energiesteuer in Höhe von ... €.

8

Mit Steuerbescheid vom 23. Februar 2017 setzte der Beklagte gemäß § 9 Abs. 1 EnergieStG abweichend Energiesteuer i.H.v. ... € fest für das im Kalenderjahr 2016 als Kraftstoff verwendete Volumen des streitbefangenen Produkts von ... Litern. Dem Steuerbescheid legte er die unstreitige Umrechnung von Masse zu Volumen auf Grundlage der Dichte bei 15 °C von ... kg/Kubikmeter zu Grunde.

9

Der Einspruch der Klägerin vom 6. März 2017, mit dem sie die Einreihung des Produktes durch den Beklagten und den angewandten Steuertarif bestritt, blieb angesichts der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 ohne Erfolg.

10

Die Klägerin hat am 20. Juni 2018 Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

11

Sie bezieht sich auf das von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegte Gutachten des Prüflabors B Gesellschaft mbH in C (...).

12

Das streitbefangene Produkt weiche stark von einer herkömmlichen Gasölqualität ab und könne nicht in herkömmlichen Dieselaggregaten verwendet werden. Es entspreche seiner Beschaffenheit nach einem schweren Heizöl im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG. Es bestehe im Wesentlichen aus linearen und verzweigten Fettalkoholen, die unter der Warentarifnummer 3823 7000 KN einzureihen seien. In der Oleochemie würden nicht verwendbare Destillationsschnitte als Reststoffe oder Abfall abgegeben. Die Klägerin arbeite diese durch Sedimentation, Filtration, Destillation, Trocknung und Konditionierung auf, sodass sie als Kraftstoff eingesetzt werden könnten. Aufgrund des Pourpoints von mindestens 10 °C sei das Produkt bei einer normalen Lagerung und den in Deutschland vorherrschenden Nachttemperaturen im Regelfall nicht komplett flüssig. Die Untergrenze einer Einsatzfähigkeit als Kraftstoff liege bei mindestens 2-3 °C oberhalb des Pourpoints, da anderenfalls ausgeflockte Kristalle die Kraftstofffilter zusetzen könnten. Deshalb sei von einem Einsatz in herkömmlichen Dieselfahrzeugen abzuraten und sie, die Klägerin, empfehle ein beheiztes und isoliertes Tank-, Filter- und Kraftstoffleitungssystem. Die Viskosität bei 40 °C liege typischerweise zwischen 15-30 mm²/s und damit drei- bis sechsmal so hoch wie die DIN EN 590 für Dieselkraftstoffe es vorschreibe. Zu hohe Viskosität könne zu einer Überbeanspruchung des Einspritzsystems und einer ungenügenden Gemischaufbereitung führen. Daher empfehle sie den Einsatz einer Kraftstoffvorerwärmung auf 60-70 °C, wodurch die Viskosität hinreichend reduziert werde. Das Siedeverhalten nach Nr. 2 lit. a bis f der Zusätzlichen Anmerkungen in Kap. 27 der KN entspreche dem von Heizöl nach lit. f (schweres Heizöl); die in den drei Unterstrichen genannten Voraussetzungen für eine Einreihung als schweres Heizöl würden erfüllt. Der Flammpunkt liege mit 80-150 °C deutlich über den typischen Werten bei Dieselkraftstoff, die zwischen 60-80 °C anzusiedeln seien. Der typische Wassergehalt liege zwischen 700 und 2.500 mg/kg und der maximale Wassergehalt bei 5.000 mg/kg, was ein Vielfaches des typischen bzw. maximalen Wassergehalts in Dieselkraftstoff sei. Im Gegensatz zu Dieselkraftstoff liege das Wasser in dem streitbefangenen Produkt aber in gelöster Form vor. Das Siedeverhalten bei 350 °C sowie die Destillationstemperatur, bei der 95 % aufgefangen werden müssen, entsprächen nicht der Norm DIN EN 590.

13

Vergleichbar mit schwerem Heizöl solle das Produkt während der Zwischenlagerung, bei der Abgabe in Endbehälter, in den Endbehältern und beim Einspritzen in den Motor durch zusätzliche technische Vorrichtungen auf einer vorgegebenen Temperatur gehalten werden. Nach dem Abschalten des Motors könne sich das Produkt verfestigen und müsse nach dem erneuten Anfahren zunächst mit einer anderen Wärmequelle erhitzt werden. Bei dem von ihr, der Klägerin, empfohlenen Dual Fuel System würde das Fahrzeug, ähnlich wie in Schiffen, zunächst mit Diesel gestartet und erst nach Erreichen der vorgegebenen Lagertemperatur werde auf das Produkt umgeschaltet. Dahingegen entspreche die Verwendung von Dieselkraftstoff in beheizten Kraftstoffsystemen nicht dem bestimmungsgemäßen Gebrauch und widerspreche den Allgemeinen Lagervorschriften und den Sicherheitshinweisen P210 und P235 der einschlägigen Sicherheitsdatenblätter.

14

Dies entspreche der bestehenden Praxis bei der Besteuerung von tierischen und pflanzlichen Ölen und Fetten mit hohem Stockpunkt gemäß dem Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 8. März 2011, GZ 8401 - 1/11 - ZF 2103/ZF 2109.

15

Die Einreihung in die KN sei entgegen der Auffassung des Beklagten auch maßgeblich. Nicht in § 2 Abs. 1 EnergieStG genannte Energieerzeugnissen unterlägen gemäß § 2 Abs. 4 EnergieStG der gleichen Steuer wie die Energieerzeugnisse, denen sie nach ihrem Verwendungszweck und ihrer Beschaffenheit am nächsten stünden.

16

Nach Art. 2 und Art. 4 sowie den Art. 7 ff. i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (RL 2003/96/EG) sowie der einschlägigen EuGH Rechtsprechung (EuGH-Urteile vom 3. April 2014, C-43/13 und C-44/13, Kronos Titan und Rhein-Ruhr-Beschichtungs-Service GmbH) beruhe die Systematik der Energiebesteuerung auf der Unterscheidung zwischen Kraft- und Heizstoffen nach dem Kriterium der Verwendung. Der nationale Gesetzgeber sei allerdings der Systematik des Anhangs I der RL 2003/96/EG nicht gefolgt, sondern habe in § 2 Abs. 1 und 2 EnergieStG allgemein geltende Steuersätze für die dort genannten Energieerzeugnissen unabhängig von der Verwendung als Kraft- oder Heizstoff festgelegt. Die Ausgestaltung des Steuertarifs habe der Bundesfinanzhof bestätigt und keine unionsrechtlichen Bedenken gesehen. Die Mitgliedstaaten seien nicht gehindert, beide Verwendungsarten eines Energieerzeugnisses mit demselben Steuersatz zu besteuern, sofern Sie dies für sachdienlich erachteten und der Steuersatz die von der RL 2003/96/EG vorgegebenen Mindeststeuerbeträge einhalte.

17

Die in Anhang I Tabelle A RL 2003/96/EG genannten sechs Energieerzeugnisse könne das streitbefangene Produkt nicht ersetzen, weil seine Eigenschaften zu stark von deren Eigenschaften abwichen. Weil also keine Substitution möglich sei, sei jeweils der Kraft- oder Heizstoff zu ermitteln, der nach seiner Beschaffenheit und seinem Verwendungszweck dem fraglichen Erzeugnis am nächsten stehe.

18

Der Gesetzgeber habe den Steuersatz von 130 € / 1.000 kg für schweres Heizöl eingeführt, um die ungleichen Steueraufschläge für Gasöl im Vergleich zu jenen für schweres Heizöl bei der Verwendung als Heizstoff bzw. als Kraftstoff anzugleichen. Er habe damit ausdrücklich eine Rechtsgrundlage schaffen wollen, welche die Verwendung schweren Heizöls als Kraftstoff erfasse. Er habe die getroffene Regelung auch in der ab dem 1. Oktober 2018 gültigen Gesetzeslage aufrechterhalten und damit seine Auffassung dokumentiert, dass der für die Verwendung schweren Heizöls als Kraftstoff geregelte Steuersatz von 130 € / 1.000 kg der unionsrechtlichen Mindestbesteuerung entspreche.

19

Ein etwaiger Verstoß gegen die in Anhang I der RL 2003/96/EG festgelegte Mindestbesteuerung könne deshalb nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung des EnergieStG gelöst werden, sondern nur durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers.

20

Die unionsrechtskonforme Auslegung finde ihre Grenze in eindeutigen rechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten. Nach der BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 19. Oktober 2004, XI ZR 337/03) sei die Abänderung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung durch eine richtlinienkonforme Auslegung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar. Wenn dies für den Fall gelte, dass dem Bürger durch Gemeinschaftsrecht weitergehende Rechte gewährt würden als durch innerstaatliches Recht, dann umso mehr, wenn das nationale Recht den Bürger gegenüber der Richtlinie begünstige.

21

Die Klägerin beantragt,
den Steuerbescheid vom 23. Februar 2017 (Registrierkennzeichen xxx) in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2018 (RL-xxx) insoweit aufzuheben, wie die Festsetzung den Betrag von ... € übersteigt.

22

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

23

Dies begründet er wie folgt:

24

Die RL 2003/96/EG regele zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des EU-Binnenmarktes für Energie und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Steuersysteme in den Mitgliedstaaten unter anderem Mindeststeuersätze für Energieerzeugnisse, wenn diese als Kraft- oder Heizstoff verwendet würden. Die Auffangregelung in Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG stelle sicher, dass das verwendungsorientierte Steuersystem der Gemeinschaft auch auf die wachsende Zahl alternativer Kraft- und Heizstoffe anwendbar sei, welche die fossilen Energieerzeugnisse zunehmend ersetzten. Nach Art. 4 RL 2003/96/EG seien trotz der Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten die Mindeststeuerbeträge nicht zu unterschreiten. Nach der Steuersystematik der RL 2003/96/EG seien Kraftstoffe höher zu besteuern als Heizstoffe.

25

Im Kraftstoffsektor seien die Mindeststeuersätze für Kraftstoffe, die dem Verkehrssektor dienten, höher vorgegeben als für Kraftstoffe, die u.a. in ortsfesten Motoren oder abseits von öffentlichen Straßen eingesetzt würden. Dabei dürften die Mitgliedstaaten Unterscheidungen treffen, solange die Mindeststeuersätze nicht unterschritten würden. Aus den differenzierten Regelungen der Art. 7 bis 9 i.V.m. Anhang I Tabellen A bis C der RL 2003/96/EG ergebe sich, dass die Energiebesteuerung verwendungsorientiert abzulaufen habe.

26

Die Richtlinienvorschriften seien in § 2 EnergieStG umgesetzt worden; Abs. 1 sei immer dann anwendbar, wenn keine ermäßigten Steuersätze vorlägen. Die abweichenden Steuersätze des Abs. 3 kämen nur unter engen Voraussetzungen zur Anwendung, die im vorliegenden Fall nicht vorlägen. Andere als Energieerzeugnisse der Abs. 1 oder 3 unterlägen gemäß Abs. 4 der gleichen Steuer wie Energieerzeugnisse, denen sie nach ihrem Verwendungszweck und ihrer Beschaffenheit am nächsten stünden. Die in § 2 EnergieStG festgelegten Steuersätze unterschritten nicht die bei jeweiliger Kraft- oder Heizstoffverwendung festgelegten Mindeststeuersätze der Art. 7 bis 9 RL 2003/96/EG.

27

Die Einreihung nach der KN sei vorliegend nicht maßgeblich für den Steuertarif des § 2 EnergieStG. Das streitbefangene Produkt werde als Alternativ- bzw. Biokraftstoff an Kunden verkauft, die es in Dieselfahrzeugen mit einem Dual Fuel System verwendeten.

28

Nach der von der Klägerin zitierten EuGH Rechtsprechung sei der rechtliche Rahmen des § 2 EnergieStG unter den Vorgaben des Unionsrechts, insbesondere der RL 2003/96/EG, einer dreistufigen Prüfung zu unterziehen, nach der es vorrangig auf die Verwendung des Produkts ankomme. Das Produkt entspreche hiernach einem Gasöl mit einem Schwefelgehalt von höchstens 10 mg/kg gemäß § 2 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 lit. b EnergieStG.

29

Bei Zugrundelegung des Steuersatzes für schweres Heizöl von 130 € / 1.000 kg gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG würde dahingegen der für den Kraftstoff Gasöl festgelegte Mindeststeuersatz des Art. 7 RL 2003/96/EG i.V.m. Tabelle A des Annex RL 2003/96/EG unterschritten. Für eine Betrachtung nach der stofflichen Beschaffenheit bestehe keine Veranlassung, weil das zu ersetzende Energieerzeugnis Gasöl als Kraftstoff und Tabellenerzeugnis ausdrücklich im Anhang I der RL 2003/96/EG genannt sei. Eine Bezugnahme auf die Tabelle B betreffend besondere Kraftstoffverwendungszwecke oder die Tabelle C für Heizstoffe scheide aus.

30

Hiervon unabhängig sei der Steuersatz des § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG auch nicht auf schweres Heizöl der KN Codes 2710 1961 bis 1969 KN anwendbar, wenn dieses als Kraftstoff in Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen eingesetzt würde. Nach der von der Klägerin in Bezug genommenen Gesetzesbegründung (BT Drucksache 14/9265) sei der Gesetzgeber ausdrücklich nicht vom Einsatz schweren Heizöls als Kraftstoff in Lkws oder Pkws ausgegangen, sondern nur als "Schiffs- oder Marinediesel", für Prüfläufe bei der Herstellung von Schiffs-Großdieselmotoren sowie für Motoren der Kraft-Wärme-Kopplung.

31

Der abgesenkte Steuersatz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG stimme dahingegen mit den besonderen Zwecken der Kraftstoffverwendung des Artikels 8 i.V.m. Tabelle B des Anhangs I RL 2003/96/EG und dem dort vorgesehenen geringeren Mindeststeuerbetrag überein.

32

Die von der Klägerin in Bezug genommene Verfügung der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 8. März 2011 sei ausdrücklich auf das Verheizen und den Antrieb von Gasturbinen und Verbrennungsmotoren in begünstigten ortsfesten Anlagen nach § 3 EnergieStG beschränkt. Nur in diesen Fällen könne auf den jeweiligen Aggregatzustand eines Erzeugnisses bei 15 °C hinsichtlich der Ähnlichkeit und der Versteuerung abgestellt werden.

...

Entscheidungsgründe

I.

33

Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter, § 79a Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), und ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

II.

34

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

35

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

36

Die allein streitige Frage nach dem anzuwendenden Steuertarif ist dahingehend zu beantworten, dass XXX gemäß § 2 Abs. 4 EnergieStG wie schwefelarmes Gasöl nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b EnergieStG zu besteuern ist.

37

Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG unterliegen andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Energieerzeugnisse der gleichen Steuer wie die Energieerzeugnisse, denen sie nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Verwendungszweck am nächsten stehen.

38

Der anwendbare Steuertarif richtet sich nicht unmittelbar nach § 2 Abs. 1 bis 3 EnergieStG (hierzu unter 1.) Es kommt nicht darauf an, ob das streitbefangene Produkt in KN-Code 3824 9099 oder unter KN-Code 3823 7000 einzureihen ist, sondern es ist in beiden Fällen der Gleichwertigkeitsprüfung des § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG in unionsrechtskonformer Auslegung nach Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG zu unterziehen (hierzu unter 2.). Das streitbefangene Produkt ist nach der anzustellenden Ähnlichkeitsbetrachtung wie ein als Kraftstoff verwendetes Gasöl im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) EnergieStG in unionsrechtskonformer Auslegung im Sinne des Art. 2 Abs. 3, Art. 7 i.V.m. Anhang I Tabelle A RL 2003/96/EG zu besteuern (hierzu unter 3.).

39

1. XXX als aus der Oleochemie stammendes Produkt, das vorwiegend aus Fettalkoholen besteht, fällt nicht unmittelbar unter die in § 2 Abs. 1 bis 3 EnergieStG genannten Erzeugnisse, was zwischen den Beteiligten unstreitig und Sicht des Gerichts unzweifelhaft ist.

40

2. Es kommt nicht darauf an, ob das streitbefangene Produkt in KN-Code 3824 9099 oder unter KN-Code 3823 7000 einzureihen ist, sondern es ist in beiden Fällen der Gleichwertigkeitsprüfung des § 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG in unionsrechtskonformer Auslegung nach Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG zu unterziehen.

41

§ 2 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG setzt Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG um (vgl. BFH, Urteil vom 10. März 2015, VII R 5/11, BFH/NV 2015, 1043, juris Rn. 19).

42

Die RL 2003/96/EG hat die Einführung einer einheitlichen Struktur für Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse und die Festsetzung verbindlicher Mindeststeuerbeträge für die in den Anhängen dieser Richtlinie angegebenen Energieerzeugnisse zum Gegenstand. Die betroffenen Erzeugnisse werden anhand ihres Codes in der KN identifiziert. Die Richtlinie erfasst jedoch auch andere Erzeugnisse.

43

Nach Art. 2 Abs. 3 UA 1 der Richtlinie werden zum "Verbrauch als Heiz- oder Kraftstoff bestimmte oder als solche zum Verkauf angebotene bzw. verwendete andere Energieerzeugnisse als diejenigen, für die in dieser Richtlinie ein Steuerbetrag festgelegt wurde, ... je nach Verwendung zu dem für einen gleichwertigen Heiz- oder Kraftstoff erhobenen Steuersatz besteuert" (weitere Ausführungen in Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 12. Dezember 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-43/13 und C-44/13, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service).

44

Gemäß Art. 2 Abs. 3 UA 2 RL 2003/96/EG sind neben den in Absatz 1 genannten steuerbaren Erzeugnissen alle zur Verwendung als Kraftstoff oder als Zusatz oder Verlängerungsmittel von Kraftstoffen bestimmten oder als solche zum Verkauf angebotenen bzw. verwendeten Erzeugnisse zu dem für einen gleichwertigen Kraftstoff erhobenen Steuersatz zu besteuern.

45

Nach diesen Maßgaben kommt es nicht darauf an, ob das streitbefangene Produkt, wie die Klägerin meint, unter KN Code 3823 7000 (hierzu unter a.) fällt oder, wie der Beklagte meint, unter KN Code 3824 9099 (hierzu unter b.). Die nach Art. 2 Abs. 3 UA 1 RL 2003/96/EG anzustellende Betrachtung hat der EuGH konkretisiert (hierzu unter c.) Die konkrete Gleichwertigkeitsprüfung nach Art. 2 Abs. 3 UA 2 bezieht sich nur auf Produkte des Art. 7 i.V.m. Tabelle A des Anhangs I der RL 2003/96/EG, was gleichermaßen für die Prüfung nach Art. 2 Abs. 3 UA 1 gilt (hierzu unter d.). Die unionsrechtskonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG ist zulässig (hierzu unter e.)

46

a. Als Ware des KN Codes 3823 7000 unterfiele das Produkt Art. 2 Abs. 3 UA 2 RL 2003/96/EG, da diese Warentarifnummer nicht in dem Katalog der Energieerzeugnisse des Art. 2 Abs. 1 RL 2003/96/EG genannt wird. Es wäre hiernach aufgrund seiner Bestimmung als im allgemeinen Straßenverkehr zu verwendender Kraftstoff zu dem für einen gleichwertigen Kraftstoff erhobenen Steuersatz zu besteuern. Die Gleichwertigkeitsprüfung kann sich deshalb nur auf Kraftstoffe als Ersatzerzeugnisse der Tabelle A des Anhangs I der RL 2003/96/EG beziehen.

47

b. Als Ware des KN Codes 3824 9099 unterfiele das Produkt dahingegen Art. 2 Abs. 3 UA 1 RL 2003/96/EG. Zwar ist diese Warentarifnummer im Katalog des Art. 2 Abs. 1 RL 2003/96/EG genannt, sodass das Produkt gemäß dessen lit. h) bei Verwendung als Heiz- oder Kraftstoff als Energieerzeugnis im Sinne des Art. 2 Abs. 3 UA 1 RL 2003/96/EG gälte.

48

Die RL 2003/96/EG legt für eine Verwendung von Waren des KN Codes 3824 9099 in den Art. 7 bis 9 i.V.m. Anhang I zur RL 2003/96/EG keinen Mindeststeuersatz fest, sodass das Produkt gemäß Art. 2 Abs. 3 UA 1 RL 2003/96/EG je nach Verwendung zu dem für einen gleichwertigen Heiz- oder Kraftstoff erhobenen Steuersatz zu besteuern wäre.

49

c. Diese nach Art. 2 Abs. 3 UA 1 RL 2003/96/EG anzustellende Betrachtung hat der EuGH mit seinem Urteil vom 3. April 2014 in den verbundenen Rechtssachen C-43/13 und C-44/13, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service, konkretisiert: Die Systematik der RL 2003/96/EG beruhe auf einer klaren Unterscheidung zwischen Kraft- und Heizstoffen, was in dem Urteil weiter ausgeführt wird. Diese aufgrund der Erwägungsgründe (17) und (18) der RL eingeführte Unterscheidung werde u. a. durch die Art. 7 bis 9 der RL 2003/96/EG umgesetzt, welche die Modalitäten für die Festlegung der Mindeststeuerbeträge für Heizstoffe auf der einen und für Erzeugnisse, die zu industriellen oder gewerblichen Zwecken als Kraftstoff verwendet würden, auf der anderen Seite beträfen. Durch eine Auslegung von Art. 2 Abs. 3 RL 2003/96/EG in der Weise, dass das Kriterium der Verwendung als Kraft- oder Heizstoff ausschlaggebend sei, ließen sich mögliche Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen Erzeugnissen mit demselben Verwendungszweck vermeiden. Es sei daher in einem ersten Schritt zu bestimmen, ob das fragliche Erzeugnis als Kraft- oder als Heizstoff verwendet werde.

50

Den Schlussanträgen in dem Verfahren ist weiter zu entnehmen, dass es für diese Prüfung darum gehe, ob ein bestimmtes, nicht in Anhang I der Richtlinie 2003/96/EG genanntes Energieerzeugnis für dieselben spezifischen Zwecke verwendet werde wie ein dort genanntes Erzeugnis und daher mit diesem in Wettbewerb trete (Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 12. Dezember 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-43/13 und C-44/13, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service, Rn. 48).

51

Danach, so führt der EuGH weiter aus, sei in einem zweiten Schritt festzustellen, welcher Kraft- oder Heizstoff dem Erzeugnis im Sinne dieser Vorschrift jeweils gleichwertig sei. Wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge festgestellt habe, müsse der Begriff "Gleichwertigkeit eines Produkts" so weit wie möglich unter dem Blickwinkel der Substituierbarkeit oder Austauschbarkeit der fraglichen Energieerzeugnisse ausgelegt werden. In den Ausgangsverfahren sei daher zu prüfen, ob eines der Produkte in Anhang I Tabelle C der Richtlinie 2003/96 als Ersatz für die genannten Energieerzeugnisse hätte verwendet werden können, um zu dem im vorliegenden Fall angestrebten Ergebnis zu gelangen. Auf diese Weise sei sichergestellt, dass zwei Erzeugnisse, die dieselbe Funktion erfüllten, in gleicher Höhe besteuert würden.

52

Sofern keine Substitution im Sinne der vorstehenden Randnummer möglich sei, sei im dritten Schritt jeweils der Kraft- oder der Heizstoff zu ermitteln, der nach seiner Beschaffenheit und seinem Verwendungszweck dem fraglichen Erzeugnis am nächsten stehe.

53

Der EuGH unterscheidet mithin im ersten Prüfungsschritt maßgeblich nach der Verwendung als Kraftstoff oder als Heizstoff. Die weiteren Prüfungsschritte finden sodann nur noch in der jeweiligen dieser Verwendung zugeordneten Tabelle des Anhangs I der RL 2003/96/EG statt. Der erkennende Senat macht sich diese Maßgaben zu eigen und wendet sie auf den vorliegenden Fall an.

54

d. Die konkrete Gleichwertigkeitsprüfung nach Art. 2 Abs. 3 UA 2 bezieht sich nur auf Produkte des Art. 7 i.V.m. Tabelle A des Anhangs I der RL 2003/96/EG, was, wie eingangs erwähnt, gleichermaßen für die Prüfung nach Art. 2 Abs. 3 UA 1 gilt. Das streitbefangene Produkt wurde unstreitig und zweifelsfrei als Kraftstoff für LKW abgegeben, eine Beschränkung auf deren Einsatz außerhalb öffentlicher Straßen (Art. 8 Abs. 2 lit. d) RL 2003/96/EG) ist nicht ersichtlich.

55

e. Die unionsrechtskonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG ist, anders als die Klägerin meint, zulässig. Der BFH hat judiziert, dass Art. 2 Abs. 4 EnergieStG auslegungsbedürftig und deshalb im Sinne der vorgenannten EuGH-Rechtsprechung unionsrechtskonform auszulegen sei. Dabei hat der BFH zwischen den Verwendungen als Kraft- bzw. Heizstoff unterschieden und nach der Feststellung der Verwendung als Heizstoff ausdrücklich unter Bezugnahme auf die EuGH-Rechtsprechung nur noch mit dem Verwendungszweck "Verheizen" anhand der Tabelle C des Anhangs I der RL 2003/96/EG weitergeprüft (so jedenfalls nach hiesigem Verständnis der BFH in dem Urteil vom 10. März 2015, VII R 5/11, BFH/NV 2015, 1043, juris Rn. 21f.; so auch Falkenberg in 360° Kommentar Energiesteuer § 2 EnergieStG bis 31.12.2017, Rn. 45, Stand 1. April 2016; Möhlenkamp in ZfZ 2015, 219; Fischer, ZfZ 2015, 301; a.A. wohl Soyk in Soyk EnergieStG/StromStG, § 2 EnergieStG Rn. 114b, Stand Januar 2019). Lasse sich danach kein Ersatzerzeugnis finden, sei in einem dritten Schritt zu prüfen, welchem in Tabelle C des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Heizstoff das im vorgenannten BFH-Verfahren streitbefangene Toluol nach seiner Beschaffenheit und seinem konkreten Verwendungszweck am nächsten stehe. Dass bei der Prüfung im dritten Schritt auch der allgemein übliche Verwendungszweck der in Anhang I RL 2003/96/EG aufgeführten Energieerzeugnisse eine Rolle spielen solle, lasse sich dem EuGH-Urteil nicht entnehmen (BFH, Urteil vom 10. März 2015, VII R 5/11, BFH/NV 2015, 1043, juris Rn. 21f.).

56

Der erkennende Senat wendet diese Rechtsprechung des EuGH und des BFH auf den vorliegenden Fall an; eine unionsrechtskonforme Auslegung im Sinne einer verwendungszweckbezogenen Eingrenzung des Ähnlichkeitsvergleichs ist nicht nur zulässig, sondern auch angezeigt (vgl. zum Meinungsstand betreffend die unionsrechtkonforme Auslegung nationalen Rechts, Neumann in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung (AO/FGO), § 4 AO, Rn. 35, Stand Februar 1997; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 240 ff., Stand Mai 2015).

57

Ebenso wenig spricht gegen die Zulässigkeit unionsrechtskonformer Auslegung die von der Klägerin in Bezug genommene Gesetzesbegründung zum Steuertarif des § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG vom 5. Juni 2002 (Beschlussempfehlung Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, BT Drs. 14/9265, S. 14). Zum einen ist vorliegend § 2 Abs. 4 EnergieStG unionsrechtskonform auszulegen. Zum anderen ging der Gesetzgeber für seine Einschätzung der Unionsrechtskonformität des Steuersatzes für schweres Heizöl nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG nicht von dessen Verwendung im Straßenverkehr, sondern für die Schifffahrt und in stationären Großmotoren aus. Mit der Begründung zur Novellierung des § 53a Abs. 5 EnergieStG (in der Fassung des Gesetzes vom 27. August 2017, BGBl I 3299) hat der Gesetzgeber sogar, worauf es aus vorgenannten Gründen aber nicht entscheidend ankommt, deutlich gemacht, dass der Kraftstoffsteuersatz für schweres Heizöl mittels Ähnlichkeitsprinzip zu ermitteln sei. Der Entlastungssatz für schweres Heizöl sei unionsrechtskonform anzupassen. Die Energiesteuerrichtlinie sehe für schweres Heizöl, das als Kraftstoff in einer begünstigten Anlage verwendet werde, keinen Mindeststeuersatz vor (so auch Glockner, 360° Kommentar, § 53a EnergieStG bis 31.12.2017, Rn. 2, Stand Dezember 2016; Soyk in Soyk EnergieStG/StromStG, § 2 EnergieStG, Rn. 40, 41, Stand Januar 2019; Milewski in Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG/StromStG, 2. Aufl. 2020, § 2 EnergieStG, Rn. 19). In solchen Fällen greife das Ähnlichkeitsprinzip, wonach Energieerzeugnisse zu dem Steuersatz versteuert würden, der für ein gleichwertiges Energieerzeugnis erhoben werde. Aus diesem Grund dürfe schweres Heizöl nur bis auf den EU-Mindeststeuersatz für Gasöl entlastet werden, der 21 € / 1.000 Liter betrage. Die bisherige Rechtslage habe dahingegen eine Entlastung bis auf den EU-Heizstoffmindeststeuersatz für schweres Heizöl vorgesehen, der 15 € / 1.000 Liter betrage (BT-Drs. 18/11493, S. 59; so auch Glockner in 360° Kommentar, § 53a EnergieStG bis 31.12.2017, Rn. 2, Stand Dezember 2016).

58

3. Das streitbefangene Produkt ist bei der Ähnlichkeitsbetrachtung wie ein als Kraftstoff verwendetes Gasöl im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) EnergieStG in unionsrechtskonformer Auslegung im Sinne des Art. 2 Abs. 3, Art. 7 i.V.m. Anhang I Tabelle A RL 2003/96/EG zu besteuern.

59

Wie bereits unter Ziffer 2. ausgeführt, kommen angesichts der Verwendung als Kraftstoff im Straßenverkehr nur die in Tabelle A des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Vergleichserzeugnisse in Betracht, also kein schweres Heizöl.

60

Nach diesen Maßgaben ähnelt das streitbefangene Produkt dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) EnergieStG zu besteuernden schwefelarmen Dieselkraftstoff.

61

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob das streitbefangene Produkt mit Gasöl im Sinne der Tabelle A des Anhangs I RL 2003/96/EG direkt substituiert werden kann, was die Prüfung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung im zweiten Schritt verlangen würde. Dies mag vor dem Hintergrund der typischen Verwendung in Dual Fuel Systemen zweifelhaft sein. Wie oben unter Ziffer 2.c. ausgeführt, ist jedenfalls im dritten Prüfungsschritt gemäß der EuGH- und BFH-Rechtsprechung jeweils der Kraftstoff zu ermitteln, der nach seiner Beschaffenheit und seinem Verwendungszweck dem streitbefangenen Erzeugnis am nächsten steht, sofern keine unmittelbare Substitution möglich ist.

62

Nach diesen Maßgaben steht Gasöl der KN-Codes 2710 1941 bis 1949 dem streitbefangenen Produkt von den in der Tabelle A des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Energieerzeugnissen am nächsten.

63

Bei der Bestimmung eines gleichwertigen Einsatzstoffs sind sowohl der konkrete Verwendungszweck und dessen Anforderungen an das verwendete Erzeugnis (zu erreichende Prozesstemperatur, geforderter Reinheitsgrad) als auch die Beschaffenheitsmerkmale wie z.B. der Aggregatzustand, der Siedebereich, das Verhältnis von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, die Viskosität, der Flammpunkt oder die Dichte der zu vergleichenden Erzeugnisse zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 10. März 2015, VII R 5/11, BFH/NV 2015, 1043; vgl. auch Milewski in Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG/StromStG, 2. Aufl. 2020, EnergieStG § 2, Rn. 48f.).

64

Im vorliegenden Fall ist zunächst maßgeblich auf den konkreten Verwendungszweck des streitbefangenen Produkts abzustellen, nämlich den Antrieb von LKWs, die in aller Regel mit Dieselkraftstoff betrieben werden. Das streitbefangene Produkt ähnelt dem Gasöl so erheblich, dass es nach einem Erhitzungsvorgang in Dieselaggregaten umgesetzt werden kann.

65

Im nächsten Schritt ist es mit den weiteren in Tabelle A des Anhangs I RL 2003/96/EG genannten Kraftstoffen zu vergleichen: Verbleites und unverbleites Benzin, Gasöl, Kerosin, Flüssiggas und Erdgas.

66

Gas scheidet angesichts seines unterschiedlichen Aggregatszustands als Vergleichserzeugnis aus.

67

Der Vergleich mit Benzin der KN-Unterposition 2710 11 kann für die Klägerin angesichts der gegenüber Gasöl höheren Steuersätze des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnergieStG keine im Sinne des Klagantrags günstige Auswirkung haben. Zudem stellt Benzin im Sinne der KN ein Leichtöl dar, dessen stoffliche Beschaffenheit große Unterschiede zu dem streitbefangenen Produkt aufweist, insbesondere hinsichtlich der viel niedrigeren Viskosität (ca. 0,53 mm²/s bei 20 °C), des viel leichteren Siede- und Destillationsverhaltens (Siedepunkt 30 bis 215 °C), der niedrigeren Dichte bei 15 °C (max. 775 kg/m³) und des viel niedrigeren Flammpunkts (< -35 °C) (GESTIS-Stoffdatenbank, Eintrag Ottokraftstoff).

68

Auch der Vergleich mit Kerosin der Unterpositionen 2710 1921 und 25 kann sich für die Klägerin angesichts der gegenüber Gasöl höheren Steuersätze des § 2 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG nicht günstig auswirken. Zudem ist Kerosin ein mittelschweres Öl im Sinne der KN, dessen stoffliche Beschaffenheit große Unterschiede zu dem streitbefangenen Produkt aufweist, insbesondere hinsichtlich der niedrigeren Viskosität (max. 8,5 mm²/s bei < 20 °C gemäß D. STAN 91-86 bzw. 1,1 bis 2,5 mm²/s bei 20 °C), des leichteren Siede- und Destillationsverhaltens (Siedepunkt 150 bis 300 °C), der niedrigeren Dichte bei 15 °C (max. 800 kg/m³), des niedrigeren Flammpunkts (> 38 °C).

69

Sowohl das von der Klägerin als Vergleichserzeugnis herangezogene schwere Heizöl der Unterpositionen 2710 1961 bis 1969 KN als auch das vom Zoll herangezogene Gasöl der Unterpositionen 2710 1941 bis 1949 sind dahingegen Schweröle im Sinne der KN.

70

Zwar besteht mit dem zwischen dem streitbefangenen Produkt und Gasöl unterschiedlich gelagerten Pourpoint ein nicht von der Hand zu weisender Unterschied der Produkte, der eine Vorerwärmungsanlage erforderlich macht. Schweres Heizöl ist jedoch kein geeignetes Vergleichserzeugnis (s.o., Ziffer 2.d.).

71

Gasöl ähnelt dem streitbefangenen Produkt im Hinblick auf seine Beschaffenheit stärker als Benzin oder Kerosin, insbesondere betreffend die höhere Viskosität (2 bis 4,5 mm² mm²/s bei 40°C lt. DIN 51628 und DIN EN 590: 1993), das schwergängigere Siede- und Destillationsverhalten (Siedepunkt 141 bis 462°C), die relativ hohe Dichte bei 15 °C (max. 910 kg kg/m³) und des relativ hohen Flammpunkts (> 56 °C).

72

Auch den Zusätzlichen Anmerkungen zu Kapitel 27 der KN, Ziffer 2., lässt sich im Hinblick auf das Siede- und Destillationsverhalten entnehmen, dass Gasöl insoweit schwergängiger als Benzin und Kerosin ist. Der Siedebereich des Kerosins reicht nach Rn. 83.1 ErlKN zu Unterposition 2710 1925 lediglich bis 247°C, wohingegen bei Gasöl gemäß der Zusätzlichen Anmerkung 2 lit. d) KN bis 250°C lediglich weniger als 65 RHT übergehen dürfen oder der Prozentsatz nicht zu ermitteln sein darf.

III.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

74

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alt. FGO zugelassen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen