Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 49/18

Tatbestand

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Die Klägerin meldete mit Zollanmeldung vom 12. Dezember 2016 als indirekte Vertreterin der I GmbH, X-Straße, ... B, (im Folgenden: I) unter Angabe der ... Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) der I und mit Hinweis auf die von dem türkischen Verkäufer P erstellte Handelsrechnung Nr. ... vom 28. November 2016 sowie unter der Lieferbedingung DDP 100 Dokumententaschen mit einem Zollwert von ... € beim Zollamt C zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42) an.

2

Der Beklagte setzte zunächst anmeldungsgemäß mit Einfuhrabgabenbescheid XXX-1 vom 12. Dezember 2016 (Befreiungsbescheid) wegen der Warenverkehrsbescheinigung keinen Zoll und wegen der innergemeinschaftlichen Lieferung auch keine Einfuhrumsatzsteuer fest. Der Bescheid ist an die Klägerin und "als Vertreter für (Rechnung)" die I gerichtet. Weiter heißt es, dass die Klägerin und die I gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet seien.

3

Am 19. Dezember 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass über die Taschen nach ihrer Überlassung umdisponiert worden sei. Anders als angemeldet, solle nicht die I, sondern ein anderer in A ansässiger gewerblicher Abnehmer die Taschen erhalten.

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Daraufhin setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid XXX-2 vom 31. Januar 2017 (Einfuhrumsatzsteuer-Bescheid) gegen die Klägerin auf der Grundlage von Art. 101, 105 Abs. 4 UZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG ... € Einfuhrumsatzsteuer fest. Da die Ware nachträglich zu einem anderen als dem angemeldeten Empfänger geliefert worden sei, lägen die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a UStG nicht vor. Danach sei die Angabe der USt-ID des Empfängers und dessen zuständigen Finanzamts im Bestimmungsmitgliedstaat erforderlich. Damit lägen die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vor und die nicht erhobene Einfuhrumsatzsteuer müsse im Namen des Anmelders erhoben werden.

5

Gegen den Einfuhrumsatzsteuer-Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein; dieser Bescheid ist Gegenstand der Klage 4 K 47/18. Im Einspruchsverfahren forderte der Beklagte von der Klägerin eine Verzollungsvollmacht an. Mit E-Mail vom xx. März 2017 legte die Klägerin dem Beklagten die Vollmacht zur Fiskalvertretung, die P ihr erteilt hatte, vor. Hieraus schloss der Beklagte, dass die Klägerin die Absicht gehabt habe, für P aufzutreten. Diesen Umstand teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom x. Juli 2017 mit. Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom x. Juli 2017 den Antrag auf Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass der von ihr indirekt Vertretene nicht I, sondern P sein solle.

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Mit Bescheid vom 28. September 2017, Ziff. II, lehnte der Beklagte den Änderungsantrag ab. Aus dem klaren Wortlaut von Art. 173 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 48 UZK ergebe sich, dass eine Änderung des Zollanmelders nicht möglich sei. Dies würde nicht nur eine bestehende Anmeldung inhaltlich ändern, sondern ein neues Schuldrechtsverhältnis zwischen der Zollverwaltung und einer anderen Person begründen, die dann Abgaben auf Waren entrichten müsste, die schon überlassen seien. Im Übrigen sei der Fall, dass die Angaben zur Person des Zollanmelders nicht zuträfen, bereits in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK geregelt. Danach gelte eine Person, die angebe, als Zollvertreter zu handeln, jedoch keine Vertretungsmacht besitze, als im eigenen Namen und eigener Verantwortung handelnd.

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Den hiergegen mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2018 (xxx), Ziff. 3, als unbegründet zurück.

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Mit der am 19. April 2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Änderungsbegehren weiter. Für Wareneinfuhren in die EU bediene sich P regelmäßig der Firmengruppe, zu der die Klägerin gehöre und die Verzollungsdienste in A und Deutschland anbiete. Auch im vorliegenden Fall habe die Klägerin die Verzollung übernehmen sollen. Sie habe sich von P eine Verzollungs- und Fiskalvertretungsvollmacht vom 9. Dezember 2016 beschafft, die als Anlage K 4 vorgelegt worden sei. Außerdem habe sie die Handelsrechnung und Warenverkehrsbescheinigung von P per Kurierdienst erhalten. Der Sachbearbeiterin der Klägerin sei ein Fehler unterlaufen, als sie als Auftraggeberin die I angegeben habe, obwohl offensichtlich sei, dass die Zollanmeldung für Rechnung von P abzugeben gewesen wäre. Dies ergebe sich daraus, dass Versender die türkische P gewesen sei, für die eine indirekte Stellvertretung - anders als für die unionsansässige I - gem. Art. 170 Abs. 2 UZK nötig gewesen sei. Die Incoterms hätten DDP gelautet und die I habe zum Zeitpunkt der Überlassung zum freien Verkehr keine Verfügungsmacht gehabt.

9

Anders als der Beklagte meine, lasse sich die Angabe von I als Auftraggeber der Klägerin in der Zollanmeldung durch Auslegung nach § 133, 157 BGB analog korrigieren.

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Jedenfalls bestehe ein Anspruch auf Korrektur der Zollanmeldung nach Art. 173 Abs. 3 UZK. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH C-608/10, C-10/11 und C-23/11 (Südzucker). Es handele sich offensichtlich um einen "dummen" Arbeitsfehler eines Zolldeklaranten.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28. September 2017, Ziff. II, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2018 (xxx), Ziff. 3, zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 12. Juli 2017 in der Zollanmeldung XXX-1 vom 12. Dezember 2016 die Angabe über die indirekt Vertretene von der I auf die P zu ändern.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Er beruft sich auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend führt er aus, dass die Änderung der Zollanmeldung keinen Einfluss auf die Person des Zollanmelders habe. Unabhängig davon, ob man die Klägerin als vollmachtlose indirekte Vertreterin der I oder als bevollmächtigte indirekte Vertreterin der P betrachten würde, wäre die Klägerin stets alleinige Zollanmelderin. Die begehrte Änderung der Zollanmeldung hätte jedoch Auswirkungen darauf, ob weitere Zollschuldner vorlägen. Da die Zollbehörden im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung wissen müssten, wer Zollschuldner sei, dürfe der Zollschuldner nicht beliebig ausgetauscht werden.

...

Entscheidungsgründe

I.

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Im Einverständnis der Beteiligten (...) ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, Abs. 4 FGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II.

16

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Ablehnung der Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass die Angabe der in indirekter Stellvertretung Vertretenen von der I auf die P geändert wird, ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil sie keinen Anspruch auf eine solche Änderung hat (§ 101 Satz 1 FGO). Zwar enthält die Zollanmeldung aus Sicht der Klägerin eine Unrichtigkeit, die nicht durch Auslegung der Zollanmeldung beseitigt werden kann (dazu 1.). Ein Anspruch auf Änderung der Zollanmeldung besteht jedoch weder nach Art. 173 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269, 1, Unionszollkodex - UZK) (dazu 2.) noch nach Art. 173 Abs. 3 UZK (dazu 3.).

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1. Die Zollanmeldung ist aus Sicht der Klägerin unrichtig, weil sie die P und nicht - wie in der Zollanmeldung angegeben - die I habe vertreten wollen. Diese Unrichtigkeit kann nicht im Wege der Auslegung beseitigt werden. Die Angabe in der Zollanmeldung, dass die Klägerin diese für Rechnung der I abgibt, ist nämlich eindeutig und daher nicht auslegungsfähig. Das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 26. Oktober 2010, 11 K 47/07, juris, Rn. 39 f.; insoweit bestätigt durch BFH VII R 77/10, juris, Rn. 15) führt zur Auslegungsfähigkeit von Zollanmeldungen, die über ATLAS erstellt wurden, auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des VC 42 aus:

18

Wird eine Zollanmeldung über das elektronische Datenverarbeitungssystem ATLAS abgegeben, liegt grundsätzlich eine eindeutige Willenserklärung vor, die in der Regel einer Auslegung nicht zugänglich ist. Denn bei Abgabe einer Zollanmeldung über dieses automatisierte System können die einzelnen Felder des nach Art. 62 Abs. 1 ZK amtlich vorgegebenen Vordrucks, des Einheitspapiers, nur über eine Eingabemaske ausgefüllt werden, die zwar je nachdem, welche Teilnehmersoftware verwendet wird, unterschiedlich aussehen kann, inhaltlich aufgrund des Zertifizierungsvorbehalts der Zollverwaltung jedoch nur bestimmte Eingaben zulässt. Im Bereich der Stellvertretung stehen dabei entweder die Begriffe "keine", "direkt", "indirekt" oder entsprechende, den Begriffen zugeordnete Kennziffern zur Verfügung, die lediglich alternativ auswählbar sind. Abweichende Eingabemöglichkeiten bestehen nicht. Die in dieser Weise abgegebene Erklärung ist demnach grundsätzlich eindeutig, anders als in den konventionell in Papierform abgegebenen Erklärungen, die häufig lediglich mit "i.A. u.V." (im Auftrag und Vertretung) unterschrieben waren, so dass manchmal weder der Vertretene noch die Art der Vertretung (direkt/indirekt) erkennbar war.

19

Die Wahl des Verfahrenscodes 4200 (Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG) führt vorliegend nicht automatisch dazu, dass die eindeutigen Angaben zum Vertretungsverhältnis als unklar und damit auslegungsfähig oder gar -bedürftig anzusehen wären. Zwar ist es zutreffend, dass einerseits der Kläger mangels Verfügungsgewalt über die Ware keine innergemeinschaftliche Lieferung durchführen konnte und andererseits sowohl der Versender als auch der Warenempfänger ohne Vorliegen eines Vertretungsverhältnisses nicht Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer werden konnten, so dass es aufgrund der gewählten Anmeldekonstellation in jedem Fall an der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG geforderten Identität des Einfuhrumsatzsteuerschuldners und des Lieferers mangelte. Aus der daraus resultierenden Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG folgt jedoch nicht, dass schon deshalb die Zollanmeldung in einem anderen Sinne ausgelegt werden müsste. Eine andere Rechtsansicht würde der Zollverwaltung eine Verpflichtung zur Prüfung jeder einzelnen Zollanmeldung in einem Umfang auferlegen, die mit Sinn und Zweck der die Zollanmeldung betreffenden Vorschriften unvereinbar ist. Schließlich dient die Vorgabe, Zollanmeldungen in der Regel auf einem amtlichen Vordruck abzugeben, der die vom Anmelder oder dessen Vertreter zu machenden Angaben in einer bestimmten, oft codierten Form vorschreibt, der leichteren Überprüfung durch die Zollbeamten, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob sämtliche, aufgrund der einschlägigen Vorschriften notwendigen Angaben in der Anmeldung enthalten sind. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Abfertigungsbeamten zur Überprüfung, ob die eindeutigen Erklärungen der Zollbeteiligten auch inhaltlich so gemeint sind wie sie erklärt wurden, würde dem mit dem vorgeschriebenen Vordruck verfolgten Ziel, auch in Massenverfahren - und um ein solches handelt es sich bei der Wareneinfuhr - eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, zuwider laufen (...).

20

Dieser rechtlichen Wertung schließt sich das erkennende Gericht auch für den UZK an. Nach Art. 162 UZK i.V.m. § 8a ZollV ist der indirekt Vertretene in ATLAS in dem dafür vorgesehenen Feld zu bezeichnen. Dies ist hier durch die Nennung der I in unzweideutiger Weise geschehen.

21

Selbst wenn die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nur wegen der falschen Angabe des indirekt Vertretenen nicht gewährt werden könnte - dies ist im Verfahren der Beteiligten 4 K 47/18 zu klären -, hätte der Beklagte aus den vom FG Baden-Württemberg dargelegten Gründen keine Pflicht zur Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der eindeutigen Angaben. Es ist nicht die Pflicht der Zollbehörden, sich über eindeutige Erklärungen des Zollanmelders hinwegzusetzen und unter Analyse der bei der Zollanmeldung codiert in Bezug genommenen Unterlagen eine Auslegung zu wählen, bei der die Voraussetzungen der beantragten Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer erfüllt werden können. Dies würde nicht nur die in Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a i.V.m. Unterabs. 3 UZK dem Zollvertreter übertragene Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung auf die Zollbehörde verlagern, sondern auch den in Art. 158 Abs. 1 UZK niedergelegten Anmeldegrundsatz in Frage stellen. Er gibt den Wirtschaftsbeteiligten nämlich das Recht, selbst zu entscheiden, wem gegenüber zollrechtliche Pflichten begründet werden sollen (vgl. Bender, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 158 UZK, Rn. 3, Stand: August 2020). Damit die P in den Genuss der einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Begünstigung kommen könnte, müsste nämlich der indirekt Vertretene ausgetauscht werden. Genau jener wird in der Zollanmeldung jedoch ausdrücklich benannt. Er wäre es auch, der als Zollschuldner nach Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK die Zollschuld für die angemeldeten Waren der Unterposition 4202 1110 KN zu tragen hätte, wenn die Voraussetzungen der Zollbefreiung nicht vorliegen sollten.

22

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass das FG Düsseldorf in seinem Vorlagebeschluss vom 9. Januar 2019 (4 K 1467/18 Z) in der Sache Pfeifer & Langen (C-97/19) nicht thematisiert, ob es möglich sein könnte, den Inhalt der dort in Rede stehenden Zollanmeldung, bei der der Vertretungswille nicht zum Ausdruck gekommen ist, durch Auslegung zu ermitteln, obwohl die dortige Zollanmeldung unschlüssig war.

23

2. Die begehrte Änderung der Zollanmeldung ist nicht nach Art. 173 Abs. 1 UZK möglich. Danach wird dem Anmelder auf seinen Antrag auch nach Annahme der Zollanmeldung gestattet, eine oder mehrere in der Zollanmeldung enthaltene Angaben zu ändern. Die Änderung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Zollanmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht. Diese Korrekturmöglichkeit besteht nach der ausdrücklichen Anordnung in Art. 173 Abs. 2 Buchst. c UZK nicht mehr, nachdem die Waren überlassen worden sind. Vorliegend wurden die Waren bereits im Dezember 2016 überlassen, der Änderungsantrag dagegen erst mit Schreiben vom x. Juli 2017 gestellt.

24

3. Die begehrte Änderung der Zollanmeldung ist auch nicht nach Art. 173 Abs. 3 UZK möglich. Danach kann die Änderung der Zollanmeldung auf Antrag des Anmelders innerhalb von drei Jahren nach der Annahme der Zollanmeldung auch nach Überlassung der Waren gestattet werden, damit der Anmelder seine Pflichten aus der Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren erfüllen kann. Unabhängig von der Frage, ob auf dieser Grundlage der Zollschuldner ausgetauscht werden kann (dazu a), ist die Änderung der Zollanmeldung durch Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK ausgeschlossen (dazu b). Schließlich stünden einer Änderung die Wertungen von Art. 19 UZK entgegen (dazu c).

25

a) Es ist fraglich, ob Art. 173 Abs. 3 UZK eine Änderung der Zollanmeldung, die den Austausch des Zollschuldners zur Folge hätte, tatbestandlich erfasst. Der indirekt Vertretene, dessen Austausch hier verlangt wird, wird zwar nicht Anmelder im Sinne von Art. 5 Nr. 15 UZK; dies wird nur, wer im eigenen Namen auftritt und der direkt Vertretene. Der indirekt Vertretene wird jedoch neben dem Anmelder (Art. 77 Abs. 3 S. 1 UZK) zum Zollschuldner der Einfuhrzollschuld (Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK).

26

Käme man zu dem Ergebnis, dass der Anmelder keine änderungsfähige Angabe in der Zollanmeldung wäre, spricht viel dafür, dass dasselbe für den Zollschuldner i.S.v. Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK gilt. Bei der Überlassung von Waren zum zollrechtlich freien Verkehr ist die Pflicht zur Begleichung der Einfuhrzollschuld von zentraler Bedeutung, und der indirekt Vertretene wird insoweit dem Anmelder gleichgestellt.

27

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Art. 173 Abs. 3 UZK die Änderung des ursprünglichen Anmelders ausschließt. Der Wortlaut der Vorschrift ist - wie Art. 78 Abs. 3 ZK - allgemein und offen formuliert. Die Norm enthält - anders als Art. 173 Abs. 1 S. 2 UZK - keine Beschränkung im Hinblick auf nicht änderbare Bestandteile der Zollanmeldung. Wenn man Art. 173 Abs. 3 UZK jedoch als Lex specialis zu Art. 173 Abs. 1 UZK nur im Hinblick auf den zulässigen Zeitpunkt des Änderungsantrags versteht - wovon unten (siehe b) ausgegangen wird -, würde sich die in Art. 173 Abs. 1 S. 2 UZK genannte Einschränkung der änderbaren Angaben auch auf Abs. 3 beziehen. Hieraus müsste man dann - wie bei Abs. 1 - den Umkehrschluss ziehen, dass andere Änderungen - also auch den Anmelder betreffende - gerade nicht ausgeschlossen sein sollen.

28

Neben dem Wortlaut sind jedoch auch der Kontext und die Ziele der Vorschriften zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020, Pfeifer & Langen, C-97/19, Rn. 34 m.w.N.). Der Zweck der Vorschrift kommt im Wortlaut von Art. 173 Abs. 3 UZK zum Ausdruck. Die Vorschrift soll es ermöglichen, dass der Anmelder seine Pflichten, die sich aus der Überlassung zu einem Zollverfahren ergeben, erfüllen kann. Daraus könnte man ableiten, dass der Anmelder selbst nicht ausgetauscht werden darf. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von Art. 78 Abs. 3 ZK, hinsichtlich dessen der EuGH mit Urteil vom 16. Juli 2020 (Pfeifer & Langen, C-97/19) festgestellt hat, dass unter bestimmten Umständen auch eine Änderung des Zollanmelders möglich ist. Allerdings könnte man den im zweiten Halbsatz von Art. 173 Abs. 3 UZK genannten Anmelder auch als den durch die Änderung ausgetauschten Anmelder verstehen. Letztlich kann dies jedoch offenbleiben.

29

b) Selbst wenn man nämlich unterstellt, dass die Bezeichnung des indirekt Vertretenen (= Zollschuldner gem. Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK) ein änderungsfähiger Umstand ist, wäre die Anwendung von Art. 173 Abs. 3 UZK im vorliegenden Fall gemäß Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK ausgeschlossen.

30

Aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 173 Abs. 2 und Abs. 3 UZK sowie dem Wortlaut von Art. 173 Abs. 3 UZK ("Die Änderung der Zollanmeldung kann [...] auch nach Überlassung der Waren gestattet werden [...]") wird deutlich, dass Art. 173 Abs. 3 UZK eine Ausnahme nur von Art. 173 Abs. 2 Buchst. c UZK darstellt. Letztere Norm verbietet die Änderung der Angaben in der Zollanmeldung nach der Überlassung der Waren. Daher gelten die Ausschlussgründe nach Art. 173 Abs. 2 Buchst. a und b UZK auch für einen Antrag auf Änderung der Zollanmeldung auf der Grundlage von Art. 173 Abs. 3 UZK (Deimel in Dorsch, Art. 173 UZK, Rn. 21, Stand: Okt. 2019; Henke in Witte, UZK, 7. Aufl. 2018, Art. 173 UZK, Rn. 17; Schoenfeld, in Krenzler/Herrmann/Niestedt, Art. 173 UZK, Rn. 38, Stand: Febr. 2018; Thaler, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 173 UZK, Rn. 39, Stand: Juli 2019).

31

Vorliegend ist der Ausschlussgrund des Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK erfüllt. Der Änderungsantrag wurde nämlich gestellt, nachdem die Zollbehörden festgestellt hatten, dass die Angaben in der Zollanmeldung unrichtig sind. Unrichtigkeiten sind - insoweit ist die Rechtsprechung zu Art. 78 Abs. 3 ZK zu übernehmen - alle rechtlichen und tatsächlichen Irrtümer und Unterlassungen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020, Pfeifer & Langen, C-97/19, Rn. 36 und 54 m.w.N.). Unerheblich ist, auf welche Weise die Zollbehörden Kenntnis erlangen (Thaler, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Art. 173 UZK, Rn. 34, Stand: Juli 2019). Hier hat die Klägerin mit E-Mail vom xx. März 2017 dem Beklagten die Vollmacht zur Fiskalvertretung, die P ihr erteilt hatte, übermittelt. Hieraus hat der Beklagte geschlossen, dass die Klägerin die Absicht gehabt habe, für P aufzutreten. Diesen Umstand teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom x. Juli 2017 mit. Erst daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom x. Juli 2017 den Antrag auf Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass der Vertretene ausgetauscht werde. Dem Beklagten war zu diesem Zeitpunkt die Unrichtigkeit der Zollanmeldung in Gestalt des klägerischen Irrtums hinsichtlich der Vertretenen, der Gegenstand des Änderungsantrags ist, bereits bekannt.

32

c) Selbst wenn man davon ausginge, dass Art. 173 Abs. 2 Buchst. b UZK der Anwendung von Art. 173 Abs. 3 UZK nicht entgegensteht, wäre der Beklagte trotz des grundsätzlich intendierten Ermessens (Schoenfeld, in Krenzler/Herrmann/Niestedt, Art. 173 UZK, Rn. 38, Stand: Febr. 2018) im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, die Zollanmeldung zu ändern.

33

aa) Genau wie bei Art. 78 Abs. 3 ZK die darin genannten sonstigen "erlassenen Vorschriften" bei der Ermessensausübung zu beachten sind (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2015, Veloserviss, C-427/14, Rn. 18), darf durch eine Korrektur der Zollanmeldung nach Art. 173 Abs. 3 UZK nicht eine Rechtsfolge herbeigeführt werden, die im Widerspruch zu anderen Vorschriften des Zollrechts steht. Dies ergibt sich aus dem Zweck von Art. 173 Abs. 3 UZK, dem Anmelder zu ermöglichen, seine Pflichten aus dem betreffenden Zollverfahren zu erfüllen. Es ist also danach zu fragen, ob andere zollrechtliche Vorschriften, die auf den zu ändernden Sachverhalt anwendbar sind, der beantragten Korrektur entgegenstehen (so bereits FG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 2020, 4 K 8/16, ZfZ 2020, 347, Rn. 21, unter Bezugnahme auf EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 26. März 2019, CEVA Freight Holland BV, C-249/18, Rn. 31 und EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010, Terex Equipment, C-430/08, C-431/08, Rn. 62). Nur in dem Umfang, in dem dies nicht der Fall ist, darf durch Art. 173 UZK das Zollverfahren auf die tatsächliche Situation abgestimmt werden (zu diesem Zweck von Art. 78 ZK: EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020, Pfeifer & Langen, C-97/19, Rn. 44).

34

Vorliegend würde die beantragte Änderung dazu führen, dass die von Art. 19 Abs. 1 UZK für den Sachverhalt, dessen Änderung begehrt wird, vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten würden. Die Klägerin begehrt die Änderung der Angabe, für wen sie die Zollanmeldung abgegeben hat. Abgegeben hat sie die Zollanmeldung als indirekte Vertreterin der I, von der sie nicht bevollmächtigt wurde. Gewollt sei es dagegen gewesen, sie im Namen der P abzugeben, von der sie bevollmächtigt gewesen sei. Die beantragte Änderung würde dazu führen, dass das auf den tatsächlichen Geschehensablauf anwendbare Offenkundigkeitsprinzip aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK nicht gelten und die von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK vorgesehene Rechtsfolge nicht eintreten würde.

35

Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK verlangt, dass die Vertretungsmacht bereits bei Abgabe der Zollanmeldung feststeht (zum insoweit inhaltsgleichen Art. 5 Abs. 4 ZK: EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 Pfeifer & Langen, C-97/19, Rn. 55). Dasselbe gilt für die Person des Vertretenen (Witte in Witte, UZK, 7. Auflage 2018, Art. 19 UZK, Rn. 9). Ließe man die Änderung des Vertretenen zu, stünde der Vertretene nicht bei Abgabe der Zollanmeldung endgültig fest.

36

Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK gilt eine Person, die angibt, dass sie als Zollvertreter handelt, jedoch keine Vertretungsmacht besitzt, als im eigenen Namen und in eigener Verantwortung handelnde Person. Anders als bei einer wirksamen indirekten Vertretung, bei der auch der Auftraggeber Zollschuldner wird (Art. 77 Abs. 3 S. 2 UZK), wird auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK nur der Vertreter ohne Vertretungsmacht - hier die Klägerin - zum Anmelder und damit zum Zollschuldner (Art. 77 Abs. 3 S. 1 UZK). Durch die begehrte Änderung der Zollanmeldung würde diese Rechtsfolge dahingehend abgeändert, dass neben der Klägerin auch die P zur Zollschuldnerin würde.

37

Der EuGH hat sich zu Art. 78 ZK ausdrücklich der Auffassung der Europäischen Kommission angeschlossen, dass durch die Änderung der Zollanmeldung nicht über Art. 5 Abs. 4 ZK und insbesondere das darin enthaltene Gebot der ausdrücklichen Offenlegung der Vertretungsmacht hinweggegangen werden dürfe (Rn. 56 der Entscheidung). Dieses Diktum gilt auch für den mit Art. 5 Abs. 4 ZK nahezu wortgleichen Art. 19 Abs. 1 UZK und erst recht für den gegenüber Art. 78 ZK enger gefassten Art. 173 Abs. 3 UZK.

38

bb) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu den Wertungen des EuGH im Verfahren Pfeifer & Langen. Für den Sachverhalt, um den es in jenem Verfahren ging, kam der EuGH nämlich zu dem Ergebnis, dass die in Art. 5 Abs. 4 ZK (Art. 19 Abs. 1 UZK) niedergelegten Grundsätze durch die Änderung der Zollanmeldung nicht verletzt würden. Der Zollanmeldung, die Pfeifer & Langen irrtümlich im eigenen Namen abgegeben hatte, war nämlich eine Vollmacht des Unternehmens, das sie vertreten wollte, beigefügt. Außerdem hatte die Zollbehörde die Einfuhrmenge von der Einfuhrlizenz des Vollmachtgebers abgeschrieben. Pfeifer & Langen hatte die Zollanmeldung daher "in Wirklichkeit also allein für Rechnung" des Vollmachtgebers eingereicht (Rn. 58 des EuGH-Urteils). Mit anderen Worten: Bei Abgabe der Zollanmeldung lagen - bis auf die fehlende Äußerung des Vertretungswillens - alle Voraussetzungen für die wirksame indirekte Vertretung vor und die Zollbehörde hat den Vorgang auch in diesem Sinne verstanden.

39

Im vorliegenden Fall war es dagegen nicht die einzig denkbare Möglichkeit, dass die Klägerin - entgegen ihren Angaben in der Zollanmeldung - die P vertreten wollte. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil - anders als im Fall Pfeifer & Langen - keine Vollmacht der angeblich vertretenen P vorlag. Letztlich war angesichts der Lieferbedingungen DDP und der indirekten Vertretung ein Fehler hinsichtlich der Angabe der Vertretenen zwar möglich, aber mangels Vorlage einer Vollmacht auch nicht zwingend anzunehmen. Anders als im Fall Pfeifer & Langen hat die Zollbehörde den Fall auch nicht tatsächlich so behandelt, wie er ohne den Irrtum des Anmelders zu behandeln gewesen wäre. Der Beklagte hat nämlich zunächst den Befreiungsbescheid gegenüber der Klägerin und I erlassen.

III.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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