Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 138/18

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Darlehen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 2014.

2

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen veranlagt.

3

In der Steuererklärung für 2014 machten die Kläger bei den Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte für die X-Straße als Werbungskosten u.a. Schuldzinsen in Höhe von ... € durch Zahlungen an die A KG geltend.

4

In der unpaginierten Akte "XX" des Beklagten findet sich ein Darlehensvertrag der Kläger mit der A KG (Darlehensgeber) datierend auf den 1. März 1999. Darin wurde vereinbart, dass die Darlehensgeberin den Darlehensnehmern ein Darlehen in Höhe von ... DM für die Restrukturierung des Grundstücks X-Straße gewährte. Das Darlehen war vom Tag der Auszahlung an mit 9% p.a. zu verzinsen.

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Mit Schreiben vom 18. März 2016 forderte der Beklagte im Rahmen der Veranlagung 2013 irrtümlich nochmals den Darlehensvertrag an. Mit Schreiben vom 25. Mai 2016 wies der Beklagte darauf hin, dass die stehengelassenen Zinsen den Darlehensbetrag erhöhten.

6

Mit Schreiben vom 3. August 2016 reichte die Klägerseite einen Darlehensvertrag datierend auf den 1. März 1999 ein. Der Vertrag enthielt - anders als der oben genannte Darlehensvertrag - in § 1 zusätzlich folgende Klausel:

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"Soweit die Zinsen gleich aus welchem Rechtsgrund nicht entrichtet werden, sind sie als gestundete Zinsen später vorrangig zu bedienen."

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Des Weiteren reichte die Klägerseite einen Aufhebungsvertrag des o.g. Darlehensvertrags datierend auf den 19. August 1999 und einen neuen Darlehensvertrag datierend auf den gleichen Tag über ... Euro ein. Darin war folgendes bestimmt:

"§ 1

9

[...] Soweit die Zinsen gleich aus welchem Rechtsgrund nicht entrichtet werden, sind sie als gestundete Zinsen später vorrangig zu bedienen. [...]"

§ 5

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"Die Beteiligten hatten im aufgehobenen Ursprungsvertrag vereinbart, dass die Zinsen monatlich nachträglich zu entrichten seien. Inzwischen hat sich ergeben, dass die Zinszahlung monatlich nicht regelmäßig von den Darlehensnehmern erbracht werden können. Daher erklärt sich die Darlehensgeberin bereit, dass die vereinbarten Zinsen bei gleichzeitigem Verzicht der Darlehensnehmer auf die Einrede der Verjährung, verzinslich gestundet werden sollen. [...]"

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Der Beklagte leitete daraufhin ein Strafverfahren ein, mit der Begründung, dass im Festsetzungsverfahren verschiedene Versionen des Darlehensvertrags datierend auf den 1. März 1999 eingereicht worden seien.

12

Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 15. August 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer fest und berücksichtigte dabei hinsichtlich der geltend gemachten Schuldzinsen nur einen Anteil vom ... €. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den übrigen Zahlungen um Tilgungen des Darlehens gehandelt habe, die nicht abziehbar seien.

13

Die Kläger legten mit Schreiben vom 14. September 2016 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 ein und machten geltend, dass auch hier die gesamten Zinsen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.

14

Am 9. Mai 2017 wurden der Arbeitsplatz des Klägers sowie seine Wohnräume durchsucht. Im weiteren Verlauf der Prüfung wurde Herr Dr. B (Geschäftsführer der Darlehensgeberin) am 19. Oktober 2017 als Zeuge vernommen. Insoweit wird Bezug genommen auf Bl. 7 ff. des Sonderbandes II zum Strafverfahren. Im Bericht über Steuerstraftaten vom 15. März 2018 kam das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg zu dem Ergebnis, dass der Kläger hinreichend verdächtig sei, zur Täuschung im Rechtsverkehr unechte Urkunden hergestellt und gebraucht zu haben und den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern zu verkürzen versucht zu haben. Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Bericht (...).

15

Die Kläger haben am 2. Juli 2018 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, die Zinsen seien vollständig als Werbungskosten abziehbar. Anderes gelte nur in Fällen, in denen bilanziert werde, dies sei hier aber nicht der Fall. Die am Darlehensvertrag beteiligten Personen hätten übereinstimmend auf Bestreben von Herrn Dr. B einen Satz des Vertrages geändert, um die Verjährungseinrede zu verhindern. Es sei ohne Belang, welcher Vertrag Grundlage sei, in jedem Fall seien die vollen Zinsen abzugsfähig. Der Darlehensgeber habe die Zinsen auch voll als Betriebseinnahme versteuern müssen.

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Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat am ... 2018 Anklage wegen Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung erhoben und u.a. geltend gemacht, in den ursprünglichen Darlehensvertrag sei ohne Genehmigung des Vertragspartners am 8. Juli 2015 der Passus "soweit die Zinsen gleich aus welchem Rechtsgrund nicht entrichtet werden, sind sie als gestundete Zinsen vorrangig zu bedienen" eingefügt worden. Des Weiteren sei eine Aufhebungsvereinbarung datierend vom 19. August 1999 eingereicht worden, die tatsächlich erst am 11. Juli 2016 erstellt worden sei und eine vermeintliche Neufassung des Darlehensvertrags vom 29. Oktober 1999, die tatsächlich erst am 26. Juli 2016 erstellt worden sei. Das Verfahren ist durch Beschluss vom ... 2019 nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung gegen Zahlung von ... € eingestellt worden.

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Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 15. August 2016 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusätzlich Werbungskosten in Höhe von ... Euro berücksichtigt werden.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung führt er aus: An der erfolgten Aufteilung in Zins und Tilgung sei festzuhalten. Zugrunde zu legen seien die ursprünglichen Verträge. Bei der Durchsuchung sei hingegen festgestellt worden, dass die Aufstellungen zur "Zinsstaffel" zeitnah hergestellt und fortgeführt worden seien. Bei diesen Aufzeichnungen habe es keine gesonderte Aufstellung über gestundete Zinsen gegeben. Die tatsächliche Handhabung über mehrere Jahre spreche dafür, dass dies auch den Vereinbarungen entsprochen habe.

20

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 13. Januar 2020 und der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2020 verwiesen.

...

21

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 10. August 2020 auf die Einzelrichterin übertragen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Entscheidung konnte durch die Einzelrichterin ergehen, da der Senat das Verfahren durch Beschluss vom 10. August 2020 auf die Einzelrichterin übertragen hat, vgl. § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

23

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

24

Die als Untätigkeitsklage, vgl. § 46 FGO, zulässige Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 ist in der Sache unbegründet. Denn der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 FGO.

25

Zu Recht hat der Beklagte für die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG)) beim Ansatz der Werbungkosten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) nur den Tilgungsanteil der Zinsen berücksichtigt. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt, dass Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind. Sie sind nach Satz 2 der Vorschrift bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG u.a. auch Schuldzinsen. Schuldzinsen im Sinne dieser Vorschrift sind alle einmaligen oder laufenden Leistungen in Geld oder Geldeswert, die der Steuerpflichtige für die Überlassung von Kapital an den Gläubiger zu entrichten hat (BFH, Urteil vom 9. Februar 1994, IX R 110/90, juris, Rn. 30 m.w.N.). Es kommt dabei nicht auf die Bezeichnung der Leistungen an, sondern darauf, ob die Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach zu den Schuldzinsen gehören. Bei einheitlicher Leistung von Zins und Tilgung muss der nicht abziehbare Tilgungsanteil ausgesondert werden (BFH, Urteil vom 9. Februar 1994, IX R 110/90, juris, Rn. 30; Schmidt, EStG, 39. Auflage 2020, § 9 Rn. 133). Abziehbar bei den Werbungskosten bleibt nur der in wiederkehrenden Zahlungen enthaltene Zinsanteil (BFH, Urteil vom 9. Februar 1994, IX R 110/90, juris, Rn. 31). Dies allein wird dem Charakter der Zahlungen als langfristig geschuldetes Entgelt im Rahmen einer Vermögensumschichtung gerecht (BFH, Urteil vom 9. Februar 1994, IX R 110/90, juris, Rn. 31 m.w.N.). Wenn Zinsen nicht zum Fälligkeitszeitpunkt an den Gläubiger gezahlt werden, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob sie im Interesse des Gläubigers dem Darlehen zugeschlagen werden oder "stehen gelassen" werden sollen.

26

Wenn Schuldzinsen und Tilgungsbeiträge einheitlich geleistet werden, was insbesondere bei Annuitäts- und Ratenkrediten der Fall ist, muss - wie erwähnt - der nicht abziehbare Tilgungsanteil ausgesondert werden (vgl. BFH, Urteil vom 26. September 1979, VI R 82/76, juris Rn. 13; Thürmer, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Kommentar, Stand: Mai 2020, § 9 EStG Rn. 206). Fehlt eine Vereinbarung über die Aufteilung in einen Zins- und einen Tilgungsanteil, kann der tatsächliche Zinsanteil in den gezahlten Raten nur mit der Zinsstaffelmethode festgestellt werden (BFH, Urteil vom 26. September 1979, VI R 82/76, juris, Rn. 13 m.w.N.).

27

Nach diesen Maßstäben müssen die im Jahr 2014 geleisteten Zahlungen in einen Zins- und einen Tilgungsanteil aufgeteilt werden und nur der Zinsanteil kann als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die aufgelaufenen Zinsen haben nach dem maßgeblichen Vertrag (1.) nachträglich den Darlehensbetrag erhöht (2.) und die Zahlungen in 2014 erfolgten zum Teil auf die Zinsen und zum Teil erfolgten sie als Tilgung (3.).

28

1. Vorliegend konnte die Klägerseite über mehrere Jahre das Darlehen nicht ausreichend bedienen. Die aufgelaufenen Zinsen haben zur Überzeugung des Gerichts nachträglich den Darlehensbetrag erhöht. Denn das Gericht ist überzeugt, dass der Darlehensvertrag, der sich in der Akte XX befindet, der tatsächlich abgeschlossene Vertrag ist, der auch so durchgeführt worden ist. Die mit Schreiben vom 3. August 2016 eingereichte Version des Darlehensvertrages vom 1. März 1999 und der Darlehensvertrag vom 29. Oktober 1999 - die eine Regelung zu nicht gezahlten fälligen Zinsen enthalten - können hingegen nicht berücksichtigt werden. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich um zwei erst nachträglich erstellte Verträge handelt.

29

So hat die Durchsuchung ergeben, dass die am 3. August 2016 eingereichten Darlehensverträge erst 2015/2016 - und damit lange nach 1999 - im Computer erzeugt worden sind. Auch der zeitliche Ablauf bestätigt das Ergebnis, dass es sich bei den nachträglich eingereichten Darlehensverträgen um eine Fälschung handelt. So wurde u.a. in der Begründung des Bescheides über die Einkommensteuer 2013 vom 10. März 2016 ausgeführt, dass die zu zahlenden Zinsen dem verbleibenden Darlehensbetrag hinzugerechnet würden. Es gebe hier keinen eigenen Zinstopf, dem nicht gezahlte Zinsen zugeschlagen würden. Mit Schreiben vom 18. März 2016 forderte der Beklagte dann noch den Darlehensvertrag an - dabei wurde übersehen, dass dieser schon vorlag. Die daraufhin eingereichten Darlehensverträge vom 1. März 1999 und vom 29. Oktober 1999 enthielten - anders als der bereits vorliegende - auf einmal eine weitere Klausel zur Stundung aufgelaufener Zinsen. Hinzu kommt, dass sich der Vertreter des Darlehensgebers, Herr Dr. B, bei seiner Vernehmung an eine Änderung des ursprünglichen Vertrages nicht erinnern konnte und vermutete, dass die erste Seite des Darlehensvertrags ausgetauscht worden sei.

30

2. Die aufgelaufenen Zinsen haben den Darlehensbetrag erhöht. Denn im Darlehensvertrag vom 1. März 1999 ist gerade nicht geregelt, dass nicht zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlte Zinsen "stehen gelassen" werden sollen. Eine solche Regelung wäre aber erforderlich gewesen, weil das maßgebliche Interesse des Darlehensgläubigers dahingeht, dass hinsichtlich nicht zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlter Zinsen ein erneutes Darlehen gegeben wird, d.h. dass die nicht gezahlten Zinsen selbst zum überlassenen Kapital werden. Bestätigt wird diese Auslegung durch die tatsächliche Durchführung der Darlehensvereinbarung. Aus dieser ergibt sich, dass die nicht gezahlten Zinsen dem Darlehen zugeschlagen werden sollten. So ist der beim Beklagten eingereichten Zinsstaffel des damaligen Steuerberaters zu entnehmen, dass die nicht bei Fälligkeit bedienten Zinsen dem Darlehen zugeschlagen wurden. Schließlich hat Herr Dr. B im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, dass bei den monatlichen Zahlungen auf das Darlehen die Zinsstaffelmethode angewandt worden sei.

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3. Als die Klägerseite im Jahr 2014 Rückzahlungen tätigte, die höher waren als die in diesem Jahr fälligen Zinsen, erfolgten diese Zahlungen damit notwendigerweise zum Teil auch auf die zuvor dem Darlehen zugeschlagenen Zinsen, so dass es sich insoweit um eine teilweise Tilgung des Darlehens handelte, die nicht als Werbungskosten absetzbar ist. Die von dem Beklagten vorgenommene Aufteilung des geleisteten Betrages von ... Euro in einen abziehbaren Zinsanteil in Höhe von ... Euro und einen nicht abziehbaren Tilgungsanteil in Höhe von ... Euro ist rechnerisch nicht zu beanstanden.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

33

IV. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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